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Leitfäden und Tipps
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Deutsch: Aufgaben mit drei Themenpakete | Matura Jänner 2019, Abiturprüfungen von Deutsch

Deutsch Matura Jänner 2019: drei Themenpakete (Literatur – Kunst – Kultur, Das Fremde und das Eigene, Umgang mit Lebensmitteln) und Aufgaben zum Textinterpretation, Kommentar/Meinungsrede/Zusammenfassung/Erörterung/Brief schreiben

Art: Abiturprüfungen

2019/2020

Hochgeladen am 06.07.2020

Andrea_Manowski
Andrea_Manowski 🇩🇪

4.6

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Lass dir nichts Wichtiges entgehen!

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9. Jänner 2019
Deutsch
Standardisierte kompetenzorientierte schriftliche
Reifeprüfung / Reife- und Diplomprüfung / Berufsreifeprüfung
Name:
Klasse/Jahrgang:
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9. Jänner 2019

Deutsch

Standardisierte kompetenzorientierte schriftliche

Reifeprüfung / Reife- und Diplomprüfung / Berufsreifeprüfung

Name:

Klasse/Jahrgang:

Hinweise zur Aufgabenbearbeitung

Sehr geehrte Kandidatin! Sehr geehrter Kandidat!

Ihnen werden im Rahmen dieser Klausur insgesamt drei Themenpakete mit je zwei Aufgaben

vorgelegt. Wählen Sie eines der drei Themenpakete und bearbeiten Sie beide Aufgaben zum

gewählten Thema.

Themenpakete Aufgaben

1. Literatur – Kunst – Kultur

Peter Altenberg: Verdienen

Herbert J. Wimmer: bankomat

Textinterpretation (540 – 660 Wörter)

2 Textbeilagen (Kurzprosatexte)

Wozu Literatur?

Kommentar (270 – 330 Wörter)

1 Textbeilage (Bericht)

2. Das Fremde und das Eigene

Heimat

Meinungsrede (540 – 660 Wörter)

1 Textbeilage (Zeitschriftenartikel)

Asyl

Zusammenfassung (270 – 330 Wörter)

1 Textbeilage (Zeitschriftenartikel)

3. Umgang mit Lebensmitteln

Fleisch essen?

Erörterung (540 – 660 Wörter)

2 Textbeilagen (Buchbeiträge)

Lebensmittel aus dem Müll

Leserbrief (270 – 330 Wörter)

1 Textbeilage (Interview)

Ihnen stehen dafür 300 Minuten an Arbeitszeit zur Verfügung.

Die Aufgaben sind unabhängig voneinander bearbeitbar.

Verwenden Sie einen nicht radierbaren, blau oder schwarz schreibenden Stift.

Verwenden Sie ausschließlich die Ihnen zur Verfügung gestellten Blätter. In die Beurteilung wird alles

einbezogen, was auf den Blättern steht und nicht durchgestrichen ist. Streichen Sie Notizen auf

den Blättern durch.

Schreiben Sie auf jedes Blatt Ihren Namen und die fortlaufende Seitenzahl. Geben Sie die Nummer

des gewählten Themenpaketes und den jeweiligen Aufgabentitel an.

Falls Sie mit dem Computer arbeiten, richten Sie vor Beginn eine Kopfzeile ein, in der Ihr Name und

die Seitenzahl stehen.

Als Hilfsmittel dürfen Sie ein (elektronisches) Wörterbuch verwenden. Die Verwendung von (ge-

druckten und online verfügbaren) Enzyklopädien oder elektronischen Informationsquellen ist nicht

erlaubt.

Abzugeben sind das Aufgabenheft und alle von Ihnen verwendeten Blätter.

Ihre Arbeit wird nach folgenden Kriterien beurteilt:

■ (^) Inhalt ■ (^) Textstruktur ■ (^) Stil und Ausdruck ■ (^) normative Sprachrichtigkeit

Viel Erfolg!

Es gibt so viele, so unzählige, wirklich aber nicht mehr zählbare Menschen, die wol-

len nur verdienen, verdienen, verdienen. Der Taumel hat sie erfaßt; der Andere,

mein Lieber, verdient auch, und besser als Du. Das läßt Du Dir also bieten?! Aber

wofür, wofür er dem Verdienste nachrennt?! Will er in die „Oper“ dafür zu Richard

Wagner?! Oder zur Sommerszeit ins „Gesäuse“? Oder besondere Bücher, ja nur beson-

dere ihm genehme Taschentücher?! Oder, nein darüber wollen wir nicht sprechen,

obzwar es möglich wäre, Gott, die Frauenwelt!? Nein, er will verdienen , weshalb,

weil Andere verdienen. Aber nein, das „Verdienen“ , dieses nichtssagendste, inhalts-

loseste Wort allein reizt ihn. Verdienen! Wofür?! Um zu „verdienen“. Und dann?!

