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1 Grundlagen des Projektmanagements
In diesem Kapitel…
▪ finden Sie eine Einführung in das Projektmana-
gement,
▪ Definitionen relevanter Begriffe,
▪ Einblicke in verschiedene Projektarten und Stan-
dards im Projektmanagement,
▪ Kenntnisse von Faktoren, die den Projekterfolg
fördern und
▪ die Vorstellung von Schnittstellen zu anderen
Bereichen.
Um die in den folgenden Kapiteln zu erarbeitenden Methoden des Projekt-
managements zu verstehen und einzuordnen, betrachten wir zunächst wich-
tige Grundlagen. Wir erarbeiten eine gemeinsame Projektmanagementspra-
che und verschaffen uns einen Überblick über Projekte, deren Management
und einige Schnittstellen zur Projektumgebung und zum Unternehmen. Im
weiteren Verlauf wird der Begriff Unternehmen als Sammelbegriff für Unter-
nehmen, Institutionen, Vereine, Hochschulen etc. verwendet.
Sicher sind Sie selbst bereits mit Projekten in Berührung gekommen, entwe-
der, indem Sie ins kalte Wasser geworfen wurden, als Ihr Vorgesetzter Sie
mit der Bearbeitung eines Projekts beauftragte, oder im Rahmen von Projekt-
arbeiten im Studium oder der Ausbildung. Selbst in Schulen steht heute pro-
jektorientierter Unterricht auf dem Programm. Darüber hinaus gibt es viele
private Projekte: Sie werden noch sehen, dass die Planung einer größeren
Gartenparty oder einer Reise, aber auch der Bau des Eigenheims Merkmale
eines Projekts aufweist.
Dabei sind Projekte nichts Neues: Der Bau der Pyramiden in Ägypten oder
der Bau der Chinesischen Mauer, Kolumbus’ Fahrt nach Amerika oder inter-
nationale Raumfahrtprogramme des letzten Jahrhunderts waren allesamt
Projekte.
Es gibt also nicht „das eine Projekt“ – jedes Projekt ist anders und unterschei-
det sich von anderen Projekten entweder durch seine Ziele, die daran arbei-
tenden Personen oder die zur Verfügung stehenden Ressourcen. Deshalb ist
es wichtig, dass am Projekt beteiligte Personen eine Sprache im Sinne der
einheitlichen Verwendung von Begriffen sprechen und damit Missverständ-
nisse und Fehler vermeiden.
Definition und Abgrenzung von Projekten
In der Literatur finden sich verschiedene Definitionen des Begriffs „Projekt“.
Häufig verwendete Quellen für entsprechende Definitionen sind die Norm
DIN 69901-5 des Deutschen Instituts für Normung (DIN 69901-5, 2009) oder
die Competence Baseline der International Project Management Association
(IPMA, 2006). Im Rahmen dieses Buchs wollen wir nachfolgende Definition
verwenden, die die wichtigsten Aspekte bekannter Definitionen in eigene
Worte fasst:
Ein Projekt ist ein in der Regel einmaliges und von anderen Aufgaben unter-
scheidbares Vorhaben mit begrenzten zeitlichen, finanziellen, personellen und
sachbezogenen Ressourcen. Projekte verfolgen definierte Ziele und haben eine
projektspezifische Organisation.
Was ist aber mit Vorhaben, die nicht unter die Definition des Projektbegriffs
fallen? Bei solchen Vorhaben spricht man von Routine-, Alltags- oder Li-
nienaufgaben. Diese Begriffe sollen verdeutlichen, dass nicht neue Ziele
oder Bedingungen zur Zielerreichung charakteristisch für diese Aufgaben
sind, sondern wiederkehrende Aspekte im Vordergrund stehen.
Tipp
Wichtig ist in der Praxis, dass innerhalb eines Unternehmens ein gemeinsames Verständnis
dafür existiert, wann etwas im Rahmen eines Projekts bearbeitet werden soll und welche Vor-
haben zu den Linienaufgaben zählen.
BEISPIEL: PROJEKT
Die Entwicklung eines neuen Autos ist ein Projekt. Es werden neue Ziele
hinsichtlich Design, Motor und Verbrauch verfolgt und die vorgesehenen
Ressourcen wie Kosten, Zeitrahmen und Personal sind begrenzt und in
ihrer Zusammensetzung einmalig. Die nachfolgende Produktion, in der
immer wieder die gleichen Autos zu bekannten Bedingungen in Serie ge-
fertigt werden, ist hingegen eine typische Linienaufgabe.
