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Leitfäden und Tipps
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Konfliktlösung nach dem Gesprächsmodell von Thomas Gordon, Leitfäden, Projektarbeiten und Recherchen von Angewandte Psychologie

3 Redlich, Konflikt-Moderation, S. 162. 4 Gordon, Das Gordon Modell, S. 13. 5 Klein, Konflikte am Arbeitsplatz, S. 10-12.

Art: Leitfäden, Projektarbeiten und Recherchen

2021/2022

Hochgeladen am 27.06.2022

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Konfliktlösung nach dem
Gesprächsmodell
von
Thomas Gordon
Dr. Isabell Halla-Heißen
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Konfliktlösung nach dem

Gesprächsmodell

von

Thomas Gordon

Dr. Isabell Halla-Heißen

Inhaltsverzeichnis

  • 1 Einleitung
  • 2 Der Problembesitzer
  • 2.1 Beispiel 1: Der andere besitzt ein Problem
  • 2.2 Beispiel 2: Der Beobachter hat das Problem
  • 2.3 Beispiel 3: Die beteiligten Parteien haben ein Problem
    • Problembesitzer 3 Lösungsmethoden für Probleme mit einem
  • 3.1 Aktives Zuhören
  • 3.2 Ich-Botschaften
    • Problembesitzern 4 Lösungsmethoden für Probleme mit mehreren
  • 4.1 Eine Partei setzt sich durch, die andere verliert
  • 4.2 Eine Partei gibt nach, die andere gewinnt
  • 4.3 Die Jeder-gewinnt-Methode ............................................
  • 4.3.1 Schritt 1: Problemerkennung und Definition
  • 4.3.2 Schritt 2: Lösungen entwickeln - Brainstorming
  • 4.3.3 Schritt 3: Bewertung der Lösungsvorschläge..................
  • 4.3.4 Schritt 4: Eine Entscheidung treffen
  • 4.3.5 Schritt 5: Ausführen der Entscheidung
  • 4.3.6 Schritt 6: Neubewertung und Überprüfung
  • 5 Fazit
  • 6 Literaturverzeichnis
  • 7 Anhänge
  • 7.1 Anhang 1 - Das Beziehungs-Credo
    • Problembesitzers 7.2 Anhang 2 - Gordons Diagramm zur Analyse des
    • Thomas Gordon ............................................................... 7.3 Anhang 3 – Die 12 Kommunikations-Sperren nach
  • 8 Versicherung

gesamtes Konzept zieht und bietet in einer simpel formulierten, für jedermann leicht verständlichen Art eine brauchbare Handlungs- anweisung, wie man im zwischenmenschlichen Bereich recht ein- fach mit Konflikten umgehen kann. Gordons Konzept beruht auf dem personenzentrierten Ansatz von Carl Rogers. Rogers ganzheit- liche personenbezogene Betrachtungsweise und die von ihm entwi- ckelten Gesprächstechniken des Aktiven Zuhörens und der Ich- Botschaften spielen auch in Gordons Modell eine zentrale Rolle.^9

Durch die Anwendung von Rogers Gesprächstechniken können Beziehungen verbessert und Differenzen vorgebeugt werden. Konflikte sind jedoch auch in den besten Beziehungen unvermeid- lich.^10 Um diese zu lösen, entwickelte Gordon das Modell der ge- waltfreien Konfliktlösung: die „Jeder-gewinnt-Methode“. Diese Methode ermöglicht das gemeinsame Finden einer Lösung, die die Bedürfnisse beider Konfliktparteien befriedigt und damit die zwi- schenmenschlichen Beziehungen nicht negativ belastet.^11

Weniger Stress, die Verminderung zwischenmenschlicher Proble- me, ein stärkeres Selbstwertgefühl und die Abnahme von psycho- somatischen Symptomen sind die Folge. Im beruflichen Alltag ko- operieren Teams besser miteinander, die Mitarbeiter sind leistungs- fähiger und haben weniger Angst vor Vorgesetzen. Außerdem sinkt die Mitarbeiterfluktuation, es wird weniger Arbeitsausfall geben und das Personal ist leistungsbereiter.^12

Anhand von praktischen Beispielen sollen im Folgenden die we- sentlichen Aspekte der Gesprächstechniken von Rogers und die Jeder-gewinnt-Methode von Gordon dargestellt werden.

