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Klausur Grundlinien und Allgemeiner Teil des BGB + Lösungshinweise, Prüfungen von Zivilrecht / Bürgerliches Recht

Art: Prüfungen

2020/2021

Hochgeladen am 24.09.2021

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Klausur zur Vorlesung: Grundlinien und Allgemeiner Teil des BGB, Wintersemester 2014/15
Sachverhalt
Die 17-jährige S beginnt zum Oktober 2014 ihr Jurastudium in Münster. Noch vor dem
Beginn des ersten Semesters richten ihre Eltern V und M ihr ein Girokonto bei der Sparkasse
Münsterland Ost ein und überweisen darauf monatlich 600,- Euro per Dauerauftrag.
Außerdem schenken sie ihrer Tochter zum Studienbeginn ein wertvolles Porzellanservice.
S hat aber nur wenig Freude am Studium und kauft und bezahlt am 3. Februar 2015 im
Laden der Konzertagentur K zwei teure Karten für ein Rockkonzert (zusammen 300,- Euro),
das sie gemeinsam mit ihrem Freund F besuchen möchte.
Doch es kommt zu Komplikationen. Die Eltern verurteilen den Kauf der Konzertkarten auf
das schärfste und verlangen von K die Rückzahlung von 300,- Euro an S. S selbst hält diesen
Eingriff in ihre finanziellen Angelegenheiten für übertrieben. Sie verlangt aber ebenfalls ihr
Geld teilweise zurück, weil sie sich, was zutrifft, inzwischen von ihrem Freund getrennt hat
und das Konzert nun allein besuchen möchte. Deswegen ruft sie bei der Konzertagentur K an
und verlangt mit dieser Begründung die Rückzahlung von 150,- Euro.
Wegen der Querelen zerstreitet sich S mit ihren Eltern V und M. Die Eltern erklären der S
daraufhin, sie würden sich das Porzellanservice mit sofortiger Wirkung im Namen der S
zurückschenken. S solle es unverzüglich nach Hause zurückbringen. Mitreden dürfe sie als
Minderjährige ja ohnehin nicht. Sicherheitshalber lassen die Eltern die Rückschenkung
notariell beurkunden.
1. Können die Eltern oder S die Rückzahlung von 300,- Euro oder von 150,- Euro von K
verlangen?
2. Können die Eltern das Porzellanservice zurück- oder herausverlangen?
3. Franz Wieacker hat das BGB 1953 als „das spätgeborene Kind der
Pandektenwissenschaft und der nationaldemokratischen, insoweit vor allem vom
Liberalismus angeführten Bewegung seit 1848“ bezeichnet. Was ist damit gemeint,
und wie beurteilen Sie diese Einschätzung? (maximal 3 Notenpunkte)
Lösungshinweise:
Vorbemerkung:
Die Klausur ist für Erstsemester vergleichsweise schwer. Für die Bewertung kommt es darauf
an, die unproblematischen Punkte knapp abzuhandeln und an den schwierigen Stellen genau
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Klausur zur Vorlesung: Grundlinien und Allgemeiner Teil des BGB, Wintersemester 2014/

Sachverhalt

Die 17-jährige S beginnt zum Oktober 2014 ihr Jurastudium in Münster. Noch vor dem Beginn des ersten Semesters richten ihre Eltern V und M ihr ein Girokonto bei der Sparkasse Münsterland Ost ein und überweisen darauf monatlich 600,- Euro per Dauerauftrag. Außerdem schenken sie ihrer Tochter zum Studienbeginn ein wertvolles Porzellanservice. S hat aber nur wenig Freude am Studium und kauft und bezahlt am 3. Februar 2015 im Laden der Konzertagentur K zwei teure Karten für ein Rockkonzert (zusammen 300,- Euro), das sie gemeinsam mit ihrem Freund F besuchen möchte. Doch es kommt zu Komplikationen. Die Eltern verurteilen den Kauf der Konzertkarten auf das schärfste und verlangen von K die Rückzahlung von 300,- Euro an S. S selbst hält diesen Eingriff in ihre finanziellen Angelegenheiten für übertrieben. Sie verlangt aber ebenfalls ihr Geld teilweise zurück, weil sie sich, was zutrifft, inzwischen von ihrem Freund getrennt hat und das Konzert nun allein besuchen möchte. Deswegen ruft sie bei der Konzertagentur K an und verlangt mit dieser Begründung die Rückzahlung von 150,- Euro. Wegen der Querelen zerstreitet sich S mit ihren Eltern V und M. Die Eltern erklären der S daraufhin, sie würden sich das Porzellanservice mit sofortiger Wirkung im Namen der S zurückschenken. S solle es unverzüglich nach Hause zurückbringen. Mitreden dürfe sie als Minderjährige ja ohnehin nicht. Sicherheitshalber lassen die Eltern die Rückschenkung notariell beurkunden.

