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Leitfäden und Tipps
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Einführung in die juristische Denk- und Arbeitsweise, Slides von Verwaltungsrecht

Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die. Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden. Die Entscheidung des ...

Art: Slides

2021/2022

Hochgeladen am 09.08.2022

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Einführung
in die
juristische
Denk- und Arbeitsweise
von
Professor a.D. Dr. Raimund Brühl
vorm. Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung,
Fachbereich Allgemeine Innere Verwaltung
Ständiger Gastdozent an der Bundesakademie
für öffentliche Verwaltung
19., überarbeitete Auflage
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Einführung

in die

juristische

Denk- und Arbeitsweise

von

Professor a.D. Dr. Raimund Brühl

vorm. Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung,

Fachbereich Allgemeine Innere Verwaltung

Ständiger Gastdozent an der Bundesakademie

für öffentliche Verwaltung

19., überarbeitete Auflage 2021

„Wissen ist gut, doch Können ist besser.“ Geibel, Dramaturgische Epistel

„Wer kann, hat recht.“ Wilhelm Busch

Vorwort

Um die vielfältigen Aufgaben in der öffentlichen Verwaltung erfüllen zu können, reicht theo- retisches Fachwissen nicht aus. Dieses muss durch anwendungsbezogene Fertigkeiten ergänzt werden. In der vom Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) geprägten Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland sind vor allem juristische Kompetenzen gefordert. Nur wer die Technik der Rechtsanwendung sicher beherrscht kann rechtsbeständige Entscheidungen treffen und ausführen. Diese Technik bildet die Schlüsselqualifikation, um sich immer wieder in neue Aufgabenbereiche einarbeiten und Sicherheit und Gewandtheit erlangen zu können. So bilden solide rechtsmethodische Fertigkeiten eine Grundvoraussetzung dafür, den gestiegenen Anforderungen an die Flexibilität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der modernen Ver- waltung gerecht werden zu können.

Das vorliegende Werkpapier basiert auf den Erfahrungen jahrzehntelanger Lehrpraxis in Studium und Fortbildung. Es wendet sich an alle in der öffentlichen Verwaltung, die rechts- methodische Fertigkeiten gewinnen oder vertiefen möchten. Das Werkpapier dient vor allem dem Grundseminar „Rechtliche Rahmenbedingungen des Verwaltungshandelns“ (Seminare RV 120 und 130, Webinar RV 140), dem Aufbauseminar „Juristische Denk- und Arbeitsweise in der Praxis“ (Seminar RV 260, Webinar RV 270) sowie entsprechenden Spezialseminaren als schriftliche Unterlage. Hilfreich sein kann es auch zur Vorbereitung auf ein Auswahlverfahren zum Aufstieg nach § 27 BLV sowie im Aufstiegsverfahren nach §§ 35 ff. BLV. Mit seiner Darstellung in einzelnen Arbeitsschritten, Übersichten, graphischen Darstellungen, Beispielen und Übungsaufgaben ist das Werkpapier auch für das Selbststudium geeignet.

Die 19. Auflage ist um die als 2. Kapitel eingefügten rechtssystematischen Grundlagen erwei- tert, durchgängig aktualisiert und überarbeitet worden. Vertieft worden sind insbesondere die Ausführungen zur Rechtsauslegung und zum Ermessen.

Eine sinnvolle Ergänzung stellen meine anderen Werkpapiere „Verfassungsrechtliche Rah- menbedingungen des Verwaltungshandelns“, „Staatsorganisation und Behördenaufbau in der Bundes- und Landesverwaltung“ sowie „Überblick über das Verwaltungsverfahrensrecht“ dar. Alle Werkpapiere stehen zum Download zur Verfügung über die Internet-Seite https://www.bakoev.bund.de unter Service Publikationen.

