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Freges Lehre von Sinn und Bedeutung, Hausarbeiten von Deutsche Linguistik / Germanistische Sprachwissenschaft

Art: Hausarbeiten

2019/2020

Hochgeladen am 17.06.2020

Anja_Ehrret
Anja_Ehrret 🇩🇪

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Thomas Sent:
Freges Lehre von Sinn und Bedeutung
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Linguistik-Server Essen

Thomas Sent:

Freges Lehre von Sinn und Bedeutung

Inhaltsverzeichnis

  • Inhaltsverzeichnis..........................................................................................................................
  • Einleitung.......................................................................................................................................
    1. Gottlob Frege: Die Problemstellung. ....................................................................................
    1. Sinn und Bedeutung von Eigennamen..................................................................................
    • 2.1 Eigennamen ohne Bedeutung. ..............................................................................................................
    1. Sinn und Bedeutung arithmetischer Zeichen.
    1. Sinn und Bedeutung von Sätzen..........................................................................................
    • 4.1 Der Gedanke als Sinn des Satzes..........................................................................................................
      • 4.1.1 Das dritte Reich: zur Seinsform der Gedanken. ..............................................................................
    • 4.2 Der Wahrheitswert als Satzbedeutung. ................................................................................................
      • 4.2.1 Die Satzbedeutung als Funktionswert..............................................................................................
    • 4.3 Sinn und Bedeutung der Funktion........................................................................................................
    1. Was ist erreicht?
    1. Eine abschließende Bemerkung.
  • Literaturverzeichnis....................................................................................................................

Wenn wir etwas als etwas erkennen, so lässt sich fragen, was für Prozesse hierbei ablaufen. In der kantischen Theorie beispielsweise werden, nach einer Konstituierung des empirischen Gegenstan- des der Erscheinungswelt aufgrund des apriorischen Objekts überhaupt, bestimmte Objekte mit demselben Wort benannt, wenn auf der Basis eines Vergleichs dieser Objekte Gemeinsamkeiten zwischen ihnen erkannt werden. Diese Gemeinsamkeiten werden gleichsam festgehalten, während von den Unterschieden abstrahiert wird. Diesen Vorgang kennzeichnet Kant als einen Dreischritt von Komparation, Reflexion und Abstraktion.^2 Hierdurch wird ein Begriff gewonnen, ein Schema, welches sich als geistiges Gebilde, als Vorstellung einprägt und nun zur Identifizierung vorkom- mender Gegenstände dienen kann. Die Gegenstände wiederum sind, als Gegenstände der Erschei- nungswelt, Anschauungen, und diese nennt Kant ebenfalls Vorstellungen. Das Verhältnis zwischen Begriff und Anschauung ist hierbei Folgendes:

„Der Begriff ist der Anschauung entgegengesetzt; denn er ist eine allgemeine Vorstellung oder eine Vorstellung dessen, was mehreren Objekten gemein ist, also eine Vorstellung, so fern sie in verschiedenen enthalten sein kann“ 3

Als Folge hiervon kann der Begriff als ein Merkmal angesehen werden, das in den unter diesem Begriff enthaltenen Vorstellungen bzw. Gegenständen enthalten ist und zu deren Identifizierung dient. Man kann sagen, dass der Begriff „als Erkenntnisgrund alle diejenigen Dinge unter sich enthalte, von denen er abstrahiert worden, z. B. der Begriff Metall das Gold, Silber, Kupfer u.s.w. — Denn da jeder Begriff, als eine allgemeingültige Vorstellung, dasjenige enthält, was mehreren Vorstellungen von verschiedenen Dingen gemein ist: so können alle diese Dinge, die in so ferne unter ihm ent- halten sind, durch ihn vorgestellt werden. Und eben dies macht die Brauchbarkeit eines Begriffes aus.“^4

Der Verstand benutzt Begriffe aber nicht nur, um Gegenstände in der Form „ Dies ist ein x “ zu er- kennen, sondern er setzt Vorstellungen in Urteilen in Beziehung. Das Grundschema dieser Urteile ist hierbei dergestalt, dass ein Subjekt und ein Prädikatsnomen über eine Kopula ist in Beziehung gesetzt werden. Darüber hinaus gibt es noch andere Kopulae, wie beispielsweise wenn...dann , ent- weder...oder , ... kann ..., ... muss .... Über diese Worte werden Begriffe und Anschauungen, Vorstel- lungen allgemein aufeinander bezogen, und in einem Urteil wie „alle Raben sind schwarz“, das nicht mehr das Erkennen eines aktuell gegebenen Gegenstandes betrifft, sind es Begriffe, als allge- meine Vorstellungen, zwischen denen ein Bezug hergestellt wird, dergestalt, dass ein niederer Beg- riff unter einen höheren subordiniert wird.