2 Der Problembesitzer

Gordons Modell geht von dem Grundsatz aus, dass jeder Mensch befähigt ist, seine Probleme eigenständig zu lösen. 13 Menschen denen die Problemlösung abgenommen wird, werden hilflos und fühlen sich inkompetent.^14 Manchmal ist zur Problemlösung die Assistenz anderer erforderlich.^15 Stellt man fest, dass ein anderer

(^9) Gordon, Das Gordon Modell, S. 9. (^10) Gordon, Die neue Beziehungskonferenz, S. 116. (^11) Gordon, Managerkonferenz, S. 209. (^12) Gordon, Das Gordon Modell, S. 11-13. (^13) Gordon, Die neue Beziehungskonferenz, S. 76. (^14) Gordon, Die neue Beziehungskonferenz, S. 75 f.. (^15) Gordon, Die neue Beziehungskonferenz, S. 76.

Besitzer eines Problems ist, wendet man die Gesprächstechnik des Aktiven Zuhörens an und unterstützt ihn damit bei der Lösungsfin- dung.^16 Hat man selbst ein Problem, wendet man die Gesprächs- technik der Ich-Botschaften an, um sich zu behaupten.^17

Um zu entscheiden, welche Gesprächsfertigkeit in einer Situation die richtige ist, ist es zunächst notwendig, zu analysieren, wer das Problem besitzt.^18 Problembesitzer zu sein heißt, dass die eigenen Bedürfnisse nicht oder nicht ausreichend befriedigt werden.^19

Gordon entwickelt zur besseren Differenzierung ein Diagramm^20 , das als horizontal viergeteiltes Fenster dargestellt ist. Die oberen beiden Viertel des Fensters stellen Handlungen, Verhaltensweisen und Aussagen von Menschen dar, die kein Problem für den Be- trachter darstellen. Jedoch stellt man im ersten Viertel des oberen Bereichs fest, dass jemand anderes ein Problem besitzt. Dies äußert sich in seinem Handeln sowie in seiner verbalen und nonverbalen Kommunikation. Das zweite Viertel stellt eine problemfreie Zone dar. Hier hat weder der Betrachter noch ein anderer ein Problem. Die unteren beiden Viertel des Fensters stellen die problembehafte- ten Bereiche dar und werden von den oberen durch die Akzeptanz- linie getrennt. Bei den Quadranten des unteren Bereichs ist zu un- terscheiden in den oberen, in dem der Betrachter ein Problem be- sitzt und in den untersten Bereich, in dem der Betrachter und min- destens eine weitere beteiligte Person jeweils ein Problem haben. 21

Das oben Dargestellte soll anhand von Beispielen erläutert werden:

2.1 Beispiel 1: Der andere besitzt ein Problem

Frau Rot am Zollamt ärgert sich darüber, dass Herr Grün stets die Beschautermine wahrnimmt, die außerhalb des Amtsplatzes liegen. Sie selbst würde diese Beschauen ebenfalls gern durchführen wol- len, um Abwechslung vom Bürotag zu haben. Als Grün sich erneut zu einem Außentermin verabschiedet und die Tür hinter sich schließt, flucht sie leise hinter ihm her. Ihre Kollegin Gelb hört dies.

(^16) Bay, Erfolgreiche Gespräche durch Aktives Zuhören, S.40. (^17) Bay, Erfolgreiche Gespräche durch Aktives Zuhören, S. 40. (^18) Gordon, Die neue Beziehungskonferenz, S. 52. (^19) Bay, Erfolgreiche Gespräche durch Aktives Zuhören, S. 39. (^20) Anhang 2 (^21) Gordon, Managerkonferenz, S. 57.

2.3 Beispiel 3: Die beteiligten Parteien haben ein

Problem

Vollstreckungsinnendienst: Zollamtsfrau Streng weist ihren Voll- ziehungsbeamten Kinderlieb regelmäßig an, die Vollstreckungs- schuldner gegen 20.00 Uhr aufzusuchen. Dabei handelt es sich um ca. 3 Termine in der Woche. Herr Kinderlieb widersetzt sich re- gelmäßig dieser Anweisung und sucht die Schuldner stattdessen in den späten Nachmittagsstunden auf. Die Ehefrau von Herrn Kin- derlieb ist Kellnerin und arbeitet regelmäßig in den Abendstunden in einer Bar. Um die Kinderbetreuung der beiden Dreijährigen si- cherzustellen, muss er deshalb an diesen Abenden ab 18.00 Uhr zu Hause sein. Herrn Kinderlieb ärgert sich deshalb über die Anwei- sungen seiner Vorgesetzten. Frau Streng ihrerseits ist darüber ver- ärgert, dass Herr Kinderlieb sich ihren Anweisungen widersetzt.

