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Bachelorthesis der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg zum Thema: Wenn es Kindern „tierisch gut“ geht: Wie Tiere die kindliche Entwicklung stärken können
Art: Abschlussarbeiten
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Tag der Abgabe: 28.02. 2017 Vorgelegt von: Möring-Sack, Amelie Matrikelnummer: Adresse: Betreuende Prüferin: Dr. Sabina Stelzig-Willutzki Zweite Prüferin: Prof. Dr. Katja Weidtmann
zung, kann es zu gesundheitlichen Störungen kommen (Andresen & Hurrelmann 2010, 146). Diesbezüglich lässt sich eine zunehmende Verschiebung von somatischen zu psychischen Störungen beobachten, ein Phänomen, das auch „neue Morbidität“ bezeichnet wird (Ravens- Sieberer & Wille & Bettge & Erhart 2007, 871). In der Tat zeigen die Ergebnisse der BELLA- Studie, dass 21,9 % der Kinder wahrscheinlich psychisch auffällig sind oder zumindest Hin- weise auf psychische Auffälligkeit zeigen (Ravens-Sieberer et al. 2007, 874). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: „Was können wir tun, damit ein Kind von Anfang an seelisch gesund heranwächst und für die weitere Entwicklung im Lebenslauf gut gerüstet ist?“ (Schmalohr 1986, 16). Die Identifikation möglicher Schutzfaktoren, die die Kin- der in ihrer Entwicklung unterstützen können, erscheint hier als ein wichtiger Ausgangspunkt. Angesichts der einschneidenden Veränderungen in der modernen, kindlichen Lebenswelt wird deutlich, welche Bedeutung der Forschung zu psychischen und psychosozialen Schutz- faktoren zukommt (Bengel et al. 2009, 10). In diesem Kontext könnte das Aufwachsen mit Tieren angesichts ihrer positiven Einflussmöglichkeiten einen wertvollen Beitrag zur Stärkung der psychischen Entwicklung leisten. „Die Beziehung des Menschen zum Tier war zu allen Zeiten eine Anregung seiner eigenen Entwicklung“ (Otterstedt 2003a, 15). Gerade für Kinder ist die Tierwelt eine Lieblingswelt, was sich an der weiten Verbreitung von Tierbüchern sowie der hohen Beliebtheit von Tiersendungen im Fernsehen erkennt lässt (Bergler 2009, 13). „Es gibt bei Kindern keine Übersättigung beim Beobachten und Erleben von Tieren […] in der eigenen Familie, bei Freunden, im Zoo, aber auch im Fernsehen und bei Tiergeschichten“ (Bergler 2009, 39). 85 % der Kinder schauen sich gerne Tiersendungen an und 77 % lesen gerne Tiergeschichten in Büchern und Zeitschriften (Bergler 2009, 39). Genau diese emotio- nale Bedeutsamkeit von Tieren, die in realen Mensch-Tier-Beziehungen bzw. Interaktionen noch viel stärker zum Tragen kommt, könnte eine zentrale Rolle spielen in der Stärkung der kindlichen Psyche. In der Tat geht man davon aus, dass Bindungen allgemein von entschei- dender Bedeutung für die menschliche Psyche und für die psychische Gesundheit sind (Beetz 2003, 76f.). Bindung gilt als „eines der besten, uns bekannten Schutzsysteme und trägt als solches entscheidend zur Stärkung von Kindern bei“ (Suess/Burat-Hiemer 2009, 53). Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die vorliegende Bachelor-Thesis mit der Frage, inwieweit die Bindung zu Tieren einen Schutzfaktor für die psychische Entwicklung von Kin- dern darstellt und den Kindern dabei helfen kann, die mit der heutigen Kindheit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen. Das Wort „Tier“ bezieht sich dabei auf „alle Tiere, die ein Mensch als sozialen Begleiter […] und nicht primär für ökonomische Zwecke hält“ (Turner 2003, 379). Als soziale Begleiter haben sich insbesondere Tiere erwiesen, „die aufgrund ihrer genetischen Ausstattung sowie einer adäquaten frühen Sozialisation in der Lage sind, menschliche Emotionen zu lesen und angemessen darauf zu reagieren“ (Julius et al. 2014,