24 1 Grundlagen des Projektmanagements
Stakeholder des Projekts nicht aus den Augen zu verlieren. Als Stakeholder
des Projekts werden Personen und Personengruppen bezeichnet, die ein be-
sonderes Interesse am Projekt oder am Projektergebnis haben oder aber vom
Projekt in irgendeiner positiven oder negativen Weise betroffen sind. Einer
der wichtigsten Stakeholder von Projekten ist der Auftraggeber des Projekts.
Mehr über Stakeholder diskutieren wir bei der Vorstellung der Faktoren für
erfolgreiches Projektmanagement (siehe weiter unten in diesem Kapitel) und
in Kapitel 7, das unter anderem dem Stakeholdermanagement gewidmet ist.
Projektarten
Bereits die Diskussion des Projektbegriffs hat gezeigt, dass eine eindeutige
Abgrenzung von Linienaufgaben nicht immer gelingt. Aber auch innerhalb
von Projekten gibt es Vorhaben unterschiedlicher Ausprägung, von denen
wir einige in diesem Kapitel näher betrachten.
Die Klassifizierung von Projekten dient der Identifikation von Gemeinsam-
keiten und der Wahl geeigneter Projektmanagementmethoden, auf die wir
später noch zu sprechen kommen. So viel vorab: Projektmanagement besteht
aus vielen unterschiedlichen Prozessen und Methoden und nicht alle Prozes-
se und Methoden sind für alle Projekte gleichermaßen wichtig.
Leistung
o K
tens
Ter m ine
Erwartungen der Stakeholder
Abbildung 1.2 Magisches Dreieck des Projektmanagements mit den Zielkategorien Leistung, Kos- ten und Terminen sowie den Erwartungen der Stakeholder
26 1 Grundlagen des Projektmanagements
BEISPIELE
Ein kleines unternehmensinternes Projekt zur Optimierung des Prozesses
zur Genehmigung von Dienstreisen hat keine Schnittstelle zu Lieferanten
und unternehmensexternen Partnern und benötigt damit weder Lieferan-
ten- noch Vertragsmanagement.
Ein Projekt, bei dem eine neue Lackieranlage für Autos im Auftrag eines
Automobilherstellers entwickelt werden soll und bei dem die Farbmisch-
anlage von Zulieferern zugekauft wird, wird hingegen sehr wohl Kom-
ponenten des Lieferanten- und Vertragsmanagements nutzen, um das
Projekt erfolgreich abzuschließen.
Prinzipiell lassen sich beliebig viele Arten finden, nach denen Projekte klassi-
fiziert werden können. Man kann sich die Arten auch als Dimensionen in
einem mehrdimensionalen Koordinatensystem vorstellen oder als unter-
schiedliche Ausprägungen von Merkmalen, siehe Abbildung 1.3.
Die einzelnen Merkmale und ihre Ausprägungen sollen kurz vorgestellt wer-
den:
▪ Auftraggeber des Projekts : Wird das Projekt unternehmensintern beauf-
tragt, spricht man von einem internen Projekt. Ein Beispiel ist ein von
der Unternehmensleitung beauftragtes Projekt zur Entwicklung einer
neuen Produktgeneration. Bei externen Projekten ist der Auftraggeber
ein anderes Unternehmen.
Merkmal/Dimension
Auftraggeber des Projekts
Ausprägung
Komplexität
Projektinhalt
Projektorganisation
Projektsteuerung
Geografie
Projektgröße
Zeitbezug/Business
...
intern extern Organisation Forschung und Entwicklung Investition
Standard Akzeptanz Potenzial Pionier
Einfluss/Stab Matrix autonom
technokratisch agil
national international
klein mittel groß
operativ taktisch strategisch
...
Abbildung 1.3 Projektarten als morphologischer Kasten: Projektmerkmale (auch Dimension oder Parameter genannt) können unterschiedliche Ausprägungen haben.
