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Leitfäden und Tipps
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Bildung für nachhaltige Entwicklung, Mensch-Umwelt-System und Transformationsforschung, Leitfäden, Projektarbeiten und Recherchen von Geographie

Arbeit von Prof. Dr. Andreas Keil.

Art: Leitfäden, Projektarbeiten und Recherchen

2019/2020

Hochgeladen am 10.04.2020

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Fachlichkeit in der Lehramtsausbildung der Bergischen Universität Wuppertal Fachprojekt Geographie
Andreas Keil
Bildung für nachhaltige Entwicklung, Mensch-Umwelt-System und Transformationsforschung
eine Abhandlung zur Fachlichkeit in der Lehramtsausbildung Geographie*
Prof. Dr. Andreas Keil
Bergische Universität Wuppertal
Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften
Institut für Geographie und Sachunterricht
Geographie und ihre Didaktik Schwerpunkt Sozialgeographie
*Diese Arbeit wurde über das Projekt „Fachdidaktik und Fachwissenschaften“ im Förderrahmen "Fachlichkeit in der Lehrerbildung " an der
Bergischen Universität Wuppertal mit Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert und wurde im März 2018 abgeschlossen und
vorgelegt.
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Fachlichkeit in der Lehramtsausbildung der Bergischen Universität Wuppertal – Fachprojekt Geographie

Andreas Keil

Bildung für nachhaltige Entwicklung, Mensch-Umwelt-System und Transformationsforschung –

eine Abhandlung zur Fachlichkeit in der Lehramtsausbildung Geographie*

Prof. Dr. Andreas Keil Bergische Universität Wuppertal Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften Institut für Geographie und Sachunterricht Geographie und ihre Didaktik – Schwerpunkt Sozialgeographie [email protected] *Diese Arbeit wurde über das Projekt „Fachdidaktik und Fachwissenschaften“ im Förderrahmen "Fachlichkeit in der Lehrerbildung" an der Bergischen Universität Wuppertal mit Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert und wurde im März 2018 abgeschlossen und vorgelegt.

Gliederung

2.3 Übergeordnete hochschulrelevante Erkenntnisse zu BNE – Bildungsverständnis und Bil- dungsforschung / Lehrkompetenzen / Transformative Bildung 52 2.3.1 Hintergründe – Bildungsverständnis und Bildungsforschung / Lehrkompetenzen / Transformative Bildung

  • 1 Einleitung……………………………………………………………………………………………………….. Kapitel Seite
  • 2 Theoretischer Begründungszusammenhang…………………………………………………….
    • 2.1 Gesellschaft-Umwelt-Forschung als dritte Säule der Geographie…………………………………….
      • 2.1.1 Mensch-Umwelt-System, BNE und Transformationsforschung in der Geographie………………………….
      • 2.1.2 Zusammenfassung – Schlussfolgerungen für das Projekt………………………………………………………………..
    • 2.2 Geographiedidaktik………………………………………………………………………………………………………..
      • 2.2.1 Geschichte / Entwicklungen / Forschung………………………………………………………………………………………..
      • 2.2.2 Fachdidaktik Geographie und BNE………………………………………………………………………………………………….
      • 2.2.3 Zusammenfassung – Schlussfolgerungen für das Projekt………………………………………………………………..
      • 2.3.2 Zusammenfassung – Schlussfolgerungen für das Projekt………………………………………………………………..
    • 2.4 Fachlichkeit in der Lehramtsausbildung Geographie……………………………………………………….
      • 2.4.1 Forschung und Hintergründe………………………………………………………………………………………………………….
      • 2.4.2 Fachlichkeit und BNE………………………………………………………………………………………………………………………
      • 2.4.3 Zusammenfassung – Schlussfolgerungen für das Projekt………………………………………………………………..
    • 2.5 Übergeordnete Schlussfolgerungen aus der theoretischen Analyse für das Projekt…………
  • 3 Explorative Studie………………………………….……………………………………………………….
    • 3.1 Vorgehensweise und Ergebnisse……………………………………………………………………………………..
    • 3.2 Schlussfolgerungen………………………………………………………………………………………………………….
  • 4 Analyse: Konzeption Fachlichkeit in der Geographielehramtsausbildung…………
    • 4.1 Konzeption Fachlichkeit in der Geographielehramtsausbildung……………………………………...
    • 4.2 Weiterentwicklung des Geographiecurriculums……………………………………………..…….….…….
    • 4.3 Weiter- und Neuentwicklung von Lehrveranstaltungen durch BNE-Fachlichkeit….………….
    • 4.4 Konzeption für ein BNE-Zertifikat……………………………………………………………………………………
    • 4.5 Neue Forschungsthemen………………………………………………………………………………………………..
    • 4.6 BNE-Fortbildungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer………………………………………………….
    • 4.7 Neue BNE-Kooperationen und Netzwerke………………………………………………………………………
  • 5 Ausblick………………………………………………………………………………………………………….
  • 6 Zusammenfassung…………………………………………………………………………………………. - Schlussbemerkung…………………………………………………………………………………………. - Literatur………………………………………………………………………………………………………… - Quellen………………………………………………………………………………………………………….

