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Vorlesungskript Allgemeines Verwaltungsrecht, Prof. Koenig, Wintersemester 2017/18
Art: Skripte
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Rheinische Friedrich-Wilhelms- Universität Bonn Zentrum für Europäische Integrationsforschung Professor Dr. Christian Koenig, LL.M.
Montags, 16 bis 18 Uhr und 18 bis 20 Uhr Juridicum, Hörsaal E Aktuelle Informationen und Downloads: www.jura.uni-bonn.de/koenig Fragen zur Organisation: [email protected] Tel. Sekretariat: 0228/ 73 - 1891 Inhaltsübersicht A. Einleitung ...................................................................................................................................... 5 I. Das Verwaltungsrecht ............................................................................................................................................................ 5 II. Die öffentliche Verwaltung ...................................................................................................................................................... 5 III. Abgrenzung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht .................................................................................................... 6 IV. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ........................................................................................................................................... 8 B. Die wichtigsten Klagearten ............................................................................................................ 9 I. Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO......................................................................................................................... 9 II. Verpflichtungsklage, § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO .................................................................................................................... 11 C. Der Verwaltungsakt ..................................................................................................................... 13 I. Begriff und Bedeutung des Verwaltungsakts........................................................................................................................ 13 II. Begriffsmerkmale des Verwaltungsakts ............................................................................................................................... 14 III. Funktionen und Rechtsfolgen des Verwaltungsakts............................................................................................................. 19 IV. Wirksamkeitsvoraussetzungen des Verwaltungsakts........................................................................................................... 20 V. Die Rechtmäßigkeit des VA/Anspruch auf Erlass eines VA ................................................................................................. 23 VI. Nebenbestimmungen ........................................................................................................................................................... 30 VII. Aufhebung von Verwaltungsakten ........................................................................................................................................ 32 D. Das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG ........................................................... 44 I. Anspruch auf Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 – 3 VwVfG .............................................................................................. 44 II. Wiederaufgreifen im Ermessen der Behörde, § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG................................................. 44 E. Der öffentlich-rechtliche Vertrag ................................................................................................. 45 I. Begriff und Bedeutung .......................................................................................................................................................... 45 II. Arten verwaltungsrechtlicher Verträge ................................................................................................................................. 45 III. Abgrenzung zu anderen Handlungsformen .......................................................................................................................... 46 IV. Wirksamkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags................................................................................................................... 46 V. Vollstreckung vertraglicher Pflichten .................................................................................................................................... 48