Definition und Abgrenzung von Projekten 27
▪ Projektorganisation : Ist der Projektmanager gleichzeitig fachlicher und
disziplinarischer Vorgesetzter des Projektteams, spricht man von einem
autonomen Projekt und drückt dadurch aus, dass das Projekt weitgehend
autonom organisiert ist und der Projektmanager eine sehr starke formale
Stellung mit vielen Befugnissen hat. Ist der Projektmanager weder fachlich
noch disziplinarisch seinem Team vorgesetzt und hat demzufolge keine
Weisungsbefugnis, bezeichnet man das Projekt als Einflussprojekt oder
Stabsprojekt. Der Projektmanager hat dann nur Koordinationsbefugnis.
Teilt sich der Projektmanager die Vorgesetztenrolle mit einem (meist) Li-
nienvorgesetzten, spricht man von einem Matrixprojekt. Der Projektma-
nager ist dann in der Regel fachlicher Vorgesetzter während die disziplina-
rische Vorgesetztenrolle in der Linie verbleibt. Die Möglichkeiten der
Projektorganisation werden wir uns in Kapitel 3 näher ansehen.
▪ Projektsteuerung : Das Merkmal Projektsteuerung bezieht sich darauf, in-
wieweit sich der Projektablauf durch standardisierte Regeln steuern lässt.
Bei technokratischen Projekten geht man von einer durch Regeln, Pro-
zesse und Methoden festgelegten Projektsteuerung aus. Selbstverständlich
können aufgrund der Einmaligkeit von Projekten nicht alle Details vorab
durch ein Regelwerk abgefangen werden. Es existiert jedoch ein definier-
ter Satz von Vorgaben, wie bei der Projektdurchführung vorzugehen ist.
Agile Projekte hingegen setzen auf Selbststeuerung und -organisation des
Teams. Statt starrer Regeln erfolgt die Abstimmung dynamisch und flexi-
bel auf regelmäßiger Basis im Projektteam. In Kapitel 2 werden Sie diese
unterschiedlichen Herangehensweisen näher kennenlernen.
▪ Geografie : Projekte können rein regional beziehungsweise national oder
international geartet sein. Bei letztgenannten Projekten gewinnen bei-
spielsweise kulturelle, politische und rechtliche Aspekte an Bedeutung
und sollten bei der Projektplanung entsprechend berücksichtigt werden.
Mögliche Zeitverschiebungen aufgrund verschiedener Zeitzonen, Reise-
kosten und Missverständnisse aufgrund sprachlicher Unterschiede kön-
nen ebenfalls Einfluss auf das Projekt haben.
▪ Projektgröße : Abhängig von der Aufgabenstellung und den zur Verfügung
gestellten Ressourcen sowie dem Projektumfeld ergeben sich unterschied-
liche „Projektgrößen“. Die Unterscheidung in kleine , mittlere und große
Projekte ist jedoch alles andere als trivial, denn die anwendbaren Krite-
rien sind vielfältig. So lässt sich ein Projekt hinsichtlich der involvierten
Mitarbeiter, des Budgets oder der fachlich-inhaltlichen beziehungsweise
sozial-kommunikativen Komplexität in Größenklassen einteilen. Aller-
dings sollte sich jeder Projektmanager zu Beginn des Projekts fragen, wie
Definition und Abgrenzung von Projekten 29
„groß“ das anstehende Projekt tatsächlich ist und es hinsichtlich der ge-
nannten Kriterien prüfen. Dies sollte Einfluss darauf haben, welche Pro-
jektmanagementprozesse und -methoden zum Einsatz kommen. Für ein
kleines Projekt mit zwei Wochen Dauer und drei Projektmitarbeitern wer-
den Sie in der Regel weniger Projektmanagementaktivitäten benötigen als
bei einem Projekt mit 50 Mitarbeitern über eine Laufzeit von drei Jahren.
▪ Zeitbezug/Business : Der zeitliche Bezug und die Bedeutung für den wirt-
schaftlichen Erfolg des Unternehmens können weitere Unterscheidungs-
merkmale sein. So kann man etwa Forschungs- , Vorentwicklungs- , Ent-
wicklungs- und Lifecycleprojekte unterscheiden. Erstgenannte helfen,
die langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, während Entwicklungs-
projekte in der Regel mit einem unmittelbar vermarktbaren Produkt ab-
schließen. Lifecycleprojekte haben zum Ziel, die Attraktivität des Produkts
am Markt von Zeit zu Zeit zu steigern und somit die Produktlebenszeit zu
verlängern. Eine andere Ausprägung können operative , taktische und
strategische Projekte sein. Üblicherweise sind strategische Projekte lang-
fristig orientiert und sollen die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens
in fünf Jahren oder später sicherstellen. Taktische Projekte helfen, aus der
Strategie abgeleitete Ziele in einem mittleren Zeithorizont von ein bis fünf
Jahren zu erreichen. Operative Projekte fokussieren ihr Wirken auf einen
Zeitraum von einem Jahr und weniger.