Der Ausgangspunkt all dieser Theorien Kants ist u. a. der Behauptungssatz und dessen grammati- sche Struktur, in dem bzw. in der sich die Denkvorgänge, die Strukturen, das Funktionieren des

(^2) Vgl.: Jäsche, Gottlob: Immanuel Kants Logik, ein Handbuch zu Vorlesungen. In: Immanuel Kant. Werk- ausgabe in 12 Bänden. Bd. VI.: Schriften zur Metaphysik und Logik 2. Herausgegeben von Wilhelm Weischedel. Suhrkamp. Frankfurt a. M. 1991^8. S. 421-587. Hier S. 524. (^3) Jäsche: Logik. S. 521. (A 139) (^4) Ebd. S. 526. (A 148)

Verstandes gleichsam ablesen lassen. Doch Kant misst dem Verhältnis von Subjekt und Prädikat, der prädikativen Struktur des Satzes, eine noch weitergehende, nämlich eine ontologische Bedeu- tung bei und steht hiermit in einer Tradition, in der das

„grammatische Verständnis dieser Termini immer mit einem semantischen (bedeutungsmä- ßigen) Verständnis verbunden gewesen ist.“^5

Dies soll heißen, dass das Verhältnis von Subjekt und Prädikat traditionell als ein solches aufgefasst wurde, das in irgendeiner Form mit der Außenwelt in Zusammenhang stand, sei es, dass dieses Verhältnis Strukturen der Außenwelt spiegelte oder in sie hineintrug.

Kant muss als Vertreter des letzten Standpunktes gelten, dass nämlich das Verhältnis von Subjekt und Prädikat bestimmend sei für die Art der Strukturiertheit unserer Erscheinungswelt. 6 Indem der Verstand die Urteilsformen auf das sich in den Anschauungsformen Raum und Zeit befindliche Anschauungsmaterial anwendet, erhält dieses Anschauungsmaterial eine Form, die der Verstandes- struktur entspricht. Indem wir also die Urteilsformen ausfindig machen, entdecken wir zugleich die allgemeinsten Gesetze der Natur, da Natur als Erscheinung nichts anderes ist als durch diese Ur- teilsformen strukturiertes Anschauungsmaterial. Das Ausfindigmachen allgemeiner Strukturen des Verstandes aber ist Aufgabe der formalen Logik, und deren Struktur wiederum beruht bei Kant auf der grammatischen Struktur des Satzes, womit diese grammatische Struktur entscheidend ist für das Erscheinungsbild der uns umgebenden Welt.

Von dieser zu seiner Zeit geltenden Logik, die seit ihrer Einführung durch Aristoteles keiner nen- nenswerten Änderung unterworfen worden war, schreibt Kant

„daß sie seit dem Aristoteles keinen Schritt rückwärts hat tun dürfen [und] daß sie auch bis jetzt keinen Schritt hat vorwärts tun können, und also allem Anschein nach geschlossen und vollendet zu sein scheint.“^7

Lediglich „die Wegschaffung einiger entbehrlicher Subtilitäten, oder deutlichere Bestimmung des Vorgetragenen [...] welches aber mehr zur Eleganz, als zur Sicherheit der Wissenschaft gehört“ 8 8 kann Kant attestieren.

Doch ungefähr hundert Jahre später entwickelt Gottlob Frege eine ganz neuartige Logik, basierend auf einer Neustrukturierung des Satzes, die sich nicht mehr bedingungslos an dessen grammatischer Struktur orientiert. Wie diese von Frege vorgenommene Neustrukturierung aussieht, warum er sie

(^5) Tugendhat, Ernst; Wolf, Ursula: Logisch-semantische Propädeutik. Durchgesehene Aufl. Stuttgart:Reclam

  1. S. 79. (^6) Ein Eingehen auf die Problematik der Dinge an sich führt hier zu weit. Letztendlich sind wir nach Kant mit der Erscheinungswelt als der Welt konfrontiert, in der wir ausschließlich unsere Erfahrungen machen, und auf diese allein kommt es hier an. An späterer Stelle wird dieses Problem dann nochmals zur Sprache kommen. (^7) Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft. Nach der 1. und 2. Originalausgabe. Hrsg. von Jens Tim- mermann. Mit einer Bibliographie von Heiner Klemme. Hamburg: Meiner 1998. B VIII. (^8) Ebd.

verzichtet worden, was für die Schlussfolge ohne Bedeutung ist. Ich habe das, worauf es mir allein ankam, in § 3 als den begrifflichen Inhalt bezeichnet.“ 14

Dieses Zitat weist auf, worin Frege die Mängel der Sprache sieht, die es zu beheben gilt. In der Alltagssprache, die er als Metasprache benutzen muss, um über die Sprache der Arithmetik als Ob- jektsprache urteilen zu können, lassen sich in der vorliegenden Gestalt keine wirklich bündigen, eindeutigen Schlussketten bilden. Darüber hinaus scheint die Alltagssprache überladen zu sein mit Differenzierungen und Ausdrücken, die für die Schlussfolgerungen, die jemand aus bestimmten Sätzen ziehen will, nicht von Belang sind. Diese überflüssigen Differenzierungen gilt es im Rahmen der von Frege anvisierten Sprache zu tilgen. Diese Sprache ist strukturiert gemäß der Logik, einer neuen Logik, in der nicht mehr das grammatische Verhältnis von Subjekt und Prädikat den Aus- gangspunkt der Überlegungen bildet. Frege bricht diesbezüglich aus der Tradition aus und schreibt:

„Diese Abweichungen vom Hergebrachten finden ihre Berechtigung darin, dass die Logik sich bisher immer noch zu eng an Sprache und Grammatik angeschlossen hat. Insbesondere glaube ich, dass die Ersetzung der Begriffe Subject und Praedikat durch Argument und Function sich auf die Dauer bewähren wird.“^15