Dann wieder und noch. Bis man tot ist. Eine Pflicht, die man sich selbst aufgebürdet

hat. Willst Du Dir nicht, Verdiener, schließlich an dem Wolfgang-See ein Nestchen

bauen, ein Motor-Boot, Fremdenzimmerchen für Erlesene, der romantischen Natur

Dich edel-weise hingebend für Deine letzten 20 Jahre?! Nein, er will nicht. Er will

verdienen! Ruhe-los! Verdienen!

Aufgabe 1 / Textbeilage 1

Hinweis: Die Rechtschreibung des Originaltextes wurde beibehalten.

Peter Altenberg: Verdienen (1919)

5

10

Quelle: Altenberg, Peter: Verdienen. In: Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin: S. Fischer 1919, S. 130.

INFOBOX

Peter Altenberg (1859 – 1919): Pseudonym für Richard Engländer, österreichischer Autor

Gesäuse: Teil der österreichischen Alpen

eilen durchs geschiebe der metropole, ein hasten zur spe-

ziellen mauerfalte. entschlossen wird das magnetisierte

plastik in den passenden schlitz gedrückt, rasch ist eine

zahlenfolge eingetippt, schon sieht jemand bargeld

lachen.

da lacht das objekt, höhnisch und langanhaltend,

mit zusammengepresstem ausgabeschlitz, eine auster,

aus der die austeritylache pfeift, die den armen schlucker

weglacht, ihm nachdröhnt durch die strasse.

Aufgabe 1 / Textbeilage 2

Hinweis: Die Rechtschreibung des Originaltextes wurde beibehalten.

Herbert J. Wimmer: bankomat (2007)

5

Quelle: Wimmer, Herbert J.: bankomat. In: Wimmer, Herbert J.: Nervenlauf. Die Tücke der Objekte. Wien: Sonderzahl 2007, S. 82.

INFOBOX

Herbert J. Wimmer (geb. 1951): österreichischer Autor

Eine erste Fassung dieses Textes erschien bereits 1990.

austerity: staatliche Haushaltspolitik, die auf Sparmaßnahmen setzt, um Schulden abzubauen bzw. zu begrenzen

Von Eva Obermüller

Lesend die Welt entdecken Lesen verschafft uns Zugang zur Welt, und zwar im direkten wie im weiteren Sinn. Direkt bedeutet: Informationen werden dadurch zugänglich und wir können uns Wissen aneignen – der Haupt- grund, warum die Lesekompe- tenz in der Bildungsdebatte eine derart zentrale Rolle spielt. Lesen zu können, erhöht ganz eindeutig die Chancen für ein erfolgreiches Leben. Aber Lesen kann noch mehr, es kann helfen, die Welt und die Menschen besser zu verstehen.

In besonderem Maße vermag dies laut den Forschern David C. Kidd und Emanuele Castano von der New School of Social Research in New York die Literatur. Sie zwingt uns, sich in Charaktere hineinzu- versetzen und dabei unsere Ähn- lichkeiten bzw. Andersartigkeit zu entdecken. Das gilt den Auto- ren zufolge aber nicht für alle fik- tiven Texte in gleicher Weise. Einfach gestrickte Krimis oder Trivialromane verwenden meist Stereotype und verlaufen mehr oder weniger erwartbar. Da gebe es nicht viel zu lernen.

Ganz anders verhalte sich das bei sogenannter anspruchsvoller

Literatur, denn sie fordert den Leser. Weder erfüllt sie seine Erwartungen noch bestätigt sie vorgefasste Meinungen. Der- artige Bücher lassen sich nicht einfach passiv konsumieren, der Leser muss Lücken füllen, ver- steckte Bedeutungen suchen und oft unterschiedlichste Perspekti- ven einnehmen. Gehobene Lite- ratur ähnelt den Autoren zufolge dem Leben weitaus mehr, als Kitschromane und Thriller dies tun: Die Figuren sind häufig komplex, widersprüchlich und unvorhersehbar, genauso wie das Beziehungsgeflecht, in dem sie sich befinden – so gesehen ist sie ein ideales und gleichzeitig unge- fährliches Trainingsfeld, um mehr über die Welt und die Menschen in ihr zu erfahren.

Andere besser verstehen Laut den Forschern sollte dieses Training im echten Leben mess- bare Folgen haben. Genau das haben sie nun in mehreren Expe- rimenten überprüft. Die Pro- banden mussten vorerst Auszüge aus unterschiedlichen Textsorten lesen, gehobene literarische Texte, einfache fiktive Texte und reine Sachtexte.

Einzuordnen, was zur Literatur zählt und was nicht, ist allerdings

nicht ganz einfach, wie die Auto- ren einräumen. Literarische Qua- lität sei nun mal keine messbare Größe, die Übergänge fließend. [...]