168). Dies vermögen vor allem domestizierte Tiere, wie z.B. Hunde, Katzen oder Pferde, da sie sich im Laufe mehrerer tausend Jahre zunehmend an das Leben mit Menschen ange- passt haben (Julius et al. 2014, 168). In der Literatur werden sie in der Regel als Heimtiere bezeichnet (Turner 2003, 379). Zur Beantwortung der Fragestellung wird im zweiten Kapitel zunächst beschrieben, durch welche Besonderheiten und Schwierigkeiten die heutige Kindheit gekennzeichnet ist. Dabei wird der Fokus vor allem auf diejenigen Sozialisationsbedingungen gerichtet, die in der herangezogenen Literatur häufig Erwähnung finden und von denen daher angenommen wird, dass sie typisch für die heutige Kindheit sind. Im dritten Kapitel folgt eine theoretische Begriffsklärung von psychischer Gesundheit sowie eine Erläuterung von Risiko- und Schutzfaktoren hinsichtlich ihrer Bedeutung und ih- ren Einfluss auf die psychische Gesundheit. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf die Bindungstheorie^1 eingegangen, da Bindung als eine der wichtigsten Schutzfaktoren in der kindlichen Entwicklung gilt und sich die Fragestellung der vorliegenden Arbeit auf die Bindung zu Tieren bezieht. In der Tat können emotional bedeutsame Beziehungen nicht nur zwischen Menschen entstehen, sondern auch zwischen Menschen und Tieren (Beetz 2003, 77). Für die Beziehungen zwischen Mensch und Tier gibt es verschiedene theoretische Er- klärungsmodelle, die im vierten Kapitel erläutert werden. Sie bilden die theoretische Grund- lage dafür, dass eine enge Beziehung zwischen Mensch und Tier überhaupt möglich ist. Ins- besondere das bindungstheoretische Modell legt nahe, dass Tiere Bindungsobjekte für den Menschen darstellen und ähnliche Bindungsbedürfnisse wie eine nahe Bezugsperson erfül- len können (Vernooij & Scheider 2010, 10f.). Allgemein gehen alle Erklärungsmodelle davon aus, dass die Beziehung zwischen Mensch und Tier die Grundlage dafür bildet, dass Tiere einen positiven Einfluss auf die menschliche Physis und Psyche haben können (Julius et al. 2014, 16). So können Tiere z.B. Stress reduzieren, die Empathie steigern oder soziale Inter- aktionen fördern (Julius et al. 2014, 53). Diese positiven Wirkeffekte werden schließlich im fünften und letzten Kapitel geschil- dert. Nachdem in den vorigen Kapiteln die theoretische Grundlegung erfolgt ist, soll im fünf- ten Kapitel die Fragestellung der vorliegenden Thesis beantwortet und erörtert werden, in- wieweit die Bindung zu Tieren einen Schutzfaktor für die psychische Entwicklung von Kin- dern darstellt. Dazu werden die positiven Wirkungen, die Tiere auf den Menschen haben können, zunächst beschrieben und anschließend auf die Sozialisationsbedingungen der heu- tigen Kindheit bezogen. Dabei werden vornehmlich diejenigen positiven Wirkeffekte ausge- (^1) Da es sich bei der Bindungstheorie und den Risiko- und Schutzfaktoren um sehr umfassende Themen handelt, wird im Kapitel 3 nur auf die wichtigsten bzw. für die vorliegende Arbeit relevanten Aspekte eingegangen, um den Rahmen der Thesis nicht zu überschreiten.
