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Projektbezogene Stadtentwicklung in Rio de Janeiro: Verdrängungsprozesse, räumliche Segregation und soziale Exklusion im Rahmen der Vorbereitungen auf die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016
Art: Leitfäden, Projektarbeiten und Recherchen
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Universität zu Köln
Wirtschafts- und Sozialgeographisches Institut Albertus-Magnus-Platz 50923 Köln
Phyllis Bußler
ALERJ Assembléia Legislativa do Estado do Rio de Janeiro (Landesparlament des Bundesstaates Rio de Janeiro)
BNH Banco Nacional de Habitacao (Bundesbank für Wohnungswesen)
BOPE Batalhão de Operação Especial (Spezialeinheiten der Militärpolizei)
BRT Bus Rapid Transit (Schnellbus-Linien)
EMOP Empresa des Obras Públicas (Firma für öffentliches Bauwesen)
FIFA Féderation Internationale de Football Association (Internationale Föderation des Verbandfußballs)
FIRJAN (^) Federação das Indústrias do Estado do Rio de Janeiro (Industrieverband des Bundesstaates Rio de Janeiros)
IOK Internationales Olympisches Komitee
IBGE Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística
IPPUR Instituto de Pesquisa e Planejamento Urbano e Regional (Forschungsinstitut für Stadt und Regionalplanung)
IPTU Imposto sobre a Propriedade Predial e Territorital Urbana (Grundbesitzsteuer)
MCMV Minha Casa Minha Vida Mein Haus mein Leben - Sozialwohnungsprogamm der brasilianischen Bundesregierung)
MUCA Movimento Unido dos Camelôs (Vereinige Bewegung der Straßenhändler_innen)
ÖPP Öffentlich-Private Partnerschaft
PAC (^) Programa de Aceleração de Crescimento Económico (Wachstumsbeschleunigungsprogramm der brasilianischen Bundesregierung)
PSOL Partido Socialismo e Liberdade (Partei Sozialismus und Freiheit)
In der vorliegenden Diplomarbeit werden die Auswirkungen einer
festivalisierten Stadtpolitik hinsichtlich der Aspekte (sozial-) räumliche
Segregation und soziale Exklusion am Beispiel der brasilianischen Metropole
Rio de Janeiro und der Vorbereitungen auf die Mega-Events Fußball-WM der
Männer und Olympische Sommerspiele betrachtet. Es wurde untersucht,
inwiefern sich Realisierungen von Stadterneuerungsprojekten auf das durch den
Estatuto da Cidade verfassungsrechtlich verankerte Recht auf Stadt auswirken.
Als theoretische Basis diente hier die These der Festivalisierung der Stadtpolitik
von Häußermann/Siebel, welche vom Konzept der Unternehmerischen Stadt
nach Heeg/Rosol ergänzt wurde. Im Fokus der Untersuchung lag hierbei der
Zugang zu Wohnraum; auf die stattfindenden Verdrängungsprozesse im
öffentlichen Raum wurde kurz eingegangen. Anhand der Fallbeispiele der
Gemeinden Vila Autódromo, Pavão-Pavãozinho-Cantagalo sowie Morro da
Providência zeigte sich, dass diese als Favelas bekannten Gebiete in diesem
Kontext, forciert durch massive Immobilienspekulation, einen Wandel von
„sozialem Wohnraum“ hin zu einer Touristenattraktion durchlaufen. Dabei
kommt es durch Gentrifizierungsprozesse und Zwangsräumungen zur
Verdrängung der meist einkommensschwachen Bevölkerung in die städtische
Peripherie. Dem auf Bundesebene initiierten Sozialwohnungsbauprogramm
Minha Casa Mina Vida kommt dabei eine den Prozess unterstützende Rolle zu.
Die Arbeit basiert auf Daten, die mit teilnehmender Beobachtung, qualitativen
Expert_inneninterviews sowie einer Befragung im August und September 2012
in Rio de Janeiro erhoben wurden.