Die sozialen Fähigkeiten der Pro- banden wurden im Anschluss an die Lektüre mit anerkann- ten psychologischen Tests einge- stuft. Bei einem davon mussten sie beispielsweise auf Schwarz- Weiß-Fotografien Emotionen von den Augen der Abgebil- deten ablesen, bei einem ande- ren auf Basis kleiner sprachlicher und optischer Hinweise Rück- schlüsse auf die Gedanken und Gefühle eines Charakters zie- hen. Bei allen der insgesamt fünf Testreihen schnitten die Teil- nehmer aus der Literaturgruppe besser ab. Der statistische Effekt blieb auch erhalten, wenn Fak- toren wie Alter, Geschlecht, Bil- dung und persönliche Einstellun- gen berücksichtigt wurden.

Die hier gemessenen Effekte sind zwar sehr kurzfristig, dennoch sind sie den Autoren zufolge ein klarer Hinweis darauf, dass die Ausein- andersetzung mit anspruchsvol- ler Literatur dazu beiträgt, sich besser in andere reinversetzen zu können. Die Ergebnisse seien jedenfalls ein weiteres Argument

Aufgabe 2 / Textbeilage 1

Psychologie

Literatur nützt im echten Leben

Lesen ist wichtig, unter anderem, weil es uns hilft, die Welt und die Menschen besser zu verstehen. Besonders nützlich sind in dieser Hinsicht literarische Werke. Sie verbessern Forschern zufolge unsere sozialen Fähigkeiten mehr als Sachbücher oder Trivialromane.

Quelle: http://science.orf.at/stories/1725948/ [30.11.2018].

dafür, dass Literatur sowie Kunst im Allgemeinen ein fixer Bestandteil des Bildungskanons

bleiben muss – ein Umstand, der zumindest in vielen US-Bundes- staaten seit kurzem nicht mehr

selbstverständlich ist. Langfristig würden darunter auch die sozia- len Fähigkeiten leiden. (^) n

Aufgabe 1 / Textbeilage 1

Von Elisabeth Turek

Das Wort Heimat leitet sich vom althochdeutschen ( heimouti ) bzw. mittelhochdeutschen ( hei- müete ) Wort für Niederlassung und Wohnsitz ab. Im Mittelal- ter bezeichnete es das Elternhaus und die nächste Umgebung des Geburts- oder Wohnortes – im Gegensatz zu elilenti , dem Elend und der Fremde, in der man seiner Heimat beraubt war. Der Älteste blieb „auf der Heimat“, war erbbe- rechtigt, die anderen wurden hei- matlos – ebenso wie die anderen Besitzlosen und die BettlerInnen. Heimat war demnach der Besitz an Haus bzw. Grund und Boden, den jemand erwarb bzw. in einer Gemeinde hatte, daraus leite- ten sich das Heimatrecht und die Einbürgerung in eine bestimmte Gemeinde ab. Diese stellte bis ins 19. Jahrhundert hinein einen Versorgungsanspruch im Alter, in Notfällen oder bei Krankheit dar.

Die Umbrüche der ländlichen und städtischen Gesellschaft im

  1. Jahrhundert und die Indust- rialisierung mit all ihren Folgen (Bevölkerungswachstum, Auf- lösung feudaler und bäuerlicher Strukturen, Abwanderung in die Städte usw.) gaben den Ausschlag dafür, dass viele Menschen ihre

vertraute Umgebung verlassen mussten. Eine Antwort auf diesen Entwurzelungsprozess war die romantische Verklärung der Hei- mat in Musik und Dichtung. Wer kennt sie nicht, die Lieder und Gedichte von den Tälern oder dem schönsten Wiesengrund und von dem, der weggehen muss? [...]

Das Heimweh und die Sehnsucht nach der „guten Heimat“ erfuhren in den Jahren des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal einen Aufschwung (wenn auch unter anderen Vor- zeichen). Dieser spiegelt sich u.a. in Heimatfilmen, Groschenheften und in der Populärmusik wider. […]

Zurück zum 19. und Beginn des

  1. Jahrhunderts: Eine weitere markante Entwicklung war die Entstehung der Nationen. Was bedeutet das für den Heimatbe- griff? Zur Heimat sollte nun statt der Wiesen und Täler die schick- salsbetonte Zugehörigkeit zu einem Nationalstaat, einem Terri- torium mit klaren Grenzen, wer- den. Das „Vaterland“ galt es zu verteidigen. Symbole, National- hymnen, Denkmäler und Mythen beschworen diese Bindung an die Nation. In der Zeit des National- sozialismus war es in erster Linie

die „Volksgemeinschaft“ oder das „Völkische“, das als Heimat defi- niert wurde. Wer nicht dazu- zählte, sollte schon bald aus ihr verschwinden.

Wer gehört zu einer bestimmten „Heimat“, wer nicht?