Im Laufe des letzten Jahrhunderts ist die Lebensphase Kindheit bedeutenden, positiven Ver- änderungsprozessen unterlegen gewesen (Lauterbach & Lange 2000, 5). So hat sich die Kindheit in der Mehrzahl der westlichen Länder zu einer eigenständigen Lebensphase entwi- ckelt, in der die „Anerkennung besonderer Bedürfnisse und Sichtweisen von Kindern […] zu einem grundlegenden Bestandteil des kulturell verbindlichen Umgangs mit Kindern gewor- den“ ist (Lauterbach & Lange 2000, 5). Zahlreiche Veränderungen auf gesellschaftlicher und rechtlicher Ebene, wie z.B. die Einführung der Schulpflicht oder das Verbot von Kinderarbeit, führten dazu, dass sich Kindheit im 20. Jahrhundert zu einem Schon- und Schutzraum für Bildung und Erziehung entwickeln konnte (Andresen & Hurrelmann 2010, 15f.). Heute ist die Lebensphase Kindheit ein rechtlich verankerter, geschützter Lebensabschnitt (Lauterbach & Lange 2000, 5). Kinder werden als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft angesehen, denen spezifische Rechte, wie sie beispielsweise in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nati- onen verankert sind, zugesprochen werden (Andresen & Hurrelmann 2010, 8). Diese positi- ven Fortschritte wurden von zahlreichen Wandlungsprozessen begleitet, die sich insbeson- dere nach dem Zweiten Weltkrieg vollzogen haben und die die heutigen Sozialisationsbedin- gungen von Kindern maßgeblich prägen (Lauterbach & Lange 2000, 5). Nachfolgend sollen die spezifischen Herausforderungen, mit denen Kinder heute konfrontiert werden, vorgestellt werden. Je nach kulturellen, wirtschaftlichen, pädagogischen und politischen Begebenheiten wird Kindheit in jedem historischen Zeitalter anders verstanden und sowohl von gesellschaft- lichen Einflüssen als auch normativen Vorstellungen geprägt (Andresen & Hurrelmann 2010, 22 f.). Insofern stellt jedes Zeitalter die Kinder vor spezifische Schwierigkeiten und Sozialisa- tionsbedingungen und es soll nicht Anliegen der vorliegenden Arbeit sein, diese normativ zu bewerten.
„Eine Erfahrung, die derzeit viele Menschen ungeachtet ihres sozialen Standortes in der Ge- sellschaft teilen, ist das Gefühl einer großen Verunsicherung angesichts der Vielfalt neuer Lebensbedingungen“ (Lange 2000, 209). Die daraus resultierenden Chancen und Risiken fordern die Menschen in ihrem Denken und Handeln heraus und erfordern bestimmte Res- sourcen und Kompetenzen, um die damit einhergehende Verunsicherung zu bewältigen (Lange 2000, 209). Die höhere Lebenserwartung in den postmodernen, westlichen Industrie- staaten hat zu einer Umstrukturierung des Lebenslaufs und einer stärkeren Differenzierung der einzelnen Lebensphasen geführt, welche einer individuellen Gestaltung bedürfen (Hur- relmann 2011, 167). Dadurch ist „die ‚Architektur‘ des Lebenslaufes […] im historischen Ver- lauf vielfältiger und fragiler geworden“ (Hurrelmann 2011, 167). Heute stellen sich komplexe-
re Anforderungen an die Selbstorganisation des Lebenslaufs als in früheren Generationen. Dadurch eröffnen sich zwar einerseits neue Handlungs- und Gestaltungsspielräume, aber andererseits bringen nicht alle Menschen die dafür notwendigen Kompetenzen mit (Hurrel- mann 2011, 167f.). Es entstehen Unsicherheiten und Ungewissheiten bezüglich der Lebens- führung, umso mehr, als wenig feste Vorgaben oder typische Abläufe zur Verfügung stehen, die dabei Orientierung bieten könnten (Hurrelmann 2011, 173). Infolgedessen steigt das Ri- siko, „dass die zeitliche und soziale ‚Taktung‘ des Lebenslaufs nicht im Einklang mit den in- dividuell realisierbaren Möglichkeiten“ steht (Hurrelmann 2011, 173). In der Tat kann die Umstrukturierung des Lebenslaufs die Entstehung neuer Risikofaktoren bedeuten, welche zu neuartigen Entwicklungs- und Gesundheitsproblemen führen (Hurrelmann 2011, 167f.). Dies trifft insbesondere für die Menschen zu, die mit der Selbststeuerung ihrer Leistungs- und