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Schriftliche Ausarbeitung zum Thema "Lese-Rechtschreib-Schwäche", Hausarbeiten von Deutsche Linguistik / Germanistische Sprachwissenschaft

"Fela mus mann machn düfn". Schriftliche Ausarbeitung zum Thema "Lese-Rechtschreib-Schwäche"

Art: Hausarbeiten

2019/2020

Hochgeladen am 17.06.2020

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Inga Schweer:
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FELA MUS MANN MACHN DÜFN
Schriftliche Ausarbeitung zum Thema
"Lese-Rechtschreib-Schwäche"
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Inga Schweer:

FELA MUS MANN MACHN DÜFN

Schriftliche Ausarbeitung zum Thema

"Lese-Rechtschreib-Schwäche"

Inhaltsverzeichnis

1. Zur Bedeutung von Lernschwierigkeiten

Lernschwierigkeiten treten zumeist im frühen Schulalter auf, wenn an Kinder bestimmte An- forderungen gestellt werden, die sie „erwartungswidrig“ nicht erfüllen können. Diese Schwierigkeiten können beim Lesen, Schreiben oder auch beim Rechnen auftreten, sie werden unter dem Begriff „spezifische Lernstörungen“ zusammengefasst (M. Tücke 1999, S.159).

Lesen, Schreiben und Rechnen sind Kulturtechniken, die für jede Art der Ausbildung unentbehrlich sind. Vorrangige Aufgabe der Schulen ist es daher, allen Kindern in diesen elementaren Bereichen tragfähige Grundlagen für ihr weiteres Lernen zu vermitteln. Ein lese- rechtschreib- oder rechenschwaches Kind hat meist schon am Anfang seiner Schullaufbahn große Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens, Schreibens oder Rechnens. Es erkennt zum Beispiel, dass es sich Buchstaben, Zahlen oder Reihenfolgen nicht so leicht wie seine Kameraden merken kann (Landesverband Legasthenie). Lernschwierige Schüler haben mit länger andauernden Misserfolgen zu kämpfen. Ihre Eltern, Lehrer und Mitschüler reagieren zumeist negativ auf die schlechten Leistungen, und sie selbst verlieren mit der Zeit an Selbstvertrauen und entwickeln Versagensängste. Als Folge sinkt neben der Motivation der betroffenen Schüler auch ihr allgemeines Selbstbild, sie sind Opfer von negativen Interaktionen und von Stigmatisierung durch ihre Umwelt. Mittels subjektiver Theorien (Alltagstheorien) werden die schlechten Leistungen auf mangelnde Anstrengung des Schülers zurückgeführt (E. Höhn 1988). Zudem stellt das Schreiben eine zentrale Technik dar, und die Häufung von Rechtschreibfehlern beeinflusst den Gesamteindruck einer schriftlichen Arbeit nicht nur im Deutschunterricht. Ein schlechter Gesamteindruck kann zu verändertem Korrekturverhalten führen, so werden „bei schwachen Rechtschreibern deutlich weniger Fehler vom Lehrer übersehen als bei leistungsstarken Schülern“ (G. Augst u. M. Dehn 1998, S. 233). Die lernschwierigen Schüler sind über ihre eigenen schlechten Leistungen betroffen, sie können sich aber nicht selbst befreien, um den Anforderungen unserer Leistungsgesellschaft gerecht zu werden.

Lernschwierigkeiten treten erstmals in der Grundschule auf und manifestieren sich ab der vierten Klasse, wenn nicht interveniert wird. Dem Primarstufen-Lehrer fällt also die Aufgabe zu, Lernschwierigkeiten frühzeitig zu erkennen und zu helfen bzw. Hilfe einzuleiten. Da Lese-, Rechtschreib- und Rechenschwierigkeiten äußerst komplexe Lernstörungen sind, die in unterschiedlichen Varianten auftreten, ist an erster Stelle eine angemessene Diagnostik, Beratung und Aufklärung nötig. Darüber hinaus sollte der Lehrer in der Grundschule Lernschwierigkeiten durch „primäre Prävention“ vorbeugen. Durch adaptiven Unterricht, der den Schülern angepasst ist, sollte er auf die speziellen Fähigkeiten, Schwierigkeiten und Besonderheiten eingehen. Eine Form des adaptiven Unterrichts ist das remediale Lernen, wobei vom Lehrer gezielte pädagogische Maßnahmen zur Behebung von Lernschwierigkeiten eingesetzt werden.