Diese Frage wurde im Lauf der Geschichte je nach politischem Kontext unterschiedlich beant- wortet. Eigen- oder Fremddefi- nitionen gingen dabei oft ausei- nander. Was sich jedoch wie ein roter Faden bis in die Gegenwart zieht, ist die Charakteristik eines statischen Konzepts von Heimat: die Abgrenzung eines WIR von einem ANDEREN und AUS- SEN. […]

Im Gegensatz zu einem sta- tisch-unbeweglichen Heimat- konzept gibt es noch einen ganz anderen und viel dynamischeren Zugang. Seit den 70er-Jahren des

  1. Jahrhunderts rücken die The- men Migration, Einwanderung oder Asyl und damit die Aus- einandersetzung mit unterschied- lichen, oft auch widersprüchli- chen Lebenszusammenhängen in den Vordergrund. Für Menschen, die ihre Heimat verlassen muss- ten, für Vertriebene und Flücht- linge, wird die soziale Anbindung

Die Veränderung des Heimatbegriffs:

vom mittelalterlichen Heimatrecht bis

zum Designerschick

an eine neue Heimat zu einer oder gar zu DER zentralen Frage. Hei- mat erhält in diesem Zusammen- hang nicht nur eine emotionale Färbung, sondern sie hat auch einen politischen und rechtlichen Gehalt.

Ein wesentlicher Punkt ist in die- sem Zusammenhang die Zuge- hörigkeit zu einer Rechtsgemein- schaft – das „Recht, Rechte zu haben“, wie es Hannah Arendt vor mehr als 60 Jahren bezeichnet hat. Sie meinte damit das Recht jedes Menschen, überhaupt unter recht- lichen Verhältnissen leben zu kön- nen. Unter dem Eindruck totalitä- rer Regime und der Massenflucht im 20. Jahrhundert galten für sie der Heimat- und Staatsbürger- schaftsverlust als die größten denk- baren Menschenrechtsverletzun- gen (bereits 1935 waren übrigens durch das Nürnberger Reichsbür- gergesetz alle Juden und Jüdinnen zu „Staatsangehörigen“ deklassiert, im Unterschied zu den „Reichs- bürgerInnen“).

Kann dieses „Recht, Rechte zu haben“, nicht auch im über- tragenen Sinn mit „Recht auf

Heimat“ übersetzt werden? Arti- kel 14 und 15 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 betreffen Fragen von Staatsangehörigkeit und Asyl. An konkreten und aktuellen Beispie- len von Flüchtlingen, die an Mau- ern und Staatsgrenzen scheitern, mangelt es jedenfalls nicht. […]

Was aber klar ist: Eine Gleichset- zung von Staatsbürgerschaft mit Heimat greift zu kurz. Die Verän- derungen, die ein Mensch durch Migration erfährt, sind so ein- schneidend, dass für Heimatver- lust und Heimatfindung häufig die Metapher der Wurzel verwen- det wird – die Entwurzelung an einem alten Ort und die Verwur- zelung an einem neuen Ort. Die- ser Prozess zieht sich meist über mehrere Generationen.

Soweit ein Streifzug zum Hei- matbegriff und einigen Bedeu- tungsinhalten, die er zu verschie- denen Zeiten erfahren hat.

„Heimat ist neuerdings überall“, ist in einem Artikel des Goethe- Instituts (2009), der sich auf Deutschland bezieht, zu lesen.

Von Heimat-Krimiserien im Fernsehen bis zu Magazinen und Heimat-Designerläden – „authentisch und lebensnah“ soll es sein, selbstbewusst, heiter und entspannt, gewürzt mit Ironie statt Rustikalkitsch. Das Regio- nale mit seinen besonderen Qua- litäten, z. B. lokalen kulinarischen Genüssen und Ressourcen, erfährt ebenfalls eine Aufwertung. […]

Aus welchen Gründen auch immer: Heimat boomt. Und zwischen den Zeilen könnte man lesen: Je stärker die Folgen der Wirtschaftskrise, je größer die Verlustängste (z. B. um den Arbeitsplatz) und das Gefühl, den Dingen ohnehin machtlos gegen- überzustehen, desto größer wird die Sehnsucht nach Harmonie und überschaubaren Lebenszu- sammenhängen. (^) n

Quelle: polis aktuell 4/2010, S. 3 – 4.

INFOBOX

Arendt, Hannah (1906 – 1975): geboren bei Hannover, 1933 Flucht nach Paris und später New York; politische Theoretikerin, Philosophin und Schriftstellerin, die unter anderem zur Entrechtung und Verfolgung der Juden während der Zeit des Nationalsozialismus publiziert hat

Aufgabe 2 / Textbeilage 1

Von Hendrik Cremer

[...]

Blick zurück Das Asylrecht ist eine der ältes- ten Institutionen der Menschheit. Der Begriff „Asyl“ stammt aus dem Griechischen und bezeich- nete im Altertum einen unan- tastbaren Zufluchtsort unter der Herrschaft der Götter, an dem jede menschliche Herrschaft endete und damit auch das Recht der politischen Machthaber, einen Menschen mit Zwang festzuneh- men. Das galt für jeden, der dort Zuflucht suchte, also auch für Straftäter.