Danksagung Zu Beginn dieser Ausarbeitung sei ein großer Dank an die Bergische Universität Wuppertal und hier stellvertretend an Prof. Dr. U. Heinen, Prof. Dr. P. Imbusch und Dr. S. Görtz für die Ermöglichung der Bearbeitung und Durchführung dieses Projekts ausgesprochen. Durch die mir zu diesem Zweck groß- zügig eingeräumten Freiräume konnte eine vertiefte Beschäftigung mit aktuellen, relevanten Frage- stellungen der Geographiedidaktik und der Geographielehramtsausbildung gelingen. Der vorliegende Text ist als Hauptergebnis des von mir durchgeführten Projekts anzusehen und die hiermit dargestell- te geographische Fachlichkeitskonzeption soll grundlegend bei der zukünftigen Weiterentwicklung der Geographielehramtsausbildung an der Bergischen Universität Wuppertal berücksichtigt werden. Für die Unterstützung bei der redaktionellen Fertigstellung des vorliegenden Textes sei für zahlreiche wichtige Hinweise und die Überarbeitung des Literaturverzeichnisses der wiss. Mitarbeiterin Mira Schraven gedankt. Ein Dank ist auch an die Hilfskräfte Nina Heuke, Jonas Birke und Raphael Tomazin für die Bearbeitung der Abbildungen sowie an die Hilfskraft Nur Seyfi für eine erste Literaturrecher- che zu richten. Zudem wurde ich bei der Durchführung einer explorativen Studie und der entspre- chenden Ergebnisauswertung insbesondere durch den wiss. Mitarbeiter Nicolas Meintz sowie die studentischen Hilfskräfte Nina Heuke und Raphael Tomazin unterstützt, auch diese wichtigen Beiträ- ge seien an dieser Stelle dankend erwähnt.

_„Wir brauchen konzertierte Aktionen zur Förderung von Lerngesellschaften als Voraussetzungen für den kulturellen Wandel zu einer nachhaltigen Entwicklung. Dazu müssen Erkenntnisse und Methoden aus vielen Disziplinen zusammengebracht und darüber hinaus transdisziplinäre Ansätze verstärkt werden, in denen die unterschiedlichen „Kompetenzen“ gesellschaftlicher Akteure zum Tragen kom- men (s. bereits WBGU 1996). Der Bildung kommt im Programm der „Großen Transformation“ (WBGU

  1. in enger Verzahnung mit Forschung eine neue Rolle zu, die erst noch ausgearbeitet werden muss.“ (KRUSE 2013: 53)_

In der fachwissenschaftlichen Sozialgeographie ist ein konstruktivistisches Raumverständnis im Sinne von „Raum-Machen“ (vgl. WERLEN 2 016, 2000) prägend und bei der BNE kann die Gestaltungskompe- tenz (vgl. beispielsweise SCHRÜFER/SCHOCKEMÖHLE 2012 ) auch als eine besondere geographische Schlüsselkompetenz für die Behandlung von zukunftsfähigen Entwicklungen von lokalen, regionalen und globalen Raumzusammenhängen ausgemacht werden. Mit einer geographischen Fachlichkeit in der Lehramtsausbildung könnte der naheliegende Bezug dieser fachwissenschaftlichen und fachdi- daktischen Inhalte besonders fokussiert werden: Welches Raumverständnis liegt in der Geographie vor? Was sind Raumkonstruktionen? Welche Raumwahrnehmungen existieren in der Welt? Wie sind Räume zukünftig zu gestalten? Welche Kompetenzen benötigen Lehrende und Lernende in diesen Zusammenhängen? Mit solchen Fragen kann im Sinne einer lehrerinnen- und lehrerbildenden Fach- lichkeit nach HEINEN (2016) „ein Meta-Verständnis des Fachs, seiner Entwicklung, seiner Struktur, seiner Wissensbestände und seiner Methoden [… sowie; A. K.] das in ihm implizite oder explizite Bildungsverständnis und [… sein; A. K.] Bildungsanspruch“ (ebd.: 1) erschlossen werden, so dass es gilt, diese Hintergründe an Lehramtsstudierende zu vermitteln. „Das Umweltproblem“ (KLAFKI 1995: 12) ist als eines der „epochaltypischen Schlüsselprobleme“ (KLAFKI 1996: 58) als Inhalt des Geographieunterrichts anerkannt, so dass zur Beantwortung der Um- weltfragen der naturwissenschaftlichen physischen Geographie eine besondere Bedeutung zu- kommt, denn nur mit ihren Erkenntnissen sind Zusammenhänge der Umweltentwicklung zu verste- hen und kritisch zu bewerten. Auch in einem von Mensch und Gesellschaft geprägten Erdzeitalter (dem „Anthropozän“, vgl. EHLERS 2008 , JAHN/HUMMEL/SCHRAMM 2015 ) sind nicht nur menschliche Aktionen (z. B. Zerstörung der Umwelt) und Reaktionen (z. B. auf Naturkatastrophen/Entwicklung von Resilienz) wichtige Lehrinhalte, sondern es müssen auch physisch-geographische Grundlagen einbezogen werden (vgl. OTTO 2016 b). Doch es ist zu beobachten, dass in der Lehramtsausbildung wie in der Unterrichtspraxis die Bedeutung der physischen Geographie immer weiter zurückgeht, so dass deren Relevanz für die Lehramtsausbildung als Bestandteil einer das Mensch-Umwelt-System fokussierenden geographischen Fachlichkeit hervorzuheben ist. Für die mit dem vorliegenden Projekt in der Geographielehramtsausbildung anzustrebende Vertie- fung dieser wichtigen Zusammenhänge von BNE und Mensch-Umwelt-System gab es im Vorfeld wei- tere unterstützende Hinweise: Zum Beispiel bekam der Autor von mehreren Geographielehrerinnen und - lehrern (ehemalige Wuppertaler Studierende) die Rückmeldung, dass BNE in der Schulpraxis, wenn überhaupt, eine sehr untergeordnete Bedeutung hat. Auch wenn es sich hierbei nur um Einzel- beobachtungen handelt, betonten diese und weitere Geographielehrerinnen und - lehrer in vertie- fenden Gesprächen, dass auch der übergeordnete Bildungsauftrag des Fachs Geographie und der fachliche Kern der Geographie in der Schule nicht immer anschaulich zu erkennen und zu vermitteln ist. Dies wird auch damit begründet, dass einerseits die Fachlichkeit der Geographie nicht eindeutig benannt werden kann und dass andererseits das Fach in vielen Schulen als weniger bedeutend als andere Fächer eingestuft wird und somit dessen Fachlichkeit gar nicht gefragt ist. Insofern ist es für Standorte der Geographielehramtsausbildung besonders wichtig, ihren Absolventinnen und Absol- venten ein hintergründiges Verständnis des Fachs Geographie zu vermitteln und es ihnen als zukünf- tigen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für die Belange des Fachs mitzugeben. In der Folge der Bildungsreform gilt es, fachwissenschaftliche theoretische Hintergründe der Geographie (Basiskon- zepte und Modelle, s. beispielsweise DGFG 2017 a, WIKTORIN 20 14) ebenso wie fachdidaktische Kon- zeptionen und praxisorientierte Erfahrungen als Bestandteile der geographischen Fachlichkeit im Lehramtsstudium zu vermitteln. Als weiterer Hinweis für die Bedeutung von BNE und Mensch-Umwelt-System in der Geographielehr- amtsausbildung wurde die Diskussion um das „Postfaktische“ und die „Fake-News“ im Zusammen- hang mit dem US-Präsidentschaftswahlkampf bewertet, die im Jahr 2017 in der Kündigung des Pari-

