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Art: Leitfäden, Projektarbeiten und Recherchen
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Version 1.1 Januar 2011
NORAXONU.S.A., INC.
Einführung & Definition
Diese Ausgabe der EMG-Fibel wurde primär zum praxisorientierten Nachvollziehen experimenteller Techniken der kinesiologischen E- lektromographie (KinEMG) sowie deren wissenschaftlicher Fundie- rung konzipiert. Das Skriptum soll nicht als Ersatz für das gründli- che Studium der zugrundeliegenden wissenschaftlichen Fachlitera- tur (siehe Anhang „Empfohlene Literatur“, gleichzeitig auch Quelle für Text- und Abbildungszitate) angesehen werden. Es richtet sich primär an Einsteiger und soll deren erste Schritte bei der Planung und Durchführung von kinesiologischen EMG Studien erleichtern. Hierbei werden übersichtsartig das fundamentale Verständnis und die gängigsten Techniken des kinesiologischen EMGs dargestellt. Das Skriptum konzentriert sich auf typische Praxisfragen, Proble- me und deren Lösung. Es wird ausdrücklich empfohlen, begleitend die einschlägigen wissenschaftlichen Publikationen und Textbücher zu studieren, da dieses Skriptum nicht die Vielfalt unterschiedlicher Ansätze, Ansichten und Bearbeitungsstrategien vollständig oder frei von subjektiven Erfahrungswerten abdecken kann.
Die Elektromyographie (EMG) ist eine experimentelle Technik, die sich der Entstehung, Aufzeichnung und Analyse myoelektrischer Signale widmet. Myoelektrische Signale werden durch physiologische Zu- standsvariationen der Muskelfasermembran generiert. (2).
Im Gegensatz zum klassischen neurologischen EMG, bei dem durch einen externen elektrischen Stimu- lus die artifizielle muskuläre Antwort in (meist) statischen Bedingungen via Nadelelektroden erfasst wird, liegt der Fokus des kinesiologischen EMGs auf der Erfassung und Analyse der willkürlichen Muskelakti- vierung in funktionellen Bewegungen, posturalen Aktivitäten oder Therapie-/Trainingsübungen.
Abb.1: Ein grundlegendes EMG-Lehrbuch. Basmajian&DeLuca: Muscles Alive (2)
Abb. 2: Basmajian &DeLuca: Definition Aus: Muscles Alive ( 2 - S. 1)
Gebrauch und Nutzen des EMGs
Neben seinem Einsatz in physiologischen und biomechanischen Grundlagenexperimenten ist das kine- siologische EMG als objektive Untersuchungsmethode in der allgemeinen angewandten Forschung e- tabliert, insbesondere im Bereich klinischer und sportmedizinischer Fragestellungen, in der Sportwissen- schaft, Physiotherapie, Rehabilitation und Arbeitswissenschaft:
Typische Vorteile des EMGs
Der Einsatz des KinEMGs startet mit der grundsätzlichen Frage: “Wie verhalten sich die Muskeln?” Die typischen Vorteile sind:
Medizinische Forschung
Rehabilitation
Ergonomie
Sportwissenschaft
Abb. 4: Ein direkter Blick in Körper und Muskelgleichzeitige Darstellung von EMG, Video und weiteren Bewe-funktion durch gungssensor-Kurven. Ein Screenshot aus der Software Myo-Research XPTM (^) - NORAXON INC. USA
Abb.3: Anwendungsgebiete derkinesiologischen EMG
Die Entstehung des EMG-Signals
Wenn durch den Natrium-Ioneneinstrom ein be- stimmter Schwellenwert überschritten wird, verur- sacht die Depolarisation ein Aktionspotential von
Diese Erregung führt zu einer Ausschüttung von Calcium-Ionen in den intrazellulären Raum. Gekoppelte chemische Prozesse (elektro-mechanische Kopplung) führen schließlich zur Verkürzung der kontraktilen Elemente der Muskelzelle. Dieses Modell beschreibt eine hochkorrelierte Beziehung zwischen elektri- scher Erregung und mechanischer Kontraktion (wenn auch sehr schwache Erregungen oft keine Kontrak- tion auslösen). Unter praktischen Gesichtspunkten kann man aber davon ausgehen, dass im gesunden Muskel jede Muskelkontraktion von dem hier beschriebenen Mechanismus ausgeht.
