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Gedichtvergleich/Liebeslyrik Goethe “Willkommen und Abschied”/Günderrode “Kuss im Traume”, Leitfäden, Projektarbeiten und Recherchen von Deutsch

Art: Leitfäden, Projektarbeiten und Recherchen

2020/2021

Hochgeladen am 01.10.2021

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Gedichtvergleich / Liebeslyrik
Goethe: “Willkommen und Abschied” u. Günderrode: “Kuss im Traume”
Aufgabenstellung: Interpretiere und vergleiche die Gedichte.
Gedicht-Texte
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Johann Wolfgang von Goethe:
Willkommen und Abschied
Erste Fassung (1771)
Mir schlug das Herz. Geschwind, zu Pferde!
Und fort, wild wie ein Held zur Schlacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht.
Schon stund im Nebelkleid die Eiche
Wie ein getürmter Riese da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah schläfrig aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr.
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch tausendfacher war mein Mut,
Mein Geist war ein verzehrend Feuer,
Mein ganzes Herz zerfloss in Glut.
Ich sah dich, und die milde Freude
Floß aus dem süßen Blick auf mich.
Ganz war mein Herz an deiner Seite,
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbes Frühlingswetter
Lag auf dem lieblichen Gesicht
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Karoline von Günderrode:
Der Kuss im Traume
Es hat ein Kuss mir Leben eingehaucht,
Gestillet meines Busens tiefstes Schmachten.
Komm, Dunkelheit! mich traulich zu umnachten,
Dass neue Wonne meine Lippe saugt.
In Träume war solch Leben eingetaucht,
Drum leb' ich, ewig Träume zu betrachten,
Kann aller andern Freuden Glanz verachten,
Weil nur die Nacht so süßen Balsam haucht.
Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen,
Es schmerzt mich seines Lichtes eitles Prangen
Und mich verzehren seiner Sonne Gluthen.
Drum birg dich Aug' dem Glanze irrd' scher
Sonnen!
Hüll' dich in Nacht, sie stillet dein Verlangen
Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluten.
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Gedichtvergleich / Liebeslyrik

Goethe: “Willkommen und Abschied” u. Günderrode: “Kuss im Traume”

Aufgabenstellung: Interpretiere und vergleiche die Gedichte.

Gedicht-Texte

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Johann Wolfgang von Goethe: Willkommen und Abschied Erste Fassung (1771)

Mir schlug das Herz. Geschwind, zu Pferde! Und fort, wild wie ein Held zur Schlacht. Der Abend wiegte schon die Erde, Und an den Bergen hing die Nacht. Schon stund im Nebelkleid die Eiche Wie ein getürmter Riese da, Wo Finsternis aus dem Gesträuche Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel Sah schläfrig aus dem Duft hervor, Die Winde schwangen leise Flügel, Umsausten schauerlich mein Ohr. Die Nacht schuf tausend Ungeheuer, Doch tausendfacher war mein Mut, Mein Geist war ein verzehrend Feuer, Mein ganzes Herz zerfloss in Glut. Ich sah dich, und die milde Freude Floß aus dem süßen Blick auf mich. Ganz war mein Herz an deiner Seite, Und jeder Atemzug für dich. Ein rosenfarbes Frühlingswetter Lag auf dem lieblichen Gesicht

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Karoline von Günderrode: Der Kuss im Traume

Es hat ein Kuss mir Leben eingehaucht, Gestillet meines Busens tiefstes Schmachten. Komm, Dunkelheit! mich traulich zu umnachten, Dass neue Wonne meine Lippe saugt.

In Träume war solch Leben eingetaucht, Drum leb' ich, ewig Träume zu betrachten, Kann aller andern Freuden Glanz verachten, Weil nur die Nacht so süßen Balsam haucht.

Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen, Es schmerzt mich seines Lichtes eitles Prangen Und mich verzehren seiner Sonne Gluthen.

Drum birg dich Aug' dem Glanze irrd' scher Sonnen! Hüll' dich in Nacht, sie stillet dein Verlangen Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluten.

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Und Zärtlichkeit für mich, ihr Götter, Ich hofft' es, ich verdient' es nicht.

Der Abschied, wie bedrängt, wie trübe! Aus deinen Blicken sprach dein Herz. In deinen Küssen welche Liebe, O welche Wonne, welcher Schmerz! Du gingst, ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit nassem Blick. Und doch, welch Glück! geliebt zu werden, Und lieben, Götter, welch ein Glück!

1. Einleitung zum Gedichtvergleich

Sehnsucht ist der rote Faden der Liebesgedichte „Willkommen und Abschied“ (Erstfassung) von Johann Wolfgang von Goethe und „Der Kuss im Traume“ von Karoline von Günderrode. Nach Liebe sehnen sich beide lyrischen Ichs, nur die Erfüllung kann unterschiedlicher kaum gedacht werden: Goethe bei seiner Geliebten in Sessenheim, von Günderrode ausschließlich in nächtlichen Phantasien. Damit ist auch in Blick auf die Epochenzuordnung eine Richtung gewiesen: Sturm und Drang bei Goethe und die Epoche der Romantik bei Günderrode.