Es gibt natürlich weitere denkbare Merkmale, die dabei helfen, ein Projekt zu
charakterisieren und aus dieser Charakterisierung die notwendigen Schritte
für eine gute Projektplanung, -steuerung und einen erfolgreichen Projekt-
abschluss einzuleiten.
Tipp
Wir werden im weiteren Verlauf des Buchs sehr viele Prozesse und Methoden des Projektmana-
gements kennenlernen. Bevor wir diese in einem realen Projekt anwenden, sollten wir uns fra-
gen, welche dieser Prozesse und Methoden in welcher Intensität für das anstehende Projekt
relevant sind. Vor Projektbeginn sollten also die infrage kommenden Prozesse und Methoden
ausgewählt und an die Aufgabenstellung so weit wie möglich angepasst werden. Diesen Schritt
der Individualisierung eines ansonsten standardisierten Vorgehens bezeichnet man auch als
Tailoring.
30 1 Grundlagen des Projektmanagements
Die Projekte aller Programme zusammen bilden das Portfolio des Unterneh-
mens. Die IPMA Competence Baseline schreibt hierzu (IPMA, 2006):
Ein Projektportfolio umfasst eine Reihe von Projekten und/oder Program-
men, die nicht notwendigerweise in Zusammenhang zueinander stehen, son-
dern zu Kontrollzwecken beziehungsweise zur Koordinierung und Optimie-
rung der Gesamtheit des Projektportfolios zusammengefasst werden.
Verantwortlich für das Portfolio ist die Geschäftsführung. Unterstützt wird
diese von einem Portfolio- oder Multiprojektmanager, der Entscheidungen
in Zusammenhang mit dem Portfolio vorbereitet, projektübergreifende Risi-
ken identifiziert und Vorschläge für die richtige Zusammensetzung des Port-
folios erarbeitet.
Die Einordnung von Projekten in Programme und das Portfolio sind in Abbil-
dung 1.5 dargestellt. Einen kurzen Ausblick in das Programm- und Portfolio-
management gibt Kapitel 8.
Projektmanagement
Definitionen
Wir haben nun ein gemeinsames Verständnis dafür entwickelt, was ein Pro-
jekt ist und wodurch es sich auszeichnet. Noch nicht gesprochen haben wir
Programm A Waschmaschinen
Projekt A. Entwicklungsprojekt Komfortwaschmaschine
Projekt A. Entwicklungsprojekt Basic Waschmaschine
Projekt A. Forschungsprojekt Neue Bedienkonzepte
Projekt B. Entwicklungsprojekt Induktionsherd
Projekt B. Entwicklungsprojekt Gasherd
Projekt B. Entwicklungsprojekt Backofen
Projekt C. Vorentwicklungsprojekt Dampfgarer
Projekt C. Entwicklungsprojekt Dampfgarer
Programm B Herde und Backöfen
Programm C Dampfgarer
Portfolio
Abbildung 1.5 Einordnung von Projekten in Programme und deren Zusammenfassung in einem Portfolio. In grauer Schrift sind Beispiele für Projekte, Programme und das Portfolio eines Herstel- lers von Haushaltsgeräten angegeben.
32 1 Grundlagen des Projektmanagements
indes über die für die Projektplanung, -durchführung und den -abschluss
notwendigen Managementaktivitäten, kurz, über das Projektmanagement.
Auch hierfür gibt es in der bereits erwähnten DIN 69901-5 und anderen
Quellen Definitionen, die wir nachfolgend zusammenfassen:
Unter Projektmanagement versteht man die Gesamtheit von Aufgaben, Me-
thoden und Mitteln aus den Bereichen Definition, Planung, Steuerung und
Führung zur erfolgreichen Durchführung von Projekten.
