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Pädagogik Klausur Nr. 4 – Rollentheorie
Klassische Rollentheorie Vertreter: Talcott Parsons (U.S.A) Ralf Dahrendorf (Deutschland)
- Menschliches Verhalten von gesellschaftlichen und damit überindividuellen Normen, Werten und Zwängen bestimmt
- Individuum erlernt durch Sozialisation den Gesetzen der Gesellschaft zu entsprechen und wird als homo sociologicus zum zweiten Mal geboren
- Verhalten eines jeden Menschen gilt als vorhersehbar und berechenbar
- Garantiert Stabilität sozialer Systeme
- Individuelles und autonomes Verhalten als Sonderfall Bedroht Sicherheit und Stabilität des sozialen Systems
- Sozialisation = Übernahme von Rollen
- Individuum muss diesen Anforderungen und Erwartungen der Gesellschaft gerecht werden und wird dann als homo sociologicus zum zweiten Mal geboren Vorteile Nachteile - Sicherheit - Aufgaben sind bekannt - Keine Angst Fehler zu machen oder falsche Entscheidungen zu treffen - Schnellere Handlungswege - Keine Ausgrenzung - Aufrechterhaltung der Gesellschaftsstruktur - Zugehörigkeit - Vergeben von Aufgaben und Positionen in der Gesellschaft - Starke Veränderung der Persönlichkeit - Keine individuelle Entwicklung - Interessen können nicht verfolgt werden - Langweiliges Leben - Kein Freiraum - Problem, wenn man nicht in die Rolle passt - Starke Vergleiche zu anderen - Zu hohe Erwartungen - Schubladendenken - Zwang - Auf Individuum und Anlagen wird nicht eingegangen - Festlegung von Stereotypen - Unterdrückung bestimmter Gruppen
Begriffe der Rollentheorie
- Rollengestaltung (role making) individuelles, spontanes kreatives Verhalten im Rollen-Handeln
- Rollenübernahme (role taking) Fähigkeit, sich in den anderen hineinzuversetzen, um dessen Verhalten zu akzeptieren und dies für die eigene Handlung zu berücksichtigen
- Soziale Position werden von Individuen eingenommen (Rollenträger) dauerhafte, von einzelnen Personen ablösbare Schnittpunkte sozialer Beziehungen im gesellschaftlichen Beziehungsgeflecht
- Soziale Rolle allgemeine Orientierungsfunktion ▪ sorgen für regelmäßiges vorhersehbares Verhalten Bündel normativer Verhaltenserwartungen Werden von Bezugsgruppe/mehreren Bezugsgruppen an eine soziale Position gestellt kann zugeschrieben sein (bspw. Ständegesellschaft) oder erworben sein (bspw. Berufsrolle)
- Soziale Interaktion Prozess wechselseitiger Wahrnehmung, Typisierung, Rollenübernahme
- Rollenkonflikte Intra-Rollenkonflikt ▪ innerhalb einer Position, z.B. durch verschiedene Bezugsgruppen Inter-Rollenkonflikt ▪ zwischen zwei sozialen Positionen
- Rollensegmente (Rollensektoren) die mit einer sozialen Position verbundenen Rollenbeziehungen zu verschiedenen Bezugsgruppen
- Rollensatz Gesamtteil aller sich ergänzenden Teilrollen Bsp.: Lehrer = Anforderungen der SuS, Eltern, Kollegen, etc.