I. Das Verwaltungsrecht Das Verwaltungsrecht ist ein Teilgebiet des öffentlichen Rechts. Die anderen Teilgebiete des öffentli- chen Rechts sind das Staatsrecht, das Europarecht und das Völkerrecht. Das Verwaltungsrecht selbst wird untergliedert in das allgemeine Verwaltungsrecht und das besondere Verwaltungsrecht. Das allgemeine Verwaltungsrecht umfasst diejenigen Vorschriften, die unabhängig von der betroffe- nen Sachmaterie grundsätzlich für die gesamte Verwaltung maßgebend sind, bspw. die Vorschriften des VwVfG, der VwGO und des VwVG sowie das Staatshaftungsrecht. Zum besonderen Verwaltungsrecht gehören die einzelnen Sachbereiche der öffentlichen Verwal- tung, wie z.B. das Baurecht, das Kommunalrecht, das Polizei- und Ordnungsrecht, das Immissions- schutzrecht und das Gewerberecht, welche spezialgesetzlich geregelt sind. II. Die öffentliche Verwaltung
1. Der Begriff der öffentlichen Verwaltung Der Begriff der Verwaltung ist sehr vielschichtig. Er wird in vielen Normen erwähnt, ist aber weder legaldefiniert noch hat sich in Rechtsprechung oder Literatur eine einheitliche Definition herausgebil- det. Einigkeit besteht aber über einige Kriterien und Merkmale sowie Unterteilungen, die den Begriff der Verwaltung beschreiben und eingrenzen. Nach dem Gewaltenteilungsprinzip des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG wird die Staatsgewalt vom Volke durch besondere Organe der Gesetzgebung (Legislative), der vollziehenden Gewalt (Exekutive) und der Rechtsprechung (Judikative) ausgeübt. Die vollziehende Gewalt setzt sich aus der Regierung (Gubernative) und der Verwaltung (Administrative) zusammen. Nach heutigem Verständnis wird der Begriff der Verwaltung überwiegend negativ nach der Subtrak- tionsmethode bestimmt. Danach ist Verwaltung die Staatstätigkeit, die weder Gesetzgebung noch Rechtsprechung ist. a) Formelle Differenzierungen — Verwaltung im materiellen Sinne erfasst nur die typischen Verwaltungstätigkeiten, wie z. B. den Erlass von Verwaltungsakten. Ausgenommen sind Handlungen der Judikative oder Legislative. — Verwaltung im organisatorischen Sinne meint die Gesamtheit der Stellen, die überwiegend Ver- waltungsaufgaben wahrnehmen, also Verwaltungsträger und ihre Organe, z. B. das Land, die Bezirksregierungen, die Gemeinden und die Bürgermeister. — Verwaltung im formellen Sinne knüpft an den Begriff der Verwaltung im organisatorischen Sinne an und erfasst daher alle Tätigkeiten von Verwaltungsorganen, unabhängig davon, ob es sich auch materiell um Verwaltungstätigkeiten handelt. b) Materielle Differenzierungen — Ordnungsverwaltung: Gefahrenabwehr
Das Privatrecht regelt die Rechtsbeziehung zwischen zwei gleichgestellten Personen, die dieselben Befugnisse haben. Rechte und Pflichten können zwischen ihnen nur durch Vertrag oder durch Gesetz begründet werden. Das öffentliche Recht hingegen regelt insbesondere spezifisch hoheitliche Be- fugnisse. Zur Abgrenzung dieser beiden Rechtsgebiete wurden mehrere Theorien entwickelt.^1 Relevant ist diese Abgrenzung insbesondere im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Klage. Gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten grundsätzlich dann eröffnet, wenn eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vorliegt.
1. Subordinationstheorie (Über-/Unterordnungstheorie) Die in der Rechtsprechung nach wie vorherrschende Subordinationstheorie stellt auf das Verhältnis zwischen den Beteiligten ab. Besteht zwischen diesen ein Über-/Unterordnungsverhältnis, d. h., dass genau einer der Beteiligten mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet ist, ist das Verhältnis öffentlich- rechtlicher Natur. Diese Theorie kann folglich nur angewendet werden, sofern sich der Staat (z. B. in Form einer Behörde) und ein Bürger gegenüberstehen. Sofern die Beziehung der Beteiligten durch Gleichordnung geprägt ist, handelt es sich regelmäßig um eine privatrechtliche Beziehung. Schwächen hat diese Theorie insbesondere deshalb, weil dem Staat auch privatrechtliches Handeln möglich ist und er trotzdem dem Bürger in einer übergeordneten Position gegenüberstehen kann. Umgekehrt kann auch in einem privatrechtlichen Verhältnis ein Über-/Unterordnungsverhältnis vorlie- gen (z. B. die Direktionsbefugnis des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer). Schließlich können mehrere Hoheitsträger untereinander öffentlich-rechtliche Verträge schließen, ohne dass hierbei ein Über-/Unterordnungsverhältnis vorliegen würde. 