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Geschichte der Sozialen Arbeit - Die Mütter der Sozialen Arbeit, Skripte von Soziale Arbeit

Beitrag von Prof. Dr. Juliane Sagebiel.

Art: Skripte

2019/2020
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Hochgeladen am 10.04.2020

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Prof. Dr. Juliane Sagebiel
FH München FB Sozialwesen
Geschichte der Sozialen Arbeit -
Die Mütter der Sozialen Arbeit
Ein Rückblick in die Geschichte der Sozialen Arbeit erklärt die heutigen Strukturen der Soziale Arbeit,
ihre theoretischen Denkansätze und die Entstehung des Berufes vom Armenvogt zum/r SozialarbeiterIn.
Wenn wir fragen, wie das Neue entstanden ist, dann lohnt es sich das Alte anschauen. Dann sehen wir, das
Neue ist nie so neu gewesen, und das Alte nie so alt. Und die gegenwärtige Situation ist immer das
Ergebnis vorangegangener Entwicklungen. Die Probleme der Gegenwart sind häufig die Konsequenz aus
früheren Problemlösungen.
Die Entstehung des Berufes ist eng verknüpft mit der Auseinandersetzung über das Verhältnis von: Arbeit
und Armut und der Verteilung der gesellschaftlich verfügbaren Ressourcen (gesellschaftliche Struktur und
gesellschaftliche Reaktion auf Armut).
Uns interessieren dabei die Fragen:
Wer war arm? (Zielgruppen Sozialer Arbeit)
Wer leistet Hilfe? (Träger Sozialer Arbeit)
Warum wird Hilfe geleistet? (gesell. und politische Funktion Sozialer Arbeit)
Wie wird Hilfe geleistet? (Mittel und Methoden)
Welche Konsequenzen auf die Praxis Sozialer Arbeit lassen sich herstellen?
Die Entwicklungslinien Sozialer Arbeit lassen sich skizzieren als:
1 Almosenwesen im Mittelalter
2 Sozialdiziplinierung in der Neuzeit
3 private Initiativen in der Industrialisierung
4 Soziale Arbeit als Beruf im 20. Jahrhundert
1. Almosenwesen im Mittelalter
Das Verhältnis von Arbeit und Armut war geprägt durch die Vorstellungen des Christentums. „Selig sind
die Armen“ (Lukas 6, 20). Körperliche Arbeit genießt positive Wertschätzung: „Ein jeglicher Wirker ist
würdig seines Lohnes“ (Paulus, Korinther I). Grundlage war die christliche Gleichheitsvorstellung. Armut
und Arbeit wurden wechselseitig aufeinander bezogen und positiv bewertet. Wer materiell arm war, lebte
in der Nachfolge Jesu und seiner Jünger. Wer predigte und den Glauben verkündigte war von körperlicher
Arbeit freigesetzt. Die Gemeinde kam für seinen Lebensunterhalt auf.
Das Verhältnis von Arbeit und Armut wurde im Mittelalter von den Klöstern geprägt. Hier wurde das
asketische Prinzip gelebt und körperlich gearbeitet zur Sicherung des Lebensunterhalts (LU). Weltlicher
Besitz wurde strikt abgelehnt, Armut war die Voraussetzung für ein Leben in Liebe, Eintracht und
Gleichheit. Der Tagesablauf in den klösterlichen Gemeinschaften unterlag einer strengen Disziplin, und
Regelhaftigkeit: geistige Besinnung in Abgeschlossenheit von der Außenwelt und festgelegte Zeiten für
körperliche Arbeit. Die Klöster waren aufgrund von ländlichem Besitz in der Lage sich selbst zu
versorgen. Dem christlichen Auftrag der Nächstenliebe verpflichtet, verteilten die Klöster Essen an Bettler
und Fremde, man versorgte die Kranken und Reisenden wurde Unterkunft angeboten. Diese zeitlich
strukturierte Ordnung der Klöster wirkte in den folgenden Jahrhunderten noch in den Kollegs, Werkstätten
und Zucht- und Arbeitshäusern nach.
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Prof. Dr. Juliane Sagebiel

FH München FB Sozialwesen

Geschichte der Sozialen Arbeit -

Die Mütter der Sozialen Arbeit

Ein Rückblick in die Geschichte der Sozialen Arbeit erklärt die heutigen Strukturen der Soziale Arbeit, ihre theoretischen Denkansätze und die Entstehung des Berufes vom Armenvogt zum/r SozialarbeiterIn. Wenn wir fragen, wie das Neue entstanden ist, dann lohnt es sich das Alte anschauen. Dann sehen wir, das Neue ist nie so neu gewesen, und das Alte nie so alt. Und die gegenwärtige Situation ist immer das Ergebnis vorangegangener Entwicklungen. Die Probleme der Gegenwart sind häufig die Konsequenz aus früheren Problemlösungen. Die Entstehung des Berufes ist eng verknüpft mit der Auseinandersetzung über das Verhältnis von: Arbeit und Armut und der Verteilung der gesellschaftlich verfügbaren Ressourcen (gesellschaftliche Struktur und gesellschaftliche Reaktion auf Armut).

Uns interessieren dabei die Fragen :

  • Wer war arm? (Zielgruppen Sozialer Arbeit)
  • Wer leistet Hilfe? (Träger Sozialer Arbeit)
  • Warum wird Hilfe geleistet? (gesell. und politische Funktion Sozialer Arbeit)
  • Wie wird Hilfe geleistet? (Mittel und Methoden)
  • Welche Konsequenzen auf die Praxis Sozialer Arbeit lassen sich herstellen?

