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Leitfäden und Tipps
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Ein Überblick und Einblick in die empirische Framing-Forschung, Hausarbeiten von Medienwissenschaft

Arbeit zu Mediennutzung, Medienrezeption, Medienwirkung, Prof.Renner, Sommersemester 2015

Art: Hausarbeiten

2019/2020

Hochgeladen am 17.06.2020

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Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Beifach: Audiovisuelles Publizieren
Modul: Kommunikationswissenschaftliche Aspekte von audiovisuellen Medien
Veranstaltung: Mediennutzung, Medienrezeption, Medienwirkung
Dozent: Prof. Dr. Karl Nikolaus Renner
Sommersemester 2015
Ein Überblick und Einblick in die
empirische Framing-Forschung.
Vorgelegt von:
P. N.
KF: Filmwissenschaft, B.A. (4. Fachsemester)
BF: Audiovisuelles Publizieren, B.A. (4. Fachsemester)
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Johannes Gutenberg-Universität Mainz Beifach: Audiovisuelles Publizieren Modul: Kommunikationswissenschaftliche Aspekte von audiovisuellen Medien Veranstaltung: Mediennutzung, Medienrezeption, Medienwirkung Dozent: Prof. Dr. Karl Nikolaus Renner Sommersemester 2015

Ein Überblick und Einblick in die

empirische Framing-Forschung.

Vorgelegt von: P. N.

KF: Filmwissenschaft, B.A. (4. Fachsemester) BF: Audiovisuelles Publizieren, B.A. (4. Fachsemester)

Inhaltsverzeichnis

  1. Eidesstattliche Erklärung S. 01
  2. Einleitung S. 02
  3. Die Framing-Forschung S. 03

3.1 Zentrale Fragestellung und Einordnung S. 03

3.2 Entwicklung der Framing-Forschung S. 04

3.3 Theoretische Grundlagen S. 06

3.4 Methodologie S. 09

3.5 Einflüsse der Framing-Forschung S. 12

3.6 Kritik und Zukunftsaussichten S. 13

  1. Aufsatz: The Content Analysis of Media Frames: Towards Improving Reliability and Validity S. 15

4.1 Begründung der Auswahl S. 15

4.2 Aufbau des Aufsatzes und Vorgehen der Studie S. 16 4.3 Bewertung der Untersuchung S. 19

  1. Literaturverzeichnis S. 22
  2. Anhang S. 25 1. Eidesstattliche Erklärung

Hiermit versichere ich, P. N., dass ich die Hausarbeit selbständig , ohne fremde Hilfe verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die Stellen der Arbeit, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Werken entnommen wurden , sind unter Angabe der Quellen der Entlehnung kenntlich gemacht worden. Die Arbeit ist noch nicht veröffentlicht und in keiner anderen oder gleichen Form in einem anderen Prüfungsverfahren als Prüfungsleistung vorgelegt worden.

Datum, Ort Unterschrift

____ _______________________________

3. Die Framing-Forschung 3.1 Zentrale Fragestellung und Einordnung

Viele Themen in der Nachrichten-Berichterstattung sind überaus komplex, weshalb sie uns selektiert präsentiert werden. Bestimmte Perspektiven und Informationen werden hervorgehoben, andere in den Hintergrund gestellt – je nachdem von welcher Instanz wir die Themen vermittelt bekommen. Somit könnte man von einer Art ‘Kampf um die Deutungshoheit‘ sprechen. Gesellschaftliche Akteure versuchen Blickwinkel auf politische Themen durchzuringen. Unter ihnen befinden sich Nachrichtenorganisationen, Politiker oder wirtschaftliche Unternehmen.^6 Gleichzeitig haben bei dieser Rahmung auch die Rezipienten ein Wörtchen mitzureden: Sie wählen die gerahmten Nachrichtenthemen nach individuellen Mustern aus und fügen sie in eigene Interpretationskategorien ein.^7 Die Grundprämisse der Framing-Forschung geht somit davon aus, dass gesellschaftliche Themen niemals in ihrer gänzlichen Komplexität vermittelt werden, sondern stets durch Blickwinkel normiert sind.^8 Die Framing-Forschung „versucht [also] zu klären, wie die Frames einzelner Akteure entstehen, wie sie sich ändern sowie gegenseitig beeinflussen.“^9 Mithilfe von Frames lässt sich etwa begreifen, weshalb in der westlichen Berichterstattung häufig Themen wie Islam und Terrorismus kombiniert werden.^10 Politische Wahlkämpfe werden im Journalismus gerne mit Pferderennen verglichen, sodass der Wettkampf-Charakter in den Vordergrund tritt.^11 Ein drittes Frame-Beispiel wäre die David-gegen-Goliath-Metapher, mit der in der Vergangenheit etwa der Israel-Palästina-Konflikt gerahmt wurde. Damit wurde er auf den Kampf zweier ungleicher Gegner reduziert, wobei der vermeintlich unterlegenen Partei Sympathie entgegengebracht wird.^12 Die Fragestellung der Framing-Forschung lässt sich allerdings noch weiter ausdifferenzieren. Immerhin ähneln ihre Ansätze verwandten Theorien der Wirkungsforschung wie dem Agenda-Setting, Priming und Einstellungs-Konzept. Sie alle untersuchen Phänomene der Selektion, Perspektivierung und Priorisierung gesellschaftlicher Themen.^13 In der Kommunikationswissenschaft herrscht immer noch große Unklarheit, wie sich etwa Agenda-Setting und Framing-Theorie zueinander verhalten. Während die einen der Ansicht sind, es gäbe keine Unterschiede^14 halten andere Framing für eine Erweiterungsform von Agenda-Setting.^15 Während die Agenda-Forschung die Frage aufwirft, welche Themen in den Medien ausgewählt werden, befasst sich der Framing-Ansatz damit, wie diese