2. Sonderrechtstheorie (Zuordnungstheorie, modifizierte Subjektstheorie) Nach der Sonderrechtstheorie ist eine Streitigkeit oder ein Rechtsverhältnis dann öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden bzw. die dem Rechtsverhältnis zugrundeliegenden Normen solche des öffentlichen Rechts sind. Dies ist dann der Fall, wenn sie einen Träger öffentlicher Gewalt in seiner spezifischen Funktion als Hoheitsträger befugen oder verpflichten.^2 Damit fällt z. B. ein Großteil der Tätigkeit der Fiskalverwaltung aus dem Bereich des öffentlichen Rechts heraus, da bspw. ein Kauf- vertrag über Bleistifte gerade nicht den Hoheitsträger als solchen berechtigt und verpflichtet. Nach dieser Theorie erfolgt die Bestimmung des Rechtsgebiets also schrittweise: Zunächst müssen die streitentscheidenden bzw. die dem Rechtsverhältnis zugrundeliegenden Normen ermittelt werden; sodann muss festgestellt werden, ob diese Vorschriften im oben genannten Sinne öffentlich-rechtlich sind. Exkurs: Interessentheorie – Die Interessentheorie beurteilt das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit ebenfalls nach der zugrundeliegenden streitentscheidenden Norm. Normen, die überwiegend dem öffentlichen Interesse dienen, werden dem öffentli- chen Recht zugeordnet; Normen, die dem Individualinteresse dienen, werden dem Privatrecht zugerechnet. Die Anwendung dieser Theorie bereitet jedoch vielfach Schwierigkeiten, da es nicht ausgeschlossen ist, dass öffentlich-rechtliche Vorschriften auch den Schutz Einzelner bezwecken (z.B. Vorschriften über den Nachbarschutz im Baurecht). 1. Ausführlich dazu Detterbeck , Allgemeines Verwaltungsrecht, 1 5. A. 201 7 , § 30 , Rn. 1323 ff. 2. BVerwG NVwZ-RR 2010, 682.
IV. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wird aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitet. Die vollziehende Gewalt ist „an Gesetz und Recht gebunden.“ Er lässt sich unterteilen in den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes und in den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes.^3
1. Vorrang des Gesetzes Vorrang des Gesetzes bedeutet, dass die Verwaltung keine Maßnahmen treffen darf, die einem be- stehenden Gesetz widersprechen; kurz: **kein Handeln gegen das Gesetz!
c) wirksam
II. Verpflichtungsklage, § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO^5 A. Zulässigkeit I. Verwaltungsrechtsweg II. Statthaftigkeit Begehren des Klägers gem. §§ 88, 86 III VwGO: Erlass eines (begünstigenden) VA — relevant für §§ 68, 74 VwGO: Klage, nachdem Behörde den Erlass des VA aus- drücklich abgelehnt hat (Versagungsgegenklage) oder Klage, nachdem Behörde den Erlass des VA schlicht unterlassen hat (Untätigkeitsklage) — Antrag darf sich noch nicht erledigt haben (nur bei Anlass prüfen!) III. Klagebefugnis Möglichkeit der Verletzung eines subjektiven Rechts, § 42 II VwGO — aus einfachgesetzlichen Vorschriften mit Anspruchsqualität — aus Grundrechten Beachte: Ablehnungsbescheid ist kein belastender VA i. S. d. Adressatentheorie i. V. m. der allgemeinen Handlungsfreiheit; das möglicherweise verletzte Recht (der möglicher- weise bestehende Anspruch) ist deshalb näher darzulegen. IV. Vorverfahren, §§ 68 ff. VwGO (§ 68 II i. V. m. I VwGO) V. Klagefrist, § 74 II i. V. m. I VwGO (1 Monat), § 58 II VwGO (1 Jahr) bei unrichtiger/feh- lender Rechtsbehelfsbelehrung VI. Klagegegner, § 78 VwGO VII. Beteiligten- und Prozessfähigkeit, §§ 61, 62 VwGO B. Begründetheit , § 113 V VwGO (Beachte: Der Obersatz ist davon abhängig, was der Kläger erreichen will. Er muss auch nicht nachträglich verändert werden, wenn der Kläger i. E. weniger erhält, als er beantragt hat: — Bei Vornahmeklage/-urteil: VG soll die Behörde zum Erlass des VA verpflichten Die Verpflichtungsklage ist gem. § 113 V 1 VwGO begründet, soweit — die Ablehnung oder Unterlassung des VA rw., — der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt — und die Sache spruchreif ist. Das ist der Fall, wenn der Kläger einen Anspruch auf Erlass des begehrten VA hat. — Bei Bescheidungsklage/-urteil: VG soll die Behörde dazu verpflichten, über den An- trag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu ent- scheiden Die Verpflichtungsklage ist gem. § 113 V 2 VwGO begründet, soweit — die Ablehnung oder Unterlassung des VA rw., — und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist.