Entsprechend heißt es in § 3 der Begriffsschrift: „Eine Unterscheidung zwischen Subject und Prae- dicat findet bei mir nicht statt .“ 16 Mit dieser Neustrukturierung eines Satzes in die Bestandteile Ar- gument und Funktion meint Frege einer Aufgabe der Philosophie Rechnung zu tragen, die er darin sieht

„die Herrschaft des Wortes über den menschlichen Geist zu brechen, indem sie die Täu- schungen aufdeckt, die durch den Sprachgebrauch über die Beziehungen der Begriffe oft unvermeidlich entstehen, indem sie den Gedanken von demjenigen befreit, womit ihn allein die Beschaffenheit des sprachlichen Ausdrucksmittels behaftet.“ 17

Frege rückt somit das Ausdrucksmittel des Satzes in das Zentrum seiner Betrachtungen und stellt fest, dass er in zweierlei Hinsicht die Quelle von Irrtümern sein kann. Die grammatische Satzstruk- tur täuscht Beziehungen zwischen Begriffen vor, die so nicht existieren. Diese nur scheinbaren Be- ziehungen aber bilden, wie im Falle des Verhältnisses zwischen Subjekt und Prädikat, die Basis logischer und ontologischer, philosophischer Überlegungen allgemein. Darüber hinaus ist es wich- tig, auf das zu achten, was Frege den begrifflichen Inhalt eines Satzes nennt (s. o.). Was damit ge- meint ist, verdeutlicht Frege an folgendem Beispiel: In den beiden Sätzen „bei Platae siegten die Griechen über die Perser“ und „bei Platae wurden die Perser von den Griechen besiegt“ 18 ist „zwar eine Verschiedenheit des Sinnes zu erkennen“^19 jedoch

„ist die Übereinstimmung überwiegend. Ich nenne nun denjenigen Theil des Inhaltes, der in beiden derselbe ist, den begrifflichen Inhalt. Da nur dieser für die Begriffsschrift von Be-

(^14) Frege: Begriffsschrift. Vorwort, S. X. (^15) Ebd. S. XIII. (^16) Ebd. S. 2. (^17) Ebd. Vorwort, S. XII. (^18) Frege: Begriffsschrift. S.3. (^19) Ebd.

deutung ist, so braucht sie keinen Unterschied zwischen Sätzen zu machen, die denselben begrifflichen Inhalt haben.“^20

Ein und derselbe begriffliche Inhalt kann also in verschiedenen sprachlichen Fassungen wiederge- geben werden. Diesen liegen bestimmte Absichten des Schreibenden bzw. Sprechenden zugrunde, der beispielsweise die Aufmerksamkeit des Hörenden bzw. Lesenden auf bestimmte Punkte lenken will. Solche

„Erscheinungen in der Sprache [...] haben in meiner Formelsprache nichts Entsprechendes, weil im Urtheile nur das in Betracht kommt, was auf die möglichen Folgerungen Einfluss hat.“^21

Weiter schreibt Frege, dass sich jedes Urteil in die Form „p ist eine Tatsache“ umformen lässt, da die hierfür nötige grammatische Umformung des Urteils keinen Einfluss auf den begrifflichen In- halt hat. „Hier kann man auch, wenn man will, Subject und Praedicat unterscheiden, aber das Subject enthält den ganzen Inhalt, und das Praedicat hat nur den Zweck, diesen als Urteil hinzustel- len. Eine solche Sprache würde nur ein einziges Prädikat für alle Urtheile haben, nämlich `ist eine Thatsache´. Man sieht, daß im gewöhnlichen Sinn von Subject und Prädikat keine Rede sein kann. Eine solche Sprache ist unsere Begriffsschrift.“^22

Das, was hier als Tatsache hingestellt wird, ist der Inhalt, der begriffliche Inhalt des Satzes, den Frege in späteren Schriften auch den Gedanken nennt. Dieser Gedanke „kleidet sich in das sinnliche Gewand des Satzes und wird uns damit faßbarer. Wir sagen, der Satz drücke einen Gedanken aus“ 23. Doch muss die Erörterung dieser Terminologie auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, da sonst zu weit vorgegriffen würde.

Zunächst soll gezeigt werden, wie Frege versucht, Verfahrensweisen und Begriffe der Arithmetik als eines vollkommen logisch strukturierten Zeichensystems auf die Sprache zu übertragen. Er un- ternimmt dies, um die oben aufgeführten Mängel dieser Sprache zu beseitigen, um die herkömmli- che Logik, der als Basis ihrer Theorien stets die grammatische Satzstruktur diente, zu überwinden, indem er Sätze nach dem Muster der mathematischen Funktion neustrukturiert. Im Rahmen dieses Unterfangens versucht Frege, Wörter und Sätze der `normalen´ Sprache, ihre Beziehung miteinan- der und untereinander, auf der Basis mathematischer Begriffe neu zu definieren, mit dem erhofften Effekt, dass fortan mit der so interpretierten Sprache komplexe Begebenheiten klar ausgedrückt und analysiert werden können.