Schlagwörter: Brasilien, Mega-Events, Rio de Janeiro, Recht auf Stadt,
Festivalisierung der Stadtpolitik, Unternehmerische Stadt, sozialräumliche
Segregation, soziale Exklusion, Verdrängungsprozesse
Project based Urban Development in Rio de Janeiro: Processes of
expulsion, spatial segregation and social exclusion in the context of the 2014
World Cup and the 2016 Olympic Games.
The topic of the thesis are the effects of a city policy focused on festival events
on the aspects of (social-) spatial segregation and social exclusion, taking the
Brazilian city of Rio de Janeiro and its preparation for the mega-events men`s
soccer world cup and the Olympic Summer Games as an example. The thesis
examines to what extent realizations of urban renewal projects affect the right to
the city , which, via the Estatuto da Cidade is part of the Brazilian constitution.
The theoretical basis used was the thesis of a festival oriented development of
cities by Häussermann and Siebel, supplemented by the concept of the
entrepreneurial city by Heeg and Rosol. In this research, the focus was placed on
the access to housing, while the displacement processes taking place in the
public sphere are discussed briefly. Based on the case studies of communities
Vila Autódromo , Pavão-Pavãozinho-Cantagalo and Morro da Providência it
can be shown, that these areas, known as favelas , are changing from an area of
social housing towards a tourist attraction. The change is caused and promoted
by massive real estate speculation. This process results in gentrification and
forced evictions of the predominantly poor population into the urban periphery.
In this context, the federal program of social housing, Minha Casa Minha Vida ,
is supporting this development.The thesis is based on data collected using
participant observation, qualitative expert interviews and a survey carried out in
August and September 2012 in Rio de Janeiro.
Key Words: Brazil, Mega Events, Rio de Janeiro, Right to the city, urban
politics, entrepreneurial city, social-spatial segregation, social exclusion,
marginalization, social housing
Im Zuge ihres wirtschaftlichen Aufschwungs sehen Schwellenländer die Austragung sportlicher Großereignisse zunehmend als ein Mittel, sich als ernstzunehmender Partner in den Reihen der westlichen Industrienationen zu etablieren. Nach der Ausrichtung der Olympischen Spiele 2008 in Peking folgte Südafrika 2010 mit der Fußball-WM der Männer und Indien mit den Commonwealth Spielen in Neu-Delhi. 2014 und 2016 wird Brasilien mit der Fußball-WM und den Olympischen Spielen gleich zwei der größten Sportevents der Welt, in der Folge als „Mega-Event“^1 bezeichnet, austragen. Dabei ist die brasilianische Metropole Rio de Janeiro in beiden Fällen betroffen.
Auf der Ebene der Stadtpolitik möchte man dadurch nicht nur für internationale Sichtbarkeit sorgen, sondern mit Hilfe der nun zur Verfügung stehenden Mittel die Realisierung lang anstehender Stadtentwicklungsprojekte und die Lösung komplexer städtischer Probleme angehen. Diese Schaffung eines städtischen „Erbes“, der sogenannten Legacy, dient hier nicht zuletzt als Mittel, die hohen öffentlichen Ausgaben, die mit der Vorbereitung einhergehen, zu rechtfertigen.
Dem steht nicht nur gegenüber, dass die Investitionen in Sportstätten und (Verkehrs-) infrastruktur den von FIFA und Internationalem Olympischem Komitee (OIK) vorgegebenen internationalen Standards entsprechen müssen – sondern auch, dass sich die Stadtentwicklung und -erneuerung in diesem Rahmen immer mehr am Image, welches verbreitet werden soll, und an den Bedürfnissen einer kaufkräftigen „Besucherklasse“ (vgl. Eisinger 2000) orientiert, während die Anliegen der dort wohnhaften Bevölkerung zunehmend in den Hintergrund rücken.
Bereits 1993 formulierten Häußermann und Siebel in ihrer These über die „Festivalisierung der Stadtpolitik“, dass Städte aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation zunehmend auf externe Ressourcen wie öffentliche Subventionen und private Investitionen angewiesen seien, was zu einer inszenierten Stadtpolitik führe. Der Hoffnung der Städte, im Rahmen von Großevents, in Hinblick auf wirtschaftlichen Aufschwung und Lösung städtischer Probleme, einen grundsätzlichen Wandel herbeizuführen, hält Häußermann entgegen, dass die Ausrichtung von Großereignissen lediglich verstärkend auf bereits bestehende Entwicklungstendenzen in der Stadtentwicklung wirke, niemals aber einen bestehenden Trend umkehren könne (vgl. Häußermann et al. 2008, S. 267).