Das EMG-Signal entsteht aus dem Aktionspotential der Muskelfasermembran und dem zugrundeliegen- den Depolarisations-Repolarisationsablauf. Die Größe dieses Depolarisationszone (Abb. 8) wird in der Li- teratur mit ca. 1-3 mm^2 (11) angegeben. Nach seiner initialen Entstehung wandert diese Zone entlang der Muskelfaser mit einer Geschwindigkeit von 2 – 6 m/s und passiert dabei die Elektroden-Ableitfläche:
0 Depolari-sation
Repolarisation
Nach-Hyperpolarisation Schwelle
(^30) Over- shoot
Membran Potential ( mV)
1 3 5 Zeit (ms)
0 Depolari-sation
Repolarisation
Nach-Hyperpolarisation Schwelle
(^30) Over- shoot
Membran Potential ( mV)
1 3 5 Zeit (ms)
Abb.8: DieDepolarisie- rungszonevon Muskel- faser-membranen. Übernommen& modifiziert aus 7 , S. 73)
Abb.7: Das Aktionspotential. Übernommen & modifiziert aus 5 , S. 164
+ + + - - -
- - - + + +
+ + + - - -
- - - + + +
Signalleitung und -erfassung
Der Depolarisations-Repolarisationszyklus formt eine Depolarisationswelle oder elektrischen Dipol (11), der entlang sich entlang der Muskelfaser fortpflanzt. In kinesiologischen Studien werden üblicherweise bipolare Elektrodenkonfigurationen mit differenzieller Verstärkung benutzt. Zur vereinfachten Darstellung wird im Folgenden nur die Erfassung einer einzelnen Muskelfaser dargestellt. Abhängig von der räumli- chen Distanz zwischen Elektrode 1 und 2 formt der Dipol eine Potentialdifferenz zwischen den Elektro- den. Abbildung 9 zeigt ein Beispiel, in dem zum Zeitpunkt T1 das Akti- onspotential generiert wird und in Richtung Elektroden wandert. Hierbei wird eine ansteigende Potentialdifferenz gemessen. Sie ist zum Zeitpunkt T2 am größ- ten. Wenn der Dipol einen glei- chen Abstand zwischen den E- lektroden erreicht hat, passiert T3 die Potentialdifferenzkurve die Nulllinie und wird zum Zeit- punkt T4 am (negativ-) größten. Hier hat der Dipol den kürzesten Abstand zur Elektrode 2. Diese Modell erklärt, warum das monopolare Aktionspotential in der Differenzialverstärkung ein bipolares Signal erzeugt. Da motorische Einheiten aus vielen Muskelfasern bestehen, „sieht“ das Elektrodenpaar die Potentiale aller innerhalb der motorischen Einheit erregten Muskelfasern in unterschiedlichem Ausmaß – abhängig vom räumlichen Abstand. Typi- scherweise summieren sie sich zu einem triphasischen „Motor Unit Action Potential“ (oder „ MUAP “ -
Differential-Verstärker DisplayEinheit
Depolarisationwelle
Elektroden
T1 T2 T3 T4 T
zwischen Elektroden^ Potentialdifferenz
Haut
Differential-Verstärker DisplayEinheit
Depolarisationwelle
Elektroden
T1 T2 T3 T4 T
zwischen Elektroden^ Potentialdifferenz
Haut
1 2
3
n
Überlagerte Signale dergesamten Motorischen Einheit
Ableit-stelle
α Motoneuron
Motorische Endplatte (^) Aktionpotentiale:
Muskel Faser
1 2
3
n
Überlagerte Signale dergesamten Motorischen Einheit
Ableit-stelle
α Motoneuron
Motorische Endplatte (^) Aktionpotentiale:
Muskel Faser
Abb.10: Erzeugung einesdreiphasigen Motor Unit- Aktionspotentials. Über-nommen und modifiziert aus 2 , S. 68
Abb.9: Modell eines wandernden elektrischen Dipols auf Muskelfasermembranen. Übernom- men und modifiziert aus 7 , S. 73
Natur des EMG-Signals
Das ungefilterte (Ausnahme: der verstärkerbedingte Bandpass) und unverarbeitete bipolare EMG Mess- signal wird “ Roh-EMG ” genannt. In dem unten aufgeführten Beispiel (Abb. 13) wurde eine oberflächliche Messaufnahme des Roh-EMGs von drei statischen Bizeps Femoris-Kontraktionen durchgeführt.