Im Hintergrund dieser Überlegungen Freges steht das Projekt einer idealen Wissenschaftssprache, an die schon Leibniz gedacht hatte. Idealerweise müssten die Wort- und Satzbedeutungen einer sol-

(^20) Ebd. (^21) Ebd. (^22) Ebd. (^23) Frege, Gottlob: Der Gedanke. Eine logische Untersuchung. In: Gottlob Frege. Logische Untersuchungen. Hrsg. und eingel. Von Günther Patzig. 4., durchges. und bibliogr. erg. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1993. S. 30-54. Hier S. 33.

In diesem Falle also würde über die Zeichenfolge a = b ausgedrückt werden, dass die Zeichen a und b jeweils eine identische Bedeutung haben, dasselbe bezeichnen. Dann aber „wäre eben von jenen Zeichen die Rede“^27 , und

„Damit würde dann ein Satz a = b nicht mehr die Sache selbst, sondern nur unsere Bezeich- nungsweise betreffen; wir würden keine eigentliche Erkenntnis darin ausdrücken. Das wol- len wir aber doch gerade in vielen Fällen. Wenn sich das Zeichen a´ von dem Zeichenb´ nur als Gegenstand (hier durch die Gestalt) unterscheidet, nicht als Zeichen; das soll heißen: nicht in der Weise, wie es etwas bezeichnet: so würde der Erkenntniswert von a = a wesent- lich gleich dem von a = b sein, falls a = b wahr ist.“^28

Das aber kann nicht der wahre Grund für die Formulierung einer Zeichenfolge wie a = b sein. Es ist nicht die Verschiedenheit der Namen bzw. der Buchstaben, auf die hier rekurriert wird, um auszu- drücken, dass sie trotz ihrer Verschiedenheit (Schrift- oder Lautgestalt) dasselbe bedeuten. Viel- mehr muss die Differenz in irgendeiner Form mit dem bezeichneten Gegenstand zusammenhängen, insofern eine Aussage des genannten Typs „eigentliche“ Erkenntnis vermitteln soll. Und so schreibt Frege: „Eine Verschiedenheit kann nur dadurch zustande kommen, dass der Unterschied des Zei- chens einem Unterschied in der Art des Gegebenseins des Bezeichneten entspricht.“^29

Zur Verdeutlichung gibt Frege das bekannte Beispiel der Wörter „Abendstern“ und „Morgenstern“, die jeweils den gleichen Gegenstand, nämlich die Venus bezeichnen. Der Grund für die Verschie- denheit der Bezeichnungen liegt hier in einer Verschiedenheit des Gegebenseins des Gegenstandes. Frege schreibt: „Es liegt nun nahe, mit einem Zeichen (Namen, Wortverbindung, Schriftzeichen) außer dem Bezeichneten, was die Bedeutung des Zeichens heißen möge, noch das verbunden zu den- ken, was ich den Sinn des Zeichens nennen möchte, worin die Art des Gegebenseins ent- halten ist. [...] Es würde danach [...] die Bedeutung von Abendstern´ undMorgenstern´ dieselbe sein, aber nicht der Sinn.“^30

Auf Grundlage dieser Überlegungen kommt Frege zu folgenden Relationen: „Die regelmäßige Verknüpfung zwischen dem Zeichen, dessen Sinn und dessen Bedeutung ist derart, daß dem Zeichen ein bestimmter Sinn und diesem wieder eine bestimmte Bedeu- tung entspricht, während zu einer Bedeutung (einem Gegenstande) nicht nur ein Zeichen zugehört“^31

Die Verschiedenheit der in der Gleichung a = b vorkommenden Zeichen ist also in einer Verschie- denheit der Art und Weise des Gegebenseins des durch sie bezeichneten Gegenstandes begründet; derselbe Gegenstand wird aus verschiedenen Perspektiven betrachtet bzw. zeigt sich unter sich än-

(^27) Ebd. (^28) Ebd. S. 41. (^29) Ebd. (^30) Ebd. (^31) Ebd. S. 41.

dernden Umständen an verschiedenen Raum- und Zeitpunkten, und diese verschiedenen Perspekti- ven finden in unterschiedlichen Zeichengebungen, unterschiedlichen Benennungen ihren Ausdruck.

2.1 Eigennamen ohne Bedeutung.

Nun schreibt Frege, dass dem Zeichen ein Sinn und diesem wieder eine Bedeutung zukommt. Den Begriff der Bedeutung ergänzt Frege im obigen Zitat durch den Zusatz, dass hiermit ein Gegenstand gemeint ist. Allerdings räumt er ein, dass es durchaus Zeichen geben kann, die zwar einen Sinn, nicht jedoch eine Bedeutung haben. So schreibt er: „Die Worte `der von der Erde am weitesten entfernte Himmelskörper´ haben einen Sinn; ob sie aber auch eine Bedeutung haben, ist sehr zweifelhaft. [...] Dadurch also, daß man einen Sinn auffasst, hat man noch nicht mit Sicherheit eine Bedeutung.“^32