In allen großen Religionen gibt es ähnliche Konzepte für die Gewährung von Zuflucht für Menschen in Not. So entwickelte etwa die christliche Kirche aus dem Gebot der caritas (Nächs- tenliebe) und misericordia (Barm- herzigkeit) für sich das Recht, Menschen Asyl zu geben. Zwar hat dieses Recht, an dem sich die Staaten im Laufe der Geschichte immer wieder gestoßen haben, einen deutlichen Bedeutungsver- lust erfahren. Gleichwohl gibt es nach wie vor Kirchengemeinden, die Schutz suchenden Menschen Asyl gewähren, etwa um sie vor dem Zugriff der Behörden für die Abschiebung in einen anderen Staat zu schützen.

Der erste Beleg für den Schutz von Menschen, die aus ihrem Heimatland in ein anderes Land geflohen sind, stammt aus dem

  1. Jahrhundert vor Christus. In dem Vertrag zwischen dem König der Hethiter und dem Fürsten von Wiluscha heißt es: „Wenn ein Flüchtling aus deinem Land Hatti kommt, so gibt man ihn dir nicht zurück; aus dem Land Hatti einen Flüchtling zurückzugeben ist nicht rechtens.“ Beim Asylrecht im völkerrechtlichen Sinne ging es bis in das 20. Jahrhundert nicht um die Rechte von Flüchtlingen. Im Vordergrund stand vielmehr das Recht eines Staates, Zuflucht suchenden Menschen Sicherheit zu bieten und gegebenenfalls ein Auslieferungsersuchen des Ver- folgerstaates abzulehnen. Seit der Aufklärung und der Französischen Revolution entwickelte sich dieses Recht der Staaten zu einer Insti- tution des Schutzes für politisch Verfolgte vor Auslieferung.

In der Zeit zwischen den bei- den Weltkriegen, als Millionen Menschen auf der Flucht waren, wurde der Schutz von Flüchtlin- gen zunehmend zum Gegenstand völkerrechtlicher Vereinbarun- gen und Aufgabenfeld internati- onaler Organisationen. Gleich- wohl blieben die dahingehenden völkerrechtlichen Verpflichtun- gen der Staaten rudimentär: Nur wenige Staaten waren bereit, ent- sprechende Verpflichtungen im

Rahmen internationaler Abkom- men einzugehen.

Jene Abkommen, die dennoch zustande kamen, waren zudem stets so konstruiert, dass sie sich im Wesentlichen auf einzelne Flüchtlingsgruppen beschränk- ten, die sich aufgrund bestimmter Ereignisse wie etwa der Verfol- gung der Armenier in der Türkei, der Oktoberrevolution in Russ- land oder der Machtergreifung der Faschisten in Italien außer- halb ihres Heimatstaates aufhiel- ten und auf Schutz in einem ande- ren Staat angewiesen waren. Die Flüchtlingsdefinitionen in den meisten völkerrechtlichen Ver- einbarungen dieser Zeit dienten in erster Linie der Bestimmung des Mandats einer internationa- len Organisation, der die Aufgabe übertragen wurde, sich um die jeweiligen Flüchtlingsgruppen zu kümmern, wie etwa dem Hohen Flüchtlingskommissar des 1920 gegründeten Völkerbundes.

Grundlagen des Asylrechts Die Grundlagen für das interna- tionale und europäische Flücht- lingsrecht, das individuelle, durch- setzbare Rechtspositionen zum Gegenstand hat, wurden erst nach dem Zweiten Weltkrieg geschaf- fen. Die Weltgemeinschaft ant- wortete auf die Verfolgung von Millionen von Menschen wäh- rend des Nationalsozialismus und das Leid der Flüchtlinge: Am

Menschenrecht Asyl

  1. Dezember 1948 verabschie- dete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allge- meine Erklärung der Menschen- rechte, in deren Artikel 14 auch das Recht auf Asyl aufgeführt ist: „Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.“

In der Folge entwickelte sich die Gewährleistung der Menschen- rechte und damit der Schutz jedes einzelnen Individuums durch völ- kerrechtliche Verpflichtungen der Staaten zu einem der zentralen Aspekte des modernen Völker- rechts. Sowohl auf internationa- ler als auch auf regionaler Ebene wurden zahlreiche Menschen- rechtsverträge geschaffen, die dar- auf abzielen, jeden Menschen im Hoheitsbereich der Vertragspar- teien zu schützen, und individuelle, durchsetzbare Rechte garantieren, wie beispielsweise die Europä- ische Menschenrechtskonvention von 1950.