Ist der gemessene Muskel entspannt (Ruhephase), ist eine mehr oder weniger flache Nulllinie erkenn- bar. Das hier vorzufindende Grundlinienrauschen hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere der Qualität des EMG-Verstärkers, der Höhe externer Störsignale sowie der Qualität der gegebenen Ableit- bedingung. Für moderne EMG-Verstärker und optimale Hautvorbereitung (siehe nächstes Kapitel) gilt, dass das Null- linienrauschen nicht höher als 3 bis 5 Mikrovolt betragen sollte. Das wird in der Realität nicht immer er- reicht, dennoch sind 1 – 2 Mikrovolt als optimal anzusehen. Die Inspektion der Nulllinie ist ein sehr wich- tiger Checkpunkt für jede EMG-Messung. Einstreuende Störspannung oder Probleme mit der Messappa- ratur sollten nicht als erhöhte Nulllinienaktivität oder gesteigerter „Muskeltonus“ interpretiert werden.
Der gesunde entspannte Muskel zeigt keine signifikante EMG-Aktivität aufgrund des Fehlens von Memb- ran-Depolarisation und zugehörigen Aktionspotentialen. Das EMG-Signal ist stochastischer Natur , d.h. eine Roh-EMG-Kurve kann in ihrer exakten Form nach nicht ein zweites Mal reproduziert werden. Das hängt damit zusammen, dass der jeweilig aktive Set erfasster motorischer Einheiten sich konstant ändert und somit im räumlichen Durchmesser des Muskelquerschnitts immer wieder unterschiedliche Konstella- tionen entstehen. Wenn, vereinfacht gesprochen, mehrere motorische Einheiten, die sehr nah an den E- lektroden liegen, exakt zur gleichen Zeit feuern, entsteht durch ihre elektrische Überlagerung im summa- rischen EMG-Signal kurzfristig ein hoher Spike. Durch die Nutzung von Glättungsalgorithmen (z.B. glei- tender Mittelwert) oder durch Auswahl geeigneter Amplitudenparameter wird der nicht reproduzierbare Anteil des EMG-Signals eliminiert oder zumindest reduziert. Roh-EMG-Signale können bis 5000 Mikrovolt (Athleten) ausschlagen. Der Frequenzgehalt liegt zwischen 5 und 500 Hz, wobei der Hauptanteil zwischen 10 und 150 Hz anzufinden ist (siehe Kapitel „Signal- Testprozeduren“).
Grundlinie
Aktiver Ruheperiode Kontraktionsausschlag
Zeit (ms)
Mikrovolt
Nicht reproduzierbareInnervationsspitzen
Grundlinie
Aktiver Ruheperiode Kontraktionsausschlag
Zeit (ms)
Mikrovolt
Nicht reproduzierbareInnervationsspitzen
Abb.13: Die Roh-EMG-Signalaufzeichnung dreier Kontraktionssalven des M. biceps br.