Die Entwicklungslinien Sozialer Arbeit lassen sich skizzieren als : 1 Almosenwesen im Mittelalter 2 Sozialdiziplinierung in der Neuzeit 3 private Initiativen in der Industrialisierung 4 Soziale Arbeit als Beruf im 20. Jahrhundert

1. Almosenwesen im Mittelalter

Das Verhältnis von Arbeit und Armut war geprägt durch die Vorstellungen des Christentums. „Selig sind die Armen“ (Lukas 6, 20). Körperliche Arbeit genießt positive Wertschätzung: „Ein jeglicher Wirker ist würdig seines Lohnes “ (Paulus, Korinther I). Grundlage war die christliche Gleichheitsvorstellung. Armut und Arbeit wurden wechselseitig aufeinander bezogen und positiv bewertet. Wer materiell arm war, lebte in der Nachfolge Jesu und seiner Jünger. Wer predigte und den Glauben verkündigte war von körperlicher Arbeit freigesetzt. Die Gemeinde kam für seinen Lebensunterhalt auf.

Das Verhältnis von Arbeit und Armut wurde im Mittelalter von den Klöstern geprägt. Hier wurde das asketische Prinzip gelebt und körperlich gearbeitet zur Sicherung des Lebensunterhalts (LU). Weltlicher Besitz wurde strikt abgelehnt, Armut war die Voraussetzung für ein Leben in Liebe, Eintracht und Gleichheit. Der Tagesablauf in den klösterlichen Gemeinschaften unterlag einer strengen Disziplin, und Regelhaftigkeit: geistige Besinnung in Abgeschlossenheit von der Außenwelt und festgelegte Zeiten für körperliche Arbeit. Die Klöster waren aufgrund von ländlichem Besitz in der Lage sich selbst zu versorgen. Dem christlichen Auftrag der Nächstenliebe verpflichtet, verteilten die Klöster Essen an Bettler und Fremde, man versorgte die Kranken und Reisenden wurde Unterkunft angeboten. Diese zeitlich strukturierte Ordnung der Klöster wirkte in den folgenden Jahrhunderten noch in den Kollegs, Werkstätten und Zucht- und Arbeitshäusern nach.

Wer war arm? Armut war keine sozialökonomische Kategorie - vielmehr eine personenrechtliche. Arm war (pauperes), wer schutzlos (physisch und materiell) und wer machtlos war, wer dem Zugriff der Mächtigen ausgesetzt war. Unsicherheit des Rechtsstatutes konnte Mittellosigkeit zur Folge haben. Sie stand im Gegensatz zur Verfügungsgewalt, Macht und Herrschaft der Reichen (potentes) über Menschen und Sachen..

Wer leistet Hilfe? Dem christlichen Auftrag der Nächstenliebe verpflichtet waren es die Kirche, Klöster, Landesherren und wohlhabende Privatleute und die von ihnen ins Leben gerufenen privaten Stiftungen. Gilden, Zünfte und Brüderschaften leisteten Hilfe nach dem Prinzip genossenschaftlicher Selbsthilfe: Freiwilligkeit des Zusammenschlusses, Selbstbindung durch Vertragskonsens, Schutz gegenseitige Hilfeleistung in allen Lebenslagen (Verarmung, Brand, Schiffbruch, Tod) und gegenüber Dritten. Die Beginen, eine Zusammenschluss frommer Frauen, die keiner Klosterordnung unterlagen, gründeten Spitäler und pflegten Kranke und alte Menschen.

Warum wird Hilfe geleistet? Die Ständeordnung des Mittelalters wurde als Spiegel der göttlichen Ordnung akzeptiert. Im hierarchi- schen Aufbau der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung nahmen die Armen und Notleidenden den letzten Platz ein. Da Armut und Krankheit gottgewollt galt, war die Abschaffung von Armut kein Thema. Arme genossen Schutzbedürftigkeit und hatten das Recht ihren Unterhalte durch Betteln zu bestreiten.

Wie wird Hilfe geleistet? Die mittelalterliche Armenversorgung war keine systematische Strategie zur Bearbeitung und Beseitigung sozialer Notlagen. Armut wurde nicht als soziales Problem gedeutet. Die Logik der Hilfe war religiös motivierte Mildtätigkeit, die dem Seelenheil des Gebers diente. Die Almosenvergabe richtete sich nicht auf die Person, sondern auf die Beseitigung eines konkreten Mangels (Nahrung, Obdach, Pflege, Kleidung). Die Armen waren Objekte des Almosenaktes an denen die Reichen ihr christliches Verhalten zeigen können. Arme und Reiche standen in gegenseitiger Abhängigkeit. Eine Gegenleistung vom Hilfeempfänger wurde nicht verlangt, bis auf seine Fürbitte für den Geber.

Konsequenzen für die Praxis Sozialer Das Spendenwesen: zur Milderung und Beseitigung sozialer Notlagen und bei Katastrophen wird auch heute von privaten Initiativen und den kirchlichen Verbänden um Spenden geworben. Es gibt eine Fülle von Stiftungen, die jeweils ausgewiesenen Zwecken dienen, und es werden aus Erbnachlässen immer wieder neue ins Leben gerufen. Dem Prinzip der Klöster „Arbeit und Leben“ werden auch heute noch erzieherische, bzw. persönlichkeitsbildende Wirkungen zugesprochen. Auf Selbsthilfe und gegenseitige Hilfeleistungen auf der Basis von Freiwilligkeit basieren Vereine und Initiativen.