  1. Können die Eltern oder S die Rückzahlung von 300,- Euro oder von 150,- Euro von K verlangen?
  2. Können die Eltern das Porzellanservice zurück- oder herausverlangen?
  3. Franz Wieacker hat das BGB 1953 als „das spätgeborene Kind der Pandektenwissenschaft und der nationaldemokratischen, insoweit vor allem vom Liberalismus angeführten Bewegung seit 1848“ bezeichnet. Was ist damit gemeint, und wie beurteilen Sie diese Einschätzung? (maximal 3 Notenpunkte)

Lösungshinweise:

Vorbemerkung:

Die Klausur ist für Erstsemester vergleichsweise schwer. Für die Bewertung kommt es darauf an, die unproblematischen Punkte knapp abzuhandeln und an den schwierigen Stellen genau

mit dem Gesetz zu arbeiten. Die einfachen Punkte sollten problemlos im Urteilsstil abgehandelt werden. Weitschweifige Exkurse zum Vertragsschluss sind hier z. B. unangebracht. Am schwierigsten sind sicherlich die doppelte Anwendung von § 181 BGB und die dort erforderliche teleologische Reduktion. Hier muss es für gute Bearbeiter möglich sein, bei sinnvollen Erwägungen eine hohe Punktzahl zu erreichen. Die Zusatzfrage soll es ebenfalls besseren Bearbeitern ermöglichen, in den zweistelligen Bereich zu kommen.

Bei Fehlern in der Lösungsskizze oder von den Bearbeitern aufgeworfenen weiteren ernsthaften Problemen melden Sie sich bitte bei mir: [email protected]

Vielen Dank für Ihre Korrektur!

Frage 1

Die Eltern können gar nichts verlangen, weil sie unter keinen in Betracht kommenden Gesichtspunkten Anspruchsinhaber sein können. Es geht also nur um Ansprüche der S, bei deren materiellrechtlichem Bestehen es auch nicht um Stellvertretung gehen kann. Selbst wenn die Eltern tatsächlich die 300,- € zurückfordern, machen Sie lediglich einen Anspruch der S geltend.

I. S – K, § 985 BGB auf Herausgabe von 300,- €

  1. Es werden an dieser Stelle keine Ausführungen zum Problem der Geldwertvindikation erwartet. Es wäre gut möglich, die Prüfung des § 985 BGB unter Hinweis auf die Rückforderung des bloßen Geldwertes gar nicht erst zu beginnen oder sofort zu beenden und nur den Kondiktionsanspruch zu prüfen. Dann wären dort genauere Ausführungen zur Übereignung des Geldes (bei Barzahlung) zu machen. Wenn man stillschweigend, möglicherweise sogar lebensnah, von einer Überweisung bzw. EC-Karten-Zahlung ausgeht, ist es auch möglich, die Prüfung sofort mit § 812 BGB zu beginnen. Achtung: Ob man einen Anspruch haben kann, hängt von der Rechtsfähigkeit ab. Hier kommt es auf eine Vertretung durch die Eltern nicht an.
  2. Eigentum der S (wenn man von Geldscheinen ausgeht)? a) Ursprünglich ja. b) Übereignung gem. §929 S. 1 an K? Im Hinblick auf eine wirksame Einigung ist problematisch, dass die Übereignung des Geldes für S (beschränkt geschäftsfähige Minderjährige) nicht rechtlich lediglich vorteilhaft i.S.d. § 107 BGB, sondern nachteilig ist, und ihre Eltern (als gesetzliche Vertreter gem. §§ 1626, 1629 BGB) weder gem. § 107 BGB eingewilligt noch gem. § 108 I BGB genehmigt haben.

Hier ist im Hinblick auf die Frage nach wirksamer Einigung eine Anfechtung der S gem. § 142 I BGB zu prüfen. Es fehlt jedoch bereits an einem Anfechtungsgrund, da S im Hinblick auf die Teilnahme ihres Freundes F nur einem unbeachtlichen Motivirrtum unterlag. c) S nicht mehr Eigentümerin.