Gesundheitsentwicklung überfordert sind, da ihnen die erforderlichen Ressourcen für eine individuelle und selbstständige Lebensgestaltung fehlen (Hurrelmann 2011, 173). Ulrich Beck fasst die beschriebenen Prozesse unter dem Konzept der Individualisie- rung zusammen, welches in seinem Werk Risikogesellschaft (1986) bekannt geworden ist (Szymenderski 2013, 45). Individualisierung beschreibt die „Herauslösung der Biographie von Menschen aus traditionalen Sicherheiten und institutionel- len Vorgaben. Der Erfahrungshorizont und Erfahrungsraum der Individuen werden nicht mehr durch Rollen, Klassen und Systeme gerahmt. […] Die Gestaltung der eigenen Biographie wird in die Verantwortung jedes Einzelnen gelegt“ (Szymenderski 2013, 45). Einerseits erhalten die Menschen dadurch größere Entfaltungsmöglichkeiten und können mehr biografische Entscheidungen treffen (Szymenderski 2013, 45). Andererseits verlieren sie an Sicherheit und werden für das Gelingen oder Scheitern getroffener Lebenslaufent- scheidungen verantwortlich gemacht. Von diesen gesellschaftlichen Strömungen sind auch Kinder betroffen (Lange 2000, 209). Die Art und Weise, wie die Eltern ihr Leben führen, gestalten und bewältigen, wirkt sich unmittelbar auf das Familien- und Erziehungsumfeld der Kinder aus. Ist die Lebensführung der Eltern durch Verunsicherung und unpassende Lebenslaufentscheidungen geprägt, er- höht dies sowohl das Stressempfinden der Eltern selbst als auch das der Kinder. Lebens- entwürfe sind heute nicht mehr normativ vorgegeben, wodurch sich eine Vielfalt von Gestal- tungsmöglichkeiten, Lebensstilen und - formen sowie Werteorientierungen ergibt, unter de- nen Eltern die für sie passenden Lebensmöglichkeiten auswählen müssen (Fuhrer 2007, 22 f.). Auch die Lebensphase der Kinder ist von der Umstrukturierung des Lebenslaufs be- troffen. Im historischen Vergleich ist der Lebensabschnitt Kindheit aufgrund des früheren Eintritts in die Pubertät sehr viel kürzer geworden. Gleichzeitig sind die Anforderungen hoch und komplex aufgrund der zahlreichen, zu bewältigenden Entwicklungsaufgaben (Hurrel- mann 2011, 168f.). Im Zeitalter des Internets und der Konsumgesellschaft werden Kinder
besondere für Alleinerziehende kann es sehr schwierig sein, Familie und Beruf zu vereinba- ren, sodass sie und ihre Kinder überdurchschnittlich oft armutsgefährdet sind (Bundesminis- terium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2012, 53). Im Jahr 2012 waren etwa 6 von 10 Müttern, die mit mindestens einem minderjährigen Kind in einem Haushalt lebten, aktiv erwerbstätig (Keller & Haustein 2013, 865). Insgesamt ist die Erwerbstätigkeit der Mütter zwischen 1996 und 2012 um 5 % gestiegen (Keller & Haustein 2013, 866). Während 1996 noch 40 % der Väter allein aktiv erwerbstätig waren, waren es 2012 nur noch 29,4 %. An diesen Zahlen wird deutlich, dass der Anteil der Familien mit einer traditionellen Rollenvertei- lung, in der der Mann der Hauptverdienende und Ernährer der Familie ist und die Frau zu Hause bleibt und die Kinder betreut, zusehends geringer wird (Keller & Haustein 2013, 869f.). Dies bedeutet, dass weniger Zeit für die Familie da ist und die Kinderbetreuung stär- ker koordiniert und abgestimmt werden muss. Wenn den Eltern dabei kein verlässliches Be- treuungssystem für ihre Kinder zur Verfügung steht oder die Erwerbstätigkeit den Eltern eine hohe Flexibilität und Mobilität abverlangt, kann es zu Belastungen kommen (Andresen & Hurrelmann 2010, 83). Hinzu kommt als Stressquelle die ständige Erreichbarkeit durch mo- derne Kommunikationsmittel und der damit verbundene Antwortdruck (Julius et al. 2014, 195). Auch wenn Kinder nicht direkt von den genannten Belastungsfaktoren betroffen sind, können sie das erhöhte Stressaufkommen der Eltern trotzdem zu spüren bekommen, z.B. durch weniger zur Verfügung stehende Zeit oder ein angespanntes Familienklima. Zusätzlich zeichnet