Heute lässt sich sagen, dass das Phänomen der Festivalisierung in engem Zusammenhang mit dem Konzept der unternehmerischen Stadt steht,
(^1) Nach Hall 1992 zählen zu den Mega-Events neben der EXPO-Weltausstellung, sowohl die
Fußball-WM als auch die Olympischen Sommer- und Winterspiele. Sie zeichnen sich vor allem hinsichtlich ihrer weltweiten Bekanntheit, ihrer Größe und Bedeutung sowie dem starken Eigenimage aus (vgl. Hall 1992, zit. in: Preuss 2009, S. 28).
Seit 2001 steht dem jedoch das durch den Estatuto da Cidade in der Verfassung verankerte Recht auf Stadt^3 gegenüber. Unter anderem spricht es nicht nur allen Einwohner_innen das Recht auf angemessenes Wohnen zu, sondern formuliert neben dem Recht auf städtische Güter auch Richtlinien für eine partizipative Stadtentwicklung. Zudem wurde im Rahmen des von der brasilianischen Bundesregierung verabschiedeten PAC-Programms ein umfassendes Wohnungsbauprogramm auf den Weg gebracht, welches jeder Familie bis zu einem Einkommen von drei Mindestlöhnen die eigenen vier Wände ermöglichen soll.
In Anlehnung an das von Heeg und Rosol (2007, S. 492 ff.) diskutierte Konzept der unternehmerischen Stadt sowie der Hypothese der Festivalisierung möchte ich nun der Frage nachgehen, ob die Stadtentwicklung Rio de Janeiros im Rahmen von WM und Olympischen Spielen zur Verstärkung der Merkmale räumliche Segregation und soziale Exklusion, von der die Stadt geprägt ist, führt, und ob und inwiefern es zu gegenläufigen Tendenzen kommt. An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass die räumliche Segregation der marginalisierten Bevölkerung in der städtischen Peripherie aufgrund der mangelnden Präsenz des Staates sowie des prekären Zugangs zu städtischen Gütern in direkter Verbindung zur sozialen Exklusion stehen. An dieser Stelle soll analysiert werden, welche Rolle der seit 2001 gesetzlich verankerten Stadt- Statute sowie dem Wohnungsbauprogramm Minha Casa Minha Vida (MCMV) zukommen.
Es soll gezeigt werden, dass im Rahmen der Großevents die an den Interessen des Immobilienmarktes orientierte Stadtentwicklung in Rio de Janeiro fortgeführt wird. Dabei soll berücksichtigt werden, dass es zwar in diesem Kontext zu Formen der sozialen Inklusion und zu mehr Teilhabe an der Stadt kommen kann, dass sie aber für einen großen Teil der marginalisierten Bevölkerung aufgrund der Verdrängungsprozesse eine Verstärkung der sozialen Exklusion sowie eine Verminderung der städtischen Teilhabe zur Folge hat (siehe Modell in Abbildung 1).
(^3) Der Begriff Recht auf Stadt geht zurück auf die Schriften des französischen Soziologen
Henri Lefebvre. In „Le droit à la ville“ (1968) und „Die Revolution der Städte“ (1972) forderte er den Zugang zu städtischen Gütern für alle Stadtbewohner_innen sowie deren Einbindung in die Entscheidungsprozesse hinsichtlich der Produktion des urbanen Raumes. Daraus ableitend stellt das Recht auf Stadt die Forderung, „die Machtverhältnisse bezüglich der Kontrolle von Kapital und Staat zugunsten der Stadtbewohner zu verändern (vgl. Purcell 2002, S.101 f., zit. in: Mengay/Pricelius 101, S. 263). Das Recht auf Stadt ist somit als eine Demokratisierung der Gesellschaft zu verstehen.