ser Klimaschutzabkommens durch den US-Präsidenten gipfelte, da er den anthropogenen Einfluss auf den Klimawandel bezweifelt. Beispielhaft dokumentiert sich hierin, dass für eine themenadäquate Diskussion dieser Zusammenhänge für Studierende und Lehrinnen und Lehrer im Zeitalter der Kom- plexität Kenntnisse über Fakten, fachliche Hintergründe und Zusammenhänge von komplizierten Prozessen ebenso wichtig sind wie deren Bewertung im Sinne einer geographischen Fachlichkeit, die sich durch Erkenntnisse zum Mensch-Umwelt-System sowie Kompetenzen der BNE ergibt. In der Fachliteratur, die weiter unten umfassend einbezogen wird (s. Kap. 2), finden sich zahlreiche Ausführungen von Expertinnen und Experten, die als Hinweise zur Stärkung der Fachlichkeit der Geo- graphie in der Lehramtsausbildung im hier dargestellten Sinne verstanden werden können: Bereits 2004 nimmt KYBURZ-GRABER für eine „sozio-ökologische Umweltbildung […] die kritische Auseinander- setzung mit grundlegenden Fragen“ (ebd.: 83) vor, beispielsweise welches Wissen und welche Bil- dung für die Lehramtsausbildung in diesem Zusammenhang relevant ist (vgl. ebd.). Sie kommt zu dem Schluss, dass Lehramtsstudierende aktiv in den Prozess der Etablierung der BNE einbezogen werden sollten (vgl. ebd.: 89). REUSCHENBAUCH/SCHOCKEMÖHLE fordern „ein verstärktes Hineintragen des Themas [BNE; A. K.] in die Lehramtsausbildung“ (ebd. 2011: 6). Zudem wird in der aktuellen Fach- literatur zu BNE in der Lehramtsausbildung von Expertinnen und Experten betont, dass im Zusam- menhang mit BNE auch Forschung zur nachhaltigen Entwicklung eingebracht werden sollte. Hier hat der Ansatz der transdisziplinären Nachhaltigkeitsforschung eine besondere Bedeutung, da dieser eine Vernetzung von Wissenschaft und Gesellschaft ermöglicht, die als innovative Weiterentwicklung in die Lehramtsausbildung eingebunden werden kann (vgl. beispielsweise BARTH 2016a, SCHRÜ- FER/SCHOCKEMÖHLE 2012). Insofern greift der Autor auch aufgrund seiner besonderen Rolle als Fachdidaktiker und Fachwissen- schaftler die vorliegenden Argumente auf und strebt mit diesem Projekt an, die Bedeutung von BNE und Mensch-Umwelt-System sowie transdisziplinärer Transformationsforschung als wichtige Bau- steine einer Fachlichkeit der Lehramtsausbildung in der Geographie vertieft zu analysieren. Letztlich wird damit eine kontinuierliche curriculare Weiterentwicklung des Fachs Geographie an der Bergi- schen Universität Wuppertal angestrebt, die sich inhaltlich und zeitlich in der Folge dieses Projekts ab dem SoSe 18 sehr gut anbietet. Denn zum einen wurden mit der Einführung der Teilstudiengänge seit dem WS 11/12 bereits wichtige Aspekte berücksichtigt (z. B. ein Modul zum Mensch-Umwelt- System), die allerdings noch präzisiert und fachdidaktisch durch das Themenfeld BNE und fachwis- senschaftlich durch das Thema transdisziplinäre Transformationsforschung erweitert und zusammen in eine umfassende Konzeption eingebettet werden müssen. Zum anderen wurden durch die Beset- zung der Professur Allgemeine Geographie – Schwerpunkt Mensch-Umwelt-Forschung (Prof. Dr. Brit- ta Stumpe ab WS 15/16) ganz neue fachliche Möglichkeiten (insbesondere in der Physischen Geogra- phie) erschlossen, die in eine Überarbeitung des Curriculums einfließen und die im Sinne der genann- ten lehrerbildenden Fachlichkeit zukünftig mit einer optimierten Variante des Curriculums umgesetzt werden können. Diese Ausgestaltung und Weiterentwicklung des Curriculums des KombiBA Geographie und des MEd Geographie an der Bergischen Universität mit entsprechenden Begründungen zu „Konzepten, Me- thoden, Wissensbeständen und Strukturen“ des Fachs „in seiner Entwicklung, seinen Perspektiven, seinem Bildungsbegriff und Bildungsanspruch“ (HEINEN 2016 : 1 f.) stellt ein anzustrebendes Ergebnis des Projekts dar. Eine solche curriculare Umsetzung wird auf einem Konzept zur Fachlichkeit der Ge- ographie in der Lehramtsausbildung basieren, dessen Entwicklung als übergeordnete Zielsetzung mit dem Projekt angestrebt wird. Grundlegend für die Erstellung dieses Konzepts ist die Analyse der Ge- ographielehreramtsausbildung unter der folgenden Fragestellung: Wie können mit einem geographi- schen Lehramtsstudium die Zusammenhänge zwischen geographischem Mensch-Umwelt-System und fachdidaktischer Bildung für nachhaltige Entwicklung sowie die Erkenntnisse einer transdiszipli-