In Gordons Diagramm findet sich der vorliegende Fall im untersten Quadranten. Sowohl die Bedürfnisse von Zollamtsfrau Streng, als auch die ihres Mitarbeiters Kinderlieb sind offenkundig unbefrie- digt. Eine Konfliktlösung dazu wird in Kapitel 4.3 „Jeder-gewinnt- Methode“ dargestellt.

3 Lösungsmethoden für Probleme mit ei- nem Problembesitzer

3.1 Aktives Zuhören

Sind wichtige Bedürfnisse eines Menschen unbefriedigt, so äußert sich dies auf vielfältige Art und Weise: durch Meckern, Schweigen, in dem er jemandem ausweicht, durch Sarkasmus, durch Übellau- nigkeit und vieles anderes mehr. 22 Bei diesen Verhaltensweisen handelt es sich um mögliche Hinweise darauf, dass jemand ein Problem hat.^23 Ist einem die Beziehung zum Gegenüber wichtig, ist es nun Aufgabe des Beobachters, beziehungsweise des Zuhörers, den Problembesitzer dabei zu unterstützen, zum Kern des Problems vorzudringen und eine eigene Lösung zu entwickeln.^24

Durch Türöffner wird der Problembesitzer ermutigt mit dem Prob- lemlösungsprozess zu beginnen. 25 Dies kann durch Sätze wie: „Kann ich etwas für dich tun?“, „Möchtest Du darüber re-

(^22) Gordon, Managerkonferenz, S. 73. (^23) Gordon, Managerkonferenz, S. 73. (^24) Gordon, Managerkonferenz, S. 70, 74. (^25) Gordon, Managerkonferenz, S. 77.

den?“ oder „Was belastet dich?“ erfolgen. Dem Gegenüber wird dadurch signalisiert, dass man bereit ist, die Rolle des Helfers ein- zunehmen.^26

Betrachtung von Beispiel 1, Kapitel 2.1:

Frau Gelb bedient sich eines Türöffners und unterbreitet Frau Rot damit ein Gesprächsangebot. Sie sagt: „Was ist los? Manchmal hilft es, sich den Frust von der Seele zu reden! Ich habe Zeit, wenn du möchtest!“.

Durch passives Zuhören und Aufmerksamkeitsreaktionen ermutigt der Zuhörer den Problembesitzer dazu, weiter über sein Problem zu berichten. Passives Zuhören bedeutet, dem anderen seine Aufmerk- samkeit zu schenken, einfach still zu sein und zuzuhören. Dabei ist es wichtig, durch das Herstellen von Blickkontakt und eine offene Körperhaltung Zuwendung zu signalisieren. 27 Durch das Senden von Aufmerksamkeitsreaktionen wie Nicken, „mmhhh“, „oh“ oder „Verstehe!“ verdeutlicht man dem Gegenüber zusätzlich, dass man dem Gespräch aufmerksam folgt.

Türöffner, Passives Zuhören und Aufmerksamkeitsreaktionen sind Techniken, die das Gegenüber dazu veranlassen, über sein Problem zu sprechen. Jedoch bewirken sie nicht, dass er bzw. sie das Gefühl hat, auch wirklich verstanden worden zu sein.^28 Gordon verdeut- licht: „Menschliche Kommunikation hat das Ziel, zu verstehen und verstanden zu werden.“^29 „Das Ergebnis einer Kommunikation ist nämlich nicht das, was der Sender einer Nachricht vielleicht ge- meint haben mag, sondern das, was der Empfänger der Nachricht versteht.“^30

Damit der Problembesitzer erfahren kann, dass er tatsächlich ver- standen wurde, bedient man sich der Technik des Aktiven Zuhö- rens.^31 Beim Aktiven Zuhören unterscheidet man zwei verschiede- ne Reaktionsweisen: das Paraphrasieren und das Verbalisieren.^32

(^26) Gordon, Managerkonferenz, S. 78. (^27) Gordon, Die neue Beziehungskonferenz, S. 70. (^28) Gordon, Managerkonferenz, S. 79. (^29) Gordon, Die neue Beziehungskonferenz, S. 61. (^30) Hatschmann, Karriere statt Konflikte, S. 56. (^31) Gordon, Managerkonferenz, S. 83. (^32) Bay, Erfolgreiche Gespräche durch Aktives Zuhören, S. 40.