Die hohe Anzahl von Flücht- lingen in Europa infolge von Flucht, Vertreibung und Zwangs- arbeit über das Ende des Zwei- ten Weltkrieges hinaus führte im Dezember 1950 zur Einset- zung des Hohen Flüchtlingskom- missars der Vereinten Nationen (UNHCR) durch die UN-Gene- ralversammlung. Zu seinen Auf- gaben gehört es, die internationale Flüchtlingshilfe zu koordinieren, gegebenenfalls auch selbst materi- elle Hilfe für Flüchtlinge zu orga- nisieren und ihnen in Absprache mit den Zufluchtsländern durch das Ausstellen von Schutzbriefen

rechtlichen Schutz zu gewähren. Sein Mandat erstreckt sich auch auf sogenannte Binnenflücht- linge, also Menschen, die etwa aufgrund eines Bürgerkrieges aus ihrem Heimatort fliehen, ohne dabei ihr Land zu verlassen.

Wenig später, im Juli 1951, wurde das „Abkommen über die Rechts- stellung der Flüchtlinge“ verab- schiedet, das gewöhnlich als Genfer Flüchtlingskonvention be- zeichnet wird und heute die Grundlage des internationalen Flüchtlingsrechts bildet. Die Gen- fer Flüchtlingskonvention ver- pflichtet die Vertragsstaaten, Flüchtlingen im Sinne der Kon- vention ein Aufenthaltsrecht und weitere Rechte zu gewähren. Galt die Konvention zunächst nur für Personen, die aufgrund von Ereignissen in Europa vor 1951 zu Flüchtlingen geworden waren, wurde durch das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1967 die geografische und zeitliche Beschränkung der Gen- fer Flüchtlingskonvention aufge- hoben. 146 Staaten sind dem Pro- tokoll bis heute beigetreten.

Ein Flüchtling im Sinne der Gen- fer Flüchtlingskonvention ist laut deren Artikel 1 und dem besagten Protokoll eine Person, die sich aus der begründeten Furcht vor Ver- folgung aus rassistischen Gründen oder wegen ihrer Religion, Nati- onalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Überzeugung außerhalb desjenigen Landes befindet, dessen Staatsangehörig- keit sie besitzt, und den Schutz

dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als staatenlose außerhalb des Lan- des befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähn- ten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

Die zentrale Bestimmung der Genfer Flüchtlingskonvention ist das in Artikel 33 verankerte Gebot der Nicht-Zurückweisung ( Refoulement -Verbot). Es ver- pflichtet die Staaten, niemanden an ihrer Grenze zurückzuweisen oder abzuschieben, der daraufhin gezwungen wäre, sich in einem Staat aufzuhalten, in dem er wie- derum aus rassistischen Gründen, aufgrund seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörig- keit zu einer bestimmten sozia- len Gruppe oder aufgrund sei- ner politischen Einstellung von Verfolgung bedroht ist. Eine Zurückweisung oder Abschie- bung in einen anderen Staat ver- stößt auch dann gegen Artikel 33, wenn nicht gewährleistet ist, dass die Schutzsuchenden von dort aus nicht weiter in den Verfolgerstaat abgeschoben werden („Kettenab- schiebung“).

Bis heute wird der Charakter des Rechts auf Asyl als individuelles Recht infrage gestellt. Die Tat- sache, dass es bereits 1948 in die Allgemeine Erklärung der Men- schenrechte aufgenommen wurde, sowie deren Wortlaut in Arti- kel 14 sprechen jedoch für ein

Thema 3: Umgang mit Lebensmitteln

Aufgabe 1

Fleisch essen?

Verfassen Sie eine Erörterung.

Lesen Sie die Beiträge Fleisch, der helle Wahnsinn von Erich Gysling (Textbeilage 1) und Essend

töten wir. Schuldlos sein zu wollen ist gefährlich von Heinz Emmenegger (Textbeilage 2) aus dem

Buch Darf mensch Tiere nutzen? (2017).

Verfassen Sie nun die Erörterung und bearbeiten Sie dabei die folgenden Arbeitsaufträge:

■ Fassen Sie die Positionen der beiden Autoren kurz zusammen. ■ Setzen Sie sich kritisch mit einer der beiden Argumentationen (Textbeilage 1 oder 2) ausein-

ander.

■ Begründen Sie Ihre eigene Position zum Thema Fleisch essen.

Schreiben Sie zwischen 540 und 660 Wörter. Markieren Sie Absätze mittels Leerzeilen.

Darf der Mensch Tiere nutzen? Das „Dürfen“

führt uns nicht weit. Es gibt kein Gesetz, das es

verbieten würde. Also geht’s allenfalls um Moral,

um Ethik, vielleicht auch um etwas Vernunft.

Ich fange bei der Vernunft an: Der Fleisch- und

Fischkonsum ist heller Wahnsinn. Mehr als

70 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Flä-

chen weltweit werden direkt oder indirekt (Soja,

Futtermittel) für die Fleischproduktion verwendet.

80 Prozent der brasilianischen Urwälder werden

nur deswegen abgeholzt, weil man die entspre-

chenden Flächen für Rinderweiden oder Sojafelder

nutzt. Mindestens ein Drittel des weltweiten CO 2 -

Ausstosses hängt mit Tierzucht, Tiertransport etc.

zusammen. Für ein Kilogramm Fleisch werden

zwischen zweieinhalb und mehr als zehn Kilo Fut-

ter benötigt. Und bis zu über tausend Liter Wasser.