„Wichtig ist, auszuhalten, dass man nicht alle Informationen zu einem Thema haben kann. Und trotz- dem entscheidungsfähig ist. Das ist eine Grundbedingung für die Zukunft, ganz unabhängig davon, ob es um das Thema Nachhaltigkeit geht.“ (Gerhard DE HAAN, Wissenschaftlicher Berater des UNESCO- Weltaktionsprogramms BNE; www.bne-portal.de/de/einstieg/was-ist-bne )

2 Theoretischer Begründungszusammenhang Wie in der Einleitung dargelegt soll mit dem vorliegenden Projekt eine Konzeption für eine lehrerbil- dende Fachlichkeit der Geographie vorgelegt werden, denn mit BNE, Gesellschaft-Umwelt-Forschung und Transformationsforschung kann der „bildende Kern“ (HEINEN 2016: 1, s. o.) des Fachs Geographie in der Lehramtsausbildung fokussiert und vermittelt werden. Dementsprechend gilt es, die relevan- ten theoretischen Hintergründe zu erfassen. Hier wird zunächst auf den Bereich der Gesellschaft- Umwelt-Forschung als besondere fachwissenschaftliche Entwicklung der Geographie eingegangen und damit wird auch die spezifische Verbindung des Fachs Geographie zu den Themenfeldern Nach- haltige Entwicklung und Transformation erschlossen. Im zweiten Schritt werden dann die Entwick- lungslinien der Geographiedidaktik aufgezeigt und auf diese Weise wird deren besondere Verknüp- fung mit dem Konzept einer BNE begründet. Danach folgt eine Darstellung des Status quo der bil- dungs- und erziehungswissenschaftlichen Diskussion um BNE. Schließlich werden vorliegende Befun- de zur Fachlichkeit in der Lehramtsausbildung erfasst und im Zusammenhang mit der vorliegenden Fragestellung diskutiert. Mit diesem Kapitel soll also die in der Einleitung erschlossene Projektzielset- zung und - fragestellung („Wie können mit einem geographischen Lehramtsstudium die Zusammen- hänge zwischen geographischem Mensch-Umwelt-System und fachdidaktischer Bildung für nachhal- tige Entwicklung sowie die Erkenntnisse einer transdisziplinären Transformationsforschung erfasst werden?“) im Kontext der aktuellen theoretischen Fachdiskussionen bearbeitet und begründet wer- den. Fundiert durch zahlreiche Erkenntnisse diverser Disziplinen kann mit diesem Kapitel also umfas- send verdeutlicht werden, dass es im Jahr 2018, mehr als 25 Jahre nach der Weltkonferenz von Rio und der bereits damals ausdrücklich benannten Bedeutung von Bildung für nachhaltige Entwicklun- gen kein Widerspruch ist, aktuelle Entwicklungen der Lehramtsausbildung Geographie mit BNE zu verbinden, denn das Thema Nachhaltige Entwicklung ist im lokalen wie im globalen Maßstab auf- grund von massiven Problemlagen und zugleich grundlegenden Transformationsbemühungen nach wie vor sehr relevant und das Themenfeld BNE ist für das Fach Geographie in der Lehramtsausbil- dung von großer, womöglich sogar konstitutiver Bedeutung. 2.1 Gesellschaft-Umwelt-Forschung als dritte Säule der Geographie „Geographie ist einerseits eine sehr alte Wissenschaft, andererseits aber auch eine junge. Alt ist sie inso- fern, als elementare geographische Kenntnisse sicher schon in prähistorischer Zeit vorhanden waren und in der griechischen Antike erstmals die praktische Bedeutung geographischen Wissens der Karten- kunde zum Tragen kam. Auch der Begriff Geographie (Erdbeschreibung) stammt aus dem Griechischen. Jung hingegen ist die Geographie insofern, als sie – abgesehen von einigen wenigen Lehrstühlen – erst vor knapp 150 Jahren in den Kanon der Universitätsfächer aufgenommen wurde […]“ (GEBHARDT et al. 2011 a: 47). Dementsprechend hatte sowohl die alte und wegen ihrer zwar kurzen, aber sehr abwechslungsrei- chen Entwicklungszeit seit dem 19. Jahrhundert vor allem die neue Geographie eine entsprechend vielfältige Entwicklungsgeschichte, auf die hier allerdings nicht genauer eingegangen werden kann.^5 Es seien lediglich einige der Persönlichkeiten genannt, die als erste die neue Geographie prägten, beispielsweise Alexander von Humboldt (1769-1859), der auf seinen Forschungsreisen grundlegende Zusammenhänge erfasste, Carl Ritter (1779-1859) mit seinen geographischen Systematisierungen oder Ferdinand von Richthofen (1833-1905) und Friedrich Ratzel (1844-1904), die die Physische und (^5) Vgl. zur Geschichte der Geographie beispielsweise die Zusammenfassung von BLOTEVOGEL (201 1 ). Und unter der Überschrift „Grundlagen der geographischen Bildung“ geht MEYER (2011a) ausführlicher auf die „Gründergestalten der modernen Geographie“ (ebd.: 15) ein, also Alexander von Humboldt und Carl Ritter.

