Docsity
Docsity

Prüfungen vorbereiten
Prüfungen vorbereiten

Besser lernen dank der zahlreichen Ressourcen auf Docsity


Download-Punkte bekommen.
Download-Punkte bekommen.

Heimse Punkte ein, indem du anderen Studierenden hilfst oder erwirb Punkte mit einem Premium-Abo


Leitfäden und Tipps
Leitfäden und Tipps

Gütekriterien qualitativer Forschung, Skripte von Forschungsmethoden

Wie lässt sich die Qualität qualitativer Forschung bestimmen? Welchen Kriterien soll sie genügen?

Art: Skripte

2019/2020

Hochgeladen am 09.04.2020

Marco_Mayer
Marco_Mayer 🇩🇪

4.5

(20)

1 / 4

Toggle sidebar

Diese Seite wird in der Vorschau nicht angezeigt

Lass dir nichts Wichtiges entgehen!

bg1
Gütekriterien qualitativer Forschung
Steinke, I. (2000): Gütekriterien qualitativer Forschung. In: Flick, U., von Kardorff, E. & Steinke, I.
(Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch, S. 319-331. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch.
[gekürzter Einleitungstext des Artikels] Wie lässt sich die Qualität qualitativer For-
schung bestimmen? Welchen Kriterien soll sie genügen? Die Frage, anhand welcher
Kriterien die Wissenschaftlichkeit, Güte und Geltung qualitativer Forschung bewertet
werden kann, wird häufig gestellt. Die Antworten in den entsprechenden Artikeln,
Lehr- und Handbüchern bleiben jedoch entweder sehr allgemein oder wenig systema-
tisch. (...) In diesem Beitrag wird die heterogene Literatur zu Qualitätskriterien quali-
tativer Forschung kritisch gesichtet und in drei Grundpositionen zusammengefasst. An-
schließend werden Kernkriterien zur Bewertung qualitativer Forschung sowie Wege zu
deren Sicherung und Prüfung formuliert.
1. Grundpositionen zur Bewertung qualitativer Forschung
Quantitative Kriterien für qualitative Forschung
Der Auffassung von ›Einheitskriterien‹ folgend sollen die zentralen Kriterien quantitativer Forschung
(Objektivität, Reliabilität, Validität) übernommen, reformuliert und operationalisiert werden. Der Vorschlag
von Miles und Hubermann (vgl. Steinke 2000, 320):
Objektivität / Bestätigbarkeit qualitativer Untersuchungen;
Reliabilität / Verlässlichkeit / ›auditability‹;
Interne Validität / Glaubwürdigkeit / Authentizität;
Externe Validität / Transferierbarkeit / Passung;
Nutzen / Anwendung / Handlungsorientierung.
Eigene Kriterien qualitativer Forschung
Ausgangspunkt dieser Grundposition ist das Beharren auf einer wissenschaftstheoretischen, methodologischen
und methodischen Besonderheit qualitativer Forschung und sich daraus ableitender Kriterien, so u. a.:
1. Kommunikative Validierung (›member check‹): Die ›Beforschten‹ sollen die erhobenen Daten auf ihre
Gültigkeit hin bewerten;
2. Triangulation: Methodische Verzerrungen sollen durch den Einsatz vieler Methoden, Theorien, For-
scher... kompensiert werden; früher allein als Validierungsinstrument gedacht wird die Triangulation
heute als eigene Methode praktiziert;
3. Validierung der Interviewsituation: Es soll geprüft werden, ob es Hinweise darauf gibt, dass ein Arbeits-
bündnis zwischen Forscher und Beforschten nicht zustande gekommen ist;
4. Authentizität: »Wurde mit den Äußerungen der Untersuchten sorgfältig umgegangen? Wurden die multi-
plen Konstruktionen der Untersuchten im Forschungsprozess angemessen erhoben, systematisch aufein-
ander bezogen und mit den untersuchten Personen per member check geprüft? (...)« (321)
Postmoderne Ablehnung von Kriterien
Hier wird generell gegen die Möglichkeit, Qualitätskriterien für qualitative Forschung zu formulieren, argu-
mentiert, weil (1) es aus postmoderner Sicht unmöglich sei, Kriterien auf ein festes Bezugssystem zu bezie-
hen, (2) aus sozial-konstruktivistischer Sicht, »die Annahme, die Welt sei sozial konstruiert, nicht mit Stan-
dards für die Bewertung von Erkenntnisansprüchen vereinbar ist, da damit die Grundlage des sozialen Kon-
struktivismus verlassen werden« (321) und (3) durch das Verfassen von Texten in der ›Ich-Form‹ die Kluft
zwischen der beobachtenden Person und der beobachteten Realität überwunden wird und Fragen nach
Reliabilität und Validität damit obsolet werden.
Steinke: Gütekriterien qualitativer Forschung | Seite 1 von 4
pf3
pf4

Unvollständige Textvorschau

Nur auf Docsity: Lade Gütekriterien qualitativer Forschung und mehr Skripte als PDF für Forschungsmethoden herunter!