2. Sozialdisziplinierung - europäischer Kapitalismus

Im 13. Jahrh. beginnt die Auflösung der mittelalterlichen Stände- und Gesellschaftsordnung:

  • Entdeckung Amerikas und die Entdeckung neuer Handelswege
  • Durch Kreuzzüge und die Eroberung des Ostens ein enormer Aufschwung des Fernhandels
  • Dt. war das Durchgangsland für den Warentausch von Süd nach Nord
  • Die Wirtschaft auf diesen Fernhandelsmärkten hatte Auswirkungen auf die lokalen Märkte und die Arbeitsteilung
  • Es entstand ein gewaltiger Binnenmarkt
  • Die Naturalwirtschaft wurde durch die Geldwirtschaft abgelöst
  • Neu war, es wurde nicht mehr nur für den eigenen Bedarf, und den der sozialen Gemeinschaft

Parallel zum Aufkommen des Humanismus: homo liberalis regt sich Kritik an der etablierten katholischen Kirche. Der Protest sammelt sich europaweit um MARTIN LUTHER (1483-1546). Während Luther sich an den Anforderungen einer bäuerlich-handwerklichen Gesellschaft orientiert: Arbeit ist Berufung im Auftrag Gottes, und Arbeitsteilung als natürliche Begabung interpretiert, steht für CALVIN (1509-1564) Arbeit im Dienst innerweltlicher Askese und vor Gott ist jede Arbeit gleich-gültig, wird sie im rechten Glauben ausgeführt. D.h. jeder kann jede Arbeit verrichten und von einer Arbeit in die andere wechseln. Die calvinistische Arbeitsmoral fördert die Entwicklung industrieller Produktion. Technik (Gutenberg entdeckt den Buchdruck)und Wissenschaft werden positiv bewertet, Handel und Gewerbe ebenfalls. Aus dem Wucherer wird der angesehene Unternehmer, die gesellschaftlichen Rollen werden durchlässiger und die Wertvorstellungen flexibler. Der Weg von der geschlossenen in die offene Gesellschaft, die Moderne ist vorgezeichnet.

Was eine auf die Effektivität kapitalistischer Produktion ausgerichtete Gesellschaft braucht, ist das Vorhandensein „freier Arbeitskräfte“. Menschen, die rechtlich in der Lage sind und die wirtschaftlich genötigt sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Sie mussten geographisch und sozial mobil sein. Das leitete die Trennung von Haushalt und Betrieb ein und die Entstehung eines neuartigen Arbeitsmarktes.

Das Verhältnis von Arbeit und Armut verändert sich drastisch. Armut ist nicht mehr ein unveränderbar, gottgewollter Zustand, sondern individuell verschuldet und veränderbar. Wer arm war musste arbeiten und man erfand den „würdigen“ Armen. Not und Armut resultieren aus moralischer Verdorbenheit und Faulheit. Also sind alle Bedürftigen grundsätzlich zur Arbeit verpflichtet. Erstmals wird vom Hilfesuchenden eine Gegenleistung erbringen: Arbeit und eine sittlich moralische Gesinnung. Die veränderte Bewertung von Arbeit und Bettel und die Gesetzmäßigkeiten des Marktes (Kapitalismus) erfordern neue Werte und gesellschaftliche Verkehrsformen: Disziplin, Zeitökonomie, Abstraktionsvermögen und Verhaltensweisen wie: Erwerbssinn, Tüchtigkeit, Ordnung und Pünktlichkeit, Langsicht und Fleiß. Entlang dieser Verhaltensnormen wurde jetzt Bedürftigkeit gemessen.

In dieser Entwicklung kann die Sozialdisziplinierung der städtischen Unterschicht gesehen werden: Erziehung zur Arbeit, Fleiß, Pünktlichkeit und Ordnung zur Folge hatten. Arbeit war die „neue Medizin“ gegen Armut. Arm und hilflos waren die Arbeitsunwilligen und Arbeitsunfähigen. Die Arbeitsfähigkeit wurde durch Einweisung ins Arbeitshaus getestet. Betteln wurde grundsätzlich verboten und mit Zwangsarbeit in den Arbeits- und Zuchthäusern bestraft. = Änderung des Strafvollzugs: Freiheitsentzug und Zwangsarbeit statt Körper- und Todesstrafen (wie im Mittelalter). 1609 wurde in Bremen das erste dt. Zucht- und Arbeitshaus eröffnet. Die mittelalterliche Tradition der Klöster und Spitäler (Disziplin...) wird hier fortgesetzt und mit Ideen des Humanismus (Erziehung) und marktwirtschaftlichen Interessen (Bedarf an verfügbaren billigen Arbeitskräften) verknüpft: handwerkliche Qualifikation und repressive Disziplinierung. Der harte und entbehrungsreiche Alltag in den Arbeitshäusern (harte Arbeit bei karger Ernährung und sittlicher Erziehung) diente dem Zweck der Heranbildung von disziplinierten Lohnarbeitern für gering bezahlte Arbeit in den Manufakturen. Die entbehrungsreichen Bedingungen im Arbeitshaus und die Zwangsbehandlung sollte abschrecken (als präventive strafrechtliche Maßnahme) und zur freiwilligen Arbeit motivieren (Wert der Erziehungskraft der Arbeit). Der Lohn wurde so gering gehalten, dass die Armen sich wirtschaftlich nicht abgesichert könnten. Man glaubte, dass hätte ihren Arbeitswillen gedämpft.

Wer war arm? Armut wird zur ökonomischen Kategorie. Bedürftigkeit wird entlang der Arbeitsfähigkeit gemessen. Prinzipiell sind alle Menschen zur Arbeit verpflichtet, auch Kranke und Alte. Armut wird zur Verhal- tenskategorie: wer sich nicht an die marktorientierten Verhaltensanforderungen anpassen kann. Armut wird mit Faulheit und moralischer Verderbtheit gleichgesetzt. Armut ist individuell verschuldet (Indi- vidualisierung des Armutsproblems). Man erfindet den unterstützungswürdigen Armen.