(^6) Vgl. Matthes 2014, S. 9f (^7) Vgl. Schenk 2002, S. 303 (^8) Vgl. Donsbach 2009, S. 127 (^9) Matthes 2014, S. 10 (^10) Vgl. Bonfadelli / Friemel 2015, S. 203 (^11) Vgl. das sogenannte „Horse Race Frame“ in Cappella / Jamieson 1997 (^12) Vgl. Dahinden 2006, S. 14f (^13) Vgl. Bonfadelli / Friemel 2015, S. 196 (^14) Vgl. Eko 1999 (^15) Vgl. McCombs / Shaw / Weaver 1997

ausgewählten Themen perspektiviert werden.^16 Gerade diese Fragestellung ist auch Gegenstand des ‘Second-Level-Agenda-Settings‘. Daher kann es gut möglich sein, dass sich beide Ansätze in Zukunft annähern werden.^17 Größere Unterschiede zeigen sich beim sogenannten Priming: Hier liegt der Fokus besonders auf der Wahlforschung und der These, dass soziale Themen an Politiker ‘getaggt‘ bzw. mit ihnen assoziiert werden können. „Die Konzentration auf bestimmte Themen […] im Wahlkampf bestärkt vermeintlich die Fähigkeit eines Politikers dieses Problem zu lösen.“^18 Framing beschäftigt sich also mehr mit der Auswahl und Hervorhebung thematischer Informationen, Priming mit der Reaktion, die vorangehende Informationen (Primes) auf bestimmte Zielreize (Targets) auslösen.^19 Noch schwieriger ist es die kommunikationswissenschaftliche Begriffe ‘Frame‘ und ‘Einstellung‘ auseinanderzuhalten. Beide Theorien beschreiben kognitive, affektive und konative Blickwinkel auf bestimmte Themen und Objekte.^20 Andererseits geht es beim Einstellungskonzept eher um Verhalten, die Individuen durch ihre Denkmuster entwickeln. Framing beschäftigt sich jedoch verstärkt mit Selektionsmechanismen, die in den Medien und im eigenen Gedächtnis stattfinden.^21 Sucht man nach weiteren theoretischen Bezügen, besitzt die Framing-Forschung auch große Schnittstellen mit der philosophischen Schule des Konstruktivismus.^22 Auch hier geht es um die Konstruktion sozialer Wirklichkeit, die durch Selektion von Erfahrungen und der Etablierung von Denkkategorien stattfindet. Indem wir die komplexen Informationen aus unserer Umwelt ‘rahmen‘, konstruieren wir gleichzeitig unsere Alltagsrealität. Framing kann daher auch als ‘gemäßigter konstruktivistischer Ansatz‘ verstanden werden.^23

3.2 Entwicklung der Framing-Forschung

Der Ursprung des wissenschaftlichen ‘Frame‘ Begriffs geht auf den Psychiater Gregory Bateson zurück, der hiermit 1972 psychologische Phänomene beschrieb: Nämlich die Exklusion und Inklusion bestimmter Informationen in Nachrichten.^24 Als interdisziplinärer Forschungsansatz entwickelte sich das Framing-Konzept ab den 1970ern parallel in Disziplinen wie der Psychologie, Linguistik, Politikwissenschaft, Soziologie und Ökonomie.^25 Häufig wurden begriffliche Synonyme wie ‘Schema‘, ‘Skript‘ oder ‘Map‘ verwendet.^26 Als die drei einflussreichsten Wurzeln möchte ich in aller Kürze die soziologische, die psychologische und die kommunikationswissenschaftliche Geschichte der

(^16) Vgl. Bonfadelli / Friemel 2015, S. 196 (^17) Vgl. Kepplinger 2009, S. 670f (^18) Kepplinger 2009, S. 690; vgl. ebenso Berkowitz / Roger 1986 und Price / Tewksbury 1997 (^19) Vgl. Rüter 2006, S. 287 und Matthes 2014, S. 29f (^20) Vgl. Allport 1954 zitiert nach Erwin 2001, S. 5 (^21) Vgl. Dahinden 2006, S. 96f (^22) Vgl. Van Gorp 2007 (^23) Vgl. Berger / Luckmann 1969, ebenso wie Dahinden 2006, S. 309 (^24) Vgl. Bateson 1972, ebenso wie Dahinden 2006, S. 29 (^25) Vgl. Jecker 2014, S. 24 und Dahinden 2006, S. 319 (^26) Vgl. Bonfadelli / Friemel 2015, S. 196f

abstrakte Sinnzusammenhänge reduziert wird.^41 Das Schema-Konzept erklärt somit, wie Menschen ihrer Umwelt Sinn und Ordnung zuweisen, um sich in ihr zurechtzufinden. Die Schema-Theorie wurde erst relativ spät in der empirischen Kommunikationswissenschaft rezipiert, erfuhr aber dafür einen regelrechten Popularitätsboom.^42 Doris Graber hatte das Konzept 1984 in die Wirkungsforschung übernommen und Untersuchungen zur Informationsverarbeitung politischer Themen durchgeführt.^43 Maßgeblich für den Erfolg war der Aufsatz Framing: Towards a Clarification of a Fractured Paradigm (1993) von Robert Entman.^44 Wegweisend waren ebenfalls die Studien von Shanto Iyengar, der zwischen episodischen und thematischen Frames unterschied.^45 Durch die kommunikationswissenschaftliche Rezeption der Schema-Theorie wurde das Framing- Konzept erstmals auf Medieninhalte und (politische) Berichterstattung angewandt.^46 Als Abschluss zur interdisziplinären Entwicklung der Framing-Forschung sei angemerkt, dass das Konzept mittlerweile in weiteren Disziplinen wie der Informatik Fuß fassen konnte: So zielt die KI-Forschung (Erforschung künstlicher Intelligenz) darauf ab, natürliche Intelligenz zu rekonstruieren. Ein zentrales Problem hierbei ist jedoch, dass Computer Informationen nur rein logisch und nicht schemaorientiert verarbeiten. Ein selbstlernender Computer müsste jedoch in der Lage sein, selbst Schemas zu entwickeln und weiterzubilden, indem aus komplexen Umweltreizen abstrakte Wissenszusammenhänge gebildet werden.^47