und Kultur ausgegangen werden. Hier lassen sich nach GEBHARDT et al. (2011a) für die geographische Gesellschaft-Umwelt-Forschung mit der Humanökologie, der Politischen Ökologie und der Resilienz- forschung drei neue Forschungsgebiete ausmachen: Die interdisziplinär ausgerichtete Humanökolo- gie hat im übergeordneten Sinne das Wirkungsgefüge zwischen Gesellschaft und Umwelt zum The- ma, die Politische Ökologie diskutiert insbesondere Umweltveränderungen und - konflikte und deren Folgen und die Resilienzforschung untersucht die Widerstandsfähigkeit von Gesellschaft-Umwelt- Systemen bei Systemstörungen (vgl. ebd.: 1079-1112). Als bedeutendes Gebiet der geographischen Gesellschaft-Umwelt-Forschung wird auch die Hazard- forschung (vgl. beispielsweise DIKAU/POHL 2011) genannt, also Forschungen zum gesellschaftlichen Umgang mit Naturrisiken und - gefahren, die letztlich mit ihrer wissenschaftlichen Analyse auch das Ziel verfolgt, Naturkatastrophen wie Erdbeben, Tsunamis, Lawinen, Überschwemmungen etc. „zu erfassen und zu verstehen, sowie Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um negative Folgen vermeiden oder zumindest mildern zu können“ (ebd.: 1115). Als besonders aktuell und relevant ist an dieser Stelle schließlich das Forschungsgebiet „Globaler Umweltwandel/Globalisierung/globale Ressourcen- knappheit“ (GEBHARDT et al. 2011a: 1171-1302) mit einer Vielzahl von Ausprägungen zu nennen. Un- ter dem Begriff globaler Umweltwandel bzw. „unter Global Change werden im Wesentlichen die glo- bale Bevölkerungsentwicklung sowie der Klimawandel, insbesondere die Temperaturerhöhung seit der Industrialisierung infolge der Zunahme der Treibhausgase, verstanden. Als weiterer Themen- komplex wird der Verlust der biologischen Vielfalt thematisiert, wobei vor allen Dingen die Degrada- tion und der Verlust an Ökosystemen im Vordergrund stehen. Eng damit verknüpft ist die Frage der Oberflächentransformation durch agrar- und forstwirtschaftliche Maßnahmen“ (GLASER/GEBHARDT 2011 : 1173).^9 Global Change-Zusammenhänge sind also vor allem durch menschliche Einflüsse auf natürliche Öko- systeme bedingt und werden von der geographischen Gesellschaft-Umwelt-Forschung untersucht, um Veränderungen der Systeme zu ermitteln und potenzielle bzw. notwendige Reaktionsmöglichkei- ten vorschlagen zu können. Hier hat sich zur Systematisierung der komplexen Wirkungsgefüge der Syndrom-Ansatz etabliert (vgl. WBGU 2001): „Die wichtigsten globalen Umweltprobleme lassen sich dabei zu 16 Syndromen, sogenannten Erdkrankheiten, zusammenfassen, in denen das gestörte Mensch-Umwelt-Verhältnis in besonders brisanter Weise zum Ausdruck kommt. Die dabei vermittel- te Grundthese besagt, dass an sich komplexe Umwelt- und Entwicklungsprobleme auf eine über- schaubare Anzahl von Umweltdegradationsmustern zurückgeführt werden können. Interaktionen zwischen Gesellschaft und Umwelt laufen in bestimmten Regionen sehr häufig nach typischen Mus- tern ab“ (GLASER/GEBHARDT 2011: 1174). Die Forschung um Global Change, Globalisierung und Res- sourcenknappheit dokumentiert, dass in einer globalisierten, nach Wachstum strebenden Weltge- sellschaft zunehmend Konflikte um knapper werdende Ressourcen (insbesondere Wasser, Öl, Holz) bestehen und dass mit der weiterhin rasant zunehmenden Erdbevölkerung und einem ebenso zu- nehmenden Ressourcenverbrauch entsprechende Wachstumsgrenzen erreicht werden. Dementspre- chende Berichte und politische Reaktionen seit den 1970er-Jahen waren grundlegend für eine neue Umweltpolitik und dann für eine auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtete Strategie, die schließlich auch zu einer BNE führte (s. u.). Diese umfassende Prägung natürlicher Ökosysteme durch den Menschen wird in der wissenschaftli- chen Diskussion auch dadurch dokumentiert, dass das Zeitalter seit Beginn der Industrialisierung (^9) Spezifischer werden in diesem Zusammenhang folgende „Hotspots und Tipping Points der globalen Umweltprobleme“ (GLASER/GEBHARDT:

  1. benannt und global verortet: „Biodiversity Hotspots, Water Scarcity Hotspots, Risky Hotspots of Catastrophic Tipping Points: Instabil- ity of Greenland Ice Shield, Instability of Methane Clathrates, Climate Change by Gulf Stream, Permafrost Methane Outburst, Tibetian Albedo Change, Indian Monson Transformation, ENSO Triggering, Southern Ocean Upwelling/Circumpolar Deep Water Formation, Antarc- tic Ozone Hole, Instability of West Antarctic Ice Shield, Collaps of Amazonian Forest, Salinity Valves, Bistability of Saharan Vegetation“ (ebd.: 1173).

(etwa ab 1800 ) als „Anthropozän“ bezeichnet wird (vgl. beispielsweise EHLERS 2008): „Der Mensch beginnt die Natur zu dominieren, zu manipulieren und zu zerstören. Und dieses in einem Ausmaß, das unvorstellbar ist. In nur 200 Jahren, d. h. in einer Zeitspanne von nur 0,0013 % der gesamten modernen Menschheitsgeschichte, hat es der sogenannte homo sapiens sapiens verstanden, seinen Lebensraum und seine natürliche Umwelt so zu verändern, dass „Natur“ […] nur noch in letzten Resi- duen existiert und selbst dort das Wirken des Menschen und seine Konsequenzen unübersehbar sind“ (ebd.: 229). Ein besonders aktuelles und global bedeutendes Thema des Anthropozäns mit vie- len übergeordneten und kleinteilig bzw. auch kleinräumig relevanten Fragestellungen für die Gesell- schaft-Umwelt-Forschung stellt der Klimawandel und seine Folgen dar: Welche Erklärungen für den Klimawandel sind verlässlich für weitere Entwicklungen zu berücksichtigen? Welche Folgen sind durch Klimaveränderungen zu erwarten? Welche Reaktionen sind notwendig? Welche politischen und gesellschaftlichen Diskurse entstehen in diesem Zusammenhang? Neben dem Klimawandel nen- nen GEBHARDT et al. (2011a) die Biodiversität und den Artenverlust, Ressourcenknappheit sowie Kon- flikte um Wälder, Wasser und Energie als weitere wichtige Themenfelder der geographischen Gesell- schaft-Umwelt-Forschung (vgl. ebd.: 1 198 - 1302). Nachdem die industrielle Revolution als Ausgangspunkt der großen Transformation des 19. und 20. Jahrhunderts angesehen werden kann (vgl. EHLERS 2008: 229ff.), lassen die Ergebnisse der Gesell- schaft-Umwelt-Forschung mit der von ihr benannten und analysierten Vielzahl von zukunftsrelevan- ten Problemlagen für das 21. Jahrhundert eine neue Transformation in Richtung nachhaltige Entwick- lung und Postwachstum erwarten. Diese Annahme einer grundlegenden Transformation im 21. Jahr- hundert wurde auch durch den UN-Nachhaltigkeitsgipfel vertreten, mit dem die Diskussion um nach- haltige Entwicklung im Jahr 2015 eine neue Zieldimension bekam (s. a. UN 2015), indem der mit dem früheren UN-Gipfel in Rio 1992 gestartete Prozess für eine globale nachhaltige Entwicklung mit dem Prozess der Millenniumsentwicklungsziele zu einer neuen Agenda 2030 vereinigt wurde, mit der wie- derum 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals (SDG))^10 verfolgt werden (vgl. BMUB 2017): „Zielsetzung der 2030-Agenda ist es, die globale Entwicklung sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltig zu gestalten und somit […] auch kommenden Generationen die Chance auf ein erfülltes Leben zu sichern“ (ebd.). Diese Hintergründe sollen mit dem vorliegenden Projekt auch für die Fachlichkeit der Wuppertaler Geographielehramtsausbildung prägend werden, denn die Erkenntnisse der geographischen Gesell- schaft-Umwelt-Forschung und die politisch-normativ angestrebten Ziele einer Nachhaltigen Entwick- lung (Agenda 2030) erschließen übergeordnet wichtige Zusammenhänge für die BNE. Sie stellen die Basis für fachliche Auseinandersetzungen mit dem Mensch-Umwelt-System dar, das in der Fachdi- daktik Geographie ein zentrales Basiskonzept darstellt. 2.1.1 Mensch-Umwelt-System, BNE und Transformationsforschung in der Geographie In Anknüpfung an die fachwissenschaftliche Forschung zum Gesellschaft-Umwelt-Zusammenhang wird das Mensch-Umwelt-System in der Geographiedidaktik als zentrales Basiskonzept des Geogra- phieunterrichts angesehen (s. Abb. 2 ). (^10) Die Zusammenhänge von BNE mit den SDG der Agenda 2030 werden weiter unten in Kap. 2.2.2 ausführlich behandelt.