Wer leistet Hilfe? Die Stadt, repräsentiert durch den ehrenamtlichen Armenvogt und bezahlte Armenknechte. Im Amt des Armenvogtes wird die Grundlage für eine städtische Sozialverwaltung geschaffen. Die Kommunen sind für die Regulierung von Armut und Bettelei zuständig. Nach wie vor fühlen sich auch die Kirchen, private Spender, Stiftungen zuständig. Insgesamt setzt jedoch eine Säkularisierung der Armenfürsorge ein.

Warum wird Hilfe geleistet? Schutz und Förderung der sich entwickelnden kapitalistischen Gesellschaft. Die Städte müssen von der Bettelplage befreit werden. Die unsystematische Almosenverteilung ist kein geeignetes Mittel mehr, um der Masse von Bedürftigen zu begegnen. Arme werden registriert und die Verteilung der Hilfe an Bedingungen geknüpft. Arbeitsverweigerung wird strafrechtlich verfolgt. Die Instrumente sozialer Hilfeleistungen sind Sozialdisziplinierung - die Pflicht zur Arbeit. Sie dienen der Anpassung an die Markterfordernisse: der Verfügbarmachung mobiler, produktiver und billiger Arbeitskräfte.

Wie wird Hilfe geleistet? Die Armenfürsorge wird zum Instrument der Arbeitserziehung. Das Problem Armut wird über die Arbeitsfähigkeit gelöst. Armut als soziales Problem tritt ins Bewusstsein und erfordert systematisches Vorgehen. Erste Ansätze einer planvollen Sozialpolitik entwickeln sich (Bürokratisierung). Die Idee der Erziehung wird auf das Problem der Armut angewandt: der Arbeit wird ein pädagogischer Wert zugesprochen (Arbeitshäuser). Die Pädagogisierung sozialer Probleme ist der Versuch, soziale Pro- blemlagen durch Verhaltensanforderungen zu beseitigen.

Konsequenzen für die Praxis Sozialer Arbeit Prozess der Bürokratisierung : Kriterien der Almosenvergabe (Einkommen, Gesundheit, Lebensführung), Schaffung von Institutionen zur Überprüfung, Verwaltung und Dokumentation Armut (schriftliche Erfassung der individuellen Notlage) Das Prinzip der Arbeitspflicht und der Schaffung von öffentlich geförderten Arbeitsmaßnahmen (ABM) Unterstützung orientiert sich am Einzelfall Prozess der Pädagogisierung: mit der Neuordnung der Armenfürsorge wandelt sich das Bild von Bedürftigkeit. Nicht was der Arme fordert soll man ihm geben, sondern was ihn fördert. Der Almosenempfänger muss eine Gegenleistung erbringen: ein sittliches Leben führen und arbeiten.

3. Private Initiativen - Industrialisierung

Durch die Eroberungen Napoleons wurde auch Preußen 1806 besiegt. In der Folge wurden eine Reihe von Reformen durchgesetzt: Bodenreform, Gewerbeordnung, Gemeindereform, Schulpflicht, Gleichstellung der Juden, Bauernbefreiung, allgemeine Wehrpflicht und Heeresreform. Die Ideen der Aufklärung greifen. Die industrielle Revolution begann in Preußen etwa 1820. Bahnbrechende Erfindungen in der Technik (Dampfmaschine, Eisenbahn, mechanischer Webstuhl, Spinnmaschine...) führten zu einem Auf- und Ausbau der Industrie, des Bergbaus und des Verkehrswesens. Ab 1850 vollzog sich diese Entwicklung in immer schnellerem Tempo und zog Veränderungen in allen Lebensbereichen nach sich. Das Land veränderte sich von einer Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft. Waren 1830 waren noch 4/5 der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig, waren es 1870 nur noch die Hälfte. Handwerker (z.B. die Weber) verloren ihre Existenzgrundlage durch das Aufkommen von maschineller Produktion, Bauern verließen ihr Land aufgrund von Verschuldung, Missernten (1816/1817 und 1847) und Absatzschwierigkeiten. Sie zogen aus den ländlichen Gebieten (Ostpreußen, Schlesien) in die Städte (Ruhrgebiet) auf der Suche nach Arbeit. Dörfliche Gemeinschaften und Großfamilien lösten sich auf und durch die Landflucht entstanden in den Städten eine neue Klasse: das Proletariat. Die Zuwanderer waren den konjunkturellen Schwankungen schutzlos ausgesetzt. Das erforderte eine effektive Lösung der Armenfrage. Nach der Gemeindereform waren die Städte für die Versorgung der Armen zuständig, womit diese bei weitem überfordert waren. Mitte des 19. Jahrh. wuchs die Bevölkerung um das 2 ½ fache.

sozialer Ausgleich (BISMARCK und die SPD) und Revolution (Kommunisten). Gesellschaftliche Veränderungen fordern Marx, Engels, Lassalle, Bebel, Liebknecht und Rosa Luxemburg, Klara Zetkin u.a. Die Arbeiter formieren ihre Kräfte gegen die Ausbeutung. Gewerkschaften, Arbeiterparteien, Konsumvereine, Arbeiterbildungsvereine und Genossenschaften werden gegründet, um politischen und wirtschaftlichen Einfluss zu erlangen. Der Sozialismus bildet das politische Gegengewicht zu Liberalismus und Kapitalismus. 1878 -1890 wird die Sozialdemokratische Arbeiterpartei verboten (Sozialistengesetze), die politischen Aktivitäten finden im Untergrund statt, und die Partei erhält in dieser Zeit Zulauf von 1 Million Mitgliedern.1868 gründet sich der Allgemeine deutsche Gewerkschaftsbund. Private Wohltätigkeitsvereine und politische Parteien (AWO, Rote Hilfe) organisieren Hilfe im größeren Rahmen.