Auch Fragen sind im Rahmen des Aktiven Zuhörens erlaubt. 41 Hilfreich sind insbesondere offene Fragen, die es ermöglichen sol- len, den Problembesitzer dazu zu ermutigen, seine Gefühle weiter zu ergründen und diese zu formulieren.^42 „Warum“ - Fragen sollen dabei ausdrücklich vermieden werden.^43 Diese versetzen den Be- fragten in eine Rechtfertigungsposition, was der Entwicklung des Problemlösungsprozesses hinderlich wäre.^44

Fragen wie „Was empfindest du, wenn…“ oder „ Was bedeutet es dir…?“ hingegen zielen direkt darauf ab, die Gefühlswelt des Prob- lembesitzers zu hinterfragen.^45 Redlich vertritt ebenfalls die Mei- nung, dass offene Fragen, den Problembesitzer zum Erzählen anre- gen.^46 Jedoch zeigt er auch die Gefahr auf, dass Fragen bestimmte Antworten provozieren, die der Problembesitzer so noch nicht be- reit ist, zu geben oder das Gespräch in eine bestimmt Richtung len- ken.^47 Fragen, die mit dem Fragewort „Wie“ begonnen würden, seien in jedem Fall förderlich und zielführend.^48

Gordon beschreibt außerdem zwölf verschiedene Kommunikati- onssperren^49 , die im Rahmen des Lösungsfindungsprozesses kont- raproduktiv und hemmend wirken.^50 Dabei handelt es sich um Bot- schaften, die versuchen, das Verhalten des Gegenübers zu werten und zu beeinflussen.^51 Dieser fühlt sich von seinem Zuhörer nicht mehr akzeptiert und angenommen 52 und wird dadurch von dem Weg der Lösungsfindung abgebracht.^53 Bay erweitert Gordons Gesprächsstörer um die Komponente des „von sich selbst reden“.^54 Seiner Meinung nach ist dies der am häu- figsten vorkommende Gesprächsstörer, da der Empfänger selbst zum Gesprächsführer wird und dadurch das Zuhören und mit ihm der Lösungsfindungsprozess in den Hintergrund rückt.^55

(^41) Bay, Erfolgreiche Gespräche durch Aktives Zuhören, S. 66. (^42) Bay, Erfolgreiche Gespräche durch Aktives Zuhören, S. 66 f. (^43) Bay, Erfolgreiche Gespräche durch Aktives Zuhören, S. 67. (^44) Bay, Erfolgreiche Gespräche durch Aktives Zuhören, S. 67. (^45) Bay, Erfolgreiche Gespräche durch Aktives Zuhören, S. 68. (^46) Redlich, Konflikt-Moderation, S. 170. (^47) Redlich, Konflikt-Moderation, S. 170. (^48) Redlich, Konflikt-Moderation, S. 171. (^49) Anhang 3 (^50) Gordon, Managerkonferenz, S. 84 (^51) Gordon, Managerkonferenz, S. 83. (^52) Gordon, Das Gordon Modell, S. 120. (^53) Gordon, Managerkonferenz, S. 83. (^54) Bay, Erfolgreiche Gespräche durch Aktives Zuhören, S. 45. (^55) Bay, Erfolgreiche Gespräche durch Aktives Zuhören, S. 45.

Betrachtung von Beispiel 1, Kapitel 2.1:

Frau Rot nimmt Frau Gelbs Gesprächsangebot an: „Mich nervt hier gerade alles. Und dieser Wichtigtuer gibt mir dann auch noch den Rest.“ Unter Anwendung der Technik des Aktiven Zuhörens ant- wortet ihr Frau Gelb: „Du bist gerade sehr unzufrieden. Und das Verhalten von Herrn Grün regt dich auf.“ Frau Rot fühlt sich durch das Verbalisieren von Frau Gelb verstanden und angenommen. Dadurch spricht sie mehr über ihre Gefühle und dringt dadurch zum Kern des Problems hindurch: „Ja, genau. Als würde es nicht schon reichen, dass immer nur er zu den Außenterminen fährt, nein, er muss das Ganze auch noch zelebrieren. Immer dieses: „Ich bin dann mal weg Mädels!“ Das regt mich auf! Und hier drin bleibt dann alles an mir hängen!“ Frau Gelb spiegelt ihrer Kollegin: „Du bist wütend, weil du nicht zu den Außenterminen fahren kannst und die ganze Büroarbeit an dir hängen bleibt!“. Frau Rot fühlt sich abermals von Frau Gelb verstanden. Sie beginnt Lösungen für Ihr Problem zu entwickeln: „Eigentlich müsste man ihm das mal sa- gen. Schließlich hat er das Recht ja nicht gepachtet, zu den Be- schauen zu fahren.“ Frau Gelb entgegnet: „Du denkst, es könnte helfen, ihn darauf anzusprechen.“ So würde sich das Gespräch fort- setzen bis Frau Rot eine Lösung für ihr Problem entwickelt hat. Durch den Einsatz einer Ich-Botschaft kann sie Herrn Grün mit seinem Verhalten konfrontieren und ihn bitten sein Verhalten zu ändern.

3.2 Ich-Botschaften

Die Ich-Botschaft ist eine Selbstbehauptungstechnik, die immer dann Anwendung findet, wenn eine handelnde Person eine Verhal- tensweise zeigt, welches für die betrachtende Person nicht akzepta- bel ist.^56 Mit Hilfe dieser Gesprächstechnik konfrontiert der Prob- lembesitzer sein Gegenüber mit dessen Verhalten^57. Eine Ich-Botschaft enthält drei wesentliche Bestandteile: eine sach- liche Beschreibung der störenden Verhaltensweise, eine konkrete Beschreibung des Gefühls, welches das Verhalten des Handelnden beim Problembesitzer auslöst, und eine spezifische, greifbare Aus- wirkung, die dieses auf den Ich-Botschaft – Sender hat.^58

(^56) Gordon, Managerkonferenz, S. 120, 121. (^57) Gordon, Die neue Beziehungskonferenz, S. 97. (^58) Gordon, Managerkonferenz, S. 128

Betrachtung von Beispiel 2, Kapitel 2.2: Verwendung einer Du-Botschaft

Frau Schwäble sagt zu Frau Neuling: „Ständig vergessen Sie den Namen der Anrufer und deren Nummer aufzuschreiben. Und ich muss mich dann von den Kunden am Telefon anschimpfen lassen, obwohl Sie doch daran schuld sind. Schreiben Sie gefälligst zu- künftig auf, wer angerufen hat und notieren Sie auch gleich noch die Nummer dazu. Ich habe keine Lust ihretwegen Ärger zu haben.

Die Arbeitsbeziehung zwischen Frau Neuling und Frau Schwäble wird dadurch sehr belastet. Frau Neuling wird mit Feindseeligkeit und Wut reagieren. Ein erster Schritt zur Problemlösung ist dadurch nicht getan.

Betrachtung von Beispiel 2, Kapitel 2.2: Verwendung einer Ich-Botschaft

„Herr Biergut hat mich gerade angerufen, er war sehr ungehalten, weil ich ihn nicht zurückgerufen habe. Er hatte letzte Woche mit Ihnen telefoniert als ich nicht im Büro war und Sie gebeten, mir auszurichten, dass ich ihn zurückrufen soll. Leider habe ich diese Information von Ihnen nicht erhalten. Ich bin wütend darüber, weil das schon öfters vorgekommen ist, dass ich wichtige Informationen über Anrufe nicht erhalten habe. Die Anrufer denken, ich bin nicht zuverlässig und lasse sie hängen. Das macht mich sehr traurig, weil das nicht meine Arbeitsweise ist. Und ich möchte auch nicht jedes Mal sagen müssen, dass Sie mir die Information nicht weiter gege- ben haben, weil das dann auch nur ein schlechtes Licht auf unser Büro und unsere Teamarbeit wirft.“

Das Senden der Ich-Botschaft ist meist nur der Anfang eines Prob- lemlösungsprozesses. 72 Sie kann Anstoß geben, dass der andere sein Verhalten überdenkt und ändert, muss es aber nicht.^73 Häufig reagiert der Angesprochene, trotz vorsichtig formulierter Ich- Botschaft, mit einem Abwehrverhalten. 74 In diesen Fällen ist es angezeigt, dass der Problembesitzer auf Aktives Zuhören umschal- tet und eventuell die Ich-Botschaft nochmals wiederholt.^75 Er un-