Im Juli 2021 Raimund Brühl

Abkürzungen

Abs. Absatz AktG Aktiengesetz AMG Arzneimittelgesetz AO Abgabenordnung Art. Artikel AsylG Asylgesetz AufenthG Aufenthaltsgesetz Aufl. Auflage ArbZG Arbeitszeitgesetz

BAföG Bundesausbildungsförderungsgesetz BauGB Baugesetzbuch BBG Bundesbeamtengesetz BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGHSt. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen BHO Bundeshaushaltsordnung BImSchG Bundes-Immissionsschutzgesetz BLV Bundeslaufbahnverordnung BNatSchG Bundesnaturschutzgesetz BPolG Bundespolizeigesetz BtMG Betäubungsmittelgesetz BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts BWahlG Bundeswahlgesetz

d. h. das heißt

EMRK Europäische Menschenrechtskonvention EU Europäische Union

FeV Fahrerlaubnis-Verordnung ff. fortfolgende

GastG Gaststättengesetz GenTG Gentechnikgesetz GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GO Gemeindeordnung GVG Gerichtsverfassungsgesetz

HandwO Handwerksordnung HGB Handelsgesetzbuch

ieS im engeren Sinne IfSG Infektionsschutzgesetz i. Verb. in Verbindung

JuS Juristische Schulung (Zeitschrift) JuSchG Jugendschutzgesetz

KrWG Kreislaufwirtschaftsgesetz KSchG Kündigungsschutzgesetz

MuSchG Mutterschutzgesetz

NJW Neue Juristische Wochenschrift Nr(n). Nummer(n) NRW Nordrhein-Westfalen

OBG Ordnungsbehördengesetz OWiG Ordnungswidrigkeitengesetz

PartG Parteiengesetz PolG Polizeigesetz ProdHaftG Produkthaftungsgesetz

Rn. Randnummer(n)

S. Satz / Seite SGB I Erstes Buch Sozialgesetzbuch SGB X Zehntes Buch Sozialgesetzbuch sog. sogenannte(s) StGB Strafgesetzbuch StAG Staatsangehörigkeitsgesetz StPO Strafprozeßordnung StVG Straßenverkehrsgesetz StVO Straßenverkehrs-Ordnung

TierSchG Tierschutzgesetz

u. a. unter anderem UmweltHG Umwelthaftungsgesetz UmweltRG Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

VersammlG Versammlungsgesetz vgl. vergleiche VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz VwZG Verwaltungszustellungsgesetz

WaffG Waffengesetz WaStrG Bundeswasserstraßengesetz

z. B. zum Beispiel ZPO Zivilprozessordnung

Steuerungsfunktion des Rechts im gewaltenteiligen Rechtsstaat

Gesetzgebende Gewalt (Legislative) erlässt abstrakt-generelle Normvorgaben

Recht

Vollziehende Gewalt (Exekutive) setzt die Normvorgaben in verbindliche konkret-individuelle Entscheidungen um

Recht

Rechtsprechende Gewalt (Judikative) kontrolliert, ob die Einzelfallentscheidungen mit den Normvorgaben übereinstimmen

Für jeden Einzelnen in der öffentlichen Verwaltung hat der Grundsatz der Gesetzesbindung weitreichende Auswirkungen :

  • Vor allen anderen Anforderungen muss die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns, seine Übereinstimmung mit den Anforderungen, die sich aus der Rechtsordnung ergeben, sichergestellt werden.
  • Wer für die öffentliche Verwaltung nach außen handelt, muss dazu über rechtssystemati- sche Grundkenntnisse und solide rechtsmethodische Fertigkeiten verfügen.
  • Jede Sachbearbeiterin / jeder Sachbearbeiter muss die aufgabenspezifischen Rechtsquellen in ihrer aktuellen Fassung kennen.
  • Da die verbindliche Entscheidung darüber, wie das Gesetz auszulegen und anzuwenden ist, von den Gerichten getroffen wird, muss man sich in vielen Bereichen auch über die Spruchpraxis der zuständigen Gerichte informieren.

2 Rechtssystematische Grundlagen

Für die Einhaltung der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) sind Grundkenntnisse über die Rechtsordnung und die rechtssystematischen Zusammenhänge unabdingbar.