Auch das Bürgertum bietet Hilfen an: die Rettungshausbewegung (Wichern, Kolping, Bodelschwing), und die Errichtung von Kindergärten durch Fröbel. Die Ansätze orientieren sich am Leitbild der bürgerlichen (heilen) Familie, die gesellschaftlichen Ursachen der Armut werden nicht verändert. Programm ist die Armen zu resozialisieren, indem man ihnen materielle Hilfen und modellhafte Besserungsprogramme anbietet. 1848 wird die Innere Mission (ev. Kirche) gegründet und 1897 der Caritasverband (kath.Kirche). Im Ruhrgebiet war die Familie KRUPP vorbildhaft in der Versorgung ihrer Arbeiter. Sie förderten den Wohnungsbau (Werkswohnungen) und führten erste Formen der Krankenversicherung ein, Konsumgesellschaften, Kindergärten - nicht zuletzt, um einen Stamm qualifizierter Arbeiter und Facharbeiter an das Unternehmen zu binden.

Was führte zur Verbesserung der Not der Arbeiter? Gegen Ende des 19. Jahrh. wurde das Elberfelder System aufgegeben. Die rasante ökonomische Entwicklung und in ihrer Folge die sich dramatisch zuspitzende soziale Frage erforderte effektivere Lösungsansätze. Die Größe der Industriestädte nahm zu, so dass eine die Aufteilung in Quartiere versagte. Die hohe Mobilität der Erwerbsbevölkerung machte eine ehrenamtliche und individualisierende Wohlfahrtspflege unmöglich. 1905 wurde in Straßburg ein Schritt in Richtung moderner Sozialpolitik gegangen - das klassische Prinzip der Bürokratie wurde auf die Bearbeitung der Armenfrage angewandt: ehrenamtliche Helfer wurden durch hauptamtlich ausgebildete Armenpfleger ersetzt. Entscheidungen über Hilfegewährung wurden in die Armenbehörde verlegt, die dann die Zentrale für Hilfeanträge wurde. Ausdifferenzierung von Problemlagen erfordert die Einführung von Spezialfürsorgeämtern (Gesundheitsfürsorge, Jugendfürsorge, Wohnungsamt) Parallel zur den Ausprägungen einer modernen Industriegesellschaft entwickelte sich eine spezifische Sozialpolitik im Deutschen Reich. Die soziale Frage wurde zu einer politisch relevanten Frage, um die Risiken der Lohnarbeit abzufedern. Die Auseinandersetzungen zwischen Sozialdemokratie und der Koalition zwischen liberalem Bürgertum und ostelbischen Grundbesitzern führten zum sozialreformerischen Kompromiss: der Bismarckschen Sozialgesetzgebung zwischen 1878-1889, mit der Staat eine gewisse Verantwortlichkeit für die Risiken der Arbeiterexistenz anerkennt. Sie umfasste die schon erwähnten Sozialistengesetze und Sozialversicherungen: 1883 die Krankenversicherung, 1884 die Unfallversicherung und 1889 die Invaliden- und Altersversicherung. Die Sozialversicherungsgesetze waren bahnbrechend in Europa doch sie schlossen die Arbeitslosen aus, und trennte sie so auf Dauer von den gesellschaftlichen und politischen Interessensvertretungen ab. Sie wurden zu Adressaten der Fürsorge.

Wer war arm? Das Proletariat, die entwurzelten, arbeitssuchenden Zuwanderer. Selbst wer Arbeit hat ist arm, denn die Löhne sind so gering, dass die ganze Familie arbeiten muss, um die für das Leben notwendigen Kosten aufzubringen. Die von Lebensrisiken getroffenen (Alter, Krankheit, Invalidität, Arbeitslosigkeit), da es keinerlei Absicherung gab.

Wer leistet Hilfe? Private Wohltätigkeitsvereine, kirchliche Wohlfahrtsverbände, Privatpersonen, Hilfsvereine und die Kommunen.

Warum wird Hilfe geleistet? Schutz und Erhalt der kapitalistischen Gesellschaft. Das Armutsproblem entwickelt sich zur sozialen Frage mit politischer Handlungsnotwendigkeit (Revolten, Legitimation des Staates). Durch die Sozial- gesetzgebung dokumentiert der Staat seinen Willen die aus der Lohnarbeit erwachsenen wirtschaftlichen und sozialen Probleme durch gezielte Maßnahmen zu steuern.

Wie wird Hilfe geleistet? Es etabliert sich eine rationell organisierte offene Armenpflege (Elberfelder System), dass später durch den Ausbau der kommunalen Armenversorgung (Straßburg) in Richtung moderner Sozialpolitik abgelöst wird. Armut wird verwaltet nach den Prinzipien klassischer Bürokratie. Ehrenamtlich und hauptamtlich.

Konsequenzen für die Praxis Sozialer Arbeit Die Kooperation (duales System) zwischen privater Hilfstätigkeit und staatlicher Sozialpolitik organisiert sich nach dem Prinzip der Subsidiarität = der Nachrangigkeit staatlicher Initiative). hat sich bis heute erhalten. Die privaten Wohlfahrtsverbände (DW, Caritas, AWO, DRK, DPWV, Zentrale Wohlfahrtsstelle der Juden in Dt.) sind heute in der Liga der Freien Wohlfahrtverbände zusammengeschlossen und leisten Soziale Arbeit auf den unterschiedlichsten Gebieten. Die Kommunen bearbeiten und verwalten soziale Probleme nach dem Bürokratiesystem, auf der Grundlage von erworbenen Versicherungsansprüchen und Sozialhilfeleistungen. Die Ausdifferenzierung von sozialen Problemlagen in eigenständige Ämter (Jugendamt, Gesundheitsamt, Arbeitsamt....)