2. Gedichtinterpretation „Willkommen und Abschied“

2.1 Einleitung

Das Goethe-Gedicht „Willkommen und Abschied“, geschrieben 1771 in vierfüßigem Jambus mit Kreuzreim, atmet schon im Titel das Gegensätzliche: Ankunft und Abschied. Das lyrische Ich, das mit Goethe zu identifizieren ist, reitet nachts zu seiner Geliebten, verbringt die Nacht bei ihr und nimmt am Morgen unter Tränen Abschied. Zeitlich, sprachlich und inhaltlich ist das Gedicht der Epoche „Sturm und Drang“ zuzuordnen.

2.2 Inhaltsangabe

Kurz entschlossen reitet das lyrische Ich durch den angsteinflößenden nächtlichen Wald zu seiner Geliebten und empfindet es beglückend in ihrer sanften Nähe zu sein. Am Morgen nimmt das lyrische Ich unter Tränen von ihr Abschied, wobei es das Glück über die Liebe in seinem Herzen bewahrt.

abgelehnt, um dann als Abrundung nochmals die Nacht als Schmerzensstillerin deutlich hervorzuheben.

3.3 Interpretation (besonders der Vergleichspunkte)

„Es hat ein Kuss mir Leben eingehaucht“ (Z. 1), eine Metapher, die sofort antithetisch Tod und Leben andeutet. „Eingehaucht“ erinnert an den biblischen Schöpfungsbericht, als Gott Adam den Lebensodem einhaucht und ihn damit erst lebensfähig macht. Vorher war er ein Nichts ohne die entscheidende Lebendigkeit, der Kuss erhält hier fast göttliche Funktion, nur er ermöglicht angemessenes Leben, stillt des „Busens tiefstes Schmachten“ (Z. 2), wobei der Superlativ „tiefst“ und „Schmachten“ die Intensität der Liebessehnsucht sehr nachdrücklich fassen. Den Rahmen zu dieser inneren Befriedigung kann nur die „Dunkelheit“ (Z. 3) schenken, die personifizierend aufgefordert wird zu kommen. Dieser Mantel der Dunkelheit ist dem lyrischen Ich vertraut, worauf das Adverb „traulich“ (Z. 3) hinweist.

Im zweiten Quartett werden Traum und Nacht als Einheit weiter vertieft. Ausschließlich im Traum ist das vom lyrischen Ich angestrebte Leben „eingetaucht“ (Z. 5) und der Sinn des Lebens besteht im Betrachten der „Träume“ (Z. 6), wobei das Adverb „ewig“ (Z. 6) das Betrachten mit der Unendlichkeit verbindet. Nur in der Entrückung ist Erfüllung möglich, nur dafür lohnt es sich zu leben, während das reale Leben diese Lebendigkeit, diese Befriedigung der Liebessehnsucht nicht schenkt. Genau das deckt sich mit der Biografie von Karoline von Günderrode: Unglück in der Liebe bei gleichzeitig ins Extrem gehender Liebessehnsucht, dazu die moralischen Einschränkungen eines Stiftfräuleins, so „[haucht] nur die Nacht so süßen Balsam“ (Z. 8).

Die folgenden zwei Terzette stellen der Beglückung schenkenden Nacht den alles durchleuchtenden Tag gegenüber. Die Assonanz „Tag“ und „karg“ in der Zeile 10 kontrastiert zu „liebesüßen Wonnen“ (Z. 10). Das alles durchleuchtende Licht „schmerzt“ (Z. 10), wobei das Licht durch „eitles Prangen“ (Z. 10), was für Vergänglichkeit steht, näher definiert wird. Erfüllung am Tag finden zu wollen ist vergebliche Liebesmüh. Wurde in der ersten Strophe noch die Dunkelheit als traulicher Mantel für erfüllte Wonnen angerufen, ist es nun die Nacht, die „dein Verlangen“ (Z. 13) stillt „[u]nd den Schmerz [heilt]“ (Z. 14), eine Intensivierung also, die gestützt wird durch den Vergleich zu „Lethes kühle Fluten“ (Z. 14), was aus der Nacht die ewige Nacht, den Tod, macht. Die dauerhafte Beglückung, aus der es kein Erwachen in eine unglücklich erlebte Realität gibt, ist nur im Tod möglich.

4. Vergleich beider Gedichte

4.1 Einleitung

Ein lyrisches Ich sehnt sich in dem jeweiligen Gedicht nach erfüllender Liebe, die in ihrer Sehnsuchtskraft intensiv geschildert wird. Zwei lyrische Ichs, eine Begierde, zwei Wege und ein komplett unterschiedlicher Schluss, das ist auf den ersten Blick der rote Faden des Vergleichs. Da beide Gedichte sich biografisch verorten lassen, wird im Vergleich das lyrische Ich jeweils mit dem Dichter gleich gesetzt.