Abbildung 1: Modell: Sportliche Großereignisse und das Recht auf Stadt (eigene Darstellung)
Zusammenfassend soll somit geklärt werden, welche Bedingungen zu einer festivalisierten Stadtpolitik geführt haben, wie diese im Zusammenhang mit der unternehmerischen Stadt steht und welche Strategien angewandt werden. Zudem sollen die Herausforderungen, mit denen sich Schwellenländer konfrontiert sehen, beleuchtet werden. Dem schließt sich die Frage an, wie sich die soziale Exklusion in Rio de Janeiro äußert und inwiefern es sich bei den Verdrängungsprozessen um ein der Stadtentwicklung immanentes Merkmal handelt.
Im Zuge der vorliegenden Diplomarbeit im Fach der Wirtschafts- und Sozialgeographie wurden unter anderem Leitfaden geführte Expert_inneninterviews mit Geographen sowie eine Befragung unter von den politischen Maßnahmen Betroffenen durchgeführt.
Der Untersuchungsgegenstand beschränkt sich auf die Metropolregion Rio de Janeiro, mit Fokus auf der städtischen Gemeinde Rio de Janeiro. Aufgrund des begrenzten Umfangs der Arbeit wird vor allem anhand von Beispielen auf die Problematik eingegangen. Die Großereignisse sowie die damit in Verbindung stehenden Akteure FIFA und OIK spielen hier nur im Zusammenhang mit ihrer
In ihrer These über die Festivalisierung der Stadtpolitik stellten Häußermann und Siebel bereits 1993 fest, dass Stadterneuerung in den Städten Europas zunehmend projektbezogen verläuft: Über die Ausrichtung von Großveranstaltungen wie sportlichen Großereignissen, Kulturfestivals, Weltausstellungen oder Städtegeburtstagen soll die Stadtentwicklung vorangetrieben und beschleunigt werden, indem finanzielle Ressourcen, Arbeitskräfte und Medienaufmerksamkeit auf ein zeitlich und räumlich begrenztes sowie thematisch fokussiertes, in vielen Fällen Prestige trächtiges Großereignis ausgerichtet werden (vgl. Häußermann/Siebel, 1993, S. 8).
Im Gegensatz zu früheren Stadtentwicklungsprojekten, die sich zwar auch mittels schrittweiser Investitionen vollzogen, dennoch aber in eine langfristige Stadtentwicklungsplanung eingebettet waren, charakterisiert sich diese Form der projektbezogenen Stadtentwicklung dadurch, dass es nicht mehr notwendiger Weise in einer übergeordnete Stadtplanung eingebettet ist. Zudem verläuft die Realisierung von Bauprojekten zunehmend durch den Einsatz von Sonderorganisationen sowie mittels Öffentlich-Privater Partnerschaft (ÖPP)^4 , die nur bedingt an gesetzliche Rahmenvorgaben gebunden sind.
Die Ausrichtung von Großereignissen als Mittel der Stadtentwicklung steht im Kontext veränderter wirtschaftlicher Bedingungen, welche, hervorgerufen durch Globalisierungsprozesse, für die finanzielle Abhängigkeit der Städte von externen Zuwendungen gesorgt haben. In diesem Kontext dienen Großereignisse nicht zuletzt dazu, auf den verschiedenen Ebenen Einnahmen zu generieren: Zum einen durch die Bindung von Subventionen, zum anderem als Mittel, um für die eigene Sichtbarkeit bei potenziellen Besucher_innen und Investor_innen zu sorgen. Die nun durch Subventionen zur Verfügung stehenden Ressourcen werden nicht zuletzt für die Umsetzung von Großprojekten und die Errichtung symbolträchtiger Bauten verwendet, wobei letztere für die gewünschte globale Sichtbarkeit sorgen sollen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ausrichtung von Großevents ein Mittel des City-Marketings darstellt. Dabei sind City-Marketing und Festivalisierung nicht zuletzt im Kontext einer unternehmerischen Stadtpolitik zu sehen. Im Folgenden werde ich auf die einzelnen Aspekte näher eingehen.