Neben diese herkömmliche Auffassung von Lernschwierigkeiten stellt H. Roth das didaktische Prinzip der Konfrontation mit der Schwierigkeit (G. Augst u. M. Dehn 1998, S. 232-233). Schwierigkeiten sollen eigens provoziert werden, damit das kognitive Schema von der Rechtschreibung verändert wird. Durch das Bewältigen von Schwierigkeiten soll das Können erweitert werden. Lernschwierigkeiten sind nach dieser Auffassung konstruktiv für den Aneignungsprozess und werden nicht als „Abweichung von der Norm des Leistungs-durchschnitts“, wie in der herkömmlichen Auffassung, gesehen. Auch Betz und Breuninger erwähnen in ihrem erstmals 1982 erschienenen Buch „Teufelskreis Lernstörungen“, dass Lernstörungen alltägliche Phänomene sind, die erst durch Einspannung in bestimmte Systeme ein „gänzlich neues Gesicht“ bekommen (D. Betz/ H. Breuninger 1982, S. 3).

2. Definition der Lese-Rechtschreib-Schwäche

Treten beim Erwerb und Gebrauch der Laut- und Schriftsprache Lernschwierigkeiten auf, so spricht man von „Lese-Rechtschreib-Schwäche“ , „Legasthenie“ oder auch „Dyslexie“. Dieses ist eine der am weitesten erforschten und dennoch sehr kontrovers diskutierten Formen der spezifischen Lernschwierigkeiten (M. Tücke 1999, S.159). Schon die Prägung des Begriffs „Legasthenie“ wird in der Literatur auf unterschiedliche Personen zurückgeführt. So wird einerseits Dr. Rudolf Berlin genannt, der im Jahr 1887 Legasthenie „als einen sich entwickelnden, und nicht etwa angeborenen, Zustand der Leseunfähigkeit beschrieb, welcher nicht auf eine Gehirnverletzung, sondern auf eine „zerebrale Erkrankung“ zurückzuführen sei“ (R. Temple 1999, S. 18). Bevor der Begriff eingeführt wurde, wurde der Ausdruck Aphasie verwendet, welcher als “infolge einer Gehirnverletzung auftretender Verlust oder Beein-trächtigung der Fähigkeit, Wörter zu verwenden oder zu verstehen“ definiert ist (R. Temple 1999, S. 18). Es wurden vier Arten von Aphasie unterschieden :

  • Sensorische Aphasie: Schwierigkeit, gesprochene Sprache zu verstehen
  • Motorische Aphasie: Schwierigkeit, sich sprachlich auszudrücken
  • Alexie: Leseschwäche
  • Agraphie: Schreibschwäche.

Etwa zeitgleich wurde im Jahr 1877 der Ausdruck Wortblindheit von Adolph Kussmaul geprägt. Die Sprachregion Gyrus angularis wurde als der für Wortblindheit verantwortliche Teil des Gehirns vorgeschlagen; als Ursache sah man Gehirnverletzungen an. Der Begriff wurde ebenfalls in Zusammenhang mit Patienten verwendet, die trotz intakter Seh- und Sprechfähigkeit und trotz intakter Intelligenz außerstande waren, ihnen bereits bekannte Wörter wiederzuerkennen. Von dem ersten Fall angeborener Wortblindheit bei einem Kind in England berichtete Dr. W. Pringle Morgan im Jahre 1896 (R. Temple 1999, S. 19).

Legastheniker, schlug 1978 die bundesdeutsche Bund-Länder-Kommission vor, in der schulischen Praxis keine Unterscheidung von Legasthenie und Lese-Rechtschreib-Schwäche mehr zu machen. Alle Schüler mit Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb sollten von nun an unabhängig von der Intelligenz gefördert werden. „L-R-S“ wurde definiert als „partielle Lernprobleme, die sich in unterdurchschnittlichen Leistungen im Lesen und/oder Rechtschreiben äußern“. Diese jüngste Definition liegt auch dem aktuellen Runderlass des Kultusministeriums NRW vom 19.07.1991 zur "Förderung von Schülerinnen und Schülern bei besonderen Schwierigkeiten im Erlernen des Lesens und Rechtschreibens (LRS)" zugrunde und dient somit im Folgenden als Arbeitsdefinition. Die umgangssprachliche Nutzung des Legasthenie-Begriffs für die schwerste Form von Lese- und Rechtschreibschwäche wird von mir aufgrund der nur mittelbaren Korrelation zwischen Intelligenz und Lese-/ Rechtschreib-leistung abgelehnt.

In der ehemaligen DDR wurden spezielle L-R-S-Klassen eingerichtet, die auch heute noch in Sachsen bestehen. Offiziell wurde für die Zuweisung der Schüler die Intelligenz nicht erwogen.

Der Begriff „Dyslexie“ (engl.: dyslexia) ist besonders im medizinischen Bereich und im anglo-

amerikanischen Sprachraum gebräuchlich.

In Abgrenzung zu den oben genannten Begriffen „Lese-Rechtschreib-Schwäche“, „Legasthenie“

oder auch „Dyslexie“, die für Lernschwierigkeiten beim Erwerb und Gebrauch der Laut- und

Schriftsprache verwendet werden, bezeichnet der Begriff „Analphabetismus“ die Unfähigkeit zu

schreiben und zu lesen. Zwei Arten von Analphabetismus werden unterschieden: Primärer

Analphabetismus liegt vor, wenn eine Person keinerlei Lese- und Schreibkenntnisse erworben hat.