Die Fischbestände schrumpfen, teils dramatisch.

Und all das, damit der Mensch schliesslich eine

Viertelstunde lang ein Steak verzehrt oder einen

Fisch. Also: Verhältnisblödsinn – oder nicht?

Die Gegenseite argumentiert: Der Mensch sei

(auch) ein Fleisch-Esser, das sei schon aufgrund

der Zahnstruktur nachweisbar …

Wenn ich Moral und Ethik bemühe: Es gibt nur

wenige Religionen, die den Fleischkonsum, also

das Töten von Tieren, ächten. Der Hinduismus

teilweise, die Religion der indischen Jains total

(aber die Jains sind heute nur noch eine Min-

derheit von gut drei Millionen). Beim Buddhis-

mus ist’s schon nicht mehr so klar. Im Christen-

tum kann man „lernen“, dass das Verzehren von

Fleisch und Fisch prinzipiell erlaubt ist. Und der

Islam gebietet, Tiere möglichst schonungsvoll zu

töten. Aber ist Schächten (gilt für Muslime und

für Juden) nun wirklich „schonungsvoll“? Ich habe

Schlachthäuser in den USA (als Reporter) kennen

gelernt – nun ja, schonungsvoll wirkte das nicht.

Aber auch in unseren hiesigen Schlachthäusern ist

der Tod für die Tiere nicht eben sanft. Und für die

Fische: Die meisten ersticken oder werden mit Ha-

ken im Maul aus ihrem Lebensbereich, dem Was-

ser, herausgeholt. Für den Fisch sicherlich auch

nicht besonders angenehm.

Also: Eigentlich sollte der Mensch auf Fleisch und

Fisch verzichten, aus Gründen der Vernunft (Um-

welt) und der Moral. Diesen Verzicht leiste ich als

Vegetarier. Die für ein gesundes Leben notwendi-

gen Proteine kann man sich mühelos auf andere

Weise beschaffen. Nun gebe ich anderseits zu, dass

ich inkonsequent bin: Durch den Konsum von

Milchprodukten, Eiern, Leder bin ich auch in den

Kreislauf der Aufzucht und des Tötens eingebun-

den. Bin, mit anderen Worten, ebenfalls schul-

dig – zu vielleicht zehn Prozent des Gesamten, was

zwischen Mensch und Tier geschieht. Total von

Schuld befreien kann sich in diesem Rahmen nur,

wer als Veganer, als Veganerin lebt. Dazu habe ich

mich nicht durchgerungen.

Könnten alle Menschen zumindest als Vegetarier

leben? Nein, einige Ethnien gewiss nicht, weder

jene, die in Grönland noch jene, die im Norden

Sibiriens leben. Die meisten anderen wahrschein-

lich schon.

Oft höre ich ein Gegenargument: Schau doch mal,

wie grausam die Natur ist, wie die Beutetiere lei-

den, wenn sie von Raubtieren zerrissen werden!

Ja, die Natur ist in dem Sinne grausam, als sie of-

fenkundig keine Leidens-Rücksicht auf die Indivi-

duen nimmt, da spielt nur die Erhaltung der Art

eine Rolle. Doch Raubtiere, auch unsere Hauskat-

zen, haben nun mal nicht das Gewissen, das uns,

die Menschen, auszeichnet, belastet und verpflich-

tet (verpflichten sollte). Deshalb ist der Verweis auf

die Natur obsolet.

Noch dies zum Schluss: Ich bin kein Missionar.

Jeder, jede soll das essen, was er oder sie für ver-

Aufgabe 1 / Textbeilage 1

Hinweis: Die schweizerische Rechtschreibung des Originaltextes wurde beibehalten.

Erich Gysling: Fleisch, der helle Wahnsinn

[…] Zu meinem eigenen Wohl als zufriedener und

relativ friedlicher Mensch als auch zu meiner kör-

perlichen Gesundheit gehört, dass ich die zu essen-

den Tiere gut pflege oder pflegen lasse und einen

raschen und schmerzlosen Tod bevorzuge. Alles

andere lässt meinen Appetit rasch schrumpfen.

Als Halter von Schweinen ist mir sonnenklar, dass

diese Tiere intelligent sind und uns nahestehen.

Trotzdem habe ich nur geringe Mühe, sie dem

Schlachter zuzuführen und ihren Tod auch zu er-

leben. Vermutlich ist das deshalb so, weil diese

Tiere von ihrem Lebensbeginn weg dazu vor-

gesehen waren, geschlachtet zu werden, weil der

Tod im Kleinschlachthaus ruhig und entspannt

kommt, und auch, weil ich seit Kindheit mit dem

Töten von Tieren vertraut bin. [...]