Gütekriterien qualitativer Forschung

Steinke, I. (2000) : Gütekriterien qualitativer Forschung. In: Flick, U., von Kardorff, E. & Steinke, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch, S. 319-331. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch. [gekürzter Einleitungstext des Artikels] Wie lässt sich die Qualität qualitativer For- schung bestimmen? Welchen Kriterien soll sie genügen? Die Frage, anhand welcher Kriterien die Wissenschaftlichkeit, Güte und Geltung qualitativer Forschung bewertet werden kann, wird häufig gestellt. Die Antworten in den entsprechenden Artikeln, Lehr- und Handbüchern bleiben jedoch entweder sehr allgemein oder wenig systema- tisch. (...) In diesem Beitrag wird die heterogene Literatur zu Qualitätskriterien quali- tativer Forschung kritisch gesichtet und in drei Grundpositionen zusammengefasst. An- schließend werden Kernkriterien zur Bewertung qualitativer Forschung sowie Wege zu deren Sicherung und Prüfung formuliert.

1. Grundpositionen zur Bewertung qualitativer Forschung Quantitative Kriterien für qualitative Forschung Der Auffassung von ›Einheitskriterien‹ folgend sollen die zentralen Kriterien quantitativer Forschung (Objektivität, Reliabilität, Validität) übernommen, reformuliert und operationalisiert werden. Der Vorschlag von Miles und Hubermann (vgl. Steinke 2000, 320):

  • Objektivität / Bestätigbarkeit qualitativer Untersuchungen;
  • Reliabilität / Verlässlichkeit / ›auditability‹;
  • Interne Validität / Glaubwürdigkeit / Authentizität;
  • Externe Validität / Transferierbarkeit / Passung;
  • Nutzen / Anwendung / Handlungsorientierung. Eigene Kriterien qualitativer Forschung Ausgangspunkt dieser Grundposition ist das Beharren auf einer wissenschaftstheoretischen, methodologischen und methodischen Besonderheit qualitativer Forschung und sich daraus ableitender Kriterien, so u. a.:
  1. Kommunikative Validierung (›member check‹): Die ›Beforschten‹ sollen die erhobenen Daten auf ihre Gültigkeit hin bewerten;
  2. Triangulation : Methodische Verzerrungen sollen durch den Einsatz vieler Methoden, Theorien, For- scher... kompensiert werden; früher allein als Validierungsinstrument gedacht wird die Triangulation heute als eigene Methode praktiziert;
  3. Validierung der Interviewsituation : Es soll geprüft werden, ob es Hinweise darauf gibt, dass ein Arbeits- bündnis zwischen Forscher und Beforschten nicht zustande gekommen ist;
  4. Authentizität : »Wurde mit den Äußerungen der Untersuchten sorgfältig umgegangen? Wurden die multi- plen Konstruktionen der Untersuchten im Forschungsprozess angemessen erhoben, systematisch aufein- ander bezogen und mit den untersuchten Personen per member check geprüft? (...)« (321) Postmoderne Ablehnung von Kriterien Hier wird generell gegen die Möglichkeit, Qualitätskriterien für qualitative Forschung zu formulieren, argu- mentiert, weil (1) es aus postmoderner Sicht unmöglich sei, Kriterien auf ein festes Bezugssystem zu bezie- hen, (2) aus sozial-konstruktivistischer Sicht, »die Annahme, die Welt sei sozial konstruiert, nicht mit Stan- dards für die Bewertung von Erkenntnisansprüchen vereinbar ist, da damit die Grundlage des sozialen Kon- struktivismus verlassen werden« (321) und (3) durch das Verfassen von Texten in der ›Ich-Form‹ die Kluft zwischen der beobachtenden Person und der beobachteten Realität überwunden wird und Fragen nach Reliabilität und Validität damit obsolet werden.

2. Ausgangspunkte für die Formulierung von Kernkriterien Gegenüber den genannten Positionen sollen hier (Abschnitt 3) vor dem Hintergrund folgender Überlegungen Kernkriterien zur Bewertung qualitativer Forschung vorgeschlagen werden:

  1. Qualitative Forschung kann ohne Bewertungskriterien nicht bestehen , weil sie sonst Gefahr liefe, Beliebig- keit und Willkürlichkeit in der Forschung zu verfallen – dies wird auch nicht durch die postmoderne Kritik re- lativiert, da sich auch diese dem Problem gegenüber sieht, andere vom Wert ihrer Ergebnisse zu überzeugen.
  2. Quantitative Kriterien sind nicht für die Bewertung qualitativer Forschung geeignet , da sie für andere Methoden (bsp. Experiment) geschaffen wurden, die auf anderen Methodologien, Wissenschafts- und Er- kenntnistheorien basieren. Auch wenn die Grundannahmen zu vielen Differenzen führen, so bleiben doch zahlreiche Anregungen für die Formulierung ›qualitativer‹ Kriterien.
  3. Die zu entwickelnden Kriterien qualitativer Forschung müssen ihrem Profil (Kennzeichen, Zielen, wissenschaftstheoretischen und methodologischen Ausgangspunkten) Rechnung tragen. Dabei sollen nicht einzelne Kriterien, sondern ein System von Kriterien formuliert werden, dass auch operationalisier- bar sein muss. Die vorhandenen Begriffe (›Objektivität‹ etc.) sollen dabei absichtlich nicht verwandt werden, da (1) auch sie unterschiedliche Konnotationen besitzen und die Bedeutungen der neuen Begriffe ein eigenes Profil erhalten sollen, sowie (2) ungerechtfertigte Erwartungen, die aus der Vorstellung der Übertragbarkeit der Kriterien erwachsen können, nicht geweckt werden sollen. 3. Kernkriterien qualitativer Forschung »Eine abschließende Kriteriendiskussion lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Fragestellung, Methode, Spezifik des Forschungsfelds und des des Untersuchungsgegenstands führen.« (323) Der damit aufgeworfene Widerspruch zur Formulierung ›universaler, allgemein gültiger Kriterien‹ soll durch ein zwei- stufiges Vorgehen aufgefangen werden: (1) Formulierung breiter Kernkriterien deren (2) Konkretisierung bzw. Modifizierung untersuchungsspezifisch erfolgt. Intersubjektive Nachvollziehbarkeit Im Gegensatz zur quantitativen Forschung kann es nicht um Überprüfbarkeit gehen, da die Replikation auf- grund der begrenzten Standardisierbarkeit nicht möglich ist – gerechtfertigt ist jedoch der Anspruch auf in- tersubjektive Nachvollziehbarkeit , die auf drei Wegen erfolgen kann:
  4. Dokumentation des Forschungsprozesses. Damit wird der Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben, den Forschungsprozess nachzuvollziehen und die entstandenen Ergebnisse entsprechend (auch nach eigenen Maßstäben) beurteilen zu können. Dokumentiert werden sollten:
    • das Vorverständnis und damit zusammenhängende Erwartungen, da diese die Methoden sowie die Da- ten beeinflussen können und zudem erkennbar wird, ob ›Neues‹ entdeckt oder nur Hypothesen geprüft wurden;
    • die Erhebungsmethoden und der Erhebungskontext – also z. B. Leitfadeninterview, Kontextinforma- tionen, Einschätzung der Glaubwürdigkeit der Interviewäußerungen etc.;
    • die Transkriptionsregeln ;
    • die Daten , auch um die Angemessenheit der Methoden beurteilen zu können;
    • die Auswertungsmethoden , um beurteilen zu können, ob die Richtlinien eingehalten wurden;
    • die präzise Dokumentation der Informationsquellen (wörtliche / sinngemäße Äußerungen der In- terviewpartner; Erhebungskontext; Beobachtungen sowie Hypothesen und Deutungen der Forscher);
    • die Entscheidungen und Probleme (bsp. Sampling), die im Verlauf der Forschung aufgetreten sind;
    • und schließlich die Kriterien , denen die Arbeit genügen soll.
  5. » Interpretationen in Gruppen sind eine diskursive Form der Herstellung von Intersubjektivität und Nach- vollziehbarkeit durch expliziten Umgang mit Daten und deren Interpretationen.« (326)
  6. Anwendung kodifizierter Verfahren. Die Vereinheitlichung (bzw. die Befolgung der kodifizierten Regeln) erleichtert die intersubjektive Nachvollziehbarkeit – Beispiele: Objektive Hermeneutik, narratives In- terview und Grounded Theory. Wo ›eigene Wege beschritten‹ werden, sind diese zu dokumentieren.

können: »Werden durch die Theorie neue Deutungen zur Verfügung gestellt? Beinhaltet die Theorie Erklä- rungen für das interessierende Phänomen? Regt die Theorie zur Lösung von Problemen an? Sind die Ergeb- nisse verallgemeinerbar? Ist die Darstellung der Theorie überschaubar?« (330) Reflektierte Subjektivität Die Frage ist: Wird die Rolle des Forschers als Subjekt und als Teil der untersuchten sozialen Welt metho- disch reflektiert? Gab es eine Selbstbeobachtung? Wie steht es um die persönlichen Voraussetzungen bei- spielsweise für eine offene Untersuchungssituation? Besteht eine Vertrauensbeziehung zwischen Forscher und Informant? Wie wird der Feldeinstieg reflektiert? »Für die Bewertung einer Studie ist die Anwendung von nur einem oder zwei der vorgeschlagenen Kriterien nicht ausreichend. Auf der Grundlage mehrerer Kriterien sollte entscheidbar sein, ob das ›bestmögliche‹ Ergebnis erzielt wurde.« (331)