Vor allem Menschen, die keine Gelegenheit zum (regelmäßigen) Schulbesuch hatten, sind hiervon

in Staaten mit wenig ausgebautem Schulsystem betroffen. Eine andere Bezeichnung für diese Art

ist natürlicher Analphabetismus.

Von sekundärem Analphabetismus spricht man hingegen, wenn nach mehr oder weniger

erfolgreichem Schulbesuch ein Prozess des Vergessens einsetzt und die bereits erworbenen

Kenntnisse wieder verloren gehen. Lesen und Schreiben wurden also in der Schulzeit erlernt, im

Jugend- oder Erwachsenenalter aber wieder verlernt (Internet: Schulprojekte/ Analphabetismus

2000). Diese Form des sekundären Analphabetismus wird auch funktionaler Analphabetismus

genannt. B. Egloff sieht als Ursache für den trotz Schulbesuch nicht oder nicht genügend

stattgefundenen Lese- und Schreiblernprozess eine von ungünstigen Sozialisationsbedingungen

geprägte Kindheit und Jugend (Internet: Erwachsenenbildung 1997).

3. Ausmaß, Früherkennung und Behandelbarkeit

In Ländern mit alphabetischem Schriftsystem sind etwa 15% der Schüler von Lese-Rechtschreib- Schwäche gefährdet und 5-10% betroffen. Hierbei ist der Jungenanteil erhöht (2,5:1). Zumeist sind Lesen und Rechtschreiben betroffen. Während es auch Rechtschreib- ohne Leseprobleme gibt, kommen Lese- ohne Rechtschreibprobleme seltener vor.

Ab dem dritten Schuljahr wird das Lesen und Schreiben beherrscht, lese-rechtschreib-schwache Kinder machen aber ungewöhnlich viele Fehler.

Eine sehr kleine Gruppe besitzt nur so geringe Lese- und Rechtschreibfähigkeiten, dass kein funktionales Eintreten möglich ist. Diese Gruppe besteht nicht aus Analphabeten, sondern besitzt nach M. Tücke keine „phonologische Bewusstheit“ (M. Tücke 1999).

Wenn bereits im Vorschulalter Maßnahmen zur Früherkennung, wie das „Bielefelder Screaning“ (BISC) von H. Marx, und anschließende Fördermaßnahmen eingesetzt werden, so sind mehr als 50% der Betroffenen gut behandelbar. Beim „Bielefelder Screaning“ werden „Knuspel“ genannte Kunstwörter eingesetzt. Die Kunstwörter sind konstruiert und müssen von der zu untersuchenden Person rekonstruiert werden, um das Verstehen und die phonologische Bewusstheit zu überprüfen (H. Marx 1985). Teilaspekte des „Bielefelder Screanings“ sind die Anzahl der im Kindergarten bekannten Zahlen- und Buchstabensymbole, die Fähigkeit zum Silbenklatschen, schnelle Farb- und Formsicherheit, aufmerksames Unterscheiden von Buchstaben in Wörtern, Gliederungsfähigkeit und Erkennung von Oberflächenmerkmalen. Die Gliederungsfähigkeit wird durch Reime getestet, indem die Kinder herausfinden sollen, ob sich Wörter gleich anhören (z.B. Haus – Maus, Tür – Eisenbahn ). Die Erkennung von Oberflächenmerkmalen wird durch die Kunstwörter getestet, so werden sie den Kindern als „Zauberwörter“ vorgesprochen. Nach dem Hören müssen die Kinder dann die ihnen völlig unbekannten Wörter nachsprechen. Wenn Risikokinder schon im Kindergarten erkannt werden, so können ihnen durch Defizitaufarbeitung, also durch frühe Fördermaßnahmen, größtenteils massive Schulprobleme erspart werden.

4. Voraussetzungen für den Schriftspracherwerb

4.1 Frühkindliche Prinzipien: „Die Welt der Tassen“ (Betz/Breuninger)

Da unser Gehirn so konstruiert ist, dass es „...uns die Welt ein bisschen einfacher macht“, nehmen wir Detailunterschiede in unserer Umwelt nicht wahr.

Übersetzung ins Legasthenische:

q = p, b, d, q, g, h, y u = n, u (eigentlich auch w, v, m)