(^72) Gordon, Managerkonferenz, S. 130. (^73) Gordon, Managerkonferenz, S. 130. (^74) Gordon, Managerkonferenz, S. 130. (^75) Gordon, Managerkonferenz, S. 132 f.

terstützt damit den Problemverursacher dabei, eine Lösung zu ent- wickeln, die sich für den Problembesitzer und den Konfrontierten als akzeptabel erweist.^76

Betrachtung von Beispiel 2, Kapitel 2.2:

Variante 1: Frau Neuling nimmt das Problem an und ändert ihr Verhalten sofort: „Es tut mir Leid. Ich werde mir in Zukunft die Namen und Tele- fonnummern besser notieren, damit so was nicht noch einmal vor- kommt.“

Variante 2: Sie nimmt eine Abwehrhaltung ein: „Als wäre das alles am Anfang nicht schon schwer genug. Wenn Sie dann im Meeting sind, klingelt hier in einer Tour das Telefon.“ Frau Schwäble muss dann auf Aktives Zuhören umschalten: „Ihnen fällt die Arbeit noch schwer, weil alles noch neu ist. Und wenn ich unterwegs bin müssen Sie dann auch noch meine Anrufe entgegen- nehmen.“ Frau Neuling fühlt sich von Frau Schwäble angenommen und verstanden und reagiert folgendermaßen: „Ja, genau. Das größ- te Problem für mich ist, dass ich die Leute einfach oft nicht verste- he.“ Frau Schwäble paraphrasiert: „Sie haben Schwierigkeiten mit dem Dialekt.“ Frau Neuling fühlt sich abermals verstanden und dringt tiefer zum Kern des Problems vor: „Ja und ich schäme mich bei jedem Satz nachzufragen.“ Frau Schwäble verbalisiert das gehörte und wiederholt ihre Ich- Botschaft: „Es ist Ihnen unangenehm, wenn Sie immer wieder nachfragen müssen. Für mich ist es aber wichtig, dass ich weiß wer angerufen hat.“

Frau Neuling entwickelt eine Lösung: „Das verstehe ich. Ich werde die Leute einfach bitten, dass sie mir ihren Namen buchstabieren, dann sollte ja nichts mehr schief gehen können.“

Wie dargestellt kann es notwendig sein, die Gesprächstechniken des Aktiven Zuhörens und der Ich-Botschaften miteinander zu ver-

(^76) Gordon, Managerkonferenz, S. 137.

Kinderlieb aus. Dieser wird sich den Anweisungen von Frau Streng fügen, vielleicht seine Frau bitten, den abendlichen Job aufzuge- ben. Er wird jedoch Groll und Wut gegen Frau Streng hegen. Die Beziehung zwischen den Beiden wäre beschädigt.

4.2 Eine Partei gibt nach, die andere gewinnt

Bei dieser Konstellation stellt eine Partei seine Bedürfnisse zuguns- ten einer anderen zurück.^85 Dieses Nachgeben bedeutet das Ende des Konflikts.^86 Die Motivationen für ein solches Verhalten kann beispielsweise in verschiedenen Ängsten begründet liegen: Angst vor einem Missverfolg, Ablehnung oder vor Liebesverlust. Aber auch die Möglichkeit, die Gegenpartei könne ihrerseits dann auch einlenken oder die Annahme, die eigene Position hätte weniger Berechtigung als die des anderen können begründend sein.^87 Diese Form der Konfliktlösung ist beziehungsschädigend und „läuft auf lange Sicht auf eine Selbstaufgabe hinaus.“^88

Betrachtung von Beispiel 3, Kapitel 2.3:

Frau Streng gibt einfach nach und lässt Herrn Kinderlieb gewähren. Ihre Bedürfnisse bleiben jedoch unbefriedigt, was sie Herrn Kin- derlieb gegebenenfalls an anderer Stelle spüren lassen würde. Sie hätte außerdem das Gefühl verloren und gegenüber ihrem Mitarbei- ter an Autorität eingebüßt zu haben. Die Beziehung zwischen Frau Streng und Herrn Kinderlieb wäre auch in diesem Fall beschädigt.