3.3 Theoretische Grundlagen

Nach dieser Übersicht zentraler Fragestellungen und Entwicklungen, ist es wichtig sich mit den allgemeinen Definitionen und Begrifflichkeiten der Framing-Forschung auseinanderzusetzen. Durch welche theoretischen Überlegungen lassen sich Framing-Phänomene (insbesondere in der Berichterstattung) erläutern? Vielleicht sollte an dieser Stelle betont werden, dass sowohl das englische Wort ‘Frame‘ als auch die deutsche Übersetzung ‘(Deutungs-)Rahmen‘ im Grunde Metaphern ausdrücken. Wie viele andere Bezeichnungen in der Publizistik wurden sie aus der Alltagssprache transferiert in einen wissenschaftlichen Fachbegriff und sind nun nicht mehr mit ihrer ursprünglichen Bedeutung identisch.^48 Ebenso wenig haben die hier behandelten Frames etwas mit dem Aufbau von Websites (Frame-Elemente) oder Filmstills (engl. ‘Frames‘) gemeinsam. Doch selbst in der Publizistik herrscht ein heterogenes Begriffsverständnis. So basiert die Framing-Forschung weniger auf einem kohärenten Theoriegebilde und vielmehr auf einem Netz theoretischer Aussagen.^49 Während die einen Frames in Anlehnung an das Schema-Konzept als kognitive Strukturen, Deutungs-

(^41) Vgl. Matthes 2014, S. 27f (^42) Vgl. Bonfadelli / Friemel 2015, S. 197 (^43) Vgl. Graber 1984, S. 174, ebenso wie Dahinden 2006, S. 91 und Kepplinger 2009, S. 688 (^44) Vgl. Entman 1993, ebenso wie Matthes 2014, S. 30 (^45) Vgl. Iyengar 1991 (^46) Vgl. Matthes 2014, S. 31ff (^47) Vgl. Keil-Slawik 1990, ebenso wie Dahinden 2006, S. 36 (^48) Vgl. Dahinden 2006, S. 27 (^49) Vgl. Potthoff 2012, ebenso wie Matthes 2014, S. 10

und Interpretationsmuster zur Informationsverarbeitung verstehen,^50 sprechen andere von Tiefenstrukturen, die Medientexten zu Grunde liegen.^51 Eine der am häufigsten zitierten Definition, an der ich mich ebenfalls orientiere, stammt von Robert Entman:

„To frame is to select some aspects of a perceived reality and make them more salient in communicating text, in such way as to promote a particular problem definition, causal interpretation, moral evaluation, and/or treatment recommendation for the item described.”^52

Entman versteht Frames als Perspektiven und Blickwinkel auf politische Themen – Deutungsmuster, die in allen Phasen der massenmedialen Kommunikation Informationen selektieren und strukturieren.^53 Die Definition von Entman konkretisiert den Begriff durch vier Frame Elemente: Somit enthalten die Frames in Medientexten immer eine Problemdefinition, Ursachenzuschreibung, moralische Bewertung und Handlungsempfehlung. Dies zeigt sich etwa anhand der Irankrieg- Propaganda nach dem 11. September 2001: Die Anschläge (Ursachenzuschreibung) wurden aufs schärfste verurteilt (moralische Bewertung) und galten als Grund für ein härteres Durchgreifen (Handlungsempfehlung) gegenüber islamischer Terroristen (Problemdefinition).^54 Je nachdem, ob in Nachrichten alle vier Elemente eines Frames erkennbar sind oder nur indirekt Erwähnung finden, kann von expliziten oder impliziten Frames gesprochen werden.^55 Die Funktionen von Frames können unterschiedlich zusammengefasst werden: Michael Schenk spricht etwa von der Exklusion und Inklusion von Interpretationen zu einem Thema.^56 Matthias Potthoff meint stattdessen, dass Frames thematische Aspekte einschränken (Selektion), hervorheben (Salienz) und zusammenhängend darstellen (Kohärenz).^57 Doris Graber unterscheidet vier Funktionen: Schemas bzw. Frames helfen dabei Informationen wahrzunehmen, zu strukturieren, zu ergänzen und auf Handlungsmöglichkeiten zu verweisen.^58 Außerdem betont Iyengar, dass Frames in der Berichterstattung stets Verantwortungen zuschreiben.^59 In seiner Habilitation zum Thema Alltagsrationalität erklärt Brosius außerdem, dass Frames auch als Heuristiken fungieren: „Heuristiken sind Entscheidungshilfen oder Faustregeln, die das Abwägen und Bewerten der vorliegenden Information verkürzen.“^60 Gerade in spontanen alltäglichen Entscheidungssituationen greifen Menschen also auf Frames bzw. Schemata zurück, um Objekte, Personen oder Ereignisse zu beurteilen.^61 Dies erklärt mitunter die Bildung von Vorurteilen, die nicht logisch-rational sondern schemaorientiert stattfindet.^62

(^50) Vgl. Jecker 2014, S. 25f (^51) Vgl. Bonfadelli / Friemel 2015, S. 198 (^52) Entman 1993, S. 52 (^53) Vgl. Matthes 2014, S. 12 und Dahinden 2006, S. 308 (^54) Vgl. Matthes 2014, S. 11 (^55) Vgl. Jecker 2014, S. 26, ebenso wie Matthes 2007, S. 138, 145 und 259 (^56) Vgl. Schenk 2002, S. 299 (^57) Vgl. Potthoff 2012, S. 19 (^58) Vgl. Graber 1984 (^59) Vgl. Iyengar 1992, S. 135f, ebenso wie Schenk 2002, S. 300 (^60) Brosius 1995, S. 107 (^61) Vgl. Bonfadelli / Friemel 2015, S. 202 und Schenk 2002, S. 485 (^62) Vgl. Brosius 2005, S. 141

basieren [somit] immer auf komplexen Interaktionen zwischen Medien-Frames, Rezipienten-Frames und Kontextfaktoren.“^74 Je nachdem welcher Aspekte innerhalb dieser Wechselwirkung untersucht werden, müssen die unabhängigen und abhängigen Variablen verschieden gewählt werden.