l = i, r, l (eigentlich auch t, f) e = a, e

4.1.1 Vorschläge, um die „Welt der Tassen“ zu verlassen

Die taktile Wahrnehmung könnte hinzugezogen werden. So können die Schüler Buchstaben in Sand schreiben oder in Partnerarbeit Buchstaben auf die Haut schreiben und erkennen lassen. Eine weitere Fördermöglichkeit unter Einbezug der taktilen Wahrnehmung stellt die Arbeit mit „Fühlbuchstaben“ dar. Hierzu werden beispielsweise auf die Vorderseite von Karteikärtchen aus Schleifpapier geschnittene Buchstaben geklebt. Die Platzierung in der unteren rechten Ecke ist ratsam, um Verwechslungen und Verdrehungen der Buchstaben auszuschließen. Rückseitig können die entsprechenden Anlautbilder angebracht werden. In der Art einer Lernkartei können die Schüler nun mit den Karteikärtchen üben, d.h. sie sollen sich ein Anlautbild anschauen und es laut sprechen und dann den zum Anlaut gehörigen Buchstaben aufschreiben. Durch Umdrehen des Kärtchens können sie den von ihnen geschriebenen Buchstaben kontrollieren. Ist der Buchstabe richtig geschrieben worden, so wandert das entsprechende Kärtchen in der Lernkartei weiter nach hinten. Ist er aber falsch geschrieben, so soll er unter Artikulation des Anlautes mehrmals mit dem Finger nachgefahren werden und in das Wiederholungsfach der Lernkartei gesteckt werden (siehe Anhang).

4.2 Phonologische Bewusstheit

W. E. Tunmer und J. A. Bowey stellten 1984 das Modell der „Metalinguistischen Bewusstheit“ vor. Hierbei bauen vier Ebenen der Bewusstheit von Sprache aufeinander auf. Die phonologische Bewusstheit befindet sich unterhalb der Wortebene, es geht um die Repräsentation von Phonemen durch Grapheme. Mit der Wortbewusstheitsebene , in welcher Wörter als separate Einheiten eines Satzes erkannt werden, ist die phonologische Bewusstheit notwendige Voraussetzung für den frühen Schriftspracherwerb. Die Formbewusstheit setzt grammatische und semantische Strukturen in Sätzen voraus, die pragmatische Bewusstheit satzübergreifende Strukturen und Bedeutungsinhalte (W. E. Tunmer 1984, S.150).

M. Tücke sieht das Fehlen der phonologischen Bewusstheit als Präscriptor für künftige Lese- Rechtschreib-Schwierigkeiten. Auch B. Hofmann stellte 1998 heraus, dass es gerade im Anfangsunterricht um die Erfassung und Umsetzung der Graphem-Phonem-Beziehung geht. Kinder müssen verstehen, dass Buchstaben Laute repräsentieren und dass durch Aneinanderreihung von Buchstaben eine Lautgestalt entsteht. Lerndefizite treten auf, wenn das Prinzip bei fortlaufendem Lehrgang noch nicht erkannt ist. Neue Buchstaben müssen schon gelernt werden, obwohl die alten noch nicht beherrscht werden. Häufig werden dann bei der zeitaufwendigen Graphemidentifizierung optisch ähnliche Buchstaben verwechselt, und es treten Schwierigkeiten bei

der Unterscheidung und Isolation von einzelnen Lauten in Lautfolgen auf. Daher können Fragen wie „Wo steht das „O“ in Ofen?“ nicht beantwortet werden (B. Hofmann 1998, S.14-15).

Auch G. Scheerer-Neumann geht in ihrem Stufenmodell der Schreibentwicklung von einem hierarchischen Aufbau aus. Sie stellte fest, dass die Leistungen im Lesen und Rechtschreiben von Schülern mit LRS den Leistungen von Kindern auf den unteren Ebenen der Schriftentwicklung ähneln „und dass sie offenbar längere Zeit benötigen, um die unteren Entwicklungsstufen zu verlassen“ (Scheerer-Neumann 1989). Als weitere Merkmale nennt der Bundesverband Legasthenie e.V. sehr langsames und fehlerhaftes Lesen, d.h. Buchstaben können nicht oder nur sehr fehlerhaft zu Wörtern zusammengezogen werden, ungewöhnlich viele Wörter werden falsch geschrieben und ähnliche Wörter häufig verwechselt (z.B. oben statt „Ofen“). Voraussetzungen für den Schriftspracherwerb und für den Leselernprozess werden schon im Elternhaus durch vorschulische Erfahrungen mit Schrift, insbesondere durch Bücher, geprägt.

5. Mögliche Ursachen für Lese-Rechtschreib-Schwäche und

Konsequenzen

1970 hat M. Angermaier die Hauptergebnisse zahlreicher empirischer Untersuchungen mittels einer umfangreichen Literaturanalyse zusammengetragen. Die Hauptergebnisse sind:

  • L-R-S-Kinder machen nicht besondere, sondern einfach mehr Fehler.
  • Hirnorganische Defekte sind nur bei wenigen L-R-S-Kindern auszumachen.
  • Zwischen L-R-S und Linkshändigkeit besteht kein gesicherter Zusammenhang.
  • Jungen finden sich häufiger unter L-R-S-Kindern als Mädchen.
  • Visuelle Wahrnehmungsstörungen wirken sich nur bei Lesebeginn aus.
  • L-R-S-Kinder haben häufig einen sprachlichen Entwicklungsrückstand.
  • Leselehrmethoden haben nur in Anfangsklassen Einfluss (W. Zielinski 1998, S.109).