Soziale Arbeit als Beruf

Alice Salomon (1872-1948) Erste Soziale Frauenschule in Berlin

Mit dem 1. Weltkrieg spätestens beginnt der Beruf des Armenpflegers eine weibliche Domäne zu werden. Die bürgerliche Frauenbewegung kämpfte sozialreformerisch für die Emanzipation ihrer Rechte. Daneben gab es die revolutionäre Frauenbewegung, die sich für eine Umgestaltung der Gesellschaft stark machte. Die bürgerliche Frauenbewegung kämpfte für die Zulassung zu standes- standesgemäßen Berufen.

Den Frauen wurden nur die Berufe der Lehrerin, Kindergärtnerin und Pflegerin zugestanden. Sie setzten sich ein das Wahlrecht für Frauen und die Zulassung zur Universität. Sie waren unterbeschäftigt und ans Haus gebunden in der Erwartung auf die Heirat. Ihnen wurde als Orientierung das Ideal einer fürsorgenden und liebenden Gattin angeboten. Sie gründeten soziale Hilfsvereine und engagierten sich in der sozialen Arbeit. Die Situation der Arbeiterinnen war eine gänzlich andere: sie litten unter der Doppelbelastung Familie und Fabrikarbeit bei täglich 12-14 Stunden Arbeit oder Heimarbeit. Das Elend der Heimarbeiterinnen ist vielfach dokumentiert. Sie lebten in engen, überfüllten und ungesunden Wohnungen, arbeiteten wie gehetzt den ganzen Tag bis tief in die Nacht ohne Zeit für die Kinder zu haben und für sich das Notwendigste zu besorgen. Und sie waren schutzlos der Willkür der Unternehmer preisgegeben. Die proletarische Frauenbewegung kämpfte für den 10 Tag, Mutterschutz, und bessere Arbeitsbedingungen.

Mehrfachleistungen an die Armen auszuschalten. Welche Rolle spielte hier Mary Richmond? Sie bewarb sich 1889 als gelernte Buchhalterin um die Stelle der Schatzmeisterin der COS in Baltimore. Sie nahm an den Fallkonferenzen der friendly visitors teil und übte neben ihrer hauptamtlichen Arbeit die ehrenamtliche Tätigkeit als Hausbesucherin durch. Sie erkannt bald, dass ihr und den anderen eine fundierte Ausbildung fehlten. Sie richtete eine Fachbibliothek ein, organisierte Fortbildungskurse und Diskussionsabende und warb auf Versammlungen um Spenden. Ihr Bestreben war, die Soziale Arbeit geschäftsmäßig zu organisieren, wie ein kommerzielles Dienstleistungsunternehmen. D.h.: nach Einschätzung der Lage erreichbare Ziele zu setzen und sie mit den vorhandenen Mitteln schrittweise und den Umständen entsprechend zu erreichen. Wichtig war für sie, das vorhandene Geld (Spenden) nicht in die Armen zu investieren, sondern in die Helfer (Verwaltung, Miete und Gehälter). Mary Richmond Ziel war die Gründung einer Ausbildungsstätte für Soziale Arbeit. 1898 eröffnete die COS eine Summer School of Philantrophy. Lehrplanschwerpunkte waren:

  • Die Kunst zu ermitteln
  • Die Kunst eine zwischenmenschliche Beziehung zu den Bedürftigen herzustellen
  • Die Kunst, bei Problemen zu beraten Nicht so sehr die Ursachen für Armut oder deren Gesetzmäßigkeiten standen im Vordergrund der Ausbildung; vielmehr sollten die Schülerinnen lernen soziale relevante Beobachten zu machen und sozial relevante Fragen zu stellen und konkrete Maßnahmen für den Einzelfall zu planen und durchzuführen.

Die über Jahre gesammelten, in Fallstudien ermittelten Daten und Umfrageergebnisse erbrachten ein umfangreiches empirisches Material über den Stand Sozialer Arbeit. Die Auswertungen dieser Untersuchungen veröffentliche Mary Richmond 1917 in ihrem Lehrbuch: „Social Diagnosis“. Es wurde Ausbildungsgrundlage und begründete die wissenschaftliche Basis der Methode: Einzelfallhilfe. Die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Arbeit die konservative Vorstellung von moralischer Instabilität der Armen und Armut sei ein Ergebnis der individuellen Lebensgeschichte und der vorhandenen sozialen Beziehungen. Hauptursachen der Armut waren:

  • unfreiwillige Arbeitslosigkeit
  • Arbeitsunfälle und Krankheit
  • Niedrigstlöhne.

Mary Richmonds Verdienst ist, dass sie sich für eine Linderung und Beseitigung der Armut durch analytische und pädagogische ausgebildete Sozialarbeiterinnen einsetzte. Hilfebedürftigkeit kann durch soziales Lernen besser und dauerhafter abgebaut werden, als durch punktuelle, materielle Hilfe. Sie erkannte die Notwendigkeit sozialer Reformen, doch die Einflussnahme auf sozialpolitische Veränderungen lag ihrer Ansicht nach außerhalb der Handlungkompetenzen der Sozialarbeiterinnen.