Diese Definition beinhaltet bereits eine Menge Informationen, die wir näher
betrachten sollten: Wir lernen, dass Projektmanagement offensichtlich eine
Führungsaufgabe ist. In der Praxis wird diesem Aspekt nicht immer ausrei-
chend Rechnung getragen. Manchmal werden erfahrene Projektmitarbeiter
allein aufgrund fachlicher Eignung zu Projektmanagern befördert, ohne dass
auf hinreichende Führungsqualitäten geachtet wird. Wir werden das Thema
Führung in Kapitel 7 näher besprechen, merken uns aber bereits jetzt: Pro-
jektmanagement ist eine Führungsaufgabe mit entsprechender Verantwortung
und entsprechenden Befugnissen.
Die angesprochene Definition liefert auch einen Hinweis darauf, wie sich
Projekte zeitlich strukturieren lassen, nämlich in eine Definitions-, eine Pla-
nungs-, eine Steuerungs- und eine Abschlussphase. Diese Strukturierung fin-
den Sie auch in diesem Buch: In Kapitel 3 gehen wir auf die Initialisierungs-
und Definitionsphase ein. Die Planungsphase diskutieren wir in Kapitel 4,
die Steuerungsphase in Kapitel 5 und den Projektabschluss in Kapitel 6.
Standards im Projektmanagement
Normen und Standards sind aus vielen Bereichen bekannt. Eine sehr verbrei-
tete Norm ist beispielsweise die DIN EN ISO 9001 für Qualitätsmanagement-
systemen, auf die wir in Kapitel 7 näher eingehen werden. Auch für das Pro-
jektmanagement gibt es Normen und Standards. In Deutschland gilt die DIN
69901 als einer der wichtigsten Projektmanagementstandards. Die Norm be-
steht aus fünf Teilen zu den Themen:
▪ DIN 69901-1: Grundlagen
▪ DIN 69901-2: Prozesse, Prozessmodell
▪ DIN 69901-3: Methoden
▪ DIN 69901-4: Daten, Datenmodell
▪ DIN 69901-5: Begriffe
Projektmanagement 33
Auch für das PMI und für PRINCE2 gibt es mehrere Möglichkeiten der Zerti-
fizierung. Generell eignen sich Zertifizierungen, einen gewissen Kenntnis-
und/oder Erfahrungsstand im Projektmanagement nachzuweisen. Unterneh-
men fordern entsprechende Zertifikate häufig, um sicherzustellen, dass die
in Projekten arbeitenden Personen über möglichst einheitliche Kompeten-
zen verfügen, oder vereinfacht gesagt: „die gleiche Projektmanagementspra-
che sprechen“.
Prozesse des Projektmanagements
In diesem Buch wollen wir Prozesse wie folgt verstehen:
Ein Prozess ist eine gerichtete Abfolge von Abläufen und Ereignissen, die Ein-
gangsgrößen (Zustand, Dokumente …) in Ausgangsgrößen (Zustand, Doku-
mente …) überführt.
BEISPIEL: PROZESS
Die Erstellung eines Projektplans kann als Prozess aufgefasst werden, der
aus den Eingangsgrößen (auch Input genannt)
▪ Projektziele,
▪ verfügbare Ressourcen und
▪ sonstige Rahmenbedingungen (anzuwendende Methoden, Materialien
die Ausgangsgröße (auch Output genannt)
▪ Projektplan
erzeugt.
Generell fallen bei der Planung und Durchführung von Projekten viele
Schritte an, die sich als Prozess , das heißt als Abfolge zu verrichtender Ab-
läufe und Ereignisse, darstellen lassen. Die bereits erwähnten Normenreihe
des Projektmanagements (DIN 69901-2, 2009) ist entsprechend prozessorien-
tiert, was auch für den Projektmanagementansatz des PMI (PMI, 2013) gilt.
Die Prozessorientierung kann dabei helfen,
▪ einen Überblick über die Projektmanagementprozesse des Unternehmens
zu geben und
▪ diese in die Gesamtprozesslandschaft einzuordnen,
Projektmanagement 35
▪ Schnittstellen zu anderen Bereichen des Unternehmens zu identifizieren
und zu spezifizieren und
▪ eine Basis für künftige Prozessverbesserungen zu schaffen.