Der Einfluss der Ableitbedingungen
Auf seinem Weg von der Muskelmembran hoch zu den Elektroden kann das EMG-Signal unterschiedli- chen externen Beeinflussungsfaktoren unterliegen. Sie können folgendermaßen gruppiert werden: 1) Gewebeeigenschaften Der menschliche Körper ist ein guter elekt- rischer Volumenleiter, doch leider variiert die Leitfähigkeit in Abhängigkeit von Gewe- betyp und Gewebedicke (Abb. 14), physio- logischen Gewebeänderungen und Tempe- ratur. Diese Bedingungen können zwischen Individuen sowie unterschiedlichen Ableit- stellen innerhalb eines Individuums sehr stark variieren. Deshalb ist ein direkter quantitativer Vergleich zwischen unter- schiedlichen Ableitstellen auf der Basis des unverarbeiteten EMG-Signals nicht valide. 2) Physiologischer Cross Talk Direkt benachbarte Muskeln können einen signifikanten Anteil des gemessenen EMG-Signals produzie- ren. Dieses Übersprechen oder „Cross Talk“ überschreitet typischerweise nicht 10 bis 15% des Ge- samtsignalanteiles oder ist oft gar nicht sichtbar. Dennoch sollte man Vorsicht walten lassen bei eng zu- einander orientierten Muskeln (z.B. Hals, Vorderarm). EKG-Zacken können ebenfalls in die Messung einstreuen, insbe- sondere wenn am oberen Rumpf oder der Schulter gemessen wird. EKG-Artefakte sind einfach zu erkennen und können durch neu entwickelte Bearbeitungsroutinen eliminiert werden (siehe Ka- pitel EKG-Reduktion). 3) Distanzänderungen zwischen Muskeln und Elektroden Jede Distanzänderung zwischen Muskel und Elektrodenpaar ändert die EMG-Signalamplitude. Dies ist ein inhärentes Problem aller dynamischen Bewegungsstudien (Muskel bewegt sich unter den Elektro- den), es kann aber auch durch externen Druck auf Muskel oder Elektrode entstehen. 4) Externe Störspannung Besondere Vorsicht gilt in Räumen mit hoher elektrischer Störspannung. Die häufigste Störspannung kommt von schlecht oder gar nicht geerdeten externen Geräten und macht sich als 50-Hz-Netzbrummen bemerkbar (siehe unten). 5) Elektroden und Verstärker Die Auswahl und Qualität der Elektroden sowie das interne Verstärkerrauschen können ebenfalls die EMG-Erfassung beeinflussen. Das interne Verstärkerrauschen sollte < 5 Vrms (siehe ISEK Standards, Kapitel „EMG-Richtlinien“) sein. Die meisten dieser Einflussfaktoren können durch akkurate Vorbereitung und Kontrolle der gegebenen Raum-/Laborbedingungen minimiert werden.
Aktiver Muskel^ => Gegebebenes EMG ( μVolt )
2) Adipositas
1) Normal Bedingung Haut
=> Redudiziertes EMG Aktiver Muskel
Subkut. Fettgewebe
Aktiver Muskel^ => Gegebebenes EMG ( μVolt )
2) Adipositas
1) Normal Bedingung Haut
=> Redudiziertes EMG Aktiver Muskel
Subkut. Fettgewebe
Abb.14: Der Einfluss unterschiedlich starker Gewebsschichten unterhalb derElektroden: Wegen des kleineren Abstands zwischen Muskel und Elektroden ergibt sich in Bedingung 1 aus dem gleichen Betrag von Muskelelektrizität einhöherer EMG-Ausschlag.
Abb.15: Roh-EMG-Aufzeichnung mit starker EKG-Einstrahlung
A/D-Konvertierung des EMG-Signals
Bevor das EMG-Signal am PC angezeigt und analysiert werden kann, muss es von einem analogen Messstrom in ein digitales Signal umgewandelt werden (Analog zu Digital Wandlung oder A/D- Konvertierung). Die Auflösung der A/D-Wandlerkarten muss das Messsignal im erwarteten Amplitudenbe- reich (z. B. +/- 5 Volt) ausreichend gut erfassen. Ein 12-Bit-A/D-Board kann den Voltbereich des Ein- gangsignales in 4095 Intervallen (2^12=4095) separieren. Dies ist bereits ausreichend für die meisten ki- nesiologischen Setups. Aufgrund des technischen Fortschritts wird vermehrt die 16-Bit-Auflösung einge- setzt. Sehr kleine Messsignale benötigen eine höhere Verstärkung um im gegebenen Bereich der A/D- Karten ausreichend gut aufgelöst zu werden.