sich auch die Lebenswelt der Kinder durch Stress aus. Teilweise leiden sie unter hohen psychischen Belastungen aufgrund des hohen Leistungsdrucks in der Schule (Hur- relmann 2011, 178). Laut Andresen & Hurrelmann hat die World Vision-Kinderstudie 2007 ergeben, dass ein Drittel der Grundschüler_innen Angst vor schlechten Noten, Klassenarbei- ten und dem Nichterreichen einer höheren Klassenstufe hat. Außerdem geben sie an, Angst vor Schwierigkeiten mit der Hausaufgabenbewältigung und mit den Lehrer_innen zu haben (Andresen & Hurrelmann 2010, 110). Laut einer repräsentativen Gesundheitsstudie, im Rahmen derer 5000 Kinder im Alter zwischen 7 und 9 Jahren befragt wurden, fühlt sich jedes vierte Kind oft oder sogar sehr oft gestresst (Beisenkamp & Müthing & Hallmann & Klöckner 2012, 144). Dabei gibt etwa ein Drittel aller Kinder an, dass sie die Schule als größten Stressfaktor empfinden. Schlechte Noten sowie schulische Leistungsanforderungen (z.B. Hausaufgaben oder Diktate) führen zu Überforderung (Beisenkamp et al. 2012, 139f.). Dabei wird der Leistungsdruck auch an der hohen Inanspruchnahme von Nachhilfeunterricht deut- lich. Die Eltern reagieren oft panisch, wenn ihr Kind Lerndefizite aufzeigt, und nehmen hohe Kosten für Nachhilfe in Kauf (Andresen & Hurrelmann 2010, 110). 45 % der Kinder wünscht sich dringend mehr Erholung: Sie stimmen der Aussage „Ich würde mich gerne häufiger aus- ruhen“ sehr zu (Beisenkamp et al. 2012 , 155). Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Belas-
tungsfaktoren Stress und Leistungsdruck nicht nur der Erwachsenenwelt vorbehalten sind, sondern auch schon auf Kinder im Grundschulalter zutreffen. „Von einem sozialen und psy- chischen ‚Schonraum‘ – einem Moratorium für die ungestörte eigene Entwicklung mit viel Probezeit, bei der auch Fehler gemacht werden dürfen – kann heute nicht mehr die Rede sein“ (Hurrelmann 2011, 169).
Zu den bedeutenden Wandlungen der Kindheit zählt die Tatsache, dass die Kinder heute in anderen Familienstrukturen als noch vor 50 Jahren aufwachsen (Lauterbach & Lange 2000, 5). So wie sich die Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten verändert hat, haben sich auch die familialen Lebenszusammenhänge, in denen Kinder aufwachsen, gewandelt (Lauterbach 2000, 155). „Familien befinden sich aus historischer Perspektive in einem Wandlungspro- zess, der sich auf Kinder und Kindheit auswirkt und mit anderen grundlegenden gesellschaft- lichen Veränderungen zusammenhängt“ (Andresen & Hurrelmann 2010, 79f.). Das bürgerli- che Familienideal einer lebenslangen, monogamen Ehe zwischen Mann und Frau, die mit ihren gemeinsamen Kindern in einem Haushalt leben, verliert seit Mitte der 1960er Jahre an normativer Bedeutung und wird zunehmend abgelöst durch alternative Familienformen (Peu- ckert 2012, 11). Die bürgerliche Familie ist nicht mehr die einzige Familienform, die aner- kannt und gelebt wird (Andresen & Hurrelmann 2010, 80). Ablesbar ist dieser Wandel an demografischen Makroindikatoren wie sinkenden Geburten- und Heiratszahlen, einer starken Zunahme der Ehescheidungen sowie einer Entkoppelung von Heirat und Fertilität mit ein- hergehender Zunahme der Nichtehelichenquote (Peuckert 2012, 17ff.). Besonders relevant erscheinen hier aus Kinderperspektive die hohen Scheidungs- zahlen. Im früheren Bundesgebiet hat sich die jährliche Zahl der Scheidungen zwischen 1960 und 2009 verdreifacht, während sie sich in der ehemaligen DDR zwischen 1960 und 1989 verdoppelt hat (Peuckert 2012, 19). Laut statistisches Bundesamt ist damit zu rechnen, dass 35 % aller in einem Jahr geschlossenen Ehen innerhalb der nächsten 25 Jahre wieder geschieden werden (Statistisches Bundesamt 2015). Im Jahr 2015 hatte ungefähr die Hälfte der geschiedenen Ehepaare gemeinsame, minderjährige Kinder. Insgesamt waren 2015 rund 132 000 minderjährige Kinder von der Scheidung ihrer Eltern betroffen (Statistisches Bundesamt 2016). Immerhin bleibt die Ehe mit einem Anteil von 71 Prozent die am häufigs- ten verbreitete Familienform in Deutschland (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frau- en und Jugend 2012, 14). Auch wächst die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen nach wie vor in einer klassischen Kernfamilie mit verheirateten, leiblichen Eltern auf, wie an der fol- genden Grafik zu erkennen ist:
hohe Brüchigkeit partnerschaftlicher und familiärer Lebensformen schlussfolgern, die zu be- sonderen Herausforderungen sowohl auf individueller als auch familiensystemischer Ebene führen können (Schneewind 2000, 189f.). In der Scheidungsforschung wird die Trennung oder Scheidung von Eltern als ein wichtiges, kritisches Ereignis im Leben von Kindern einge- stuft. Die mit der Trennung verbundenen, einschneidenden Konsequenzen können bei den Kindern zu psychosozialen Belastungen führen. Dazu zählen vermehrte elterliche Konflikte, die Reduzierung des Kontakts zu einem Elternteil, ein nach der Trennung erforderlicher Um- zug mit Schul- und Kita-Wechsel, sowie die potentielle Einschränkung zeitlicher und finanzi- eller Ressourcen beim alleinerziehenden Elternteil (Rattay et al. 2014 , 860). Viele der geschiedenen Eltern gehen nach einer gewissen Zeit wieder eine Partner- schaft ein, teilweise auch gefolgt von einer erneuten Heirat (Krähenbühl & Jellouschek & Kohaus-Jellouschek & Weber 2011, 29). Dabei muss die neue Person in die zwar getrennte, aber bereits bestehende Familie integriert werden (Steinbach 2015, 573). Dieser Integrati- onsprozess ist mit zahlreichen Herausforderungen für alle Beteiligten verbunden, da die fa- milialen Rollen, Rechte und Pflichten aller Beteiligten neu bestimmt und reorganisiert werden müssen (Krähenbühl et al. 2011, 34f.). Dieser Prozess ist insbesondere für die Kinder schwierig, da sie aufgrund der vorhergehenden Trennung ohnehin schon mit dem Verlust einer Familieneinheit oder einer wichtigen Bezugsperson belastet sind und diese schmerz- haften Veränderungen zunächst verarbeiten müssen (Krähenbühl et al. 2011, 31ff.). Mit dem Hinzutreten eines neuen Partners bzw. einer neuen Partnerin an der Seite des Elternteils müssen die Kinder sich aber erneut auf Veränderungen im familialen System und im Alltag einstellen (Rattay et al. 2014, 860). Dabei geraten sie oft in schmerzhafte Loyalitätskonflikte, da sie Angst davor haben, durch eine gute Beziehung zum Stiefelternteil ihre Beziehung zum außerhalb lebenden Elternteil in Gefahr zu bringen (Steinbach 2015, 575). Nach der Tren- nung ändert sich nichts an der Liebe des Kindes zu den Eltern und es würde am liebsten beide Elternteile behalten (Krähenbühl et al. 2011, 107). Durch das Eingehen einer neuen Partnerschaft muss das Kind allerdings einsehen, dass die Mutter oder der Vater nicht zu- rückkehren wird, und somit seine Hoffnung auf eine mögliche Versöhnung aufgeben (Nave- Herz 2012, 111). Rivalitätskonflikte mit dem sozialen Elternteil können die Folge sein. Inso- fern stellt die Gründung einer Stieffamilie die Kinder vor zahlreiche Anpassungsleistungen (Rattay et al. 2014, 860). Aus den obigen Schilderungen wird deutlich, dass die Pluralisierung der Familienfor- men durchaus bedeutsame Folgen für die Kinder haben kann, gerade vor dem Hintergrund, dass die Eltern die wichtigsten Bezugspersonen für die Kinder darstellen (Lauterbach 2000, 158 ). In der Tat scheint „moderne Kindheit […] eine individualisierte Kindheit, mit häufig wechselnden erwachsenen Personen und damit wenig verlässlichen, dauerhaften Beziehun- gen zu sein“ (Lauterbach 2000, 159). Diese „Instabilität der Personenkonstellationen im Zu-