Umgekehrt kann eine reine und vorbehaltlos übernommene Prozessorientie-
rung aber auch zum falschen Schluss führen, Projekte ließen sich koch-
rezeptartig abwickeln. Wir haben bereits gelernt, dass Projekte eine gewisse
Einmaligkeit haben. Und wir haben davon gesprochen, dass Prozesse und
Standards deshalb an ein konkretes Projekt angepasst werden sollten (Tailo-
ring).
Die DIN 69901-2 (DIN 69901-2, 2009) ordnet Projektmanagementprozesse in
ein Prozesshaus aus Führungs-, Projektmanagement-, Unterstützungs- und
Wertschöpfungsprozessen ein. Diese separate Auflistung der Wertschöp-
fungsprozesse ist jedoch missverständlich. Auch Führung, Projektmanage-
ment und andere Fach- und Unterstützungsaufgaben sollten zur Wertschöp-
fung beitragen und nicht separat betrachtet werden. Deshalb wollen wir das
Projektmanagement in eine weiterentwickelte Variante des Prozesshauses
einordnen, die in Abbildung 1.6 dargestellt ist.
Projektmanagementprozesse (Prozesse über den gesamten Projektlebenszyklus)
Prozesshaus
Führungsprozesse (Führung der gesamten Organisation)
Fach- und Unterstützungsprozesse (weitere Prozesse, wie Beschaffungs-, Produktions-, Dienstleistungsprozesse)
Wertschöpfung
Wertschöpfung
Abbildung 1.6 Prozesshaus mit Führungs-, Projektmanagement-, Fach- und Unterstützungsprozes- sen als Weiterentwicklung des Prozesshauses der DIN 69901 (DIN 69901-2, 2009) in Anlehnung an Wagner (Wagner, 2012). Auch wenn die Produkterstellung vor allem in den Fachprozessen abläuft, sollten alle Prozesse des Prozesshauses hinsichtlich ihres Beitrags zur Wertschöpfung optimiert werden.
36 1 Grundlagen des Projektmanagements
schwert. Wir werden im weiteren Verlauf der folgenden Kapitel immer wie-
der auf diese Darstellung zurückgreifen, um uns zu orientieren.
Wie selbstverständlich haben wir von Phasen zur Strukturierung von Projek-
ten gesprochen. Da sehr viele Projektmanagementstandards das Konzept der
Phasen verwenden, wollen wir den Begriff und die Bedeutung von Phasen
einmal näher betrachten. Wie immer bei zentralen Begriffen, definieren wir
diese, um ein gemeinsames Verständnis dafür zu entwickeln:
Eine Phase ist ein zeitlich begrenzter Abschnitt, der sich inhaltlich von anderen
Abschnitten unterscheidet.
Eine Phase können wir sowohl auf die Projektmanagementaktivitäten bezie-
hen, dann nennen wir sie Projektmanagementphase , als auch auf die sons-
tigen Aktivitäten im Projekt, die zur Bearbeitung des eigentlichen Projekt-
gegenstands notwendig sind, dann sprechen wir von einer Projektphase.
Achtung
Projektmanagementphasen sind für (fast) alle Projekte identisch: Eine erste Projektidee wächst
heran, das Projekt wird definiert, geplant, durchgeführt und gesteuert und schließlich abge-
schlossen. Diese Phasen haben wir in Abbildung 1.7 kennengelernt.
Projektphasen sind projektspezifisch und nicht mit den Projektmanagementphasen zu verwech-
seln. So kann beispielsweise ein Entwicklungsprojekt in die Phasen Analysephase, Konzeptpha-
se, Umsetzungsphase, Testphase, Dokumentationsphase und Einführungsphase gegliedert sein,
während ein Projekt zur Verbesserung eines Produktionsprozesses wie folgt gegliedert sein
kann: Analysephase, Optimierungsphase, Pilotphase, Dokumentationsphase. Die Aktivitäten und
damit Phasen des Projektmanagements sind in beiden Fällen aber gleich. Wir werden uns den
Unterschied zwischen Projektphase und Projektmanagementphase im Rahmen einer Übungsauf-
gabe am Ende des Kapitels noch einmal näher ansehen.
Die Einteilung in Phasen unterstützt uns bei der Strukturierung des Projekts.