3.4 Methodologie

Wie viele Ansätze in der Publizistik kämpft auch die Framing-Forschung mit dem Problem Theoriebegriffe zu operationalisieren. Wie lassen sich theoretische Grundlagen methodologisch übersetzen, um empirische Forschung betreiben zu können? Eine der größten Schwierigkeiten besteht darin, dass es sich bei ‘Frames‘ um relativ abstrakte Objekte handelt, die sich schwer überprüfen lassen.^75 „[T]here is danger in this kind of lone-scholar analysis that the identification of a set of possible frames can be arbitrary.“^76 Es besteht die Gefahr, dass Wissenschaftler nur subjektive Forscher-Frames analysieren – also nur die Frames, die sie aus dem Forschungsmaterial herauslesen möchten. So mangelt es Framing-Studien häufig an eindeutigen Definitionen. Die Identifikationskriterien bleiben unklar und fallen in eine methodologische ‘Black Box‘.^77 Meta-Studien unterscheiden derzeit zwei verschiedene Arten der empirischen Framing- Forschung: Die erste fokussiert sich auf Medien-Frames und ihre Entstehung (Frame-Building) und versucht über analytische Verfahren Frames in Medientexten zu identifizieren. Die zweite ist Rezipienten-Frame-orientiert und untersucht die verschiedenen Wirkungsprozesse, die ‘gerahmte‘ Medientexte auf Rezipienten ausüben (Frame-Setting).^78 Da sich der Aufsatz von Matthes und Kohring (Kapitel 4) mit ersterem beschäftigt, möchte ich den inhaltlichen Schwerpunkt auf die Frame-Identifizierung legen: In der Linguistik wird die Existenz von Frames über mehrdeutige Texte nachgewiesen. So werden etwa die Sätze „Peter rief den Kellner. Er bestellt sich Wein.“ von den meisten Lesern so verstanden, dass Peter den Wein bestellt. Das Schema ‘Restaurant‘ legt uns nahe, dass Peter als Gast Getränke beordert und der Kellner diese Bestellungen entgegennimmt. Tatsächlich wird aus den Sätzen nicht ersichtlich, wer von beiden nach Wein verlangt.^79 Neben Interviews mit Medienakteuren bildet die Inhaltsanalyse der Medienberichterstattung (engl. Content Analysis) derzeit die Grundlage zur empirischen Frame-Identifikation.^80 Auf dieser Basis wird zwischen verschiedenen Ansätzen unterschieden: Während Dahinden drei nennt (induktiv-qualitativ, deduktiv-quantitativ und induktiv- quantitativ), differenziert Matthes vier Methoden (qualitativ, manuell-holistisch, manuell- dimensionsreduzierend, computerbasiert).^81 Nachfolgend möchte ich die verschiedenen Frame- Identifikationen kurz schildern:

(^74) Bonfadelli / Friemel 2015, S. 202 (^75) Vgl. Gamson 1989, S. 15 (^76) Tankard 2001, S. 98 (^77) Vgl. Matthes 2014, S. 38ff (^78) Vgl. Dahinden 2006, S. 310, ebenso wie Matthes 2014, S. 36 (^79) Vgl. Bonfadelli / Friemel 2015, S. 198 (^80) Vgl. Matthes 2014, S. 37f (^81) Vgl. Matthes / Kohring 2004

Die am häufigsten anzutreffende Methode ist bislang die Induktiv-Qualtitative.^82 Frames werden quasi vom Forscher aus dem Medientext ‘herausgelesen‘. Das bietet zwar den Vorteil direkt am Forschungsmaterial zu arbeiten. Allerdings basiert die Frame-Erfassung im Grunde auf der subjektiven Vorstellung und der Intuition des Forschenden. Auf standardisierte Kriterien zur Qualitätsbeurteilung der gefundenen Frames wird weitgehend verzichtet.^83 Ähnlich verhält es sich mit dem deduktiv-quantitativen Ansatz: Hierbei werden die zu untersuchenden Frames vordefiniert und erst anschließend anhand der Medientexte überprüft. Selbstverständlich können bei diesem Verfahren nur die Frames identifiziert werden, die vom Forschenden zuvor festgelegt wurden. Anderweitige Frames können nicht empirisch überprüft werden.^84 Mittlerweile haben sich auch zahlreiche induktiv-quantitative Methoden herausgebildet. Sie versuchen anhand vordefinierter Kriterien Frames aus Medientexten herauszufiltern.

„Die Grundidee ist folgende: Wenn man ein Frame als bestimmtes, unverwechselbares Muster eines Textes versteht, das sich aus mehreren, von Journalisten selektiv ausgewählten und von Rezipienten beobachtbaren Elementen zusammensetzt, dann kann man dieses Muster auch empirisch bestimmen.“^85

Hierunter zähle ich das von Matthes angesprochene manuell-holistische, manuell- dimensionsreduzierende und computerbasierte Verfahren. Sie alle versuchen über (meist deduktiv bestimmte Variablen) Identifikationskriterien festzulegen, über die sich eine unbestimmte Zahl von Frames aus der jeweiligen Berichterstattung erfassen lässt. Diese vordefinierten Variablen für die Inhaltsanalyse werden auch Kodierungsanweisungen genannt.^86 Untersucht man Medientexte auf zuvor kodierte Framedefinitionen, spricht Matthes von der manuell-holistischen Identifizierungsmethode.^87 Sie besitzt den Vorteil einer schnellen Analyse, gleicht jedoch sehr dem deduktiven Verfahren. Außerdem fallen die Kodierungen oftmals abstrakt aus und erschweren damit klare Frame-Zuweisungen. Das manuell-dimensionsreduzierende Verfahren geht stattdessen von der Entman’schen These aus, dass Frames aus vier Frame-Elemtenten bestehen. Nicht die Frames werden kodiert, sondern konkretere Frame-Teile (wie Problemdefinition, Ursachenzuschreibung, moralische Bewertung und Handlungsempfehlung).