scher/geowissenschaftlicher Phänomene und Prozesse ist gleichermaßen auf naturwissenschaftliche und gesellschafswissenschaftliche Grundlagen und Erkenntnisse angewiesen. Nur durch die Synthese natur- und gesellschaftswissenschaftlicher Aspekte/Perspektiven kann es im Geographieunterricht gelingen, den Besonderheiten integrativer Mensch-Umwelt-Systeme gerecht zu werden. Dies ist zu- gleich das zentrale Alleinstellungsmerkmal des Geographieunterrichts“ (ebd.: 19). MÖNTER diskutiert bereits 2011 diese Besonderheit des Geographieunterrichts, dokumentiert mit einer curricularen Auszählung die Bedeutung der Mensch-Umwelt-Fragestellungen und stellt entsprechende integrative Ansätze (Systemansatz, BNE, Syndromkonzept) für den Geographieunterricht dar. Die Erhebung von BETTE/SCHUBERT (2015) zur Bekanntheit von wichtigen geographischen Begriffen bei Schülerinnen und Schülern in NRW (N = 684, Klasse 9 oder höher) zeigt, dass der Begriff „Mensch-Umwelt“ nahezu allen Schülern bekannt ist und von ihnen als sehr bedeutend bewertet wird, was die Autoren als posi- tive Umsetzung der „bildungstheoretische[n; A. K.] Relevanz“ (ebd.: 39) des Mensch-Umwelt Kon- zepts bewerten. Sie weisen zudem auf den Zusammenhang zwischen dem Themenbereich Mensch- Umwelt-System und der Systemkompetenz von Schülerinnen und Schülern hin, wie ihn REMPFLER und UPHUES ( 2011 ) behandeln.^12 REMPFLER/UPHUES vertreten ein sozialökologisches Systemverständnis, mit dem „das Wirkungsgefüge Gesellschaft – Natur in seinem Gesamtzusammenhang als System betrach- tet wird“ (ebd. 2011: 4). Ihr Modell der geographischen Systemkompetenz beinhaltet folgende zent- ralen Merkmale: „Offenheit und Streben nach Gleichgewicht, Autopoiesis und Abgrenzung, Komple- xität, Nichtlinearität und Dynamik, Emergenz, selbstorganisierte Kritikalität, eingeschränkte Vorher- sagbarkeit und Regulation“ (ebd.: 5; vgl. auch REMPFLER/UPHUES 2010). Den Aspekt der Förderung von Systemkompetenzen (von Lehramtsstudierenden) greifen auch RIEß/SCHULER/HÖRSCH (2015)^13 auf. Sie gehen dabei auf die Komplexität der ökologischen und gesell- schaftlichen Systeme (insg. das Mensch-Umwelt-System; s. Abb. 3 ) ein und beziehen sich hiermit ausdrücklich auf die „Bedeutung des systemischen Denkens für die nachhaltige Entwicklung“ (ebd.:

  1. und betonen, dass die Systemkompetenz für die BNE von großer Bedeutung ist: Mit ihrem For- schungsprojekt zum Thema Systemdenken in komplexen fachlichen Zusammenhängen haben sie ein „Kompetenzstrukturmodell zum systemischen Denken“ (s. Abb. 4 ) als Basis für problemorientierte Seminare entwickelt (vgl. ebd.: 18f. und ROSENKRÄNZER et al. 2016: 111). (^12) S. auch RIEß/HÖRSCH/JAKOB (2013). Zur Messung der Systemkompetenz im Geographieunterricht vgl. MEHREN/REMPFLER et al. ( 2015 a). (^13) S. zu diesem Zusammenhang auch SCHULER/ROSENKRÄNZER et al. (2016) und ROSENKRÄNZER et al. (2016).

Abb. 3 : Wechselbeziehungen und Kopplungen zwischen gesellschaftlichen Systemen und natürlichen Systemen (aus RIEß/SCHULER/HÖRSCH 2015: 17; Abb. für vorliegende Schrift erstellt von N. Heuke) Mit derartigen Seminaren zu Problemen des Mensch-Umwelt-Systems (beispielsweise zum Thema Überfischung) kann das fachliche, systemische Denken der Studierenden gefördert werden. Im Sinne eines Lehrprofessionswissens soll mit dem Projekt von RIEß/SCHULER/HÖRSCH aber auch das entspre- chende fachdidaktische Wissen der zukünftigen Lehrer vermittelt werden, also wie „systemisches Denken bei Schülerinnen und Schülern durch eine geeignete Unterrichtsgestaltung zu initiieren und zu fördern ist“ (ebd. 2015 : 28). Die Ergebnisse der hierzu durchgeführten empirischen Studie liegen noch nicht veröffentlicht vor, doch die Aufsatzautoren zeigen bereits auf, dass sich im Zusammen- hang mit BNE Systemkompetenzen „mit geeigneten Methoden und Inhalten wirkungsvoll fördern“ (ebd.) lassen. Abb. 4 : Heuristisches Kompetenzmodell zum systemischen Denken (aus ROSENKRÄNZER et al. 2016: 111; Abb. für vorliegende Schrift erstellt von N. Heuke)