I. Begriff und Bedeutung des Verwaltungsakts
1. Einführung Zur Verwirklichung ihrer Aufgaben stehen der Verwaltung verschiedene Handlungsformen zur Verfü- gung. Dabei knüpft das Gesetz an die verschiedenen Handlungsformen unterschiedliche Vorausset- zungen und Rechtsfolgen – insbesondere auch bezüglich der Rechtsschutzmöglichkeiten. Die prak- tisch bedeutsamste öffentlich-rechtliche Handlungsform der Verwaltung ist der Verwaltungsakt. 6 2. Legaldefinition, § 35 S. 1 VwVfG In § 35 S. 1 VwVfG wird der Verwaltungsakt als „jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitli- che Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist“ legaldefiniert. 3. Anwendungsbereich des § 35 VwVfG Gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG gilt die Begriffsbestimmung des VA subsidiär (d. h., wenn § 35 S. 1 VwVfG als lex generalis nicht von einer spezielleren Vorschrift verdrängt wird) im Rahmen des Anwendungs- bereichs des VwVfG (also insbesondere bei Maßnahmen von Bundesbehörden, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 VwVfG). Für die Einordnung landesbehördlicher Maßnahmen ist umstritten, ob die VwGO insoweit mit dem Begriff des Verwaltungsakts (vgl. §§ 42, 68 ff., 113 VwGO) auf Bundes- oder Landesrecht Bezug nimmt. Da jedoch die jeweiligen §§ 35 S. 1 des VwVfG und des VwVfG NW wortlautidentisch sind, ist dieser Streit in NRW nur von akademischer Bedeutung. 4. Verhältnis zu anderen Handlungsformen Im Zentrum des Verwaltungsverfahrensrechts steht der Verwaltungsakt. Andere Handlungsformen der Verwaltung wurden erst im Laufe der Zeit um den Begriff des Verwaltungsakts herum entwickelt. Infolgedessen sind die übrigen Arten des Verwaltungshandelns typischerweise dadurch gekennzeich- net, dass es ihnen an einzelnen Tatbestandsmerkmalen des § 35 S. 1 VwVfG (s. u.) fehlt. In der Fallbearbeitung ist daher eine kontradiktorische Abgrenzung vorzunehmen: Handelt die Ver- waltung öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich? Ist die Maßnahme auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet oder handelt es sich um sog. schlichtes Verwaltungshandeln? Kommt ihr Au- ßenwirkung zu oder ist sie bloßes Verwaltungsinternum? Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den einzelnen Begriffsmerkmalen des Verwaltungsakts ist indessen nur dort erforderlich, wo der Sachverhalt an der Verwaltungsaktqualität der Maßnahme zwei- feln lässt. An welcher Stelle eines Gutachtens zu prüfen ist, ob eine bestimmte Maßnahme einen Verwaltungsakt darstellt, ist von der Aufgabenstellung abhängig. 6. Eine Einführung zum Verwaltungsakt findet sich bei Voßkuhle/Kaufhold , JuS 2011, 34.