„Zeigen sich bestimmte Muster von Variablenausprägungen über mehrere Texte und sind diese Muster interpretierbar, kann man die Frames benennen.“^88

Somit wird das Identifikationsverfahren in zwei Teilschritte gegliedert: Im ersten werden vordefinierte Frame-Elemente aus den jeweiligen Medientexten gefiltert. Im zweiten werden diese Elemente über Cluster in Beziehung gesetzt und als Frames interpretiert. Vorteil dieser Methode liegt in der präzisen Operationalisierung. Allerdings ist sie mit großem Zeitaufwand und statistischen Auswertungs-

(^82) Vgl. Dahinden 2006, S. 310 (^83) Vgl. Matthes 2014, S. 39 (^84) Vgl. Dahinden 2006, S. 311f (^85) Matthes 2014, S. 42 (^86) Vgl. Dahinden 2006, S. 311f und Matthes 2014, S. 40f (^87) Eine Beispieltabelle zur manuell-holistischen Frame-Analyse findet sich im Anhang, S. 25 (^88) Matthes 2014, S. 44

3.5 Einflüsse der Framing-Forschung

Es würde den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen auf sämtliche wegweisende Studien zu verweisen, die bisher in der Framing-Forschung publiziert wurden. Aus diesem Grund beschränke ich mich auf drei einflussreiche Beispiele, die Einblicke in die anwendungsbezogene Framing-Forschung liefern. Beim ersten handelt es sich um eine Studie von Amos Tversky und Daniel Kahneman aus dem Jahr 1981, die unter dem Stichwort ‘Asiatisches Krankheitsproblem‘ berühmt geworden ist. Die Forscher belegten experimentell, dass Informationen, die in verschiedenen Kontexten (bzw. Frames) gerahmt sind, zu unterschiedlichen Entscheidungen führen. Die Versuchsgruppen wurden mit einer fiktiven Entscheidungssituation konfrontiert: Eine Seuche ist ausgebrochen und es drohen 600 Menschen zu sterben, wenn keine entsprechende Maßnahme ergriffen wird. Maßnahme A rettet 200 sicher das Leben, Maßnahme B zu einer Wahrscheinlichkeit von einem Drittel 600 Menschen zu zwei Drittel keinen. Bei Maßnahme C werden 400 sicher sterben und im Falle von D wird zu einem Drittel niemand sterben – zu zwei Drittel alle. Die ersten Versuchsgruppen mussten zwischen A und B, die zweiten zwischen C und D wählen. Obwohl A identisch mit C und B identisch mit D ist, entschieden sich die Testpersonen im AB-Dilemma zu 72 Prozent für A und die CD-Kandidaten zu 78 Prozent für D. Tversky und Kahneman erklärten sich dieses Verhalten über die Existenz zweier Frames, die Sachverhalte zwar logisch äquivalent jedoch sprachlich unterschiedlich einordnen:^98 Ein Gain-Frame (Gewinnperspektive) und ein Loss-Frame (Verlustperspektive).^99 Hieraus entwickelten sie die sogenannte ‘Prospect Theory‘.^100 „Nach der Prospekt-Theorie verhalten sich Menschen bei potenziellen Gewinnen risikoversiv [indem sie statt B Maßnahme A wählen] und bei potentiellen Verlusten risikosuchend [indem sie sich statt C für D entscheiden].“^101 Die Prospekt-Theorie findet u.a. Anwendung in Gesundheitskampagnen. So besagt sie, dass bei Werbung von Medikamenten zu risikoarmen Krankheiten eher Gain-Frames Anwendung finden (Darstellung der positiven Folgen nach der Einnahme). Bei Medikamenten zu risikoreichen bzw. letalen Krankheiten nutzt man hingegen Loss-Frames(, die die Konsequenz der Einnahmeverweigerung verdeutlichen).^102 Als zweites Beispiel möchte ich als Student der Johannes Gutenberg-Universität auf einen Mainzer Beitrag zur Framing-Forschung verweisen. Immerhin haben bedeutende Frame-Theoretiker wie Dietram Scheufele am Institut für Publizistik studiert.^103 Eine entscheidende Forschungsarbeit zur Weiterentwicklung des Framing-Konzeptes stammt von Hans-Bernd Brosius und Peter Eps. Sie konnten nachweisen, dass sich die Themenauswahl bei außergewöhnlichen Nachrichten-Ereignissen (wie dem Reaktorunfall von Tschernobyl, dem 11. September oder Tsunami-Katastrophen) nicht mehr über die Nachrichtenwert-Theorie erklären lässt. Stattdessen werden diese ‘Schlüsselereignisse‘ je nach Phase der Berichterstattung unterschiedlich kontextualisiert bzw. ‘geframet‘: In der ersten Phase