- Rollenerwartungen Muss–Erwartungen ▪ hohe Verbindlichkeit Soll-Erwartungen ▪ rechtlich nicht abgesichert, dennoch Sanktionen Kann-Erwartungen ▪ keine Kontrollmechanismen können sich auf Eigenschaften und Merkmale des Rollenträgers beziehen (Rollenattribute) können sich auf sein äußeres Verhalten beziehen (Rollenverhalten)
- Sanktionen dienen der Einhaltung der sozialen Positionen „Bestrafungen“
- Nötige Grundqualifikationen Rollendistanz ▪ Fähigkeit beim Rollenhandeln die eigene Rolle distanziert und reflektiert zu betrachten Ambiguitätstoleranz ▪ Fähigkeit, Uneindeutigkeiten einer Situation zu ertragen Empathie ▪ Fähigkeit, sich in die Gefühlswelt und die Erwartungen des Gegenübers hineinzuversetzen Identitätsdarstellung ▪ Fähigkeit, die eigene Rolle zu spielen und sich dabei gleichzeitig als eigenständige Persönlichkeit zu präsentieren
Zeichen, Gesten und signifikante Symbole
- Zeichen Sinnesreize, die instinktiv/reflexartig eine Reaktion auslösen Zeichen können auch durch Verhalten zum Ausdruck gebracht werden (Gesten)
- Gesten Geste meint eine Haltung, die in einer gesellschaftlichen Handlung durch einen spezifischen Reiz auf ein zweites Individuum wirkt sowohl Verhalten als auch Handeln Gesten bringen einen Sinn zum Ausdruck lösen eine bestimmte Reaktion aus
- Symbol bringt den Sinn einer Situation oder einer Handlung in einem äußeren Zeichen oder einem bestimmten Begriff zum Ausdruck stehen sinnbildlich für etwas bündeln Erfahrungen in Form von Zeichen oder Begriffen
- Risiko der Kommunikation? Menschen können Gesten unterschiedlich interpretieren, auch so, dass sie sich widersprechen
- signifikantes Symbol ein Zeichen oder eine Geste, das/die beim anderen Individuum die gleiche Vorstellung über die Bedeutung hervorruft, wie vom Erzeuger angedacht und die gleiche Reaktion auslöst
- Zusammenhang Symbole und Sprache? Wenn ein Symbol einer Bedeutung in der Erfahrung des ersten Menschen entspricht und diese auch im zweiten Menschen auslöst wird es zur Sprache
Symbolischer Interaktionsprozess
- Interaktion geschieht mittels Rollenübernahme wechselseitiges Hineinversetzen in die Perspektive des anderen im gemeinsamen Handeln („Empathie“)
Grundqualifikationen nach Krappmann Grundqualifikationen nach Krappmann Erklärung/Merkmale Bsp. Verhaltensweise Rollendistanz - Fähigkeit, sich von außen kritisch zu betrachten und „aus seiner Rolle heraustreten“ zu können
- flexibles Verhalten gegenüber Rollenerwartungen
- Rollenerwartungen sind oft inkongruent
- unwichtige Rollenerwartungen etwas weniger beachten, aber dennoch miteinbeziehen
- Bewusstmachen von Muss-/Soll-/Kann- Erwartungen
- flexible Gestaltung der Rolle
- versch. Szenarien kognitiv durchspielen
- aus der Situation lösen und vergleichen
- Distanzierung von einer Rolle Ambiguitätstoleranz - Fähigkeit, Widersprüchlichkeiten aushalten zu können
- „Frustrationstoleranz“
- Widersprüchlichkeiten ertragen, ohne Interaktion abzubrechen
- vorbereitet sein auf Spannungen zwischen den Rollenerwartungen
keine Anpassung
kein Verlust der Identität
- nach einer Lösung für den Konflikt suchen
- akzeptieren, wenn es keine perfekte Lösung gibt
- tolerant sein Empathie - Fähigkeit, sich in die Gefühlswelt und die Erwartungen des Gegenübers hineinzuversetzen
- „role-taking“ wird von emotionalen Faktoren stark beeinflusst
- es fällt einem dann leichter den Anderen zu verstehen
- hilft Reaktionen vorherzusehen
- sich in andere hineinversetzen zu können
- der Anderen Person zuhören
- sich verständnisvoll zeigen
- Eingehen auf die Gefühle der anderen
- spiegeln der Gefühle Identitätsdarstellung - Fähigkeit, die eigene Rolle zu spielen und sich dabei gleichzeitig als eigenständige Persönlichkeit zu präsentieren
- durch Symbole
- Aufrechterhaltung der Ich-Identität
- während der Interaktion mit anderen
- Veranschaulicht, dass man auch andere Rollen inne hat, die auch zu Konflikten führen können
- Erwartungen äußern
- Anwendung der Symbole
Mimik, Gestik
- Widersprüche aufzeigen
Möglichkeiten zur pädagogischen Unterstützung der Identitätsbildung nach Krappmann Erwerbung von identitätsfördernden Kompetenzen (Rollendistanz, Empathie, etc.)