Nach Robin Temple weist „Jedes legasthenische Kind einen unterschiedlichen Symptom-komplex auf, der sich von jeder beliebigen Kombination von Ursachen ableiten lassen könnte.“ Die Symptome sind laut seiner Aussage Beschreibungen der Art und Weise, wie ein Kind Informationen verarbeitet und wiedergibt (R. Temple 1999).

Betz und Breuninger unterscheiden „defizitäre“ von „strukturellen Lernstörungen“. Defizitäre Lernstörungen sind ihrer Meinung nach „Werkzeugstörungen“ und als solches die Folge einer klaren Ursache. Hierbei können Grundfunktionen entweder ganz ausgefallen sein, d.h. sie können in vielen Fällen durch den Ausbau anderer Fähigkeiten kompensiert werden, oder die Grundfunktionen sind beeinträchtigt. Wenn die Beeinträchtigung temporär ist, d.h. Grundfunktionen sind z.B. im Rahmen von Reifungsprozessen verzögert oder nur zeitweise nicht

für klingen, „reiren“ für kratzt“ (R. Valtin in: Handbuch Grundschule 1994. S. 71). Zum Anderen ziehen gefährdete Leseanfänger didaktische Zusatzinformationen aus Lesebüchern heraus, so merken sie sich beispielsweise die Anordnung von Wörtern auf einer Buchseite und erkennen diese über mnemotechnische Hilfen wieder (H. Marx 1985, S.90).

Die zweite Art ist das Festhalten am inadäquaten Aufmerksamkeitsverhalten im Umgang mit der Schriftsprache. Wichtige Details, z.B. bei einzelnen Buchstaben, werden aufgrund mangelnder Genauigkeit oder mangelnder Beachtung besonders von impulsiven und hyperaktiven Kindern übersehen.

Die dritte Art von aufmerksamem Verhalten, das mit der Entwicklung von Lese-Rechtschreib- Schwäche in Verbindung steht, ist für H. Marx das Festhalten am inadäquaten Aufmerksamkeitsverhalten im Unterricht , hiermit ist im Wesentlichen die Beteiligung am Unterricht gemeint.

5.1.1 Konsequenzen der Arbeiten von H. Marx für den Leseunterricht (Tücke 1999, 174)

  • Leseunterricht, der auf Zusatzinformationen (z.B. Bilder, Unterstreichungen, Farbgebungen)
  • zur Erleichterung und/oder Auflockerung des Unterrichts zurückgreift, kann unangemessene
  • Aufmerksamkeitsstrategien verfestigen.
  • Wiederholtes Lesen identischer Lesetexte fördert korrektes Lesen nur wenig.
  • Besonders bei schlechten Lesern können (gutgemeinte) Lesehilfen langfristig nachteilige
  • Auswirkungen besonders beim Erstlesen neuer Wörter haben.
  • Der Leseanfänger muss selbst in die Lage versetzt werden, relevante von irrelevanten
  • Informationsarten zu unterscheiden. Er muss lesend das Lesen erlernen.

Auch D. Betz und H. Breuninger weisen darauf hin, dass Kinder, die bei unbekannten Texten

Leseschwierigkeiten haben, „flott und richtig“ lesen können, wenn sie den Inhalt bekannter Texte

noch frisch im Gedächtnis haben oder erraten können. Allerdings entstehen „eigenartige“ Fehler,

wenn der Text schon ein bisschen vergessen wurde, d.h. ähnlich klingende Wörter oder Wörter mit

ähnlicher Bedeutung werden ohne Leseleistung einfach eingefügt (Betz/ Breuninger 1982, S.15-16).

So errät ein exemplarischer Schüler, von Betz/ Breuninger Franz genannt, einen Tag nach der Besprechung eines Textes aus den Zusatzinformationen (hier: Bilder) den Inhalt. Er liest : „Der Besen lehnt an der Wand “, es steht dort aber „der Besen steht an der Mauer “ (Betz/ Breuninger 1982, S. 16).

5.2 Intra-Wort-Redundanz

Als weiteres funktionales Merkmal zur Entstehung von Lese-Rechtschreib-Schwäche nennt M. Tücke die Ausnutzung der Intra-Wort-Redundanz , d.h. in unserer Sprachstruktur treten nicht alle Buchstaben gleich häufig auf, und die Buchstabenfolgen sind nicht zufällig verteilt. So folgt z.B. auf ein „q“ immer der Buchstabe „u“, nach „sc“ folgt fast immer ein „h“ usw. Nach Untersuchungen von G. Scheerer-Neumann u.a. aus dem Jahre 1978 machen sich gute Leser diese „Intra-Wort-Redundanz“ besser zu Nutze als Schüler mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (in: M. Tücke 1999, S.174).

5.2.1 Konsequenzen der Arbeiten von G. Scheerer-Neumann u.a. für den Leseunterricht

  • Förderung der Worterkennung mit Hilfe der „Intra-Wort-Redundanz“ z.B. durch Ratespiele (der nächste Buchstabe eines Teilwortes soll geraten werden), durch Satzergänzungen oder Wortergänzungen.