Ein weiterer technischer Faktor ist die Wahl der rich- tigen Messrate (mit wievielen Datenpunkten pro Se- kunde wird das Signal digital dargestellt). Um das gesamte Frequenzspektrum des Signales ausrei- chend gut zu übersetzen, sollte die Konvertierungs- rate der A/D-Karte mindestens doppelt so schnell sein wie die erwartete höchste Frequenz innerhalb des Signales. Dieser Zusammenhang wird durch das Mess-Theorem nach Nyquist beschrieben: demnach entstehen bei zu niedriger Messrate Alia- sing-Effekte (Abb. 18), die die hohen Frequenzantei- le eliminieren (Undersampling).
Beim Oberflächen-EMG befindet sich nahezu alle Frequenzleistung zwischen 10 und 250 Hz, und wis- senschaftliche Leitlinien empfehlen einen EMG- Frequenzmessbereich von 10 bis 500 Hz. Hieraus resultiert demnach eine Messfrequenz von 1000 Hz, oder besser noch 1500 Hz (doppelter oder dreifa- cher Bandpass).
Original- Signal
20 Hz
10 Hz
5 Hz Zeit =>
SignalAmplitude
analog
Original- Signal
20 Hz
10 Hz
5 Hz Zeit =>
SignalAmplitude
analog
Abb.18: Der Einfluss der A/D-Abtastfrequenz auf das digitali-sierte Signal. Zu geringe Frequenzen (= weniger Abtastungen) führen zu einem signifikanten Verlust von Signalinformationen.
Hautvorbereitung
Die Qualität einer EMG-Messung hängt sehr stark von einer korrekt durchgeführten Hautvorbereitung und Elektrodenpositionierung ab. Die generelle Strategie der Hautvorbereitung ist, einen stabilen Elektroden- kontakt und einen geringen Hautleitwiderstand (Impedanz) zu erreichen. Die meisten modernen EMG- Verstärker sind für Haut-Impedanzwiderstände zwischen 5 und 50 Kohm (gemessen zwischen den Elekt- roden) designed. Normalerweise ist es nötig, die Haut zu reinigen, um zufriedenstellende Impedanzwerte zu erreichen. Es gibt keine verpflichtenden Regeln, und mehrere Methoden existieren, um eine gute Hautleitbedingung für EMG-Messungen zu erreichen. Insbesondere für Anfänger wird es hilfreich sein, die Leitimpedanz direkt mit einem Voltmeter (in jeden Baumarkt erhältlich) oder mit speziellen Impe- danzmetern zu messen (siehe Kapitel „Signal-Testverfahren“).
Eine weitere wichtige Überlegung ist, welche Messbedingung und -Aktivität angestrebt wird. Wenn eine nahezu quasi-statische oder langsame Testbewegung geplant ist (z.B. ein klinischer Muskelfunktions- test), und die zugrundeliegende Analyseidee eher qualitativen Charakter hat (Amplitudenänderungen werden mit “mehr” oder “weniger” beurteilt), reicht eine einfache Alkoholreinigung möglicherweise in den meisten Fällen aus. Wird hingegen eine hochdynamische Bewegung mit hohem Risiko von Bewegungs- artefakten geplant (schnelles Gehen, Laufen, Springen), ist eine gründliche Hautvorbereitung anzuraten.
Folgende Schritte sollten in Betracht gezogen werden:
1) Haare entfernen: Die Haarentfernung ist für den sicheren Halt der Elektroden auf der Haut von Bedeutung, besonders un- ter Bedingungen hoher Luftfeuchtigkeit, vermehrter Schweißbildung und/oder dynamischer Bewegungen 2) Reinigung der Haut:
Methode A: (Empfohlen) Spezielle abrasive Reinigungspasten entfernen tote Hautepithelien (produzieren den höchsten Wider- stand) und reinigen die Haut von Verschmutzung und Schweiß. Methode B: Alternativ kann sehr feines Sandpapier genutzt werden. Mit weichem, kontrollierten Druck wird 3 bis 5 mal gerieben und anschließend mit Alkohol gereinigt. Methode C: Alkohol wird in ein Baumwolltuch geträufelt und anschließend die Haut kräftig gerieben. Diese Methode für den klinischen Einsatz nahezulegen.