4.2 Konkreter Vergleich an ausgesuchten Aspekten

Tatenmensch gegen Traummensch: „Mir schlug das Herz. Geschwind, zu Pferde“ (Z.

  1. bei Goethe, „[e]s hat ein Kuß mir Leben eingehaucht“ (Z. 1) bei Günderrode. Sie präzisiert ihre Aussage näher: nur „[i]n Träume war solch Leben eingetaucht“ (Z. 5). Während Goethe der Geliebten entgegen reitet, getrieben von Liebes-Feuer und – Glut, das Ich also dem Du zueilt, Nacht und Wald nur die Probe darstellen, bei der der Held seine Entschlossenheit beweisen kann, „[d]och tausendfacher war mein Mut“ (Z. 14), wird Günderrode nur auf sich zurück gewiesen. In ihr selbst spiegelt sich Sehnsucht und Erfüllung. Dies ist bei Goethe auf zwei Personen verteilt. Ihm bleiben deshalb beglückende Erinnerungen: „In deinen Küssen welche Liebe, / O welche Wonne, welcher Schmerz!“ (Z. 27f.). Günderrode dagegen lebt nur, „ewig Träume zu betrachten“ (Z. 6), sie kann folglich „aller andern Freuden Glanz verachten“ (Z. 7). Sie kommt in der Wirklichkeit nie an, da für sie Leben und Traum die ihr einzig mögliche Lebensform darstellen, der Traum, ihr eigener, wird ihr zum Du, den sie als Ich wie im Kino betrachtet. Wir haben hier eine Verschmelzung von Ich und Du im eigenen Inneren, wie es nur in romantischen Vorstellungen möglich und erstrebenswert ist. Der nächste Unterschied erweist sich als zwingend notwendig: die Stellung von Nacht und Dunkelheit. Gerade das Traumhafte, Unscharfe, Unstrukturierte, durch keine Tagesklarheit Eingeschränkte erfordert die Dunkelheit, Günderrode „traulich zu umnachten“ (Z. 3). In dem Verb „umnachten“ steckt schon die Vorstellung der Ummantelung, des Schutzes durch die Nacht. „Umnachten“ steht für Realitätsferne, Bezugslosigkeit zur Wirklichkeit der anderen. In diesem Verb steckt eigentlich die gesamte Vorstellung der Romantik und damit der Günderrode, die antithetisch dem überschwänglich positiv besetzten Begriff der Nacht den des Tages entgegensetzt: „Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen“ (Z. 9). Wonne, Traum, Nacht bilden eine unauflösbare Einheit, während bei Goethe die Wonne an erfahrener Beglückung durch die Geliebte gekoppelt ist, „[i]n deinen Küssen welche Liebe“ (Z. 27). An dieser Stelle wird bei Goethe die Nacht gar nicht erwähnt. Die Tageszeit der Küsse kann man sich als Leser nur denken. Jedoch wird die Nacht sehr klar geschildert als die Stunden der Gefährdung, der „tausend Ungeheuer“ (Z. 13), der Herausforderung, die

glückend erfahren werden kann, sind die Vorstellungen der Romantik oft so überhöht, dass sie sich nur in Innerlichkeit und Unschärfe von Traum und Nacht erfüllen lassen. Genau diesen Unterschied zeigen beide Gedichte und zeugen inhaltlich, thematisch, sprachlich, aber auch ideenmäßig von der Epoche, der sie jeweils zugeordnet werden.

5. Gemeinsamer Schluss beider Gedichte / Abrundung des

Vergleichs

Für den heutigen Leser dürfte auf den ersten Blick Goethes Tatendrang weitaus näher liegen als Günderrodes traumhaft gespiegelte Innerlichkeit. In „Willkommen und Abschied“ liegt viel von unserer Zeit: alles schnell, alles sofort, alles intensiv. Doch diese Einstellung hat in der aktuellen Krise der globalen Märkte, in der kritischen Anfrage in Blick auf die Umweltzerstörung einen deutlichen Dämpfer bekommen. Nicht alles, was machbar ist, ist auch erstrebenswert. Aber vielleicht gerade deswegen wird „Willkommen und Abschied“ als Traum einer erhofften Verwirklichung eigener Wünsche positiv aufgenommen. Dann würden die gefühlten Fesseln der Günderrode ihre erträumte Erfüllung möglicherweise in der konkreten Liebe erfahren. Andere werden aus den aktuellen Ketten der Realität in den „Kuß im Traume“ flüchten und sich hier wiederfinden. Unsere unsichere Zeit macht uns offen für beide Möglichkeiten. Vielleicht brauchen wir gerade heute neu den Traum als Gegenpart zur Wirklichkeit, einen Traum, der nach Verwirklichung ruft und nicht bei sich stehen bleibt, eine Verbindung beider, wie Robert Harold Schuller es in dem Satz formuliert: „Wenn Du es träumen kannst, kannst Du es auch tun!“ Oder wie es meine ehemalige Referendarin als Sentenz unter alle ihre Mails schreibt: „The future belongs to those who believe in the beauty of their dreams!“ (Eleanor Roosevelt)