2.1 Rechtsquellen

Ausgangspunkt ist die Frage, in welcher Weise Recht entstehen kann: Welche Rechtsquellen gibt es und in welcher Rangordnung stehen sie untereinander?

Rechtsquellen

Gewohnheitsrecht gesetztes Recht:

überstaatliches Recht ↓ Verfassung ↓ Gesetz ↓ Rechtsverordnung ↓ Satzung


„Richterrecht“

Verwaltungsvorschriften

2.1.1 Gewohnheitsrecht

Die ursprüngliche Rechtsquelle ist das Gewohnheitsrecht. Es entsteht aus der andauernden und gleichmäßigen Übung einer Verhaltensregel in der allgemeinen Überzeugung der Beteiligten, dass diese Übung rechtlich geboten ist. Auch heute gibt es noch Bereiche, in denen mangels ausreichender gesetzlicher Regelung Gewohnheitsrecht besteht, etwa die allgemeinen Regeln des Völkerrechts (Art. 25 GG) oder im Arbeitsrecht, wo der Gesetzgeber sich wegen der Tarifautonomie zurückhält. Selbst die Regeln des Allgemeinen Verwaltungsrechts galten vor Erlass des Verwaltungsverfahrensgesetzes (in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1975) nur auf gewohnheitsrechtlicher Grundlage. Das Handelsgesetzbuch gibt klugerweise in § 346 ausdrücklich auf, unter Kaufleuten in Ansehung der Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen.

2.1.2 Gesetztes Recht

Im demokratischen Rechtsstaat stellt die vorrangige Rechtsquelle aber das gesetzte Recht dar. Gesetztes Recht (auch positives oder geschriebenes Recht) ist das von einem dazu ermächtigten

anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.

Satzung

Satzungen sind Rechtsnormen, die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zur Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten erlassen werden (Gemeindesatzungen wie Bebau- ungspläne, Promotions- oder Diplomierungsordnungen einer Hochschule). Sie können auf einer allgemeinen Ermächtigung beruhen und müssen mit allen anderen Rechtsnormen vereinbar sein.

§ 7 GO NRW Satzungen (1) Die Gemeinden können ihre Angelegenheiten durch Satzung regeln, soweit Gesetze nichts anderes bestimmen. Satzungen bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde nur, wenn dies gesetzlich ausdrücklich vorgeschrieben ist.

Keine Rechtsquellen im herkömmlichen Sinne sind nach überwiegender Ansicht das sog. Richterrecht sowie Verwaltungsvorschriften.

Richterrecht

Die Aufgabe des Richters besteht darin, das geltende Recht auf den Einzelfall anzuwenden. Die richterliche Entscheidung bindet daher grundsätzlich nur die Parteien des Rechtsstreits. Mangels Allgemeinverbindlichkeit stellt sie keine Rechtsquelle dar.

Mit der Entscheidung von Einzelfällen legen Gerichte jedoch das Recht aus und bilden es fort. Die Erkenntnisse werden in Leitsätzen formuliert und veröffentlicht. Bei wichtigen Entschei- dungen spricht man von „ Grundsatzurteilen ”, die in der Praxis wie Gesetze zitiert und ange- wendet werden. Eine rechtliche Bindung erwächst daraus aber nur, wenn durch ständige Rechtsprechung Gewohnheitsrecht entsteht, wie es bei den Grundsätzen des Allgemeinen Verwaltungsrechts der Fall gewesen ist. Aber schon vorher ist es klug, die Rechtsprechung als wichtige „ Rechtserkenntnisquelle ” zu nutzen: Da die Gerichte sich in einem neuen Streitver- fahren aller Wahrscheinlichkeit nach an die von ihnen oder von übergeordneten Gerichten aufgestellten Grundsätze halten werden, kann eine rechtsbeständige Regelung nur im Einklang mit der Rechtsprechung getroffen werden. Es ist daher wichtig für alle in der Verwaltung Tätigen, die sachgebietsbezogene Rechtsprechung des zuständigen Verwaltungsgerichts und der Obergerichte zu verfolgen.