4.3 Die Jeder-gewinnt-Methode^89

Als Alternative zu den beiden vorstehenden Methoden entwickelte Gordon ein Konzept, bei dem keine der Konfliktparteien als Verlie- rer hervorgeht: die „Jeder-gewinnt-Methode“.^90 Diese Vorgehens- weise ist ein, in sechs Schritte gegliederter, kreativer und offener Prozess, an dessen Ende eine Lösung steht, die für alle Beteiligten akzeptabel ist.^91 „Keinesfalls ist sie ein Machtkampf, in dem man die andere Partei dazu zu bringen versucht, sich der eigenen vorher beschlossenen Lösung zu fügen.“^92

(^85) Gordon, Managerkonferenz, S. 187. (^86) Montada/Kals, Mediation, S. 12. (^87) Montada/Kals, Mediation, S. 12 f.. (^88) Gordon, Managerkonferenz, S. 187. (^89) Gordon, Das Gordon Modell, S. 101 f.. (^90) Gordon, Managerkonferenz, S. 208. (^91) Gordon, Managerkonferenz, S. 219. (^92) Gordon, Managerkonferenz, S. 219.

Für die Anwendung dieser Methode ist es unbedingt erforderlich, dass alle am Konflikt beteiligten Parteien sowohl das im Folgenden Verfahren als auch dessen Ziel, das Finden einer, für alle akzeptab- len Lösung, kennen.^93

Betrachtung von Beispiel 3, Kapitel 2.3:

Frau Streng bittet Herrn Kinderlieb zu einem Gespräch in ihr Büro. In einer konfrontierenden Ich-Botschaft teilt sie ihm ihr Problem mit: „Ich musste feststellen, dass Sie sich regelmäßig meinen Anwei- sungen widersetzen und die Termine, die ich Ihnen wahrzunehmen vorgebe, eigenmächtig verschieben. Das ärgert mich, weil es dann auch regelmäßig dazu kommt, dass Sie die Schuldner nicht antref- fen. Sie sind dann vergebens unterwegs, vergeuden wertvolle Ar- beitszeit, ohne Ergebnisse zu erzielen. Das ist nicht effizient und verdirbt unsere Abteilungserfolgsstatistik.“

Herr Kinderlieb entgegnet: „Ich verstehe, dass Sie wütend sind. Aber ich weiß einfach nicht wie ich es machen soll. Wir haben ge- rade erst das Haus gebaut und meine Frau geht seit ein paar Wo- chen wieder als Kellnerin arbeiten, um etwas dazuzuverdienen. Dann muss ich abends auf unsere beiden Kinder aufpassen.“

Frau Streng erkennt im weiteren Verlauf des Gesprächs, dass ihre Bedürfnisse mit denen von Herrn Kinderlieb kollidieren. Sie schlägt ihm vor, gemeinsam mit einem anderen Vollziehungsbeam- ten Herrn Zelt in einem Meeting, eine für alle akzeptable Lösung finden zu wollen. Herr Kinderlieb erklärt sich einverstanden. Zu Beginn der Sitzung erklärt Frau Streng das methodische Vorgehen und das Ziel, so eine Lösung zu erarbeiten, die den Bedürfnissen aller Beteiligten Rechnung trägt.

4.3.1 Schritt 1: Problemerkennung und Definition

Das unbefriedigte Bedürfnis wird unter Anwendung der Technik der Ich-Botschaften frei von Schuldzuweisungen und Wertungen gegenüber der anderen Partei beschrieben.^94 Jeder Konfliktbeteilig- te erhält die Möglichkeit, sein Bedürfnis darzulegen.^95 Unter Um- ständen ist es nicht leicht, das Bedürfnis geradeheraus zu formulie-

(^93) Gordon, Managerkonferenz, S. 228 f. (^94) Gordon, Die neue Beziehungskonferenz, S. 124. (^95) Gordon, Managerkonferenz, S. 229.

Betrachtung von Beispiel 3, Kapitel 2.3:

Durch das Anwenden der Technik des aktiven Zuhörens, ist es Frau Streng möglich die Bedürfnisse ihres Vollziehungsbeamten zu ver- stehen.

Das Bedürfnis von Herrn Kinderlieb:

Er muss die Betreuung seiner Kinder sichern. Dazu muss er an 4 von 5 Tagen in der Woche ab 18.00 Uhr zu Hause sein, damit seine Frau Geld verdienen kann, um das finanzielle Auskommen der Fa- milie zu sichern.