Die Bedeutung eines Wortes impliziert also einen Sinn, nicht aber der Sinn eine Bedeutung. Auf die Frage, was in einem Fall wie dem genannten der Sinn der Worte sein soll, wenn er nicht mehr in der Art und Weise der Gegebenheit bzw. der Auffassung des Gegenstandes liegt, kann am besten mit Hilfe des folgenden Zitates eingegangen werden: „Von der Bedeutung und dem Sinne des Zeichens ist die mit ihm verknüpfte Vorstellung zu unterscheiden.“^33 Es gibt also noch eine Relation, in der ein Zeichen steht, und kurze Zeit später schreibt Frege. „Die Bedeutung eines Eigennamens ist der Gegenstand selbst, den wir damit bezeichnen; die Vorstellung, welche wir dabei haben, ist ganz subjektiv; dazwischen liegt der Sinn, der zwar nicht mehr subjektiv wie die Vorstellung, aber doch auch nicht der Gegenstand selbst ist.“ 34

Mit einem Eigennamen verbinden wir nach Frege also auch eine Vorstellung, die vollkommen subjektiv ist. Der Sinn, insofern eine Bedeutung, also ein Gegenstand vorhanden ist, ist nicht dieser Gegenstand selbst, sondern nur die Art und Weise, wie er sich uns präsentiert. Entsprechend können mehrere Personen mit einem Zeichen nicht nur dieselbe Bedeutung, sondern auch denselben Sinn verbinden, indem sie einen Gegenstand aus der gleichen Perspektive betrachten, sich der Gegens- tand ihnen auf die gleiche Art und Weise darbietet. Fällt aus dieser Konstellation der Gegenstand und somit die Bedeutung eines Zeichens fort, bleibt als Bezugspunkt nur noch die Vorstellung. Ein Wort ohne Bedeutung bezeichnet somit eine Vorstellung, und der Sinn eines solchen Wortes muss dann in der Verschiedenheit der Vorstellungen liegen, die verschiedene Menschen mit einem sol- chen Wort verbinden. Da Vorstellungen für Frege aber in keiner Weise intersubjektiv miteinander vergleichbar sind, keine Vorstellung eines Menschen für andere Menschen zugänglich ist, können sie auch nicht Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung sein.

In seiner Schrift „Funktion und Begriff“ schreibt Frege:

(^32) Ebd. S. 42. (^33) Ebd. S. 43. (^34) Ebd. S. 44.

Frege warnt also davor, Zahl und Zahlzeichen zu verwechseln, und behauptet von der Zahl, als der Bedeutung der Zahlzeichen, dass sie zwar ein Gegenstand, nicht aber sinnlich wahrnehmbar sei. Worauf Frege hier anspielt, ist eine transzendente Daseinsform der Zahlen. Zahlen sind keine Dinge der Außenwelt im gewöhnlichen Sinne, wir können sie nicht mit unseren Sinnen wahrnehmen. Auf die Problematik der Transzendenz von Zahlen kann am besten im Zusammenhang mit der Erörte- rung des Gedankens als dem Sinn eines Satzes eingegangen werden. Gedanken, so schreibt Frege, existieren in einem dritten Reich, unabhängig von den Dingen der Außenwelt und unabhängig von dem Reich der Vorstellungen.^39 Doch soll hier nicht vorgegriffen und die Begründung einer trans- zendenten Daseinsform von Zahlen und Gedanken durch Frege zu einem späteren Zeitpunkt erläu- tert werden.

Festzuhalten bleibt zunächst, dass Frege folgende Parallelen zwischen den Eigennamen der Alltags- sprache und den Zahlzeichen der Arithmetik zieht: Eigennamen und Zahlzeichen bezeichnen je- weils einen Gegenstand. Die Verschiedenheit der Zeichen basiert bei gleicher Bedeutung auf einer Verschiedenheit des Sinns. Der Sinn eines Zeichens beruht auf der Art und Weise, auf der Perspek- tive, aus der ein Gegenstand betrachtet wird. So stehen die Ausdrücke 3.^ 6 und 22 – 4 für zwei ver- schiedene Auffassungen ein und desselben Gegenstandes, nämlich der Zahl 18. Die Bedeutung ist identisch, der Sinn ist verschieden. Entsprechend verhält es sich bei Sinn und Bedeutung der Aus- drücke Morgenstern und Abendstern : Auch hier stehen die Ausdrücke für zwei verschiedene Auf- fassungen desselben Gegenstandes, nämlich der Venus. Die Bedeutung also ist identisch, und die Sinnverschiedenheit beruht darauf, dass sich uns derselbe Planet einmal am Abendhimmel und einmal am Morgenhimmel präsentiert.

Sowohl Sinn als auch Bedeutung eines Zeichens sind mehreren Subjekten zugänglich und damit intersubjektiv überprüfbar; eine Bedingung dafür, dass vermittelst dieser Begriffe ein wissenschaft- licher Diskurs geführt werden kann. Hiervon zu trennen ist die Vorstellung, von der Frege schreibt:

„Wenn die Bedeutung eines Zeichens ein sinnlich wahrnehmbarer Gegenstand ist, so ist meine Vorstellung davon ein aus Erinnerungen von Sinneseindrücken, die ich gehabt habe, und von Tätigkeiten, inneren sowohl wie äußeren, die ich ausgeübt habe, entstandenes inne- res Bild. Dieses ist oft mit Gefühlen getränkt; die Deutlichkeit seiner Teile ist verschieden und schwankend. Nicht immer ist, auch bei demselben Menschen, dieselbe Vorstellung mit demselben Sinn verbunden. Die Vorstellung ist subjektiv: die Vorstellung des einen ist nicht die des anderen. [...] Die Vorstellung unterscheidet sich dadurch wesentlich von dem Sinne eines Zeichens, welcher gemeinsames Eigentum von vielen sein kann und also nicht Teil o- der Modus der Einzelseele ist.“ 40

Zwar spricht Frege hier von Vorstellungen im Sinne von Erinnerungen, die mit einem bestimmten Zeichen verbunden werden, doch er sieht keinen Grund, dasselbe nicht auch von der augenblickli- chen aktuellen Anschauung auszusagen, und merkt in einer Fußnote an:

(^39) Vgl.: Frege. Der Gedanke. S. 40 ff. (^40) Frege: Über Sinn und Bedeutung: S. 43.