Die Menschheit ist kein Ganzes. Solange Essen

regional bestimmt ist, ist auch die Nahrung un-

terschiedlich. Menschen im Sahel oder im hohen

Norden sind auf Tiere als Nahrungsspeicher an-

gewiesen. Nur in industrialisierten Gesellschaften

liesse sich der Nahrungsmix technisch und logis-

tisch wohl beliebig ändern.

Veganismus baut auf Industrialisierung und ent-

wickelter Logistik auf, gibt sich rational, rechnet

mit einer begrenzten Anzahl Faktoren, vergisst

die einen oder lässt sie nicht gelten. Veganismus

ist eine totalitäre Idee oder ein geschlossenes

Weltbild also, das als solches vielleicht wiederum

nützlich sein könnte, mir aber in eben diesen we-

nig offenen Ansprüchen und Argumenten gefähr-

lich scheint und auch lustfeindlich ist. Lust ist ein

wichtiger Faktor, um möglichen Totalitarismus

zu unterlaufen. Menschen können und wollen

Fleisch essen, es gehört zu unserem Nahrungs-

repertoire. Das ist nicht harmlos, aber genau dar-

um auch eine natürliche Verhaltensweise [...].

[...] wir töten unweigerlich, wenn wir essen, auch

Gemüse wird getötet. Schuldlos sein zu wollen ist

Verkennung und deshalb gefährlich, unproduktiv

und ebenfalls Motor totalitärer Ideologien. Was

nützt es der Welt, wenn Veganer und Fleischesser

sich bekriegen würden? Die Achtung vor dem Tier

hängt zusammen mit der Achtung vor uns selbst

als Einzelne und als Gruppe. Diese Achtung ist

nicht einfach da, sie muss immer wieder erarbeitet

werden. Zu dieser Achtung gehört das Akzeptieren

der Schuld, die erst Bewegung und Veränderung

ermöglicht. Wir sind Teil der Welt. […]

Reduzierter Fisch- und Fleischkonsum und Be-

wusstsein für Qualität und Tierfreundlichkeit sind

sicherlich nützlich und erstrebenswert und müssen

in unserer Gesellschaft ein Dauerthema sein, um

eben unsere Schulden tief zu halten. Im Vorder-

grund steht die Übernutzung des Lebensraumes.

Allerdings steigen mit der intensiven Nutzung

auch die technologische Fähigkeit der Korrektur

und die Möglichkeit, ganz neue Schulden aufzu-

nehmen. Das ist ebenfalls nicht schlecht, Wachs-

tum ist Evolution, wohin auch immer es führt.

Industrielle Tierhaltung ist prinzipiell nicht zu ver-

urteilen, wenn dem Tierwohl entsprochen werden

kann. Auch der Kleintierhalter kann seine Tiere

quälen. Sehr problematisch ist die Fischerei. Das

Fischen mit Netzen produziert weder frische noch

anständig getötete Tiere. Ähnlich die Jagd, wo die

Gefahr besteht, ein Tier nicht sofort tödlich zu

treffen. Allerdings ist der Jäger bei uns der Ersatz

fürs Raubtier, dessen Tötungsmethode durchaus

grausamer ist. […]

Das Tierwohl ist meist einfach ersichtlich. Ein

Tier fühlt sich wohl, wenn es nicht krank ist, sich

bewegen kann, essen kann, sozial sein kann und

keine Angst haben muss. Viele Haustiere, auch

Aufgabe 1/ Textbeilage 2

Hinweis: Die schweizerische Rechtschreibung des Originaltextes wurde beibehalten.

Heinz Emmenegger: Essend töten wir. Schuldlos sein zu wollen ist

gefährlich.

Nutztiere fühlen sich vielleicht sogar wohler als

Wildtiere, kein Stress wegen Jägern und Raub-

tieren, kein qualvoller Tod im Gebiss eines Büsis,

selber genügend zu fressen, dafür etwas weniger

Bewegung und Freiheit. Haustiere haben auch kei-

ne Angst vor dem Tod, weil sie ihn normalerweise

nicht kennen. Kommen sie zum Schlachter, wissen

sie nicht, was geschieht, und sind ruhig, solange

sie nicht getrieben oder bedrängt werden, wie das

in Grossschlachthöfen leider unweigerlich passiert.

Schweine werden unwissend gehalten. Nur wir

Menschen wissen, dass sie sterben, oft sogar wann

und woran.

Tiere zu halten, die wissen, dass sie von der Hand

sterben, die sie füttert, wäre die Grenze, die nicht

überschritten werden sollte.

Quelle: Emmenegger, Heinz: Essend töten wir. Schuldlos sein zu wollen ist gefährlich. In: Darf mensch Tiere nutzen? Und wenn ja: wie? Und Pflanzen? Herausgegeben von Billo Heinzpeter Studer. Winterthur: edition mutuelle 2017, S. 27 – 31.

INFOBOX

Büsi (schweizerisch): Katze