— Ist die Fallfrage auf die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage gerichtet, so muss i. R. d. statthaften Klageart der Charakter der Behördenhandlung untersucht werden: Nur wenn ein Ver- waltungsakt streitgegenständlich ist, sind die daher sog. VA-Klagen (Anfechtungs-, Verpflich- tungs- und Fortsetzungsfeststellungsklage) zulässig. — Geht es dagegen um eine Prüfung ausschließlich der Rechtmäßigkeit einer Maßnahme, muss deren Verwaltungsaktqualität schon aus logischen Erwägungen an erster Stelle geprüft werden. Denn je nach Rechtsnatur ergeben sich unterschiedliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die jeweilige Maßnahme. II. Begriffsmerkmale des Verwaltungsakts^7 Die Definition des § 35 S. 1 VwVfG lässt sich in sechs konstitutive Tatbestandsmerkmale unterteilen:^8
1. Hoheitliche Maßnahme Eine Maßnahme ist jede – auch konkludente – Willensäußerung. Als Beispiele hierfür werden in § 35 S. 1 VwVfG exemplarisch die Verfügung und die Entscheidung genannt. Handlungen, denen es an jedwedem Erklärungswert fehlt, sind keine Maßnahmen i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG. Das Merkmal „hoheitlich“ wird dahingehend ausgelegt, dass die Maßnahme einseitig von der Ver- waltung getroffen wird. Dies ist beispielsweise nicht der Fall bei einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, §§ 54 ff. VwVfG. Die Abgrenzung fällt vor allem bei mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakten schwer, welche eine Beteiligung des Adressaten am Verwaltungsverfahren erfordern (häufig in Form eines Antrags, z. B. einer Genehmigung). Unterscheidungskriterium ist insofern die Möglichkeit des Bürgers zur inhaltlichen Einflussnahme. Fehlt es hieran, kann der Bürger zwar über das „Ob“, nicht aber über das „Wie“ der Behördenentscheidung bestimmen. Damit ist die Maßnahme hoheitlich und stellt allen- falls einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt dar. 2. Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts Die Maßnahme muss darüber hinaus öffentlich-rechtlich sein. Insoweit finden die allgemeinen Theo- rien zur Abgrenzung des öffentlichen Rechts vom Privatrecht Anwendung (oben S. 6 ). In der Fallbe- arbeitung ist dies häufig bereits Gegenstand der Prüfung der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Insofern reicht regelmäßig ein Verweis auf die Ausführungen zur Eröffnung des Rechtswegs aus. Vom § 35 S. 1 VwVfG nicht erfasst werden privatrechtliche Willenserklärungen der Verwaltung, etwa zum Abschluss eines Kaufvertrags über Büromaterial i. R. d. sog. fiskalischen Verwaltungshandelns. Schwierigkeiten bei der Zuordnung einer Maßnahme entstehen, wenn sowohl öffentlich-rechtliche als auch zivilrechtliche Rechtsgrundlagen in Betracht kommen.^9 Als Ansatzpunkt zur Bestimmung des Rechtsgebiets kann der Zweck der Maßnahme dienen. 7. Siehe dazu bei Peine , Klausurenkurs im Verwaltungsrecht, 6. Auflage 2016, Fall 1 S. 111 ff. und Fall 4, S.152 ff. 8. Zu den Merkmalen des Verwaltungsaktsbegriffs mit Beispielfällen Kahl , JURA 2001, 505. 9. Ein Schulbeispiel hierfür stellt die Ausübung des Hausrechts dar; empfehlenswert dazu der Fall bei Zilkens , JuS 2003, 165 und Fall 3 bei Heyen/Collin/Spiecker gen. Döhmann , 40 Klausuren aus dem Verwaltungsrecht, S. 64 ff.