- Kompetenzen wurzeln in frühen Interaktionserfahrungen
- Kinder müssen ermutigt, angeleitet und respektiert werden, sowie Anerkennung spüren, aber sie müssen auch Konflikten, Streit, etc. ausgesetzt werden
- hierbei helfen Mutter, Vater, Großeltern, Geschwister, Freunde, Erzieherinnen, Lehrerinnen Identitätsentwicklung bei jungen Menschen/Jugendlichen
- viele Fragen in dieser Zeit zum Thema Identität Wer bin ich? Wie sehen mich andere? Was ertrage ich? Was nicht? Was tolerie ich? Was nicht?
- Zeit des Experimentierens, des Schockens, der Umschwünge, der Radikalität und Sensibilität
- hoher Anspruch ihr Leben nach individuellen Entscheidungen zu gestalten dies brauch aber Zeit, die aufgrund von Bildungsanforderungen und den sozialen Medien oft nicht vorhanden ist
- brauchen ein Moratorium eine Art Schutzraum für Jugendliche, in der die Möglichkeit besteht, sich auszuprobieren Förderung von Identität
- Schule sollte Kenntnisse und Einsichten vermitteln
- Kinder sollten Ungewissheiten, Diskrepanzen aber auch Chancen und Träumen bewusst ausgesetzt werden, damit sie ihren Platz in der Welt und ihre Prinzipien finden
- Verwirrung, Unsicherheit, Neugier und Ärgernis sollten dosiert erzeugt werden, um Kinder mehr zur Selbstreflektion zu bringen No-Go’s
- Vernachlässigung
- Gewalt
- Beleidigungen
- zu großer Druck/zu hohe Erwartungen
- schlechte Einflüsse
Symbolischer Interaktionismus vs. Klassische Rollentheorie Vergleichskriterien Klassische Rollentheorie (Dahrendorf, Parsons) Symbolischer Interaktionismus (Mead, Krappmann) Grundaussagen - Mensch ist fremdbestimmt durch Erwartungen (Normen und Werte)
- Verinnerlichung von Geschlechts- und Generationenrollen mit spezifischen „Richtlinien“/Orientierungsmustern
- Anpassung der sozialen Rolle in Gesellschaft und Institutionen - Mensch agiert/reagiert im interaktiven Austausch - menschliche Interaktion ist durch Sprache als Symbolsystem gekennzeichnet - Zeichen/Gesten dienen zur Koordination ihrer Verhaltensweisen und zur sozialen Organisation in einer Gruppe - Koordination gelingt durch Reiz- Reaktions-Schema - > teils auch unbewusst - durch Antizipation des Verhaltens des Gegenübers entwickelt sich eine eigene Identität - Interaktion ist erst möglich durch die eigene Interpretationsleistung, die Interpretation des Gegenübers Menschenbild - Mensch als ein von der Gesellschaft determiniertes Wesen
- Mensch fühlt sich durch das Erlernen von gesellschaftlichen notwendigem Rollenverhalten in die Gesellschaft integriert - > Vermeidung von sozialen Sanktionen - das „Ich“ gestaltet seine Rolle im Handlungsvollzug (role making) - aus den Mitgliedern der Gesellschaft wird vom Einzelnen ein „generalisierter“ Andere konstruiert und sein Handeln danach ausgerichtet Vorstellung von Sozialisation - Sozialisation ist in dieser Theorie das Erlernen von „Rollen“, in denen sich die normativen Erwartungen der Gesellschaft verdichten
- Sozialisierung = Prozess der Verinnerlichung von Verhaltensmustern/Prozess der Entpersönlichung