(^98) Vgl. Matthes 2014, S. 25ff (^99) Vgl. Bonfadelli / Friemel 2015, S. 205 (^100) Vgl. Tversky / Kahneman 1981 (^101) Matthes 2014, S. 26 (^102) Vgl. Bonfadelli / Friemel 2015, S. 205ff (^103) Vgl. Matthes 2014, S. 16

werden Informationen zum eigentlichen Geschehen sowie Ursachen in den Fokus gerückt. Schließlich folgt eine historische Rahmung, indem Bezüge zur vergangenen Ereignissen hergestellt werden. In einer dritten Welle folgen medialisierte Ereignisse (Politiker-Statements, Talkshows), bis das Thema schließlich in einer Lawine aus Pseudo-Ereignissen (weitere Pressekonferenzen, Appelle) verebbt.^104 Drittens möchte ich auf den Einfluss von Framing im praktischen Journalismus eingehen: Der Ansatz verdeutlich vor allem wie sehr Medieninhalte durch gesellschaftliche Akteure gerahmt werden. Gerade was den Prozess des Nachrichten-Frame-Buildings betrifft, kommt dem einzelnen Journalisten eine entscheidende Rolle zu. Schließlich entspricht das Filtern und Aufbereiten von Informationen einem Großteil der täglichen Arbeit.^105 Zuschauer und Leser rezipieren Nachrichten, um sich über komplexe Themen Orientierung zu verschaffen (Kontroll-Motiv). Medien-Frames, die von Journalisten gebraucht werden, tragen daher entscheidend zur Bewertung von Ereignissen und Sachverhalten bei.^106 Somit ist es für Journalisten umso wichtiger, Themen nicht ‘einseitig-gerahmt‘ zu vermitteln. Ein zweiter Imperativ für die journalistische Berufspraxis ergibt sich aus dem Bewusstsein der Frame-Setting-Prozesse: Rezipienten verarbeiten Nachrichten stets schemagesteuert. Ein bewussterer Umgang mit der Informationsverarbeitung, kann dabei helfen Medientexte zu formulieren, die effektiver im Gedächtnis haften bleiben.^107 In jedem Fall appelliert die Framing- Theorie für einen verantwortungsbewussteren Umgang mit Nachrichten- und Zuschauer-Perspektiven.

3.6 Kritik und Zukunftsaussichten

Wie lässt sich die Framing-Forschung nach derzeitigem Stand einschätzen? Wie lassen sich ihre Grundlagen, Methoden und Erkenntnisse bewerten und welche Zukunftsaussichten könnte man aufstellen? Um diesen kleinen Streifzug durch die Framing-Forschung abzurunden, möchte ich zum Schluss nochmal Vor- und Nachteile des Ansatzes veranschaulichen, die wissenschaftliche Qualität der Theorie überprüfen und Zukunftsprognosen diskutieren. Das Potenzial des Framing-Ansatzes zeigt sich vor allem in seiner breiten Anwendbarkeit für qualitative und quantitative Studien. Die Theorie ermöglicht in der Kommunikationswissenschaft nicht nur eine umfangreiches Verständnis massenmedialer Prozesse^108 und damit unterschiedliche Teilbereiche der Wirkungsforschung zu verbinden (Brückenkonzept) – auch in anderen Disziplinen wie der Psychologie, Linguistik, Informatik, Soziologie, Politikwissenschaft und Ökonomie hilft sie zur Erläuterung verschiedenster Phänomene. Ferner stellt der Framing-Ansatz die Informationsverarbeitung von Rezipienten nicht als passiven Selektionsprozess dar, sondern als Mechanismus aktiver Sinnkonstruktion.^109 Die interdisziplinäre Anwendung der Theorie führt gleichzeitig zu einigen Nachteilen: So mangelt es nach wie vor an Integration und Kumulation

(^104) Vgl. Brosius / Eps 1993, 1995 und Brosius 2005, S. 235f (^105) Vgl. Schenk 2002, S. 488 und Dahinden 2006, S. 20 (^106) Vgl. Donsbach 2009, S. 127 (^107) Vgl. Schenk 2002, S. 304 (^108) Vgl. Dahinden 2006, S. 19 (^109) Vgl. Bonfadelli / Friemel 2015, S. 200

Stellenwert einer Metatheorie erlangt, hängt vor allem von der Verständigung auf gemeinsame theoretische und methodische Grundlagen ab.^119

„Ohne harten Kern, also ohne Konsens, was genau ein Frame ist, greift das Integrationspotenzial des Ansatzes ins Leere. […] [Ansonsten] haben wir das Problem, dass die verschiedenen Arbeiten innerhalb eines Framing-‘Paradigmas‘ nicht mehr das Gleiche untersuchen, sondern sich nur der Worthülse ‘Frame‘ bzw. ‘Framing‘ bedienen. Unterscheiden sich Studien in ihrer Grundauffassung von Frames, so unterscheiden sie sich auch in ihrem harten Kern.“^120

Allerdings erscheint es zum jetzigen Zeitpunkt utopisch, das expandierende Netz wissenschaftlicher Arbeiten auf eine gemeinsame Basis herunterzubrechen.

4. Aufsatz: The Content Analysis of Media Frames: Towards Improving Reliability and Validity 4.1 Begründung der Auswahl

Nach diesem allgemeinen Überblick möchte ich nun einen exemplarischen Einblick in die Framing- Forschung liefern. Die nachfolgenden drei Kapitel beschäftigen sich mit dem Aufsatz The Content Analysis of Media Frames: Towards Improving Reliability and Validity. Er erschien im Jahr 2008 im Journal of Communication und wurde von Matthias Kohring (Universität Münster) und Jörg Matthes (Universität Wien) verfasst.^121 Ich habe mich aus mehreren Gründen für diesen Aufsatz entschieden: Zunächst war es mir wichtig, eine empirische Studie zu finden, die noch weitgehend aktuell (also nicht älter als zehn Jahre) ist. Außerdem gilt Jörg Matthes als einer der führenden Framing-Forscher im deutschsprachigen Raum, der in zahlreichen kommunikationswissenschaftlichen Arbeiten zu Framing erwähnt wird. Zudem versucht der Aufsatz ein Problem zu lösen, mit dem die empirische Wirkungsforschung seit jeher zu kämpfen hat: Der Operationalisierung abstrakter theoretischer Begriffe (wie zum Beispiel ‘Frame‘). Matthes und Kohring befassen sich intensiv mit der in Kapitel 3.4 angesprochenen Problematik der Frame-Identifikation. Ihr vorgestelltes manuell- dimensionsreduzierendes Verfahren betrachte ich als wertvollen, innovativen Beitrag zur methodologischen Weiterentwicklung innerhalb der Framing-Forschung. Außerdem veranschaulicht die Studie, wie die Selbstreflexion empirischer Methoden zur Herausbildung neuer Erkenntniswerkzeuge führen kann. Vermutlich ist das auch ein Grund, weshalb der Aufsatz von der Communication Theory & Methodology Devision mit einem Preis nominiert wurde.^122