  1. Anspruch (-) Anm.: Zumindest das Vorliegen eines unbeachtlichen Motivirrtums muss hier erkannt werden. Gute Bearbeiter könnten die Anfechtung auch unter Hinweis auf die mangelnde Einwilligung der Eltern gem. § 111 BGB ablehnen. Dagegen wäre aber auch eine konkludente Einwilligung der Eltern aufgrund der ihrerseits formulierten Rückforderung denkbar. Entscheidend ist außerdem ein anderer Gesichtspunkt: Wenn das Rechtsgeschäft aus Taschengeldmitteln bewirkt wurde und damit als wirksam fingiert wird, dann muss die Wirkung des Taschengeldparagraphen auch die Rückabwicklung bzw. Anfechtung umfassen. Hier könnte man diskutieren, ob sich die Wirkungen von § 110 BGB auf Surrogate erstreckt (Einzelfallbetrachtung) und ob die Rückabwicklung durch Anfechtung unter diese Surrogate fällt oder nicht. Wenn man von einem bloßen Einverständnis der Eltern ohne ausdrückliche Einwilligung ausgeht, kann man auch §§ 108, 109 BGB anwenden und käme ebenfalls zur möglichen Anfechtung (allerdings bei fehlendem Anfechtungsgrund).

IV. S – K, § 812 I 1 Var. 1/§ 812 I 2 Var. 1 BGB auf Rückzahlung von 150,- € Der Rechtsgrund besteht in Form des Kaufvertrages, da S auch diesen nicht wirksam angefochten hat. Anspruch (-) Anm.: Der Kondiktionsanspruch infolge einer Anfechtung kann sowohl auf § 812 I 1 Var. 1 BGB, als auch auf § 812 I 2 Var. 1 BGB gestützt werden. Dies hängt davon ab, ob man die Anfechtung als rechtshindernde oder rechtsvernichtende Einwendung ansieht. Der Bearbeiter sollte keine Ausführungen zum Prüfungsaufbau machen, müsste aber bei einer Prüfung von § 812 Abs. 1 S. 2 Var. 1 BGB sagen, warum der rechtliche Grund „später“ weggefallen ist.

Frage 2

I. Eltern – S, § 516 I BGB auf Zuwendung des Services

  1. Wirksamer (zweiter) Schenkungsvertrag? Die Eltern schließen bei der Schenkung einen Vertrag im Namen der S gem. § 164 I 1 BGB mit sich selbst. Es liegt also ein Insichgeschäft gem. § 181 BGB vor, mit dessen Regelung Interessenkonflikte vermieden werden sollen. Rechtsfolge ist eine gesetzliche Begrenzung der Vertretungsmacht. Eine

Genehmigung der S (wiederum vertreten durch oder mit Zustimmung der Eltern) gem. § 177 I BGB scheidet aus, da sonst der § 181 BGB umgangen würde. Somit trotz Einhaltung des Formerfordernisses des § 518 I 1 BGB kein wirksamer Schenkungsvertrag. Anmerkung: Hier kommt es auf die teleologische Reduktion der Vorschrift nicht an. Die Lösung ergibt sich unproblematisch aus dem Gesetzeswortlaut: Die zweite Schenkung ist kein Rechtsgeschäft zur Erfüllung einer Verbindlichkeit und daher von der Norm nicht gedeckt. Außerdem verbietet § 1641 BGB derartige Schenkungen, so dass § 181 BGB möglicherweise deshalb schon ausscheidet. Hinweise auf diesen familienrechtlichen Bezug können von Erstsemestern jedoch unter keinen Umständen erwartet werden.

  1. Anspruch ist nicht entstanden. Anm.: Vermutlich werden nur überdurchschnittliche Bearbeiter diesen vertraglichen Anspruch überhaupt anprüfen. Die Nichtbearbeitung soll bei der Bewertung als nicht schwerwiegend eingestuft werden. Dann müsste aber im Rahmen des § 985 BGB oder § 812 BGB ausführlicher auf die Unwirksamkeit des zweiten Schenkungsvertrages eingegangen werden.