Verwaltungsvorschriften

Verwaltungsvorschriften sind allgemeine Bestimmungen, die von vorgesetzten Stellen an nachgeordnete Behörden, Ämter oder Amtswalter gerichtet sind mit dem Ziel, die Organisation, das dienstliche Verhalten und das Vorgehen beim Vollzug von Rechtsvorschriften verbindlich festzulegen. Bezeichnungen sind u. a. Erlasse, Richtlinien, Verfügungen, Durchfüh- rungsbestimmungen, Dienstanweisungen, Verwaltungsordnungen, Geschäftsverteilungspläne. Im Unterschied zu den Rechtsquellen fehlt ihnen als Innenrecht der Verwaltung die unmittel- bare Außenwirkung. Die Rechtsprechung ermöglicht es aber den Betroffenen mittelbar, sich auf begünstigende Verwaltungsvorschriften zu berufen. Nach dem in Art. 3 Abs. 1 GG veran- kerten Gleichheitsgrundsatz darf die Verwaltung vergleichbare Fälle ohne sachlichen Grund nicht unterschiedlich behandeln. Verwaltungsvorschriften legen das künftige Entscheidungs- verhalten der Verwaltung verbindlich fest. Dadurch führen sie eine Selbstbindung der Verwal- tung herbei, auf die sich Betroffene mit der Forderung nach Gleichbehandlung berufen können.

2.1.3 Rangordnung der Rechtsquellen

Besonders im Verwaltungsrecht, das alle Lebensbereiche erfasst, wird der Rechtsanwender mit einer unüberschaubaren Fülle von Gesetzen und Verordnungen konfrontiert. Immer wieder kommt es vor, dass zu einer Rechtsfrage inhaltsgleiche oder abweichende Aussagen in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen enthalten sind. Es stellt sich dann die Frage, welcher Regelung der Vorrang gebührt. Das klären die sog. Kollisionsgrundsätze.

Vorrang überstaatlichen Rechts

Aus Art. 23 und 24 GG ergibt sich, dass das Recht der Europäischen Union dem nationalen Recht vorgeht. Art. 25 GG erklärt die allgemeinen Regeln des Völkerrechts zum Bestandteil des Bundesrechts mit Rang vor den Gesetzen. Soweit überstaatliche Regelungen durch einen Umsetzungsakt nationaler Organe innerstaatliche Wirkung erlangt haben, teilen sie den Rang des Umsetzungsaktes (Gesetz oder Rechtsverordnung).

Vorrang des Bundesrechts vor dem Landesrecht

Art. 31 GG stellt lapidar fest: „Bundesrecht bricht Landesrecht.“ Das gilt unabhängig von der Art der Rechtsquelle. So kann z. B. ein Land selbst in der Landesverfassung die vom Bund durch Rechtsverordnungen festgesetzten allgemeinen Geschwindigkeitsbeschränkungen im Straßenverkehr (etwa die Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen) nicht abändern.

Ranghöheres Recht bricht rangniedrigeres Recht

Innerhalb des Bundes- und des Landesrechts stehen die Rechtsquellen in der festen Rangord- nung der Normenpyramide.

Vorrang der spezielleren Norm

Für den vor allem im Bereich der Gefahrenabwehr nicht seltenen Fall, dass mehrere Regelun- gen aus gleichrangigen Rechtsquellen vorliegen, gilt der schon im Römischen Recht bekannte Grundsatz, dass die speziellere Norm die allgemeinen Regelungen verdrängt („lex specialis derogat legi generali“). Diese Kollisionsregel ist für das Verwaltungshandeln besonders wich- tig, weil sie die Anwendbarkeit der sachnächsten Regelung garantiert, die den Besonderheiten des Lebensbereichs Rechnung trägt. Der Grundsatz der Subsidiarität wird in allgemeinen Gesetzen häufig ausdrücklich festgelegt.