Das Bedürfnis von Frau Streng:

Frau Streng hat dafür Sorge zu tragen, dass die Schuldner zu Zeiten aufgesucht werden, zu denen sie zu Hause sind. Bei Berufstätigen führt ein Besuch in den Nachmittagsstunden dazu, dass die Schuld- ner nicht angetroffen werden. Die aufwendige Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses beim Amtsgericht wäre die Folge. Die- ser würde jedoch abgelehnt werden, weil eine Zustimmung des Gerichts einen Besuch zu mindestens drei verschiedenen Tageszei- ten voraussetzt, also auch einen in den Abendstunden.

Sind sich alle Beteiligten darüber einig, dass das Problem richtig definiert wurde, und dass man dafür eine für alle annehmbare Lö- sung finden will, folgt die Umsetzung des 2. Schrittes.^108

4.3.2 Schritt 2: Lösungen entwickeln - Brainstorming

Gordon empfiehlt die Technik des Brainstormings. Ziel dieser Me- thode ist es, mit Hilfe aller beteiligten Personen, möglichst viele Lösungsvorschläge zu sammeln, aus denen in einem späteren Schritt dann ausgewählt werden kann.^109 Dabei sind unkonventio- nelle Ideen ebenso zulässig, wie das Weiterentwickeln bereits be- stehender Vorschläge.^110 Die durch die Teilnehmer geäußerten Ge- danken werden für alle gut sichtbar an einer Tafel oder auf Mode- rationskarten notiert.^111 Dabei werden alle vorgeschlagenen Lösun- gen gesammelt, ohne eine Wertung oder Kritik daran vorzuneh-

(^108) Gordon, Managerkonferenz, S. 230. (^109) Gordon, Die neue Beziehungskonferenz, S. 125. (^110) Montada/Kals, Mediation, S. 169. (^111) Montada/Kals, Mediation, S. 169.

men.^112 Diese kritikfreie Atmosphäre fördert den Kreativitätspro- zess.^113 Gestaltet sich die Lösungsfindung dennoch schwierig, kann es helfen, das Problem noch einmal neu zu formulieren, um den Ideenentwicklungsprozess abermals zu fördern.^114 Auch Fisher, Ury und Patton halten ein solches Brainstorming für wertvoll, verweisen jedoch auf die Risiken, die sich damit verbin- den.^115 Sie empfehlen zunächst diese Methode ohne den jeweiligen Konfliktpartner anzuwenden.^116 Den Konfliktpartner in diesen Pro- zess zu involvieren birgt die Gefahr, dass eine geäußerte Idee be- reits als Vorentscheidung aufgegriffen oder als tatsächliches Ange- bot verstanden wird.^117

Betrachtung von Beispiel 3, Kapitel 2.3:

Am Brainstorming beteiligen sich die Kollegen Streng, Kinderlieb und Zelt. Folgende Vorschläge werden auf Moderationskarten no- tiert und an einer Pinnwand befestigt:

  1. Herr Kinderlieb nimmt seine Kinder mit zu den Terminen.
  2. Herr Kinderlieb bekommt nur noch Termine bei Arbeitslosen und Rentnern.
  3. Herr Kinderlieb geht die Kunden früh ganz zeitig besuchen.
  4. Andere Kollegen übernehmen diese späten Termine, fangen da- für später an zu arbeiten.
  5. Herr Kinderlieb lässt sich in eine andere Abteilung versetzen.

Liegt eine Sammlung umsetzbarer und vernünftiger Ideen vor, fährt man mit Schritt drei fort.^118

4.3.3 Schritt 3: Bewertung der Lösungsvorschläge

An den vorliegenden Ideen darf und soll nun Kritik geübt wer- den.^119 Unpraktikable und von allen abgelehnte Lösungen werden sofort aussortiert. 120 Bei der Bewertung der verbleibenden Vor- schläge liegt das besondere Augenmerk darauf, ob die Interessen aller Konfliktpartner von einer oder mehreren Lösungen berück-

(^112) Redlich, Konflikt-Moderation, S. 176. (^113) Redlich, Konflikt-Moderation, S. 176. (^114) Gordon, Managerkonferenz, S. 231. (^115) Fisher/Ury/Patton, Das Harvard Konzept, S. 96. (^116) Fisher/Ury/Patton, Das Harvard Konzept, S. 93. (^117) Fisher/Ury/Patton, Das Harvard Konzept, S. 96. (^118) Gordon, Managerkonferenz, S. 231. (^119) Gordon, Managerkonferenz, S. 231. (^120) Gordon, Managerkonferenz, S. 231.