II. Eltern – S, § 985 BGB auf Herausgabe des Services

  1. Eigentum der Eltern? a) Ursprünglich ja. b) Übereignung gem. § 929 S. 1 an S im Rahmen der ersten Schenkung? Bei der Einigung zwischen den Eltern und S ist im Hinblick auf deren Stellvertretung der S gem. § 164 I 1 BGB wiederum das Insichgeschäft zu problematisieren. Hier könnte man aber die Erfüllung einer Verbindlichkeit i.S.d. § 181 BGB bejahen, wenn der zugrundeliegende erste Schenkungsvertrag wirksam war. Bei diesem einseitig verpflichtenden Vertrag waren nur die Eltern verpflichtet, der S das Service unentgeltlich zuzuwenden. Er war also für S rechtlich lediglich vorteilhaft und § 181 BGB insofern teleologisch zu reduzieren. Eine Verbindlichkeit i.S.d. § 181 BGB lag vor, die Einigung ist wirksam. Hinweis: Hier ist die Arbeit mit dem Gesetz gefragt. Auslegung des § 181 BGB hilft nicht weiter. Die teleologische Reduktion ist die Umkehrung der Analogie und daher entsprechend herzuleiten. Das Service wurde gem. § 929 S. 1 BGB übereignet. Also haben die Eltern das Eigentum zwischenzeitlich verloren. c) Rückübereignung gem. § 929 S. 1 BGB (oder einer anderen Norm) an Eltern in Bewirkung der vermeintlich zweiten Schenkung? Hinweise auf eine Übereignung enthält der Sachverhalt nicht. Außerdem: Die (etwaige zweite) Einigung ist gem. § 181 auf jeden Fall nicht wirksam.

Der Vorwurf von Wieacker wird heutzutage überwiegend nicht mehr geteilt. Das BGB mit seinem Anspruch, ein privatautonomes Recht gleicher rechtlicher Freiheit zu verwirklichen, war seiner Zeit möglicherweise voraus. Die Krisen des 20. Jahrhunderts (Weltkriege, Inflation etc.) haben dazu beigetragen, dass erst um ca. 1960 der Boden für ein wirkliches privatautonomes Bürgerliches Recht bereitet war. Dann aber verlor der Staat/die Politik schnell das Interesse an dieser Art von Recht (Stichwort: Wohnungsmietrecht, Verbraucherrecht, einseitig-zwingendes Recht).

Die Abwendung vom Liberalismus hin zum Sozialstaat sollte den Bearbeitern zumindest bekannt sein. Hier liegt ein epochaler Unterschied des 19. zum 20. Jahrhundert.

Die Diskussion über das Verhältnis von formalem Recht und echtem Leben ist tendenziell immer mit einem Hang zu freiheitsfeindlichen, ggf. auch undemokratischen Lösungen und zur Rechtsstaatsfeindlichkeit verbunden. Dafür bietet gerade Wieacker selbst ein schlagendes Beispiel.

In der Gewichtung macht die Zusatzfrage maximal 3 Notenpunkte aus.

Formalien und Technisches

  1. Ist die Klausur nachvollziehbar gegliedert?
  2. Gibt es Überschriften nach dem Wer-will-was-von-wem-woraus-Schema?
  3. Werden Gesetzesvorschriften exakt zitiert? (z. B. § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB)?
  4. Gibt es einen rechtsfolgenorientierten Obersatz?
  5. Werden nach dem Obersatz die Tatbestandsvoraussetzungen genannt?
  6. Wird Unproblematisches im Urteilsstil kurz abgehandelt?
  7. Werden Probleme im Gutachtenstil behandelt?
  8. Gibt es einen Ergebnissatz am Schluss der Prüfung?
  9. Stellt der Ergebnissatz die genaue Antwort auf die Fallfrage dar?
  10. Ist bei der Subsumtion erkennbar, warum das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals fraglich ist?
  11. Gelingt es dem Bearbeiter, bei Auslegungsproblemen verschiedene theoretische Ergebnisse anzudeuten, dann die praktische Relevanz für die Falllösung zu zeigen, die Meinungen gegeneinander abzuwägen und sich mit eigenen Argumenten für eine Möglichkeit zu entscheiden?
  12. Benutzt der Verfasser die exakte juristische Terminologie?
  13. Schreibt der Verfasser in einem nüchternen, knappen Stil (keine Schachtelsätze, Füllwörter)?
  14. Beherrscht der Verfasser die deutsche Sprache und Rechtschreibung?