(^119) Vgl. Dahinden 2006, S. 320f (^120) Matthes 2014, S. 88 (^121) Der vollständige Aufsatz wurde im Anhang beigefügt. (^122) Vgl. Matthes / Kohring 2008, S. 276

4.2 Aufbau des Aufsatzes und Vorgehen der Studie

Bereits der Titel der Arbeit verweist auf die Forschungsleistung, die sie erbringen möchte: Nämlich die Reliabilität und Validität in der Framing-Forschung zu verbessern. Reliabilität (Zuverlässigkeit) umfasst die Genauigkeit wissenschaftlicher Messungen. Sie bietet die Voraussetzungen für die Validität, sprich: Die Gültigkeit von Annahmen, die sich aus den Messungen schlussfolgern lassen. Beide gelten zusammen mit der Objektivität als drei Wertmaßstäbe zuverlässiger empirischer Forschung. Um den Inhalt des Aufsatzes nicht nur wiederzugeben, möchte ich ihn zunächst über seine Fragestellung innerhalb der Framing-Forschung einordnen, auf Problemdefinitionen, Thesen und Lösungsvorschläge eingehen und den formalen Aufbau skizzieren. Wie bereits im Kapitel 3.4 angesprochen, lässt sich die empirische Framing-Forschung in zwei Richtungen unterteilen: Fragestellungen zur Frame-Wirkung und zur Frame-Identifikation. Bei der vorliegenden Studie haben wir es also mit Letzterem zu tun. Hier geht es jedoch weniger um die identifizierten Frames selbst, sondern Methoden zu ihrer Ermittlung. Der Aufsatz ist Teil einer Reihe von Forschungsarbeiten, die von Matthes und Kohring zu diesem Schwerpunkt durchgeführt wurden.^123 Über die Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Journal of Communication zielten die beiden deutschsprachigen Forscher darauf ab, ihren manuell-dimensionsreduzierenden Ansatz international publik zu machen. Bereits 2002 hatten sie Medienframes zum Thema Gentechnologie untersucht – ebenfalls über zwei Phasen (damals 1992 – 1996 und 1997 – 1999) und unter Verwendung identischer Methoden. Nur wurden in der 2008-Studie nicht Zeitungsartikel aus der faz , taz und dem Spiegel sondern der New York Times ausgewertet.^124 Mit ihren Untersuchungen greifen sie die Kritik von Hertog, McLeod, Tankard, Gamson und Van Gorp auf.^125 Diese kritisieren, dass es sich bei Frames um relativ abstrakte Begriffe handelt, die schwer zu operationalisieren sind (Problem der Reliabilität). Insbesondere bei qualitativen Studien werden Frame-Kodierungen unterschlagen (methodologische Black Box), sodass Gefahr besteht, keine Medien-Frames sondern subjektive ‘Forscher-Frames‘ zu extrahieren.^126 Als Lösungsvorschlag dieser mangelnden ‘Reliabilität und Validität‘ entwickelten Matthes und Kohring eine neue Methode, die Matthes 2014 als ‘manuell-dimensionsreduzierendes Verfahren‘ bezeichnet. Grundsätzlich basiert sie auf einer Methode der Inhaltsanalyse, die hierarchische Cluster in Medientexten ermittelt. Gleichzeitig bildet das Verfahren eine Synthese aus dem manuell-holistischen und dem computerbasierten Ansatz.^127 Die Grundprämisse lautet, dass abstrakte Frames aus konkreten Frame- Elementen bestehen. Diese werden als Variablen zur Kodierung festlegt, die es ermöglichen Frames induktiv-quantitativ in Medientexten zu identifizieren. Als größten Vorteil betrachten Kohring und Matthes, dass sich dadurch unbekannte Frames oder Frame-Veränderungen innerhalb der

(^123) Vgl. Matthes / Kohring 2002 und 2004 (^124) Vgl. Matthes / Kohring 2002, ebenso wie Dahinden 2006, S. 122ff (^125) Vgl. Hertog / McLeod 2001, Tankard 2001, Gamson 1989 und Van Gorp 2001 (^126) Vgl. Kapitel 3.4, S. 9 – 11 (^127) Vgl. Matthes / Kohring 2008, S. 269, 275