- Anzahl der Rollen eines Individuums wächst im Verlauf des Sozialisationsprozesses und differenziert sich immer weiter aus - die Menschen stellen sich im Interaktionsprozess ihre Identitätsentwürfe gegenseitig vor und verhandeln über den Grad der Akzeptanz - im Alltag ist es oft schwierig, seine individuelle Identität zur Geltung zu bringen - > Herrschafts- und Machtgefälle, in der Regel keine herrschaftsfreie Interaktion (Diskurs) möglich Handlungsspielräume bei Rollenhandeln
- „Rollenhandeln“ ist weitgehend durch gesellschaftliche Normen festgelegt
- „Rollenhandeln“ ist das Ergebnis von Interpretation und hat somit Handlungsspielraum
Mead Zusammenfassung Kerngedanken:
- Menschen verständigen sich gestisch, mimisch und sprachlich auf der Grundlage geteilter Symbole. Die eigene Person ( „Ego“ ) und das menschliche Gegenüber ( „Alter“ ) treten miteinander in symbolische Interaktionen.
- Sozialisation beruht auf Interaktionsprozessen. Sie hat ein Doppelgesicht, da sie sowohl der Vergesellschaftung als auch der Individuation dient.
- Der Sozialisationsprozess wird als Prozess des Rollenlernens verstanden.
- Gesellschaftliche Rollen werden im Verlauf des Sozialisationsprozesses erlernt. Der Rollenerwerb geschieht in zwei Entwicklungsstufen: Auf der ersten Stufe identifiziert sich das Kind mit seinen unmittelbaren Bezugspersonen, von Mead „signifikanter Andere“ genannt, und übernimmt deren Rollen im Spiel. Das kindliche Rollenspiel, bei dem das Kind z.B. abwechselnd in die Rolle der Mutter oder die des Kindes schlüpft, nennt Mead „play“. Das Kind erwirbt durch diese Art von Rollenspielen die Fähigkeit, die Perspektiven zu wechseln und das eigene Verhalten an den Erwartungen anderer Menschen zu orientieren. Es lernt, sich von außen zu sehen, was eine wichtige Voraussetzung dafür ist, später eine eigene Identität zu entwickeln, denn nur durch den Umweg über die Mitmenschen erwirbt man eine eigene Identität. Auf der zweiten Stufe erweitert sich das Rollenspektrum. Das Kind lernt, komplexere Spiele zu spielen, bei denen gleichzeitig verschiedene Rollen und unterschiedliche Perspektiven beachtet und vorgegebene Regeln eingehalten werden müssen. Typische Spiele dieser Art, von Mead „game“ genannt, sind Mannschaftsspiele, wie z.B. Fußball. Die Rollenerwartungen beruhen dabei auf personenunabhängigen, allgemeingültigen Regeln, die für alle Teilnehmer verbindlich sind. Die Teilnehmer bzw. allgemein eine soziale Gruppe mit ihren jeweiligen Erwartungen an das Handeln ihrer Mitglieder werden von Mead „generalisierter Anderer“ genannt.
- Rollen sind nicht statisch und determinieren das Verhalten der Rollenspieler, sondern sie enthalten Interpretationsspielräume und ermöglichen den Individuen unterschiedliche Formen der Umsetzung: Jeder Mensch füllt seine Rolle im Prozess der Interaktion individuell aus. Die Rollenübernahme wird als „role-taking“ und die individuelle Gestaltung der Rolle als „role-making“ bezeichnet.