§ 1 VwVfG (1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden

  1. des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
  2. …, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.

§ 1 OBG NRW (1) Die Ordnungsbehörden haben die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (Gefahrenabwehr). (2) Die Ordnungsbehörden führen diese Aufgaben nach den hierfür erlassenen besonderen Gesetzen und Verordnungen durch. Soweit gesetzliche Vorschriften fehlen oder eine abschließende Regelung

Beispiel: Gesetzeshierarchie im Asylrecht

Asylrecht → AsylG = Besonderes Ausländerrecht

Allgemeines Ausländerrecht → AufenthG = Besonderes Ordnungsrecht

Allgemeines Ordnungsrecht → z. B. OBG NRW = Besonderes Verwaltungsrecht

Allgemeines Verwaltungsrecht → VwVfG, VwZG, VwVG

Aufgabe 1: In welcher Hierarchie stehen a) die Gewerbeordnung, b) das Verwaltungsverfahrensgesetz, c) das Gaststättengesetz und d) das Ordnungsbehördengesetz?

2.2 Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland

Die Struktur der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland wird geprägt durch die vom Römischen Recht überkommene Zweiteilung in Privatrecht und öffentliches Recht.

Quelle: Raimund Brühl , Verwaltungsrecht für die Fallbearbeitung. Anleitungen zum Erwerb prüfungs- und praxisrelevanter Kenntnisse und Fertigkeiten. 9. Aufl. 2018, Rn. 52.

Privatrecht

Das Privatrecht enthält die Rechtsregeln, die für Privatleute untereinander gelten. Dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) entsprechend ist es geprägt durch die Privatautonomie. Ausgehend von der Annahme der Gleichheit der Privat- rechtssubjekte bleibt es dem Einzelnen weitgehend überlassen, Rechtsbeziehungen zu anderen einzugehen und zu gestalten.

Auch im Privatrecht gibt es allgemeines und besonderes Recht. Den allgemeinen Regelungs- bereich bildet das Bürgerliche Recht (auch Zivilrecht genannt), das im Bürgerlichen Gesetz- buch (BGB) geregelt ist. Im Lauf der letzten Jahrzehnte sind die meisten Sondergesetze in das BGB aufgenommen worden. Dem Grundsatz der Privatautonomie entsprechend enthält es überwiegend nachgiebige Rechtsregeln. Konkret bedeutet das, dass vertragliche Absprachen grundsätzlich den gesetzlichen Regeln vorgehen. Zwingendes Recht findet sich dort, wo das Verkehrsinteresse (Sachen-, Familien- und Erbrecht) oder der Schutz Schwächerer (von Min- derjährigen, bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Verbraucherkrediten, der Wohnungs- miete oder im Reisevertragsrecht) es erfordert. Daneben gibt es Sonderprivatrechte , die nur für bestimmte Personenkreise gelten. Vor allem betrifft das die beiden Seiten des Wirtschafts- verkehrs, das Unternehmens- und Handelsrecht auf der einen Seite und das Arbeitsrecht auf der anderen. In diesen Rechtsgebieten verstärkt sich die Notwendigkeit zu zwingenden Rege- lungen.

Öffentliches Recht

Beim öffentlichen Recht ist zumindest auf einer Seite des Rechtsverhältnisses der Staat oder einer seiner Rechtsträger beteiligt. Da es von öffentlichen Interessen beherrscht wird, sind zwingende Regelungen typisch. Das öffentliche Recht im engeren Sinne bilden das Verfas- sungsrecht und das Verwaltungsrecht. Zum (innerstaatlichen) öffentlichen Recht gehören dar- über hinaus das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie das Verfahrensrecht der staatli- chen Gerichte.

Aufgabe 2: Wo sind folgende Rechtsgebiete im System der Rechtsordnung anzusiedeln: a) das Bankrecht, b) das Zuwendungsrecht, c) das Bundeswahlrecht, d) das Zivilprozessrecht, e) das Steuerrecht, f) das Öffentliche Dienstrecht?