Wir werden im Zuge der Phasenplanung lernen, dass uns die Strukturierung
in Phasen hilft, einen guten Überblick über die anstehenden Aufgaben, Kos-
ten und Termine zu erhalten. Damit Projekte am Ende erfolgreich sind,
reicht es allerdings nicht aus, sich auf die inhaltlichen Aufgaben zu konzen-
trieren. Stattdessen gibt es eine Reihe von Projektmanagementaktivitäten,
die zum Projekterfolg beitragen. Abbildung 1.8 gibt einen Überblick über
wichtige Prozesse des Projektmanagements. Ähnliche Darstellungen gibt es
auch in vielen Standards des Projektmanagements, beispielsweise in DIN
69901-2 (DIN 69901-2, 2009) oder PMI (PMI, 2013). Bei Projektbeginn sollte
unbedingt kritisch geprüft werden, welche Prozesse (und damit Projektma-
38 1 Grundlagen des Projektmanagements
Projektlebenszyklus
Initialisierungs- phase
Defintions- phase
Planungs- phase
Steuerungs- phase
Abschluss- phase
Ziele und Anforderungen
Stakeholder- management
Dokumentations-, Konfigurations- und Änderungs- management
Vertrags- management
Risiko- management
Projekt- marketing
Qualitäts- und Wissens- management
Ressourcen und Kosten
Organisation
Projekt- struktur und Termine
Ziele skizzieren
Ziele definieren und analysieren Anforderungen definieren
Zielerreichung steuern
Zielerfüllung prüfen
Projektstart- workshop durchführen
Zuständigkeiten klären
Vorgehensmodell wählen
Projektteam bilden Projekt- organisation einrichten
Projekt- organisation planen
Projektteam führen Projekt- organisation auflösen
Phasen planen
Meilensteine festlegen
Projekt- strukturplan erstellen Ablauf- und Terminplan erstellen Aufwände schätzen
Vorgänge und Meilensteine kontrollieren und steuern
Ressourcen- und Kosten- plan erstellen
Ressourcen steuern
Ressourcen freigeben
Projektmarketing planen
Projektmarketing steuern Stakeholder identifizieren
Kommunikation planen
Kommunikation steuern
Risiken identifizieren
Bewältigungs- maßnahmen planen
Bewältigungs- maßnahmen steuern
Risiken überwachen
Dokumentation planen
Dokumentation archivieren Konfigurations- überwachung
Konfiguration identifizieren
Konfiguration freigeben Änderungen steuern
Änderungs- management festlegen
Qualitäts- sicherung planen
Qualitäts- sicherung steuern
Projekterfahrung sichern
Projekterfahrung früherer Projekte abrufen
Verträge identifizieren
Vertrags- und Nachforderungs- management planen
Verträge und Nachforderungen steuern
Vertrags- gegenstände abnehmen
Dokumentation Dokumentations-, steuern Konfigurations- und Änderungs- management festlegen
Abbildung 1.8 Übersicht über wichtige Prozesse des Projektmanagements. Die einzelnen Prozes- se sind den Projektmanagementphasen zugeordnet. Wichtig ist: Nicht alle Prozesse sind für jedes Projekt relevant.
Projektmanagement 39
Projekterfolg, Projektmanagementerfolg und Erfolgs-
faktoren
Ob ein Projekt am Projektende erfolgreich ist oder nicht, kann über den Er-
folg eines Produkts, über die Fortführung von Geschäftsbeziehungen oder
über andere unternehmensrelevante Aspekte entscheiden. Da Projekte in
der Regel zur operativen Umsetzung der Unternehmensstrategie durch-
geführt werden, ist der Projekterfolg eng mit dem Erfolg des Unternehmens
verknüpft.
Der Projekterfolg kann zunächst einmal am Grad der Zielerreichung gemes-
sen werden. Wurden alle Ziele des magischen Dreiecks (zur Erinnerung
siehe Abbildung 1.2) erreicht, liegt der Projekterfolg nahe. Eine Frage, die
man sich dann stellen kann, ist: Spielt der Weg zur Zielerreichung für den
Projekterfolg eine Rolle? Hierzu ein Beispiel:
BEISPIEL: PROJEKTERFOLG
Ein Zulieferer von Elektronikkomponenten wird von einem Hersteller
medizinischer Röntgensysteme beauftragt, ein neues Steuergerät für die
Bewegung des Patiententisches zu entwickeln. Gemessen an den Leis-
tungs-, Kosten- und Terminzielen wird das Steuergerät erfolgreich ent-
wickelt und dem Auftraggeber übergeben. Allerdings kam es im Projekt-
verlauf zu mehreren erheblichen Konflikten. So weigerte sich der
Zulieferer kategorisch und mit Hinweis auf das verabschiedete Pflichten-
heft, spätere Änderungswünsche des Herstellers in die Entwicklung ein-
fließen zu lassen. Am Ende beschloss der Hersteller, künftig keine Elek-
tronikkomponenten mehr bei dem Zulieferer in Auftrag zu geben und
sich stattdessen nach einem anderen Zulieferer umzusehen, von dem er
sich eine bessere Zusammenarbeit verspricht.