5.3 Segmentierungsprobleme

Auch Segmentierungsprobleme sind Ursache von Lese-Rechtschreib-Schwächen. So kommt es beim Lesen entscheidend darauf an, wichtige Sinneinheiten zu erkennen (M. Tücke 1999, S.174). Um längere Texteinheiten verstehen zu können, müssen Sätze in Satzteile oder in einzelne Wörter, Wörter in Silben oder in einzelne Buchstaben segmentiert werden. „So können auch wir z.B. das Wort „beinhalten“ kaum entziffern, wenn wir es nur in drei Silben („bein-hal-ten“) statt in vier („be-in-hal-ten“) zerlegen (G. Scheerer-Neumann 1981).

Nach langer Übung geschieht der Segmentierungsvorgang bei guten Lesern mehr oder weniger automatisch, bei lese-rechtschreib-schwachen Schülern ist der Segmentierungsvorgang gestört.

5.3.1 Konsequenzen der Arbeiten von G. Scheerer-Neumann für den Leseunterricht

  • Zergliederungsübungen oder das häufig genutzte „Silbenklatschen“, bei dem die Kinder bei jeder Silbe in die Hände klatschen, unterstützen den Segmentierungsprozess.

5.4 Phonematische Bewusstheit

Das Fehlen von phonematischer Bewusstheit , welche 1984 von Tunmer und Bowey als notwendige Voraussetzung für den Schriftspracherwerb benannt wurde, meint die fehlende Fähigkeit, einzelne Phoneme in der gesprochenen Sprache zu isolieren und zu unterscheiden.

Schüler eine positive Lernstruktur zu erhalten oder aufzubauen. Fördermaßnahmen dienen der Vermeidung und der Überwindung von Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben, sie können allgemeiner, zusätzlicher und auch außerschulischer Natur sein.

Vor Beginn der Fördermaßnahmen muss die Lernsituation analysiert werden, um das Bedingungsgefüge der LRS genau zu kennen und dementsprechend gezielt zu fördern. Die Analyse stützt sich in erster Linie auf die Reflexion über den eigenen Unterricht und auf die kontinuierliche Schülerbeobachtung. Schulische (z.B. Didaktik und Methodik des Lese- und Schreiblehrgangs sowie des Rechtschreibunterrichts, Lehrerverhalten), soziale (z.B. häusliches Lernumfeld, Verhalten der Mitschüler), emotionale (z.B. Selbstsicherheit, Lernfreude, Belastbarkeit, Umgang mit Misserfolgen), kognitive (z.B. Stand der Lese- und Schreibentwicklung, Denkstrategie, Wahrnehmung, Sprache), physiologische (z.B. Motorik, Seh- und Hörfähigkeit) Bedingungen und das Lern- und Arbeitsverhalten werden berücksichtigt. Allgemeine Fördermaßnahmen werden nach den entsprechenden Richtlinien und Lehrplänen durch innere Differenzierung und Förderunterricht im Rahmen der Stundentafel durchgeführt und sollen das Entstehen von Lernschwierigkeiten verhindern. Zusätzliche Fördermaßnahmen sind schulische Förderkurse, die über die Stundentafel hinaus durchgeführt werden. Die Zusammenarbeit mit Schulpsychologen oder anderen Fachleuten ist in Einzelfällen laut Runderlass hilfreich, um vor dem Hintergrund der individuellen Lernbedingungen zu erwartende Lernschwierigkeiten zu verhindern.

Als Inhalte der allgemeinen und zusätzlichen Förderung werden die Bereitschaft zum Lesen und Schreiben weckende und stärkende Maßnahmen, Förderung der Voraussetzungen für den Lese- und Schreibprozess (Groß-, Fein- und Grobmotorik, visuelle und auditive Wahrnehmung, sprachliche Fähigkeiten, Merkfähigkeit und Konzentration), Leseübungen (mit motivierendem Lesematerial), Schreibübungen (besonders in Druckschrift), Rechtschreibübungen (rechtschreibspezifische Arbeitstechniken, Grundwortschatz, systematisches Üben von Rechtschreibmustern) und das gesamte Bedingungsgefüge der LRS berücksichtigende Maßnahmen (selbstständiges u. eigenverantwortliches Arbeiten, Arbeits- und Lernstrategien zum Abbau von Lernrückständen) genannt. Auch sollen Hilfen für die Bewältigung der LRS aufgezeigt werden, insbesondere für den Umgang mit Misserfolgen und angstauslösenden Situationen (z.B. Prüfungen, Klassenarbeiten).

Auf außerschulische Maßnahmen (z.B. Schulpsychologische Beratungsstellen, motorische oder Sprachtherapien, Erziehungsberatungsstellen) werden die Erziehungsberechtigten von der Schule bei psychischen Beeinträchtigungen, neurologischen Auffälligkeiten oder bei sozial unangemessener Verhaltenskompensation hingewiesen. Eine Abstimmung aller Förder-maßnahmen wird angeraten.