2.3 Unterscheidung Privatrecht – öffentliches Recht

Der öffentlichen Verwaltung stehen für die Aufgabenerfüllung beide Teile der Rechtsordnung offen. Die Frage, ob sie öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich handelt, ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam , insbesondere für

  • die Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes, das nach § 1 Abs. 1 nur „für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit“ gilt;
  • den Begriff des Verwaltungsakts und des öffentlich-rechtlichen Vertrages, die nach § 35 S. 1 und § 54 S. 1 VwVfG „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“ angesiedelt sind;

gelten. Das öffentliche Recht stellt das Sonderrecht des Staates dar. Mit ihrem formalen Kriterium ermöglicht die Subjektstheorie eine sichere Abgrenzung immer dann, wenn das Verwaltungshandeln einer einzelnen Rechtsnorm zugeordnet werden kann.

Eingehend zur Abgrenzung Raimund Brühl , Verwaltungsrecht für die Fallbearbeitung, 9. Aufl. 2018, Rn. 56 bis 66 (Anwendungsproblemkreis 1).

Aufgabe 3: Prüfen Sie anhand der drei klassischen Abgrenzungstheorien, ob § 2 Abs. 1 S. 1 StVG und § 7 Abs. 1 und 2 StVG zum Privatrecht oder zum öffentlichen Recht gehören!

§ 2 Abs. 1 S. 1 StV Wer auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt, bedarf der Erlaubnis (Fahrerlaubnis) der zuständigen Behörde (Fahrerlaubnisbehörde).

§ 7 Abs. 1 und 2 StVG (1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. (2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.

2.4 Unterschiede zwischen Verwaltungsrecht und Strafrecht

Im Verwaltungsrecht bestehen vielfältige Berührungspunkte mit dem Strafrecht. Insbesondere im Ausländer- und Asylrecht, im Gewerberecht, im Umweltrecht, im Verkehrsrecht sowie im Zoll- und Steuerrecht können Straftaten verwaltungsrechtliche Reaktionen auslösen. Trotzdem bestehen zwischen Verwaltungsrecht und Strafrecht grundlegende Unterschiede :