Februar 1997 wurde als ‘Bruch in der Berichterstattung‘ definiert. Hier gelang es Schottischen Wissenschaftlern erstmals ein Schaf zu klonen (Dolly). Anhand dieses Schlüsselereignisses postulieren die beiden Wissenschaftler eine veränderte Berichterstattung und Medien-Wirkung (Hypothese). Ihre Untersuchung verfolgt daher drei Ziele. Erstens: Eine überschaubare Anzahl von Medien-Frames in dem angegebenen Material zu identifizieren. Zweitens: Über die beiden Perioden Veränderungen im Frame-Building-Prozess nachzuweisen. Und Drittens (als übergeordnetes Ziel): Den Gehalt der eigenen Methode exemplarisch zu bestätigen.^132 Das Forschungsmaterial stammt aus dem internationalen Recherche-Netzwerk Life Licenses in European Society: Towards the 21st Century. Jeweils 100 Artikel pro Jahr wurden über die Stichworte ‘biotech‘, ‘genetic‘, ‘genome‘ und ‘DNA‘ zusammengetragen.^133 Zwei unabhängige Kodierer werteten das Material aus. Besonders interessant ist die Zusammenstellung der Kodierungsanweisungen.^134 So wurden die themenbezogenen Frame-Variablen deduktiv ermittelt. Sie stützen sich weitgehend auf „earlier codebooks about biotechnology“,^135 von denen Matthes und Kohring ‘glauben‘, dass sie die gesamte Debatte über Gentechnologie zuverlässig abbilden. Zur besseren Interpretierbarkeit wurden die Variablen auf ein Minimum reduziert: Aus ursprünglich 39 ‘Topics‘ wurden neun und aus 41 ‘Actors‘ wurden vier. Ferner wurde die Messgenauigkeit (Reliabilität) dieser ausgewählten Variablen an exemplarischen Texten überprüft. Matthes und Kohring gehen davon aus, dass diese vordefinierten Frame-Elemente über die Jahre 1992 bis 2001 unverändert blieben.^136 Im Abschnitt Results zeigt sich das Problem, die mögliche Zahl an extrahierten Clustern auf ein interpretierbares Maß zu beschränken. In der Periode 1992 bis 1996 entschied man sich für drei, im Zeitraum 1997 bis 2001 für sechs Cluster (und somit Frames). Anhand der Tabellen dieser Clusteranalysen^137 lässt sich über die dominanten Variablen das jeweilige Frame interpretieren. In der ersten Periode analysierten die beiden die Frames Economic Prospect (Betonung der wirtschaftlichen Chancen), Genetic Identity (Betonung der politischen Regulierung der neuen Technologie) und Research Benefits (Betonung der innovativen Möglichkeiten). Für die zweite Periode wurden diese drei Frames ebenfalls identifiziert – nur haben sie sich ausdifferenziert bzw. hat sich das Verhältnis ihres Auftretens verändert. Somit sei Economic Prospects wesentlich seltener aufgetreten. Hinzu kommen drei neue Frames: Biomedical Prospects (Betonung der biomedizinischen Chancen), Biomedical Research (Betonung der innovativen Möglichkeiten in der Biomedizin) und Agri-Food (Betonung der Vor- und Nachteile von genmanipulierten Lebensmitteln). Besonders bei Letzterem sei zum ersten Mal ein Frame aufgetreten, das die Gentechnologie-Thematik negativ rahmen würde. Das Fazit der Untersuchung ergibt somit eine wesentliche Ausdifferenzierung der Frames in der zweiten

(^132) Vgl. Matthes / Kohring 2008, S. 265 (^133) Vgl. Ebd., S. 266 (^134) Vgl. Tabelle in Ebd., S. 267 (^135) Ebd., S. 266 (^136) Vgl. Ebd., S. 268f (^137) Vgl. Ebd., S. 270, 272f

Phase.^138 Interessant ist, dass Matthes und Kohring in ihrer Untersuchung der faz , taz und Spiegel - Artikel (2002) nahezu identische Frames extrahierten.^139 Unter Discussions betonen die Framing-Forscher erneut die Vor- und Nachteile ihrer Methode. Durch die Ausdifferenzierung der Frames in verschiedene Variablen konnte die Reliabilität deutlich verbessert und das Auftreten von ‘Forscher Frames‘ verringert werden. Im Gegensatz zum rein computerbasierten Verfahren wird betont, dass es menschlichen Kodierern möglich ist Subtexte und Konnotationen zu erkennen.^140 Die Selbstkritik des Aufsatzes beschränkt sich hauptsächlich auf die Anwendbarkeit der Methode. So ist das Verfahren bisher auf Zeitungsartikel beschränkt und über die komplexe Auswertung verschiedenster Variablen mit einem hohen Aufwand verbunden.^141 Auf eine selbstreflexive Darstellung der eigenen theoretischen Grundlagen und des statistischen Vorgehens wird verzichtet.

4.3 Bewertung der Untersuchung

Wie lässt sich das Vorgehen von Matthes und Kohring bewerten? Provokant ließe sich behaupten, es geht beiden Forschern neben der Publikation neuer Erkenntnisse um die Vermarktung einer als ‘innovativ‘ gerahmten Methode. Man könnte meinen: Die Frames im Discussion -Kapitel grenzen wesentliche Kritikpunkte aus, die ich an dieser Stelle nachholen möchte: Meine Kritik fokussiert sich dabei auf vier verschiedene Aspekte: Die theoretischen Grundlagen, die Methodologie, die statistische Auswertung und die Anwendbarkeit des aufgestellten Verfahrens. Selbstverständlich führt bei der der Operationalisierung kein Weg daran vorbei, Frames in empirisch-messbare Indikatoren zu übersetzen. Ob dies bestimmte Wortgruppen sind oder abstrakte Elemente bleibt der jeweiligen Frame-Definition überlassen. Die von Kohring und Matthes aufgestellte Methode eignet sich insbesondere zur Erfassung themenabhängiger Frames. Bei ihren analysierten Frames scheint es sich überwiegend um Unterthemen zu handeln (wie genmanipulierte Lebensmittel oder Biomedizin), die innerhalb des übergeordneten Themas (Gentechnologie) mal mehr oder weniger hervorgehoben werden. Allerdings können Frames Themen auch in metaphorische Kontexte stellen: Gentechnologie könnte etwa als ‘Heiliger Gral‘ gerahmt werden oder als ‘Wissenschaftliche Hybris‘ (vgl. Frankenstein-Metapher). Derartige themenunabhängige Frames lassen sich jedoch keineswegs über die manuell-dimensionsreduzierende Methode ermitteln. Weitere Schwierigkeiten werden bei näherer Betrachtung der Methodik deutlich: Natürlich ist das Verfahren transparenter und damit nachvollziehbarer als vergleichsweise qualitative Studien. Dennoch wurde das Problem subjektiver Festlegungen im Grunde von den Frames auf die Frame- Elemente verlagert. „Input-Variablen [werden] in aller Regel deduktiv festgelegt, womit der Offenheit

(^138) Vgl. Matthes / Kohring 2008, S. 269ff (^139) Vgl. Frame Tabelle im Anhang, ebenso wie Matthes / Kohring 2002, S. 148 – 151, Dahinden 2006, S. 122ff (^140) Vgl. Matthes / Kohring 2008, S. 275 (^141) Vgl. Ebd., S. 276