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Diversion, §§ 45, 47 JGG - Arbeitsblatt Jugendstrafrecht, Zusammenfassungen von Strafrecht

Arbeitsblatt zur Vorlesung Jugendstrafrecht, Prof. Heinrich

Art: Zusammenfassungen

2019/2020

Hochgeladen am 15.06.2020

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Nur auf Docsity: Lade Diversion, §§ 45, 47 JGG - Arbeitsblatt Jugendstrafrecht und mehr Zusammenfassungen als PDF für Strafrecht herunter! Professor Dr. Bernd Heinrich Stand: 2. Dezember 2003 Vorlesung Jugendstrafrecht - Arbeitsblatt Nr. 07 Diversion, §§ 45, 47 JGG I. Allgemeines Mit Diversion wird eine rechtspolitische Strömung bezeichnet, die danach trachtet, den jugendlichen Straftäter um ein volles Jugendstrafverfahren "umzuleiten" und damit insbesondere die Hauptverhandlung zu vermeiden. Sie wird ganz wesentlichen von der Erwartung getragen, man könne Stigmatisierung verhindern oder doch reduzieren, wenn ein jugendlicher Straftäter nicht das volle Strafverfahren durchläuft, sondern möglichst früh und zwar in Form "am- bulanter" Maßnahmen erzieherisch behandelt wird. Nach der gesetzlichen Vorstellung darf nur angeklagt werden, wenn ein informelles Vorgehen aus erzieherischen Gründen als nicht ausreichend angesehen wird (Subsidiaritäts- prinzip). Dies gilt nicht nur für Vergehen, sondern grundsätzlich auch für Verbrechen. Soweit nach § 105 I JGG auf die Verfehlungen Heranwachsender Jugendstrafrecht anzuwenden ist, gelten die Diversionsvorschriften der §§ 45, 47 JGG nach § 109 II JGG auch für Heranwachsende. Die §§ 45, 47 JGG ersetzen für das Jugendstrafverfahren die Vorschriften der §§ 153, 153a StPO. Diese sind daher – nach h.M. – nicht nebenher noch anzuwenden. II. Einstellungsmöglichkeiten im Ermittlungsverfahren, § 45 JGG 1. § 45 I JGG: erlaubt eine folgenlose Einstellung des Verfahrens, insoweit also einen völligen Reaktionsverzicht des Staates. Allerdings erfolgt eine Eintragung im Erziehungsregister, § 60 I Nr. 7 BZRG. Entscheidungsträger ist ausschließlich der Jugendstaatsanwalt. Voraussetzung ist das Vorliegen der Voraussetzungen des § 153 StPO: das Verfahren muss ein Vergehen zum Gegenstand haben, die Schuld des Täters muss gering sein und ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung darf nicht bestehen. 2. § 45 II JGG: enthält die Möglichkeit einer Einstellung nach vorausgegangener sozialer oder jugendhilferechtlicher Maßnahme bzw. nach gelungenem Täter-Opfer-Ausgleich, d.h. eine letztlich außerstrafrechtliche Reaktionsmög- lichkeit. Entscheidungsträger ist auch hier ausschließlich der Jugendstaatsanwalt. Bei der Maßnahme kann es sich um solche seitens der Eltern, der Schule, des Ausbildenden oder Arbeitgebers, der Polizei (str., ob diese hierzu überhaupt ermächtigt ist) oder des Jugendamtes handeln. Im Hinblick auf den Täter-Opfer-Ausgleich ist lediglich ein ernsthaftes Bemühen des Täters erforderlich (z.B., wenn das Opfer hieran kein Interesse hat). Ungeschriebene Einstellungsvoraussetzung ist ein gesicherter Tatverdacht. Die Einstellung nach § 45 II JGG soll insbesondere bei wiederholter Deliktsbegehung erfolgen, wenn zuvor nach § 45 I JGG eingestellt wurde, ferner bei schwereren Delikten. Nicht erforderlich ist ein ausdrückliches Geständnis des Ju- gendlichen. Die Einstellung erwächst nicht in Rechtskraft, das Verfahren kann also jederzeit wieder aufgenom- men werden. 3. § 45 III JGG: enthält die Möglichkeit zu einem formlosen jugendrichterlichen Erziehungsverfahren ohne Hauptver- handlung. Hier können Ermahnungen, Weisungen und Auflagen ausgesprochen werden. Man spricht insofern auch von einer informellen strafrechtlichen Reaktion. Auch wenn nach § 45 III JGG letztlich der Richter die Ent- scheidung trifft, erfolgt die Einstellung auch hier durch den Jugendstaatsanwalt. Voraussetzung ist, dass der Beschuldigte geständig ist, der Staatsanwalt die Anordnung einer solchen richter- lichen Maßnahme für erforderlich, andererseits aber die Erhebung der Anklage aber nicht für geboten hält. Entspricht der Jugendrichter der Anregung, so sieht der Staatsanwalt von der Verfolgung ab, bei Erteilung von Weisungen oder Auflagen jedoch nur, nachdem der Jugendliche ihnen nachgekommen ist. Die Einstel- lung erwächst in begrenzte Rechtskraft. III. Einstellungsmöglichkeiten im Zwischen- und Hauptverfahren, § 47 JGG Einstellungen des Verfahrens können auch dann noch erfolgen, wenn Anklage erhoben wurde bzw. eine Hauptver- handlung durchgeführt wird. § 47 JGG erlaubt es dem Jugendrichter, mit Zustimmung des Jugendstaatsanwalts, unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie bei § 45 JGG, das Verfahren einzustellen. IV. Kritik Der Diversionsbewegung wird folgende Kritik entgegengehalten: 1. faktische Ausweitung der sozialen Kontrolle („widening the net“); es wird unter Auflagen eingestellt, wo sonst eine folgenlose Einstellung erfolgt wäre, 2. die Be- seitigung rechtsstaatlicher Garantien, da vieles nicht in einem förmlichen Verfahren, sondern auf informeller Ebene abläuft, 3. Gleichbehandlungsproblematik bei unterschiedlicher regionaler Einstellungspraxis, 4. fragliche general- präventiven Wirkungen (Eindruck in der Bevölkerung, auf Jugenddelinquenz würde nicht reagiert). Literatur / Lehrbücher: Meier/Rössner/Schöch-Meier, § 7; Schaffstein/Beulke, § 36 ;Streng, § 7 IV. Aufsätze: Böttcher/Weber, Erstes Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes, NStZ 1990, 561; Bohnert, Die Reichweite der staatsanwaltschaftlichen Einstellung im Jugendstrafrecht, NJW 1980, 1927. Rechtsprechung: BGHSt 32, 357 – Prügelstrafe (Art der erzieherischen Maßnahme); LG Itzehoe StV 1993, 537 – Einstellung (Verhältnis von § 45 JGG und § 153 StPO).