konzeptionen der Geographie und der Geographiedidaktik (Containerraum, Raum als System von Lagebeziehungen, Wahrnehmungsraum, Konstruierter Raum, vgl. WARDENGA 2002), auf Problemori- entierung, Vielperspektivität, Relationalität und Transdisziplinarität und auch Pragmatismus ein und betont die Notwendigkeit eines „reflektierten und kundigen Umgang[s; A. K.] mit komplexen Phäno- menen“ (SCHLOTTMANN 2015: 116) des Mensch-Umwelt-Systems. In diesem Zusammenhang weist sie auf RHODE-JÜCHTERN 2009 hin, der Luhmanns Systemtheorie zur Reduzierung von komplexen Themen nutzt, indem er beispielsweise für die Behandlung des Themas Klimawandel mit Schülerinnen und Schülern die Beobachtung der Debatte über den Klimawandel als „kleine Erzählung“ über „die „große Erzählung“ vom Klimawandel“ darstellt (ebd.: 103 - 108 , Hinweis in SCHLOTTMANN 2015: 113)^15. Wegen dieser sehr umfassenden Problem- und Fragestellungen, die in der Geographie im Zusam- menhang mit Mensch-Umwelt-Systembeziehungen (beispielsweise zum Globalen Wandel) themati- siert werden, ist für die Geographiedidaktik der „Umgang mit Komplexität“ ein relevantes Thema. Beispielsweise hat OHL (2013 und MEHREN/MEHREN/OHL/RESENBERGER 2015 ) diese besondere Heraus- forderung für den Geographieunterricht vertieft behandelt: „Die Behandlung wichtiger Herausforde- rungen des 21. Jahrhunderts im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung und des Globalen Ler- nens verleiht dem modernen Geographieunterricht gesellschaftliche Bedeutung – und wirft aus di- daktisch-methodischer Sicht zugleich die Frage nach einer angemessenen Behandlung auf. Denn die Themen sind durch teils äußerst komplexe Zusammenhänge gekennzeichnet, zudem herrschen in der wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion oft sehr kontroverse Auffassungen“ (ebd. 2013: 4).^16 Abb. 6 : Komplexität und Kontroversität als Merkmale zahlreicher Themen des Geographieunterrichts (aus OHL 2013: 5; Abb. für vorliegende Schrift erstellt von N. Heuke) (^15) Zur Systemtheorie Luhmanns in der Geographiedidaktik siehe beispielsweise auch KRÖSCH ( 2009 ). (^16) Auch FÖGELE (2015) behandelt die Umsetzung von Nachhaltigkeitsthemen für den Geographieunterricht im Sinne des Umgangs mit Komplexität, indem er das Nachhaltigkeitskonzept als ein wichtiges Basiskonzept der Geographiedidaktik ausweist und dann aufzeigt, dass damit „geographisches Denken zum Umgang mit komplexen Problemen“ (ebd.: 15f.) gefördert werden kann.

OHL (2013) zeigt für geographisch relevante Themen mit Bezug zu BNE und dem Mensch-Umwelt- System auf, dass diese durch „eine Vielfalt und Vernetzung zahlreicher Einflussgrößen gekennzeich- net“ (ebd.: 5) sind und sie spricht deren „doppelte Komplexität“ (ebd.: 6) an. Damit hebt sie zum einen die ausgeprägte fachliche Komplexität dieser Themen und zum anderen deren schwierige ethi- sche Bewertung (s. Abb. 6 ) hervor.^17 Dementsprechend empfiehlt sie eine sach- und wertorientierte Bearbeitung dieser komplexen The- men und stellt eine Reihe von wichtigen Prinzipien dar (s. Abb. 7 ), mit denen bei Schülerinnen und Schülern die Einsicht vermittelt werden kann, „dass unterschiedliche fachliche Grundannahmen und unterschiedliche moralische Positionen zu unterschiedlichen Ergebnissen und Handlungen führen“ (ebd.: 6). Abb. 7 : Prinzipien im Umgang mit komplexen und kontroversen Themen (aus OHL 2013: 6; Abb. für vor- liegende Schrift erstellt von N. Heuke) Verkürzt bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass komplexe, politisch ungelöste Probleme in der Schule oder Universität durchaus als solche behandelt werden sollten und dass dem einzelnen Ler- nenden bei globalen Problemen zur nachhaltigen Entwicklung keine persönliche Lösungsverantwor- tung zukommt: „Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen können im Geographieunterricht nicht gelöst werden. Sie können jedoch – gerade auch aufgrund ihrer faktischen und ethischen Kom- plexität – zu äußerst gewinnbringenden Gegenständen geographischer Bildung werden“ (MEH- REN/MEHREN/OHL/RESENBERGER 2015: 10). Diese Komplexität der Fragestellungen zum Mensch-Umwelt-System und zu einer Nachhaltigen Ent- wicklung ist, zumindest in normativ vorgegebenen politischen Aussagen, als Besonderheit des Fachs Geographie dokumentiert. Wie weiter oben schon erwähnt wird von der Geographielehramtsausbil- (^17) Vgl. in diesem Zusammenhang auch BÖGEHOLZ/BARKMANN ( 2005 ).