sammenleben von Eltern und Kindern“ (Lauterbach 2000, 158) kann sich entsprechend ne- gativ auf die kindliche Entwicklung und das Wohlbefinden auswirken (Lauterbach 2000, 158). Hinzu kommt, dass sich die sozialen Beziehungen zu Geschwistern verringern (Lauterbach 200 0, 156). Während 1975 noch in 19 % der Familien drei oder mehr minderjährige Kinder aufwuchsen, waren es 2011 nur noch 11 %. Der Anteil an Mehrkindfamilien ist also erheblich gesunken. Heute ist jedes vierte Kind in Deutschland ein Einzelkind. Zwar wächst der Groß- teil der Kinder in Deutschland nach wie vor mit Geschwistern auf, denn fast die Hälfte aller Kinder hat einen Bruder oder eine Schwester und 19 % haben zwei Geschwister (Bundesmi- nisterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2012, 16ff.), aber vor dem Hintergrund des allgemeinen Geburtenrückgangs und der zunehmenden Kinderlosigkeit ist ein eindeuti- ger Trend zu kleineren Familien zu erkennen. Dies legt die Schlussfolgerung nahe, dass den Kindern dadurch weniger soziale Erfahrungsmöglichkeiten mit Geschwistern, Cousins und Cousinen zur Verfügung stehen (Greiffenhagen & Buck-Werner 2012, 69). Ein weiterer wichtiger Raum für Beziehungs- und Bindungserfahrungen sind Freund- schaften. Sie haben einen maßgeblichen Einfluss auf das Wohlbefinden und die Persönlich- keitsentwicklung der Kinder (Andresen & Hurrelmann 2010, 122). In der Tat „belegen die Ergebnisse der Kindheitsforschung, dass Freundschaften zwischen Kindern zu den relevan- ten Rahmenbedingungen eines gelingenden Aufwachsens im Kindes- und Jugendalter gehö- ren“ (Andresen & Hurrelmann 2010, 125). Während die Mehrheit der Kinder zwischen 8 und 11 Jahren gut integriert ist, haben 28 % der Kinder zu wenig Freund_innen oder sind mit der Qualität ihrer Freundschaften unzufrieden. 7 % der Kinder sind unzureichend integriert (Schneekloth & Leven 2007 , 144f.). Fügt man dies zu dem Bild der Brüchigkeit von Familiensystemen und der abneh- menden Geschwisterbeziehungen hinzu, so scheint es in der modernen Lebenswelt schwie- rig zu sein, stabile und zuverlässige Sozialbeziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Zusätzlich steht wenig Zeit für soziale Beziehungen zur Verfügung, da die Menschen zu- nehmend Zeit mit modernen Medien wie Fernsehen, Computerspielen und Internetsurfen verbringen (Julius et al. 2014, 195). Vor diesem Hintergrund soll im nächsten Abschnitt der Medienkonsum in der Kindheit näher beleuchtet werden.
Heute wirken Medien in nahezu alle Lebensbereiche hinein und beeinflussen die Wahrneh- mung von der Wirklichkeit, das Verständnis der Welt, sowie die Gefühle, die Sprache und das Handeln von Individuen (Neuß & Schill 2012, 5). Bereits im Kindesalter sind Medien leicht zugänglich und stellen einen bedeutenden Anteil der Sozialisationsumwelt und All- tagswelt der Kinder dar. Davon ausgehend werden zunehmend Begriffe wie „Medienkindheit“ und „Mediensozialisation“ verwendet (Andresen & Hurrelmann 2010, 129). „Die Lebenswelt
Ganz oben steht der Fernseher, der von 79 % der Kinder (fast) täglich genutzt wird, dicht gefolgt von Hauaufgaben und Lernen (70 %) (Feierabend et al. 2015 , 10). Dabei besitzt das Fernsehen die größte mediale Anziehungskraft: 61 % der Kinder könnten am wenigsten da- rauf verzichten (Feierabend et al. 2012, 70) und für 36 % ist es die liebste Freizeitbeschäfti- gung (Feierabend et al. 2015 , 20). Weitere 38 % der Kinder sind (fast) täglich mit ihren Smartphones, 25 % mit dem Internet und 24 % mit Computer-, Konsolen- und Onlinespielen beschäftigt (Feierabend et al. 2015 , 10). Ähnlich wie beim Gerätebesitz erlangen bestimmte Aktivitäten mit steigendem Alter eine verstärkte Attraktivität, wie z.B. das Spielen am PC, an der Konsole oder die Internetnutzung (Feierabend et al. 2015 , 12). Laut Aussagen der Hauptbezugspersonen nutzen ihre Kinder an einem durchschnittlichen Tag 93 Minuten den Fernseher und 36 Minuten das Internet, verbringen 33 Minuten mit Computer-, Konsolen- oder Onlinespielen, hören 29 Minuten lang Radio, lesen 23 Minuten in einem Buch, spielen 14 Minuten am Handy oder Smartphone und 4 Minuten am