Jane Addams (1860-1935) Die Settlement Bewegung

Die Situation in der Jane Addams sozial tätig war, ist vergleichbar mit der von Mary Richmond. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Arbeitern, Arbeitslosen und Fabrikbesitzern um bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne bestimmten die soziale Lage in Chicago um 1890. Hinzu kam, dass in Chicago 2/3 der Bevölkerung Einwanderer auf Europa waren, die weder die englische Sprache beherrschten, noch über finanzielle Mittel verfügten. Sie lebten in Ghettos unter katastrophalen hygienischen Verhältnissen, wo es kaum Infrastruktur gab. Sie konnten auf keine Unterstützung hoffen, mit Ausnahme der Hilfe, die sie von Verwandten und kurz zuvor Eingewanderten erhielten.

Die Stadtverwaltung war nicht in der Lage die gespannte soziale Situation zu regulieren, sie war desorganisiert und korrupt. In dieser Situation gründete Jane Addams gemeinsam mit Ellen Starr 1889 das Nachbarschaftshaus: „Hull House“. Die Idee war die Schaffung einer Begegnungsstätte für Not leidende Menschen aus der Nachbarschaft. Sie wollten unter den Armen leben und von ihnen lernen, ein Haus gründen, in dem junge, untätige Frauen der Mittel- und Oberschicht eine sinnvolle Beschäftigung fanden: den Armen zu helfen, indem sie sie zur Selbsthilfe ermutigten.

Ziele der Nachbarschaftshilfe (Settlement) waren:

  • Schaffung eines Zentrums für öffentliches und soziales Leben
  • Aktivierung der Selbsthilfekräfte durch Nutzung der Bildungs,- Kultur- und Wissenspotentiale der Einwanderer. Konzept gegenseitiger Durchdringung.
  • Lebensbedingungen in der Region zu untersuchen
  • das Leben der Arbeiterinnen zu erleichtern (Kindergärten...)
  • Gebildeten Frauen eine sinnvolle Beschäftigung geben
  • Verbesserung der Lebens-, Arbeits,- Wohn- und Freizeitverhältnisse
  • Organisation von kommunalpolitischen Initiativen: Begegnung statt Klassenkampf
  • Soziale Reformen von unten nach oben - Bürgerengagement

Jane Addams vertrat im Gegensatz zu Mary Richmond eine deutlich politischere Position: Sie nahm Partei für die Benachteiligten und setzte sich für soziale Reformen ein. Sie war der Überzeugung eine demokratische Gesellschaft müsse in der Lage sein, Wohlfahrt und Frieden für alle ihre Mitglieder herzustellen. Und sie glaubte, dass alle Menschen fähig sind ihr Leben selbst zu bestimmen und zu gestalten, wenn sie nicht zwanghaft oder durch soziale Umstände gehindert werden, in denen sie leben. Ihre sozialpolitischen Aktivitäten zielten auf die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der ArbeiterInnen. Sie brachte streitende Interessengruppen an einen Tisch, vermittelte in Arbeitskämpfen, organisierte regionale Betriebsgruppen, machte Missstände öffentlich. Ihr sozialreformerisches Interesse konzentrierte sich auf drei Gebieten:

  • Kinderschutz
  • Frauenwahlrecht
  • internationale Friedensbewegung Für ihre Verdienste erhielt sie 1931 den Friedensnobelpreis.

Jane Addams dachte Soziale Arbeit im gesellschaftlichen Zusammenhang. Sie reflektierte Soziale Arbeit in Hull House und ihre sozialpolitischen Aktionen wissenschaftlich, lehrte an Universitäten und Colleges, war aktiv in nationalen und internationalen Organisationen, und sie war über Jahre Präsidentin der: „National Accociation of Social Workers“. Sie mischte sich ein in das „Geschäft der Sinndeutung und Welterklärung“ und verlor dabei nie den Blick auf die arbeitenden und leidenden Menschen. Praxis und Theorie Sozialer Arbeit waren für Jane Addams untrennbar miteinander verbunden. Sylvia Staub-Bernasconi betrachtet Jane Addams als „Mutter einer Sozialarbeits- und Friedenswissenschaft“.

Anlage 1

THOMAS von AQUIN (1225 - 1274) Mittelalter

Bei AQUIN finden wir die erste Theorie über Armut: „Armut in heiliger Ordnung“. Er wurde in Italien in eine aristokratische Familie geboren. Mit 5 Jahren kam zur Erziehung in ein Kloster und mit 14 Jahren studiert er in Neapel freie Künste und Theologie. Um

unterlag der Logik einer religiös geprägten, freiwilligen Mildtätigkeit die das Seelenheil im Himmelreich in Aussicht stellte. Eine Gegenleistung vom Hilfeempfänger wurde nicht verlangt. Die Armenfürsorge war keine systematische Strategie gegen soziale Notlagen. Die Ursachen von Armut wurden nicht hinterfragt, vielmehr galt Armut als ein gottgegebener Zustand, der nur ein Zwischenstadium zum besseren Leben im Jenseits darstellte.

Armut in heiliger Ordnung Almosenlehre von Thomas von Aquin (1224-1274)

Körperliche Defekte, Mängel, Notlagen

Leibliche Werke der Barmherzigkeit

Geistige Werde der Barmherzigkeit

Hunger Hungrige speisen Unwissenden lehren Durst zu Trinken geben zweifelnde beraten Nacktheit Nackte bekleiden Traurige trösten Obdachlosigkeit Fremde aufnehmen Sünder bessern Krankheit Kranke besuchen, pflegen Beleidiger verzeihen Gefangenschaft Gefangene Trösten Schwierige ertragen Unbeerdigtsein Tote bestatten für alle beten

Anlage 2

JUAN LUIS VIVES (1492-1540) Humanismus

war ein Philosoph und Pädagoge der Renaissance. Er versuchte die humanistischen Ideale mit der katholischen Lehre in Einklang zu bringen. 1538 stellte er die Forderung auf, nicht was die Seele ist solle man erforschen (Mittelalter), sondern welche Eigenschaften sie hat, und wie sie wirkt. Er war damit ein entschiedener Gegner der mittelalterlichen Wissenschaftstheorie (Scholastik). Er sprach sich zugunsten eines Empirismus (alle wissenschaftlichen Erkenntnisse sind aus der Sinneserfahrung abzuleiten), der unmittelbaren Beobachtung und des Experiments aus.