6.2 Leistungsfeststellung und -beurteilung

Für Schülerinnen und Schüler der Klassen 3 bis 6, die zusätzlicher Fördermaßnahmen bedürfen, kann die Lehrerin oder der Lehrer bei einer schriftlichen Arbeit oder Übung zur Bewertung der

Rechtschreibleistungen im Fach Deutsch und in den Fremdsprachen eine andere Aufgabe stellen, mehr Zeit einräumen oder von der Benotung absehen und die Klassenarbeit mit einer Bemerkung versehen, die den Lernstand aufzeigt und zur Weiterarbeit ermutigt. Die Rechtschreibleistungen werden nicht in die Beurteilung der schriftlichen Arbeiten und Übungen im Fach Deutsch oder in einem anderen Fach einbezogen. Bei der Notenbildung im Fach Deutsch ist der Anteil des Rechtschreibens zurückhaltend zu gewichten, und bei Entscheidungen über die Versetzung oder die Vergabe von Abschlüssen dürfen die Leistungen im Lesen und Rechtschreiben nicht den Ausschlag geben. Auch sind besondere Schwierigkeiten im Rechtschreiben allein kein Grund, eine Schülerin oder einen Schüler für den Übergang in die Realschule oder das Gymnasium bei sonst angemessener Gesamtleistung als nicht geeignet zu beurteilen.

6.3 Anmerkungen der Pädagogischen Konferenz zum Erlass

Der geltende LRS-Erlass aus dem Jahre 1991 sieht von Tests, die bisher über die Teilnahme an Förderungen entschieden, ab. Alle Kinder mit Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben haben Anspruch auf Fördermaßnahmen. Zudem betont der neue Erlass die Notwendigkeit der Verhinderung von LRS, so sollen Fördermaßnahmen schon in der ersten Klasse einsetzen. Als geeignete Fördermaßnahme werden u.a. auch die aus der Förderpädagogik erprobten Lautgebärden- Systeme angesehen. Die generelle Notenbefreiung für LRS- Schüler wurde durch differenzierte Leistungsbewertung aufgehoben, ärztliche Gutachten sind hierzu nicht mehr nötig (Handreichung – Pädagogische Konferenz zum LRS- Erlass 1991, S.5).

7. Vorbeugung von LRS und Handlungsvorschläge

7.1 Lautgebärden-System (H. Weiden)

Im Runderlass des Kultusministeriums zur Förderung bei LRS (1991) wird ein gründlich abgesicherter und nach den Linien und Richtlinien sorgfältig durchgeführter Lese- und Rechtschreibunterricht als entscheidende Bedingung zur Verhinderung des Versagens im Lesen und Schreiben genannt. Als Hilfsmittel, um den Schülern bereits in den ersten Schulwochen das Erlernen der Phonem-Graphem-Zuordnung zu erleichtern, bietet sich ein Lautgebärden-System (hier: nach H. Weiden) an. Lautgebärden sind Handzeichen, die jedem Laut der Sprache zugeordnet werden und die eine bessere Verankerung der Phonem-Graphem-Zuordnung im Gehirn ermöglichen. Für die Schüler sind es Merkhilfen, um Laute und graphische Form der Buchstaben einzuüben. Entscheidend ist nicht, welches Zeichen gewählt wird, sondern dass Laute in einen anderen „Kanal“, eben in Körpersprache, übertragen werden (H. Weiden 1996, S. 43) (siehe: Anhang). In Schleswig- Holstein werden Lautgebärden-sprachen zur Verhinderung des Versagens im Lesen und Schreiben vermehrt seit 2001 mit gutem Erfolg eingesetzt. Zudem erhielt ich auf telefonische Anfrage beim Landesinstitut für Schule und Weiterbildung NRW die Auskunft, dass Lautgebärdensysteme von der Pädagogischen Konferenz zum LRS-Erlass von 1991 bei lese-

Stufe 4

Einsicht in die Buchstaben- Laut- Beziehung

Buchstabenweises Erlesen, gelegentlich ohne Sinnverständnis z.B. G-a-r-t-e-n

Phon. Schreibungen – Prinzip „Schreibe, wie du sprichst" z.B. mia - mir, Rola - Roller Phonetisches Verschriftlichen

Stufe 5

Verwendung orthographischer bzw. sprachstruktureller Muster

Fortgeschrittenes Lesen: gr. Einheiten (mehrgliedrige Schriftzeichen, Silben, Endun-gen wie –en, - er)

Verwendung orthogr. Muster (Auslautver- härtung, Umlaute), gelegentlich falsche Generalisierungen z.B. Oper statt Opa

Stufe 6 Automatisierung vonTeilprozessen

Entfaltete Lesefähigkeit (automatisiertes Worterkennen und Hypothesenbildung)

Entfaltete orthographische Kenntnisse (Dudenschreibweise)

Der gut geschulte Primarstufenlehrer sollte seine Schüler also kontinuierlich beobachten und die Fehler beim Lesen- und Schreibenlernen als entwicklungsbedingten Ausdruck eines stufenweise erfolgenden Entwicklungsprozesses sehen (S. Baumgartner 1992, S. 316). Um ein Fehlerprofil erstellen zu können und um den Entwicklungsverlauf über längere Zeit zu verfolgen, bieten sich Beobachtungsbögen an.