Weiterhin dient das Kriterium der Regelung zur Abgrenzung des Verwaltungsakts von den vorberei- tenden Maßnahmen (beachte insofern auch § 44a VwGO) oder von Teilakten ohne abschließende Regelungswirkung. Exkurs: Arten von Verwaltungsakten Die möglichen Regelungsinhalte eines Verwaltungsakts sind vielfältig. Eine grobe Einteilung in ver- schiedene Kategorien kann wie folgt vorgenommen werden: a) Befehlende, gestaltende und feststellende Verwaltungsakte Während der befehlende Verwaltungsakt dem Bürger ein bestimmtes Verhalten vorschreibt (z. B. ein polizeilicher Platzverweis), wird mit dem rechtsgestaltenden Verwaltungsakt ein konkretes Rechtsver- hältnis begründet, geändert, aufgehoben oder beendet (so bei der Beamtenernennung). Durch den feststellenden Verwaltungsakt^11 wird ein Recht oder eine rechtlich erhebliche Eigenschaft einer Person oder einer Sache festgestellt (z. B. die Feststellung der Staatsbürgerschaft). Hiervon zu unterscheiden ist der bloße Hinweis auf die geltende Rechtslage. Dieser ist nicht dazu bestimmt, eine Rechtsfolge zu setzen, sondern ist eine bloße Wissenserklärung. b) Begünstigende und belastende Verwaltungsakte Der begünstigende Verwaltungsakt ist in § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG legaldefiniert. Hierunter fallen dem- nach Verwaltungsakte, die ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründen bzw. bestä- tigen. Alle übrigen Verwaltungsakte (für die § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG gilt) sind für den Betroffenen nachteilig und daher belastend. Das sind insbesondere Verwaltungsakte, die Pflichten begründen, Rechte entziehen oder die Begründung eines Rechts versagen (z. B. Ablehnung einer Baugenehmi- gung). c) Vollstreckbare Verwaltungsakte Vollstreckbar sind nur Verwaltungsakte, die dem Betroffenen Verhaltenspflichten auferlegen (befeh- lender Verwaltungsakt: Handeln, Dulden oder Unterlassen). Diese müssen sich aus dem Tenor selbst ergeben, die Begründung kann nur zur Bestimmung des Bindungsumfangs herangezogen werden. Ein vollstreckungsfähiger Inhalt fehlt etwa bei gestaltenden oder feststellenden Verwaltungsakten; diese sind lediglich hinsichtlich ihrer Kosten vollstreckbar. d) Verwaltungsakte mit Dritt- oder Doppelwirkung, Mischverwaltungsakte Von einem Verwaltungsakt mit Doppel- oder Drittwirkung wird gesprochen, wenn dieser gleichzeitig einen Bürger begünstigt und einen anderen belastet. Allerdings wird der Terminus der Doppelwirkung auch für Verwaltungsakte verwendet, die belastende und begünstigende Wirkung bei derselben Per- son entfalten (sog. Mischverwaltungsakte).
e) Vorläufige, vorsorgliche und Verwaltungsakte mit Dauerwirkung Der vorläufige Verwaltungsakt steht unter dem Vorbehalt einer endgültigen Entscheidung durch einen späteren Verwaltungsakt (z. B. der Subventionsbescheid unter dem Vorbehalt einer späteren Be- triebsprüfung), wobei der endgültige Verwaltungsakt den vorläufigen ersetzt, ohne dass eine Aufhe- bung des letzteren erforderlich wäre (dadurch wird u. a. die Anwendung von aufhebungserschweren- den Vorschriften umgangen, wie z. B. § 48 Abs. 2, 4 VwVfG). Im Unterschied zu lediglich vorberei- tenden Maßnahmen wird hier die Rechtslage bereits (vorläufig) geändert. Der vorsorgliche Verwaltungsakt steht unter dem Vorbehalt, dass eine seiner Voraussetzungen von einer bestimmten, zuständigen Behörde festgestellt wird. Durch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wird keine zeitpunktbezogene, sondern eine zeitraum- bezogene Regelung erlassen, deren Rechtsfolgen während einer gewissen Zeitspanne gelten (z. B. das Aufstellen eines Verkehrszeichens oder die Festsetzung einer laufenden Geldleistung).