Welche Methode auch immer zu Einsatz kommt, sofern sie korrekt eingesetzt wird, erhält die Haut nach der Reinigung eine leichte Rötung, was wiederum eine gute Impedanzbedingung indiziert.
Fine-Wire-Elektroden
Aufgrund der Muskelbewegung in kinesiologischen Studien sind flexible Feindraht-Elektroden den fixen Nadelelektroden vorzuziehen, wenn die Erfassung tiefer/überlagerter Muskeln angestrebt wird.
Die werksseitig sterilisierten Einfaden- oder Dualfäden werden mittels Einstichkanüle in das Muskelge- webe eingeführt, anschließend wird die Nadel wieder herausgezogen und die Messdrähte an metalli- schen Kontaktfedern verbunden (siehe Abb. 22). Die korrekte Lokalisierung kann mit Ultraschall oder E- lektrostimulation kontrolliert werden.
Die Fine-Wire-Signale werden wie nor- male Oberflächen-EMGs erfasst und bearbeitet. In vielen Fällen ist es hilf- reich, den Hochpassfilter von 10 auf 20 Hz zu erhöhen, da Fine-Wire-Elektroden verstärkt Bewegungsartefakten ausge- setzt sind (Abb. 23).
1) Nadel einführen1) Nadel einführen 2) Nadel entfernen2) Nadel entfernen 3) Fäden mit Federn verbinden3) Fäden mit Federn verbinden
EndisolierteEndungen (rot) Stahl-kanüle Entisolierte Endungen (rot)- Elektrodenendung
HakenformigeElektrodendrähte
EndisolierteEndungen (rot) Stahl-kanüle Entisolierte Endungen (rot)- Elektrodenendung
HakenformigeElektrodendrähte
Abb.21: SchematischeDarstellung einer Feindraht- elektrode: In einer Stahlkanü-le befinden sich zwei feine Drähte mit unisoliertenEnden. System MEDELEC.
Abb.22: Das Einbringen einer Fine-Wire-Elektrode ins Muskelgewebe. Nach dem Herausziehen der Kanüle werden die Feinkabel mitStahl-Kontaktfedern verbunden, an welche wiederum die üblichen EMG-Vorverstärkerkabel angeschlossen werden.
Abb.23: Eine Feindraht-Roh-EMG-Aufzeichnung des M. tibialisposterior (obere blaue Linie) beim Gehen auf dem Laufband. Die Schwankungen der Grundlinie weisen auf Bewegungsartefakte hin.Durch Anwendung eines 20-Hz-Highpass-Filters lässt sich die Grundlinie stabilisieren (untere rote Kurve). Quelle: Institut für Bio-mechanik, D. Sporthochschule Köln)
Leitlinien für die Elektrodenapplikation
Die meisten Empfehlungen für Elektrodenpositionierungen (z.B. SENIAM) basieren auf einem Vermes- sungssystem, dass sich an anatomisch dominanten oder leicht palpierbaren Bezugspunkten orientiert. Diese Punkte können zur Vermessung (Maßband) der Elektrodenposition benutzt werden (Abb. 24).