„Wir können mit den Vorstellungen gleich die Anschauungen zusammennehmen, bei denen die Sinneseindrücke und die Tätigkeiten selbst an die Stelle der Spuren treten, die sie in der Seele zurückgelassen haben. Der Unterschied ist für unseren Zweck unerheblich.“ 41

Somit sind sowohl Vorstellungen als auch gegenwärtige, aktuelle Anschauungen als subjektive, bereits emotional oder anderweitig gefärbte Bilder nicht wissenschaftsfähig.

Nachdem bislang gezeigt wurde, wie Frege die Theorie von Sinn und Bedeutung von Eigennamen der Alltagssprache auf Überlegungen zu Sinn und Bedeutung von Zahlzeichen gründet, soll nun auf die Problematik von Sinn und Bedeutung von Sätzen eingegangen werden. Hierbei soll die bisheri- ge Vorgehensweise beibehalten werden, indem zunächst Freges Lehre von Sinn und Bedeutung von Sätzen der Alltagssprache dargestellt wird, um anschließend aufzuzeigen, inwieweit sich diese Leh- re auf Überlegungen zu dem Zeichensystem der Arithmetik stützt.

4. Sinn und Bedeutung von Sätzen.

4.1 Der Gedanke als Sinn des Satzes.

Nach der Betrachtung von Sinn und Bedeutung von Eigennamen wendet sich Frege in seiner Schrift Über Sinn und Bedeutung der Frage nach Sinn und Bedeutung von Behauptungssätzen zu und schreibt:

„Wir fragen nun nach Sinn und Bedeutung eines ganzen Behauptungssatzes. Ein solcher Satz enthält einen Gedanken. Ist dieser Gedanke nun als dessen Sinn oder als dessen Be- deutung anzusehen?“ 42

Wie auch immer die Antwort auf diese Frage lauten wird, eines lässt sich schon jetzt feststellen: In Anlehnung an seine Lehre von Sinn und Bedeutung von Eigennamen fasst Frege den Gedanken als eine mehreren Subjekten zugängliche Entität auf, die somit Gegenstand wissenschaftlicher Diskus- sion sein kann. Entsprechend erläutert er in einer Fußnote: „Ich verstehe unter Gedanken nicht das subjektive Tun des Denkens, sondern dessen objek- tiven Inhalt, der fähig ist, gemeinsames Eigentum von vielen zu sein.“^43

Es lässt sich nun hypothetisch annehmen, dass der Gedanke die Bedeutung eines Satzes sei. Dann müsste sich folgendes bewahrheiten: „Ersetzen wir nun in ihm ein Wort durch ein anderes von derselben Bedeutung, aber ande- rem Sinne, so kann dies auf die Bedeutung des Satzes keinen Einfluß haben.“^44

Denn entsprechend den Vorgaben ist der Sinn eines Wortes ja nur eine von vielen möglichen Per- spektiven der Wahrnehmung bzw. Erkenntnis ein- und desselben Gegenstandes. Wenn der Gedanke nun die Bedeutung eines Satzes wäre und der Terminus `Bedeutung´ hier in gleicher Weise aufge-

(^41) Ebd. (^42) Frege: Über Sinn und Bedeutung. S. 46. (^43) Ebd. (^44) Ebd. S 47.

können. In diesem Zusammenhang ist auch hier die wichtigste Eigenschaft von Vorstellungen ihre subjektive Gebundenheit:

„Viertens: Jede Vorstellung hat nur einen Träger; nicht zwei Menschen haben dieselbe Vor- stellung.“ 48

Wäre nun ein Gedanke eine Vorstellung, so würde es unmöglich sein, dass zwei Menschen densel- ben Gedanken hätten, und dies hätte weitreichende Konsequenzen:

„Wenn jeder Gedanke eines Trägers bedarf, zu dessen Bewußtseinsinhalte er gehört, so ist er Gedanke nur dieses Trägers, und es gibt keine Wissenschaft, welche vielen gemein wäre, an welcher viele arbeiten könnten; sondern ich habe vielleicht meine Wissenschaft, nämlich ein ganzes von Gedanken, deren Träger ich bin, ein anderer seine Wissenschaft. Jeder von uns beschäftigt sich mit Inhalten seines Bewußtseins. [...] Wenn jemand die Gedanken für Vorstellungen hält, so ist das, was er damit als wahr anerkennt, nach seiner eigenen Mei- nung Inhalt seines Bewußtseins und geht andere eigentlich gar nichts an. Und wenn er von mir die Meinung hörte, der Gedanke wäre nicht Vorstellung, so könnte er das nicht bestrei- ten; denn das ginge ihn ja nun wieder nichts an.“^49