  • Die Blickrichtung des Strafrechts ist rückwärtsgewandt. Es soll in der Vergangenheit begangenes Fehlverhalten ahnden. Im Unterschied dazu ist das Verwaltungsrecht zukunftsgerichtet. Besonders deutlich wird das im Ausweisungsrecht: § 54 AufenthG leitet aus strafgerichtlichen Verurteilungen oder der Begehung bestimmter Straftaten ein Aus- weisungsinteresse her. Das ermächtigt zur Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG aber erst dann, wenn der weitere Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Es muss mit großer Sorgfalt die Prognose gestellt werden, dass eine erneute Schädigung der Schutzgüter durch den Ausländer hinreichend wahrscheinlich ist (eingehend zum Ausweisungsrecht in Studium und Praxis Brühl , JuS 2016, 23).
  • Das Strafrecht bringt ein sozialethisches Unwerturteil gegenüber dem Täter zum Ausdruck. Straftat ist deshalb nur eine Handlung, die rechtswidrig und schuldhaft den objektiven und subjektiven Tatbestand einer Strafrechtsnorm erfüllt. Das Verwaltungsrecht muss demgegenüber zum Schutz der Allgemeinheit oder Einzelner aufgrund der objektiven Tat- sachenlage einschreiten. So wird die Verantwortlichkeit für die Gefahrenabwehr durch die bloße Verursachung einer Gefahr ausgelöst, ohne dass es dafür eines Verschuldens bedürfte (vgl. nur § 17 BPolG; § 17 OBG NRW).
  • Im Strafrecht gilt ein gesteigertes Gesetzlichkeitsprinzip. Gemäß Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB und Art. 7 Abs. 1 EMRK kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Daraus folgen das Bestimmheits- gebot, ein Rückwirkungsverbot sowie ein Analogieverbot. Nach Art. 103 Abs. 3 GG darf niemand wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.
  • Als tiefster Eingriff in die Privatsphäre darf das Strafrecht nur als letztes Mittel eingesetzt werden ( ultima-ratio-Prinzip ). Fehlverhalten mit geringerem Unrechtsgehalt kann als Ord- nungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden.
  • Die Anwendung des Strafrechts ist besonderen Organen übertragen. Die Staatsanwaltschaft leitet als Strafverfolgungsbehörde das Ermittlungsverfahren, erhebt und vertritt die Anklage und ist für die Strafvollstreckung zuständig. Die Verurteilung ist den ordentlichen Gerichten vorbehalten. Demgegenüber sind im Verwaltungsrecht und (zunächst) auch im Ordnungswidrigkeitenrecht Behörden zuständig.
  • Für das Verwaltungsverfahren ist angesichts der Vielfalt des Lebens und der Aufgaben größtmögliche Flexibilität notwendig. Der Gesetzgeber hat der Verwaltung das in § 10 VwVfG zugebilligt. Danach ist das Verwaltungsverfahren an bestimmte Formen nicht gebunden, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens beste- hen. Es ist einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen. Für das Strafverfahren sind hingegen von der Strafprozessordnung (StPO) strenge Verfahrensregeln vorgegeben. Tragende Prinzipien sind das Offizialprinzip, das Anklageprinzip (§ 151 mit § 155 StPO), das Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO), der Amtsermittlungsgrundsatz (§§ 160, 244 Abs. 2 StPO), das Öffentlichkeitsprinzip und der Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) sowie der Beschleunigungsgrundsatz.
  • Für den Strafprozess begründet Art. 6 Abs. 2 EMRK eine strikte Unschuldsvermutung : Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig. Das strahlt schon ins Ermittlungsverfahren aus, insbesondere auch auf die Information der Öffentlichkeit über Tatverdächtige. Der Beweis der Schuld muss mit den gesetzlichen Beweismitteln erbracht werden (sog. Strengbeweis ). Für die Entscheidung gilt der Grundsatz „in dubio pro reo“ („im Zweifel für den Angeklagten“). Das Gericht darf eine Verurteilung nur auf solche Tatsachen stützen, die nach seiner Überzeugung im Verfahren erwiesen worden sind. Für die Sachverhaltsfeststellung durch die Verwal- tungsbehörden gilt demgegenüber der Grundsatz des Freibeweises.

2.5 Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht

Das Verwaltungsrecht erfasst nahezu alle Bereiche des Lebens mit sachgebietsspezifischen Fachgesetzen. Diese bilden das sog. Besondere Verwaltungsrecht. Beherrschbar wird die Vielfalt nur dadurch, dass der Gesetzgeber auf einen überschaubaren Grundbestand an Formen und Prinzipien zurückgreift. Diese werden im Allgemeinen Verwaltungsrecht dargestellt, von dem wesentliche Teile im Verwaltungsverfahrensgesetz niedergelegt sind.

Das Zusammenspiel von Allgemeinem und Besonderem Verwaltungsrecht wird bestimmt durch den Kollisionsgrundsatz , dass die speziellere Regelung die allgemeine verdrängt (siehe oben unter 2.1.3). Die fachgesetzliche Regelung passt besser, weil sie den Besonderheiten des Lebensbereichs Rechnung trägt. Dabei ist die Verdrängung des allgemeinen Rechts durch das Fachgesetz aber nicht pauschal, sondern nur auf den Regelungsbereich bezogen. Soweit all- gemeine Vorschriften passen, brauchen sie nicht wiederholt zu werden, sondern können aus den allgemeinen Gesetzen entnommen werden. Das Allgemeine Verwaltungsrecht übernimmt die Funktion der Lückenfüllung. Es kommt dadurch zu einem Zusammenwirken beider Rege- lungskreise.