Scapula trigonum spinae Scapula angulus inferior
L1/L5 proc. spinosus
Epicondylus lateralis / medialis Spina iliaca superior
C7 proc. spinosus
Epicondylus lateralis/medialis
Processus styloideus radii
Processus styloideus ulnae Trochanter major
Acromion (^) Acromion
Patella Knee joint
Christa iliaca
Rib cage Umbicilus
Sternum
Malleolus medialis/lateralis
Medial clavicula head
Spina iliaca anteriorsuperior
Head of Fibula Tibia Bone
CircumferencePoint
CircumferencePoint
Fossa cubitalis
TH 3 proc. spinosus
Heel / calcaneum
Medial border of scapula TH 8 proc. spinosus Olecranum
Scapula trigonum spinae Scapula angulus inferior
L1/L5 proc. spinosus
Epicondylus lateralis / medialis Spina iliaca superior
C7 proc. spinosus
Epicondylus lateralis/medialis
Processus styloideus radii
Processus styloideus ulnae Trochanter major
Acromion (^) Acromion
Patella Knee joint
Christa iliaca
Rib cage Umbicilus
Sternum
Malleolus medialis/lateralis
Medial clavicula head
Spina iliaca anteriorsuperior
Head of Fibula Tibia Bone
CircumferencePoint
CircumferencePoint
Fossa cubitalis
TH 3 proc. spinosus
Heel / calcaneum
Medial border of scapula TH 8 proc. spinosus Olecranum
Abb.24: Anatomische Markie-rungspunkte am menschlichen Körper in Rücken- und Vor-deransicht
Muskelkarte Frontal
Die meisten der für die Bewegungsfunktion wichtigen Muskeln können durch Oberflächen-Elektroden (rechte Seite auf der Muskelkarte – Abb. 27/28) erfaßt werden. Für eine sichere oder selektive Erfas- sung tiefergelegener, sehr schmaler oder überlagerter Muskeln müssen Fine-Wire-Elektroden einge- setzt werden (linke Seite in Abb. 27/28). Die Muskelkarten zeigen eine Selektion der in kinesiologi- schen Studien oft genutzten Muskeln. Die gelben Punkte der Oberflächenableitungen indizieren die Orientierung der Elektrodenpaare zur Muskelfaserrichtung (Vorschläge zusammengetragen aus 1, 4, 10 und SENIAM).
Frontalis
Masseter Sternocleidomastoideus Deltoideus p. acromialis Deltoideus p. clavicularis Pectoralis major Biceps brachii
Brachioradialis Flexor carpum radialis
Rectus abdominis
Serratus anterior
Flexor carpum ulnaris Obliquus externus abdominis Internus / Transversus abd.
Rectus femoris Vastus lateralis Vastus medialis
Peroneus longus
Interosseus Adductores
Tensor fascia latae
Tibialis anterior
Fine Wire: Oberflächenableitung:
Iliacus
Pectoralis minor
Diaphragma
Transversus abd.
Adductors (selective) Vastus intermedius
Thin / deep shank muscles
Smaller foot muscles
Smaller neck muscles
Psoas major
Smaller face muscles
Smaller forearm muscles
Abb. 27: Anatomische Positionen ausgewählter Elektrodenmesspunkte – Vorderansicht. Die linken Messpunkte zeigen tiefliegende Muskeln undPositionen für Feinkabelelektroden an, auf der rechte Seite Oberflächenmuskeln und zugehörige Messpunkte.
Muskelkarte Dorsal
Zumindest eine Referenzelektrode per Subjekt muss mitappliziert werden. Normalerweise werden hierfür elektrisch unbeteiligte Areale ausgesucht, z.B. Gelenke, knöcherne Bereiche, Stirn, Becken- kamm, Tibiaplateau etc. Neueste Verstärkertechnologien (Noraxon Aktivkabel) benötigen keine spe- zielle Lokalität. Es sollte nicht vergessen werden, die Haut auch für die Referenzelektrode zu präparie- ren, ferner sollte die Referenzelektrode eine Mindestgröße (aktive Leitfläche) von mindestens 1 cm (oder besser größer) haben.
Trapezius p. descendenz
Neck extensors
Deltoideus p. scapularis
Trapezius p. transversus Infraspinatus
Erector spinae (thoracic region)
Latissimus dorsi
Erector spinae (lumbar region) Multifiduus lumbar region
Semitendinosus/membranosus
Biceps femoris
Gastrocnemius lat.
Glutaeus maximus
Glutaeus medius
Gastrocemius med.
Oberflächenableitung:
Trapezius p. ascendenz Triceps brachii (c. long./lat.)
Smaller forcearm extensors
Soleus
Fine Wire:
Deep hip muscles
Subscapularis
Triceps brachii c. med.
Deep multifii
Thin / deep shank muscles
Supraspinatus
Deep neck muscles
Smaller forearm extensors
Thoracic erector spinae
Rhomboideus Teres major / minor
Quadratus lumborum
Deep segmental erector spinae
Abb. 28: Anatomische Positionen ausgewählter Elektrodenmesspunkte – Rückansicht. Die linken Messpunkte zeigen tiefliegende Muskeln undPositionen für Feinkabelelektroden an, auf der rechte Seite Oberflächenmuskeln und Messpunkte.