- Die Identität , von Mead als „Self“ bezeichnet, entwickelt sich durch Interaktionen mit anderen Menschen. Sie beruht auf der Durchdringung psychischer Komponenten des Individuums, die es unverwechselbar machen, wie z.B. die spontane, impulsive Seite eines Menschen , und gesellschaftlicher Komponenten, wie sie sich in den gesellschaftlichen Rollenerwartungen manifestieren. Mead bezeichnet die personale Seite der Identität als „I“ und die soziale Seite der Identität als „me“. Krappmann Zusammenfassung Kerngedanken:
- Die Identität entwickelt sich im Rahmen von Interaktionsprozessen
- Interaktionen sind nicht starr festgelegt, sondern weisen Spielräume zum Handeln auf. Um erfolgreich mit anderen Menschen interagieren zu können, müssen Menschen sich selbst darstellen, ihr Gegenüber interpretieren und mit ihm verhandeln können.
- Das Individuum muss eine Balance halten zwischen widersprüchlichen Rollenerwartungen und seinen persönlichen Wünschen, Interessen und Bedürfnissen und den sich im Laufe der Zeit verändernden gesellschaftlichen Rollenerwartungen, die an es herangetragen werden.
- Für das kommunikative Handeln sind vier Grundqualifikationen erforderlich, die außerdem die Identitätsentwicklung fördern : Empathie: Fähigkeit, sich in die Gefühlswelt und die Erwartungen des Gegenübers hineinzuversetzen Ambiguitätstoleranz: Fähigkeit, Widersprüchlichkeiten aushalten zu können Rollendistanz: Fähigkeit, sich von außen kritisch zu betrachten und „aus seiner Rolle heraustreten“ zu können Identitätsdarstellung: Fähigkeit, die eigene Rolle zu spielen und sich dabei gleichzeitig als eigenständige Persönlichkeit zu präsentieren
- Identität ist nicht das Ergebnis eines Vorgangs, der irgendwann einmal abgeschlossen ist, sondern die Identität entwickelt sich in einem lebenslang dauernden Prozess , in dem früheren Identitätsentwürfe mit neuen Erwartungen und Bedürfnissen verknüpft werden.
- Ich-Identität wird verstanden als Balance zwischen personaler Identität und sozialer Identität. Die personale Identität bezieht sich auf die Eigenartigkeit des Individuums und die soziale Identität auf die Anpassung des Individuums an die Gesellschaft. Eine tragfähige Identität besteht nur dann, wenn das Individuum in der Lage ist, die Balance zwischen beiden Dimensionen herzustellen und zu erhalten.
- Die Familie ist als primäre Sozialisationsinstanz für das Rollenlernen von entscheidender Bedeutung. Aber auch die Gleichaltrigen spielen dabei eine wichtige Rolle, weil Kinder und Jugendliche mit den Eltern. Die Rollen zwischen Gleichaltrigen sind wechselseitig, die Rollen von Eltern und Kindern hingegen sind komplementär, d.h. sie ergänzen sich gegenseitig.
Theorieblock Zu Beginn werde ich die relevanten Theorien darlegen. Mit der klassischen Rollentheorie, die der amerikanische Soziologe Talcott Parsons und der deutschen Soziologe Ralf Dahrendorf vertreten, wird versucht zu erklären, wie eine Gesellschaft funktioniert und wie Menschen ihr Verhalten untereinander zuverlässig abstimmen können. Diese Theorie sieht menschliches Verhalten als von gesellschaftlichen und damit überindividuellen Normen, Werten und Zwängen bestimmt. Das Individuum erlernt durch die Sozialisation den Gesetzen der Gesellschaft zu entsprechen und wird dadurch als homo sociologicus zum zweiten Mal geboren. Somit wird das Verhalten eines jeden Menschen als vorhersehbar und berechenbar angesehen. Es garantiert so die Stabilität sozialer Systeme. Individuelles und autonomes Verhalten wird als Sonderfall angesehen und gilt als Bedrohung für die Stabilität und die Sicherheit des sozialen Systems. Die Stabilität des Verhaltens wird durch Muss-, Soll- und Kann-Erwartungen