(^4) Indem ÖPPs an weniger Rahmenbedingungen gebunden sind, sollen sie für mehr
Flexibilität, effektiveres Management und besseren Informationsfluss sowie eine Kostensenkung sorgen, indem privates Kapital in öffentliche Bauprojekte einfließt (vgl. Häußermann/Siebel 1993, S. 9). Charakteristisch für ÖPPs ist zudem, dass sie meist ohne demokratische Legitimierung initiiert werden. Mit der Begründung, dass das Geschäftsgeheimnis gewahrt werden müsse, werden zudem die geschlossenen Verträge geheimgehalten, was die undemokratische Prägung weiter verstärkt (vgl. Attac 2012).
2.1 Festivalisierung als ein Merkmal einer unternehmerischen Stadt
Die Festivalisierung der Stadtpolitik steht im Zusammenhang mit dem Wandel der Städte hin zu einer unternehmerischen Stadtpolitik, deren Ziel in erster Linie die Generierung von Einnahmen ist. Dies geschieht über die Strategie des City- Marketings, für die wiederum ein Großevent ein Mittel darstellt.
Die seit Mitte der 1980er Jahre einsetzenden Dynamiken wie (neoliberale) Globalisierungsprozesse und die Reorganisation des Nationalstaates haben zu einer Verschiebung bestimmter Entscheidungskompetenzen von nationaler auf die sub- bzw. supranationale Ebene geführt.
Für die Städte bedeuteten diese Prozesse nicht nur ein erhöhtes Maß an Standortwettbewerb und Städtekonkurrenz – im Zuge dessen veränderte sich auch der Aufgabenbereich: weg von der Administration bzw. Durchführung der nationalstaatlichen Politik, welche sich hauptsächlich auf die von „oben“ angeordnete Durchführung sozialer sowie infrastruktureller Maßnahmen beschränkte, hin zu eigenem unternehmerischen Management, der Initiierung von Unternehmensansiedlungen und der Kapitalakkumulation in Immobilien. Aus diesem Grund mussten die harten und weichen Standortfaktoren^5 stimuliert werden: durch die Produktion eines Images, das Hervorheben der eigenen Besonderheiten im Vergleich zu anderen Städten, sowie die Betonung oder sogar Schaffung der „natur – bzw. kulturräumlichen Eigenschaften des jeweiligen Ortes“ (Mayer 1990, S. 195 ff., zit. in: Heeg/Rosol 2007, S. 491 ff.).
Analog zur oben beschriebenen veränderten Ausrichtung der Stadtpolitik durchlief die Regierungsform einen Wandel von government zu governance. Die zuvor staatlich-hierarchisch geprägten Strukturen erfuhren dabei eine institutionelle Öffnung gegenüber nicht-staatlichen Akteuren hin zu einer eher netzwerkartigen Struktur, welche von einem partnerschaftlichen Verhältnis zwischen den Akteuren charakterisiert ist und bei dem die Grenze zwischen öffentlichen und privaten Akteuren zunehmend verschwimmt. Angesichts dieses partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen den involvierten Akteuren rückt dabei die Existenz eines machtpolitischen Ungleichgewichts in den Hintergrund. (Heeg/Rosol 2007, S. 493 f.).
Charakteristisch für die unternehmerische Stadt ist außerdem die Privatisierung und Kommodifizierung^6 vormals öffentlicher Güter wie unter anderem der Gas- und Wasserversorgung, des öffentlichen Nahverkehrs und des sozialen Wohnungsbaus: Dienstleistungen werden so zunehmend von privaten Akteuren
(^5) Harte Standortfaktoren beziehen sich auf Eigenschaften wie beispielsweise Subventionen,
Infrastruktur und Ressourcenverfügbarkeit; die weichen Standortfaktoren beinhalten unter anderem das Freizeit-, Kultur-, und Bildungsangebot des Ortes. (^6) Mit Kommodifizierung ist ein Prozess der Kommerzialisierung gemeint. Im Kontext der
geographischen Stadtforschung bezieht er sich vor allem auf die Privatisierung vormals öffentlicher Räume. Beispiele sind Gated Communities oder Shopping Malls.