Kinder mit schweren LRS-Schwierigkeiten machen dieselben Fehler wie nicht-betroffene Kinder, sie bleiben aber länger auf dem Niveau der Stufe der vorphonetischen Schreibung (Stufe 2). Sie erkennen den Anlaut oder den zweiten artikulatorisch wichtigen Laut als Cue und verschriftlichen ihn. Da sie schon wissen, dass ein Wort aus einer Buchstabenreihe besteht, werden gelegentlich hinter den Anlaut noch weitere Buchstaben gesetzt. Pseudowörter wie z.B. „llgaeden“ für klingen oder „reiren“ für kratzt entstehen (R. Valtin, in: D. Haarmann (1994), S. 72).

7.3 Ausschluss differenzierter Behinderungen

Braucht ein Schüler unverhältnismäßig lange, um eine Stufe zu verlassen, so sollten differenzierte Behinderungen ausgeschlossen werden. Hierbei sind gegebenenfalls eine logopädische Überprüfung der Sprechwerkzeuge, das Testen der differenzierten Hörfähigkeit durch PET- Audiologie und das Ausschließen von blickmotorischen Behinderungen, die von Orthoptisten festgestellt werden, nötig. Bei mangelnder Hörverarbeitung können beispielsweise bestimmte Laute nicht ausgesprochen werden ( detommen statt „gekommen“), längere Wörter können oft nicht genau nachgesprochen werden, die Betroffenen sind leicht durch Nebengeräusche ablenkbar, Probleme bei der Laut-/Buchstabenzuordnung oder auch Schwierigkeiten beim Orten von Geräuschen treten auf. Zu bedenken ist auch, dass heutzutage viele Kinder unter fehlenden Primärerfahrungen leiden, im Zuge der veränderten Kindheit sind Teilleistungen der sensorischen Integration (SI) gestört. So tragen Störungen der Körper-erfahrung und der Reizverarbeitung, der Grob- und Feinmotorik, der Raumorientierung und der taktilen Wahrnehmung zur Verbreitung von Lernschwierigkeiten bei.

Ein Sportlehrer mit Psychomotorik-Fortbildung oder auch Anregungen zur Bewegten Grundschule (z.B. H. Köchenberger 1997) können vorbeugen und helfen. Ist ein Kind so stark in seiner sensorischen Integration gestört, dass die schulisch mögliche Förderung nicht ausreicht, so kann der betroffene Schüler auf Krankenschein an einem fünfstündigen Testverfahren in der medizinischen Ergotherapie teilnehmen. Auch der Schulpsychologe kann hinzugezogen werden. Spätestens wenn differenzierte Behinderungen ausgeschlossen sind, sollte neben der allgemeinen Förderung durch Differenzierung im Rahmen der Stundentafel zusätzliche Förderung an der Schule eingeleitet werden. Die Eltern können auch außerschulische Maßnahmen nutzen, wie z.B. Integrative Lerntherapien. Wichtig ist die Abstimmung der Fördermaßnahmen.

7.4 Positive und negative Lernstruktur (Betz/ Breuninger 1982)

Lernstörungen erstrecken sich über den Bereich von kognitiven und motivationalen Aspekten zu den Gefühlen und sozialen Verflechtungen. Betz und Breuninger betonen, dass „…um jeden Lernprozess ein Feld von miteinander vernetzten Wirkungsgrößen existiert“ (D. Betz/ H. Breuninger 1982, S. 3). Diese miteinander vernetzten Wirkungsgrößen beeinflussen sich gegenseitig und entscheiden mit darüber, „ob Lernen stattfindet …und wie Lernen in Leistung umgesetzt werden kann.“ Das von den Wirkungsgrößen gebildete Feld wird von den Autoren „Lernstruktur“ genannt und bildet den positiven oder negativen „Boden“ des Lernprozesses.

Bei der positiven Lernstruktur ist das Selbstwertgefühl des Schülers durch ein gesundes Selbstvertrauen geprägt, da der Lernerfolg über methodisch passende Hilfestellungen entsteht und so durch sichtbare Leistungen Zufriedenheit und Stolz auslöst. Auch die Fehlertoleranz trägt wesentlich zur positiven Qualität der Lernstruktur bei. Die unbedingt zu verhindernde negative Lernstruktur hätte die Verfestigung von Leistungsstörungen zur Folge, da das Selbstwertgefühl des Schülers durch andauernde Enttäuschungen und Misserfolge verletzt wird (D. Betz/ H. Breuninger 1982, S. 83-84).