gesteuert. Abweichungen von der Norm werden kontrolliert und sanktioniert. Im Gegensatz zu der klassischen Rollentheorie entwickelte der amerikanische Psychologe George Herbert Mead den symbolischen Interaktionismus. Mead legt den Fokus seiner Theorie auf die Strukturen der Interaktionen von Menschen und auf die Symbole, die sie zur Kommunikation einsetzen. Daher resultiert auch der Name „symbolischer Interaktionismus“. Laut Mead setzt sich die Persönlichkeit eines Menschen aus der sozialen Komponente – dem „Me“ – und der psychischen Komponente – dem „I“ - zusammen. Das Me repräsentiert, wie andere Menschen das Individuum sehen und wie es sich deren Erwartungen nach zu verhalten hat. Das I hingegen vertritt die impulsive und spontane Seite der Person und wird von dem Me kontrolliert. Durch die Interaktion des Individuums mit seiner Umwelt sowie das Zusammenwirken von I und Me entsteht das „Self“, welches in etwa mit der Identität gleichgesetzt werden kann. Das Self legt die Basis für das Bewusstsein von sich als Person, dem „Mind“. In Meads Theorie findet soziale Interaktion in Form von Zeichen, Gesten und Symbolen statt. Dabei unterscheidet er zwischen nicht-symbolischer Interaktion und symbolischer Interaktion. Die nicht-symbolische Interaktion wird mittels Gesten ausgeführt und funktioniert durch reflexartige Reaktionen ohne Interpretationsleistung der Person. Die symbolische Interaktion erfolgt aufgrund signifikanter Symbole, deren Bedeutung nicht feststeht, sondern durch Interpretation festgelegt werden muss. Während der sozialen Interaktion treten das „Ego“ – die eigene Person – und das „Alter“ – das menschliche Gegenüber – miteinander in Interaktion und es kommt zur Rollenübernahme. Diese meint das wechselseitige Hineinversetzen in die Perspektive des anderen im gemeinsamen Handeln. In der Entwicklung der Identität lassen sich laut Mead zwei soziale Phasen unterscheiden, in denen das Kind lernt, sich an einem größeren System zu orientieren, und sich gleichzeitig seiner Identität bewusst wird. Einerseits gibt es das „Play“, welches ein Rollenspiel des Kindes ist, in dem es Rollen von wichtigen Bezugspersonen – den signifikanten Anderen – übernimmt und in diesem Moment von dem Standpunkt dieses signifikanten Anderen aus handelt und denkt. Andererseits gibt es auch das „Game“. Dies ist ein geregeltes Gruppenspiel, bei dem sich das Kind die Gründe und Konsequenzen des Handelns aller anderen bewusst machen, das Gruppenziel erkennen, alle Rollen gleichzeitig verstehen und in sich repräsentieren muss sowie die eigene Haltung und die Haltung der anderen zu einem Ganzen organisieren muss. Die Teilnehmer bzw. allgemein eine soziale Gruppe mit ihren jeweiligen Erwartungen an das Handeln ihrer Mitglieder werden von Mead „generalisierter Anderer“ genannt. Im „Game“ lernt das Kind auch die Rollenübernahme. Aufbauend auf Meads Theorie des Symbolischen Interaktionismus entwickelte der deutsche Pädagoge Lothar Krappmann die vier Grundqualifikationen des Rollenhandelns. Sie sind für das kommunikative Handeln erforderlich und fördern die Identitätsentwicklung. Die Rollendistanz ist die Fähigkeit, sich von außen kritisch zu betrachten und aus seiner Rolle heraustreten zu können. Die Ambiguitätstoleranz ist die Fähigkeit, Widersprüchlichkeiten zwischen Rollenerwartungen aushalten zu können. Des Weiteren gibt es noch die Empathie, die Fähigkeit, sich in die Gefühlswelt und die Erwartungen des Gegenübers hineinzuversetzen. Die letzte Grundqualifikation ist die Identitätsdarstellung, welche die Fähigkeit ist, die eigene Rolle zu spielen und sich dabei gleichzeitig als eigenständige Persönlichkeit zu präsentieren.