Neben der Zielerreichung sind offenbar die Mittel und Wege, die zur Ziel-
erreichung gewählt werden, für die Beurteilung des Projekterfolgs relevant.
Ein weiterer Aspekt ist die Wahrnehmung eines Projekts. Was zunächst viel-
leicht irrational klingt, wird anhand des Versuchs klarer, das „Projekt“ Chris-
toph Kolumbus’, den westlichen Seeweg nach Asien zu entdecken, zu bewer-
ten: Gemessen an den Projektzielen war das Vorhaben ein Misserfolg, da
Kolumbus den gesuchten Seeweg nicht fand. Dennoch bleibt das Projekt-
Projekterfolg, Projektmanagementerfolg und Erfolgsfaktoren 41
ergebnis in nachhaltiger Erinnerung und Kolumbus wird heute für seine Ent-
deckung Amerikas in vielen Teilen der Welt gefeiert.
Basierend auf den genannten Überlegungen erscheint deshalb die Definition
der Competence Baseline der International Project Management Association
(IPMA, 2006) einleuchtend:
Der Projektmanagementerfolg ist die Anerkennung der Projektergebnisse
durch die maßgeblichen interessierten Parteien und Umwelten (= Stakehol-
der).
Die Competence Baseline spricht zwar von Projektmanagementerfolg, die
Definition lässt sich jedoch auch auf den Projekterfolg anwenden.
Diese Definition ist relativ weit gefasst, da sie sich nicht an den Projektzielen
orientiert, sondern genau an der bereits angesprochenen Wahrnehmung
beziehungsweise der daraus abgeleiteten Anerkennung durch relevante
Stakeholder (wichtig: Die Definition sagt nicht, dass alle Stakeholder das
Projektergebnis anerkennen müssen!). Häufig wird es so sein, dass die maß-
geblichen Stakeholder dann den Projekterfolg anerkennen, wenn die Projekt-
ziele erreicht werden. Es kann aber durchaus sein, dass die Projektziele aus
verschiedenen Gründen (nicht vergessen: Projekte sind neue, einmalige Vor-
haben mit entsprechend hohen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten) nicht
erreicht werden, die Stakeholder aber mit der Vorgehensweise und dem Er-
gebnis zufrieden sind.
Im Gegensatz zum Projekterfolg bezieht sich der Projektmanagementerfolg
nicht nur auf das Projekt, sondern muss in seiner Bewertung den an Manage-
mentaufgaben gerichteten Anspruch berücksichtigen. Projektmanagement
muss dazu beitragen, zunächst einmal die richtigen Projekte auszuwählen,
die richtigen Methoden zur Projektdefinition, -planung und -steuerung an-
zuwenden und dabei effizient mit Ressourcen (Mitarbeitern, Sachmitteln, Fi-
nanzen, Zeit …) umzugehen.
Wir haben also geklärt, anhand welcher Kriterien der Projekterfolg (und der
Projektmanagementerfolg) gemessen werden kann. Wie diese Kriterien im
Einzelfall gewichtet werden, hängt vom Projekt, der Unternehmenskultur
und den involvierten Stakeholdern ab.
Tipp
Wichtig bei der Projektbewertung ist neben der Zielerreichung die Wahrnehmung des Projekts.
Erfahrene Projektmanager nutzen dieses Wissen deshalb bewusst, um im Rahmen des Projekt-
marketings, siehe Kapitel 7, die Wahrnehmung des Projekts zu beeinflussen und damit die
Wahrscheinlichkeit für eine positive Wahrnehmung und Beurteilung des Projekts zu steuern.
42 1 Grundlagen des Projektmanagements