In dem Moment also, da der Gedanke als Vorstellung gekennzeichnet wird, entsteht das Problem, dass er niemals mehreren Subjekten zugänglich ist, denn was für eine Vorstellung sich hinter den Worten, dem Satz verbirgt, den ein Mensch äußert, ist nicht überprüfbar, weil es „uns Menschen unmöglich [ist], Vorstellungen anderer mit unseren eigenen zu vergleichen.“ 50 In ähnlicher Weise ist es beispielsweise nicht zu überprüfen, ob Menschen mit dem Wort „Rot“ tatsächlich die gleiche Farbvorstellung verbinden bzw. bezeichnen: „Dazu wäre erforderlich, einen Sinneseindruck, der einem Bewußtsein angehört, und einen Sinneseindruck, der einem anderen Bewußtsein angehört, in einem Bewußtsein zu vereini- gen.“^51

Dies aber ist nicht möglich. Damit also beispielsweise der in dem pythagoreischen Lehrsatz ausge- drückte Gedanke tatsächlich intersubjektiv überprüfbar und zugänglich ist, muss „ein drittes Reich [...] anerkannt werden“, denn aus dem bislang Geschriebenen scheint zu folgen: „Die Gedanken sind weder Dinge der Außenwelt noch Vorstellungen.“^52

Was nun dem „dritten Reich“, dem Reich der Gedanken angehört

„stimmt mit den Vorstellungen darin überein, daß es nicht mit den Sinnen wahrgenommen werden kann, mit den Dingen aber darin, daß es keines Trägers bedarf, zu dessen Bewußt- seinsinhalte es gehört.“ 53

(^48) Frege: Der Gedanke. S. 49. (^49) Ebd. S. 50. (^50) Ebd. S. 49. (^51) Ebd. S. 48. (^52) Ebd. S. 50. Dass Gedanken nicht als Dinge der Außenwelt anzusehen sind, zeigt sich für Frege darin, dass sie nicht auf gewöhnlichem Wege, also durch die uns zur Verfügung stehenden Sinne wahrgenommen werden können. (^53) Frege: Der Gedanke. S. 43.

Der Gedanke ist also ein Gebilde, das außerhalb des Subjekts existiert und sich in seiner Existenz unseren Sinnen entzieht, auf das wir aber trotzdem Zugriff haben.

Wenn jemand, so schreibt Frege in einer Fußnote,

„einen Gedanken fasst oder denkt, so schafft man ihn nicht, sondern tritt nur zu ihm, der schon vorher bestand, in eine gewisse Beziehung, die verschieden ist von der des Sehens ei- ner Vorstellung.“^54

Hierbei nimmt der Satz gleichsam die Funktion eines Mediums ein, indem sich in ihm der Gedanke als begrifflicher Inhalt zum Ausdruck bringt. „Der an sich unsinnliche Gedanke kleidet sich in das sinnliche Gewand des Satzes und wird uns damit faßbarer. Wir sagen, der Satz drücke einen Gedanken aus.“^55

(^54) Ebd. S. 44. (^55) Ebd. S. 33.

„wo keine Sinneseindrücke mitwirken, uns aus der Innenwelt herausführen und uns Gedan- ken fassen lassen“.^61

Frege eröffnet also gleichsam eine weitere Dimension von Gegenständen, auf die wir zwar nicht über unsere äußeren Sinne, aber vermittelst eines wie auch immer gestalteten Sensors Zugriff ha- ben, und schreibt

„Außer seiner Innenwelt hätte man zu unterscheiden die eigentliche Außenwelt der sinnlich wahrnehmbaren Dinge und das Reich desjenigen, was nicht sinnlich wahrnehmbar ist. Zur Anerkennung beider Reiche bedürften wir eines Unsinnlichen; aber bei der sinnlichen Wahrnehmung der Dinge hätten wir außerdem noch Sinneseindrücke nötig, und diese gehö- ren ja ganz der Innenwelt an. So ist dasjenige, worauf der Unterschied des Gegebenseins ei- nes Dinges von dem eines Gedankens hauptsächlich beruht, etwas, was keinem der beiden Reiche, sondern der Innenwelt zuzuweisen ist. So kann ich diesen Unterschied nicht so groß finden, daß dadurch das Gegebensein eines der Innenwelt nicht angehörenden Gedankens unmöglich werden könnte.“^62

Frege rechtfertigt also seine von manchen Kommentatoren als Platonismus bezeichnete Ansicht bezüglich der Existenz der Gedanken damit, dass wir auch den Sinneseindrücken, die uns das Bild einer Außenwelt vermitteln, etwas Nichtsinnliches zugrunde legen müssen, was als Verursacher dieser Bilder anzusehen ist. Ist die Welt des Nichtsinnlichen auf diese Weise einmal legitimiert worden, spricht für Frege nichts dagegen, auch Gedanken als Entitäten dieser Welt zu begreifen. Allerdings ist die Art und Weise der Wahrnehmung derselben unterschieden von der Wahrnehmung der Dinge der Außenwelt, indem wir auf diese über unsere äußeren Sinne, auf jene nur vermittelst eines wie auch immer gearteten anderen Sensors Zugriff haben; und dieser unterschiedliche Zugriff ist Ursache für die unterschiedliche Gegebenheitsweise von Gedanken und Dingen der Außenwelt.