Er lebte in Brügge/Belgien, die zu seiner Zeit mit Bettlern und Spitalinsassen überfüllt war. Die Not veranlasste ihn, sich mit den Armen zu befassen und der Frage nachzugehen: „Wie kann die Not der Armen gelindert werden?“. Er analysierte die Lage der städtischen Armen und entwarf eine Theorie, wie man die Armen von ihrem Schicksal befreien könnte, und wie die Stadt von der Bettelplage zu befreien sei.

Die Grundzüge seiner Ideen sind:

  • Der Mensch ist ein soziales Wesen, er kann nicht allein existieren, er bedarf der Hilfe anderer und muss seinerseits anderen helfen. Grundlage des gesell. Lebens ist die gegenseitige Hilfe. Die Notwendigkeit einander zu helfen ergibt sich aus dem christlichen Gebot der Liebe.
  • VIVES nimmt einen natürlichen Trieb des Menschen zum Arbeiten und Helfen an. Arbeit erhält einen anderen Wert (anders als AQUIN): Menschen empfinden Freude bei der Arbeit und bei faulen Menschen ist diese Anlage verschüttet.
  • Not und Armut resultiert aus der moralischen Verdorbenheit, der Habgier und Herrschsucht der Menschen. Da Menschen auch diese Anlage besitzen, kann Armut nicht grundsätzlich beseitigt werden, aber sie kann gemildert werden.

Diese Milderung, das Ideal einer städtischen Gemeinschaft ohne Arme ist durch gezielte Maßnahmen anzustreben:

  • Alle Armen müssen - wie alle anderen Menschen auch - arbeiten
  • Die Unterstützung der Armen hat sich am Einzelfall zu orientieren
  • Die Armen müssen zu einem sittlichen Leben erzogen werden
  • Pädagogische Förderung und materielle Unterstützung sollen einander ergänzen

Das Betteln verurteilt VIVES als arbeitsscheues, faules, unsittliches Verhalten. Alle Bedürftigen, Kranke und Alte sind grundsätzlich zur Arbeit verpflichtet. Nichtstun ist generell verboten. D.H. die Stadt, Handwerk und Gewerbe müssen Arbeitsmöglichkeiten schaffen. Die Arbeitsfähigkeit ist von Ärzten zu prüfen, und die Armen müssen zwecks planmäßiger Versorgung in ein Register eingetragen werden. Jugendliche Arme sollen einen Beruf erlernen und durch sittliche Erziehung unterstützt werden. Arbeitsverweigerer sind zur Arbeit zu zwingen und karg zu ernähren. Diese Zwangsbehandlung soll abschrecken und andere zur freiwilligen Arbeit motivieren. Die Armen sollen nicht wirtschaftlich abgesichert werden, das würde ihren Arbeitswillen dämpfen.

An die Geber von Almosen: Art und Umfang der materiellen Unterstützung soll sich an der besonderen Notlage des Einzelfalls orientieren, gestützt durch Untersuchungsergebnisse. = Nicht war einer fordert muss man ihm geben, sondern was ihn fördert!!!!

VIVES sieht in der Erziehung der Armen und der Kinder den einzigen Weg, Armut in der Gesellschaft erfolgreich zu verhindern.

Die Gesetzmäßigkeiten des Marktes erforderten Disziplin, Zeitökonomie und Abstraktionsvermögen. Vorausplanung, Tüchtigkeit, Ordnung, Erwerbssinn waren die Elemente der neuen Arbeits- und Berufsethik. Diese Verhaltensnormen der Mittel- und Oberschicht waren auch die Normen, an denen Bedürftigkeit gemessen werden konnte. In dieser Entwicklung kann die Sozialdisziplinierung der städtischen Unterschichten gesehen werden, die Erziehung zur Arbeit, Fleiß, Ordnung und Pünktlichkeit zur Folge hatte.

Man erfand den „würdigen Armen“, denn Armut wurde als individuelle Schuld interpretiert, als Folge von Faulheit und Unsittlichkeit. Betteln wurde nun grundsätzlich verboten und Zwangsarbeit erhielt eine große Bedeutung. 1609 wurde in Bremen das erste deutsche Zucht- und Arbeitshaus eröffnet. Die mittelalterliche Tradition der Spitäler und Waisenhäuser wird hier fortgesetzt und die Ideen der Aufklärung fließen ein: Arbeit ist Erziehung und Änderungen im Strafvollzug: Freiheitsentzug und Zwangsarbeit statt Körper- und Todesstrafen und das Interesse an produktiv, verfügbaren Arbeitskräften. Die Arbeitshäuser verfolgten einen doppelten Ansatz: handwerkliche Qualifikation und eine repressive Disziplinierung.

Der harte und entbehrungsreiche Alltag in den Arbeitshäusern diente dem Zweck der Heranbildung von disziplinierten Lohnarbeitern für die schlechtbezahlte Arbeit in den Manufakturen und der Abschreckung.

Die Pädagogisierung sozialer Probleme ist der Versuch soziale Problemlagen durch Verhaltensanforderungen an die Menschen zu beseitigen.

Damit kann das Zucht - und Arbeitshaus als Grundgedanke frühbürgerlicher Sozialpolitik gelten.