5. Im Einzelfall Der Verwaltungsakt i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG ist als Einzelfallregelung grundsätzlich konkret-individuell, d. h. auf einen nach Ort, Zeit und sonstigen Umständen bestimmten Sachverhalt bezogen (konkret) und an eine oder mehrere, zumindest bestimmbare Personen (individuell) gerichtet. Als solcher ist der Verwaltungsakt zu unterscheiden von abstrakt-generellen Regelungen (materiellen Rechtsnormen). Grundlage dieser Differenzierung bildet die Bestimmtheit in Bezug auf den Kreis der betroffenen Personen sowie die Zahl der erfassten Sachverhalte. Ist allerdings die gewählte Hand- lungsform formell unzweideutig als VA zu qualifizieren (z. B. durch Betitelung als Bescheid), erübrigt sich im Rahmen der Zulässigkeit ausnahmsweise eine materielle Bestimmung. Die in § 35 S. 2 VwVfG legaldefinierte konkret-generelle Allgemeinverfügung stellt ebenfalls eine Einzelfallregelung dar. Selbstverständlich setzt auch die Allgemeinverfügung voraus, dass die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 35 S. 1 VwVfG vorliegen. Das Gesetz nennt in § 35 S. 2 VwVfG drei Varianten von Allgemeinverfügungen. Die personenbezo- gene Verfügung ist an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personen- kreis gerichtet (z. B. der Platzverweis für gewisse Personen aus dem Drogenmilieu). Die sachbezo- gene Verfügung regelt die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache (z. B. die Genehmigung nach § 144 Abs. 3 BauGB). Die benutzungsbezogene Verfügung betrifft die Benutzung einer Sache durch die Allgemeinheit (z. B. das Verkehrsschild). 6. Intendierte Außenwirkung Die Regelung muss auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sein. Der Begriff des Ge- richtetseins bringt zum Ausdruck, dass es einerseits unerheblich ist, ob die Außenwirkung tatsächlich eintritt, und dass diese anderseits nicht bloß eine mittelbare oder zufällige Konsequenz der Regelung sein darf.
dadurch im Vergleich zur rechtskundigen Behörde einem unverhältnismäßig höheren Rechtsschutz- risiko ausgesetzt wird. Da es allein im Handlungsbereich der Behörde liegt, ob überhaupt ein Verwal- tungsakt ergeht, soll sie auch das Risiko einer Fehlentscheidung prozessual verantworten. Die Frage, wie die Behörde hätte handeln müssen, also ob der formelle Verwaltungsakt seinem Inhalt nach z. B. in Form einer privatrechtlichen Willenserklärung rechtmäßig gewesen wäre, ist keine Frage der Rechtsnatur der Maßnahme, sondern der Rechtmäßigkeit. Darauf kommt es aber nicht an: Der (nur) formelle Verwaltungsakt ist ohnehin rechtswidrig, da er die materiellen Voraussetzungen des § 35 S. 1 VwVfG nicht erfüllt. III. Funktionen und Rechtsfolgen des Verwaltungsakts Die Funktionen des Verwaltungsakts^13 lassen sich an vier Begriffen festmachen:
1. Stabilisierungsfunktion^14 Durch einen Verwaltungsakt kann bindend festgestellt werden, dass eine bestimmte generell-abs- trakte Regelung auf einen konkreten Einzelfall (nicht) anwendbar ist.^15 Solch ein feststellender VA dient dazu, die gesetzlichen Rechte und Pflichten des Bürgers im Einzelfall deklaratorisch festzuhal- ten. Entscheidend für das Bestehen einer Pflicht bzw. eines Rechts ist in diesem Fall die abstrakt-generelle Gesetzesnorm. Die erlassende Behörde bindet dabei nicht nur den Adressaten, sondern auch sich selbst: Eine Auf- hebung des Verwaltungsakts kommt nur unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 und 51 VwVfG in Betracht. Andere Behörden und Verwaltungsträger haben ihren Entscheidungen die Regelungen des Verwaltungsakts zugrunde zu legen (sog. Tatbestandswirkung). Mithin wirkt der Verwaltungsakt durch seine Verbindlichkeit stabilisierend und erzeugt Rechtssicherheit. 2. Verfahrensfunktion Dem Verwaltungsakt kommt neben der materiell-rechtlichen auch eine verfahrensrechtliche Bedeu- tung zu, indem er gem. § 9 VwVfG das Verwaltungsverfahren formell abschließt. Strebt die Behörde den Erlass eines Verwaltungsakts an, so ist sie an die Einhaltung der Verfahrensvorschriften der §§ 9 ff. VwVfG gebunden (z. B. Anhörungspflicht gem. § 28 VwVfG, Formerfordernisse gem. § 37 Abs. 2 – 5 VwVfG, Begründungspflicht gem. § 39 VwVfG). 3. Titelfunktion Der Verwaltungsakt ist Vollstreckungstitel (allerdings nur soweit ein vollstreckbarer Inhalt gegeben ist), § 6 Abs. 1 VwVG. Die Bestätigung durch ein Gerichtsurteil ist nicht erforderlich. Mit dem Verwal- tungsakt hat die Behörde daher ein Mittel zur zwangsweisen Rechtsdurchsetzung. 13. In aller Kürze hierzu Fehling , JA 1997, 482 m. w. N. 14. Auch Konkretisierungs-, Individualisierungs- oder Klarstellungsfunktion. 15. So wörtlich BVerwG, NVwZ 1988, 941.