4.2 Der Wahrheitswert als Satzbedeutung.

Nachdem nun der Gedanke als Sinn eines Behauptungssatzes erläutert wurde, stellt sich die Frage nach der Bedeutung desselben. Bei den Eigennamen zeigte sich, dass sie bei einer Verschiedenheit des Sinnes doch eine gemeinsame Bedeutung haben können. Können nun auch Sätze, die verschie- dene Gedanken ausdrücken und somit einen unterschiedlichen Sinn haben, dennoch die gleiche Bedeutung haben?

Ähnlich wie bei den Eigennamen unterscheidet Frege zwischen Sätzen, denen eine Bedeutung zu- kommt, und solchen, denen keine Bedeutung zukommt. Und Sätze, denen keine Bedeutung zu- kommt, sind solche, „welche Eigennamen ohne Bedeutung enthalten“^63 Als Beispiel führt Frege den Satz „Odysseus wurde tief schlafend in Ithaka an Land gesetzt“ an.^64 Der Eigenname Odysseus hat offensichtlich einen Sinn, ähnlich wie der Eigenname „Der von der Erde am weitesten entfernte Stern“, aber ob er eine Bedeutung hat, ihm ein Gegenstand entspricht, ist zweifelhaft. Wenn aber

(^61) Ebd. (^62) Frege: Der Gedanke. S. 51. (^63) Frege: Über Sinn und Bedeutung. S. 47. (^64) Ebd.

ein Eigenname als Teil eines Satzes bedeutungslos ist, „so ist es damit zweifelhaft, ob der ganze Satz eine habe“. 65 Wenn nun jemand, unerachtet der Tatsache, dass Odysseus eine Sagengestalt der homerischen Epen ist, diesen Satz für wahr oder falsch hält, so ordnet er dem Eigennamen Odys- seus neben einem Sinn auch eine Bedeutung zu, „denn der Bedeutung dieses Namens wird ja das Prädikat zu- oder abgesprochen.“^66 Ob also in einem Satz nicht nur ein Sinn, ein ihm zugrund lie- gender Gedanke ausgedrückt wird, sondern darüber hinaus diesem Satz auch noch eine Bedeutung zukommt, sich von ihm also sinnvoll aussagen lässt, dass er wahr oder falsch sei, hängt davon ab, ob den in ihm vorkommenden Worten als Eigennamen ebenfalls eine Bedeutung zukommt.

„Warum wollen wir denn aber, dass jeder Eigenname nicht nur einen Sinn, sondern auch ei- ne Bedeutung habe? Warum genügt uns der Gedanke nicht? Weil und soweit es uns auf den Wahrheitswert ankommt.“^67

Nicht bei allen Sätzen ist dies der Fall. Hören oder lesen wir Passagen aus den homerische Epen, „fesseln uns neben dem Wohlklange der Sprache allein der Sinn der Sätze und die davon erweckten Vorstellungen und Gefühle“. 68 In dem Moment aber, da wir nach der Bedeutung der in den Sätzen vorkommenden Eigennamen fragen, „würden wir den Kunstgenuss verlassen und uns einer wissen- schaftlichen Betrachtung zuwenden“^69 , mit dem Ziel, die Sätze als wahr oder falsch zu beurteilen. „Das Streben nach Wahrheit also ist es, was uns überall vom Sinn zur Bedeutung vorzu- dringen treibt.“^70

Somit kann Frege folgendes Resümee ziehen: „Wir haben gesehen, daß zu einem Satz immer dann eine Bedeutung zu suchen ist, wenn es auf die Bedeutung der Bestandteile ankommt; und das ist immer dann und nur dann der Fall, wenn wir nach dem Wahrheitswerte fragen. So werden wir dahin gedrängt, den Wahrheits- wert eines Satzes als seine Bedeutung anzuerkennen. Ich verstehe unter dem Wahrheits- werte eines Satzes den Umstand, daß er wahr oder daß er falsch ist. Weitere Wahrheitswerte gibt es nicht. Ich nenne der Kürze halber den einen das Wahre, den anderen das Falsche. Je- der Behauptungssatz, in dem es auf die Bedeutung der Wörter ankommt, ist also als Eigen- name aufzufassen, und zwar ist seine Bedeutung, falls sie vorhanden ist, entweder das Wah- re oder das Falsche.“^71

Hieraus wiederum folgt zwangsläufig, dass alle wahren und alle falschen Sätze jeweils die gleiche Bedeutung haben, und das heißt, „daß in der Bedeutung des Satzes alles einzelne verwischt ist.“^72 Somit kann es uns also

„niemals auf die Bedeutung eines Satzes allein ankommen; aber auch der Gedanke gibt kei- ne Erkenntnis, sondern erst der Gedanke zusammen mit seiner Bedeutung, d. h. seinem

(^65) Frege: Über Sinn und Bedeutung. S.47. (^66) Ebd. (^67) Ebd. S. 48. (^68) Ebd. (^69) Ebd. (^70) Ebd. (^71) Ebd. (^72) Frege: Über Sinn und Bedeutung. S. 50.