4. Verwaltungsprozessuale Funktion Die Qualität einer Maßnahme als Verwaltungsakt ist für die Art des i. R. d. VwGO gewährten Rechts- schutzes ausschlaggebend. Für Klagen, die gegen einen Verwaltungsakt oder auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet sind, sind jeweils eigene Klagearten statthaft.^16 Hieraus ergeben sich Kon- sequenzen für die Sachentscheidungsvoraussetzungen (z. B. die Fristenregelung des § 74 VwGO) und weitere Besonderheiten (z. B. der Suspensiveffekt i. R. d. vorläufigen Rechtsschutzes, also die aufschiebende Wirkung der gegen den Verwaltungsakt erhobenen Rechtsbehelfe, § 80 Abs. 1 VwGO). IV. Wirksamkeitsvoraussetzungen des Verwaltungsakts^17 Entscheidend für die Rechtswirksamkeit eines Verwaltungsakts ist gem. § 43 Abs. 1 VwVfG allein seine Bekanntgabe gegenüber dem Betroffenen. Ab diesem Zeitpunkt ist der Verwaltungsakt sowohl für den Betroffenen als auch für die Behörde verbindlich. Auf die (formelle oder materielle) Rechts- widrigkeit des Verwaltungsakts kommt es dagegen grundsätzlich nicht an. Die Begriffe der Wirksam- keit und der Rechtmäßigkeit sind daher streng auseinanderzuhalten. Ausnahmsweise kann ein rechts- widriger Verwaltungsakt jedoch nichtig und damit unwirksam sein, wenn die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1, 2 VwVfG vorliegen. 1. Existenz Die Existenz eines Verwaltungsakts beginnt mit seiner wirksamen Bekanntgabe nach § 41 VwVfG an zumindest (irgend-)einen Betroffenen. Erst ab diesem Moment kann der Verwaltungsakt – auch von Beteiligten, denen gegenüber der Verwaltungsakt (noch) nicht bekannt gegeben wurde – angefochten werden (streitig!).^18 Vor Bekanntgabe, bei unwirksamer oder der Behörde nicht zurechenbarer Be- kanntgabe handelt es sich um einen sog. Nicht-Verwaltungsakt (Nichtakt) , der ein rechtliches Nullum darstellt. 2. Wirksamkeit Die Existenz ist zu trennen von der Wirksamkeit des Verwaltungsakts, welche in § 43 VwVfG geregelt ist. Wirksam wird ein Verwaltungsakt § 43 Abs. 1 VwVfG mit der Bekanntgabe und mit dem Inhalt, mit dem er bekanntgegeben wird. Der Verwaltungsakt löst mit der Bekanntgabe die Rechtsfolge aus, auf die er gerichtet ist. Bei der Wirksamkeit muss wiederum zwischen der äußeren und der inneren Wirksamkeit unterschie- den werden: a) Äußere Wirksamkeit Äußerlich wirksam wird ein Verwaltungsakt gem. § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG nur für den Betroffenen, demgegenüber der Verwaltungsakt individuell bekannt gegeben wurde. Derselbe Verwaltungsakt