PC-Tablet (Feierabend et al. 2015 , 72). Anhand dieser Zahlen wird deutlich, dass der Medienkonsum einen großen und wich- tigen Bestandteil in der kindlichen Lebenswelt darstellt. Das Kindesalter zeichnet sich inzwi- schen durch eine hohe Medienbeteiligung aus, welche in ihrem Mustern kaum noch Unter- schiede zu Erwachsenen aufweist (Hurrelmann 2011, 169). Während es sicherlich eine sehr pauschalisierte und undifferenzierte Aussage wäre, zu behaupten, dass Medien sich generell schädlich auf die kindliche Entwicklung auswirken, so verändern sie nichtsdestotrotz den Alltag von Kindern und sind mit einer Reihe von Risikofaktoren assoziiert. Spätestens mit der Verbreitung des Fernsehens hat die Kindheit seinen Schonraum verloren, in welchem es von Impulsen aus der realen Welt geschützt werden kann. Durch das Fernsehen haben Kinder heute einen direkten Zugang zur Lebensrealität und müssen sich mit den Entwicklungen der realen Welt auseinandersetzen. Dabei erscheint fraglich, ob Kinder über die notwendigen Kompetenzen verfügen, um z.B. dramatische Nachrichten angemessen verarbeiten zu kön- nen (Andresen & Hurrelmann 2010, 132). Am Anfang des 21. Jahrhunderts kam das Internet als weiteres Massenmedium hinzu, das für die Mehrheit der Kinder genauso frei zugänglich ist wie das Fernsehen und ihnen ein noch breiteres Nutzungsspektrum ermöglicht (Andresen & Hurrelmann 2010, 132). „Durch die modernen Medien haben Kinder schon im ersten Le- bensjahrzehnt Zugang zu allen für sie relevanten Lebenswelten und gesellschaftlichen Reali- tätssphären“ (Andresen & Hurrelmann 2010, 133). Diese Überflutung von Informationen kann Kinder aufgrund fehlender Kompetenzen und Orientierung überfordern. Gleichzeitig führt die Nutzung von Medien zu einer „Verhäuslichung“ von Kinderaktivitäten: Im histori- schen Verlauf gesehen, finden kindliche Freizeitaktivitäten zunehmend in Räumen statt, die zu „sozialen Inseln“ in der realen Welt werden können (Andresen & Hurrelmann 2010, 133). Kinder verbringen dadurch zunehmend Zeit in Gebäuden anstatt im Freien und erleben we-
niger Bezüge zur Natur (Greiffenhagen & Buck-Werner 2012, 70f.). Während der Nutzung der Medien sind die Kinder an bestimmte Räume gebunden, wodurch die Exploration ande- rer Räume zu kurz kommen kann. Problematisch ist dabei, dass es für eine gesunde Persön- lichkeitsentwicklung wichtig ist, dass bei der Auseinandersetzung mit der Welt alle Sinne eingesetzt werden und dieser Prozess bei einer zu großen Dominanz von Medien im Alltag gestört werden kann (Andresen & Hurrelmann 2010, 134). Zusätzlich führt diese „‘Verinselung‘ kindlicher Lebensräume“ (Greiffenhagen & Buck- Werner 2012, 69) dazu, dass wenig spontane Treffmöglichkeiten vor dem Haus und infolge- dessen wenig Möglichkeiten für soziale Beziehungserfahrungen entstehen (Greiffenhagen & Buck-Werner 2012, 69f.). In der Tat kann die Mediennutzung dazu führen, dass Aktivitäten mit Freund_innen und Familienmitgliedern an Bedeutung verlieren und sich der Kontakt zu Gleichaltrigen verringert (Egmond-Fröhlich & Mößle & Ahrens-Eipper & Schmid-Ott & Hüllinghorst, & Warschburger 2007, 2562). Durch die ausschließlich virtuellen Erfahrungen während des Medienkonsums findet eine Entfremdung von der realen Umwelt statt (Greif- fenhagen & Buck-Werner 2012, 70). Medien erfordern keine realen, sozialen Interaktionen und können somit auch keinen Ausgleich bieten (Paschke o.J., 2). „Vermindern sich durch hohen Medienkonsum realweltliche interaktive Erfahrungen von Kin- dern, lässt sich annehmen, dass in dieser sensiblen Entwicklungsphase Reifungsprozesse gestört werden. Dies könnte zu Defiziten in der Entwicklung sozialer Fertigkeiten und schließ- lich einer erhöhten Vulnerabilität für die Entstehung kinder- und jugendpsychiatrischer Erkran- kungen führen“. (Paschke o.J., 2). Zusätzlich wird exzessive Mediennutzung mit Risiken wie aggressives Sozialverhalten, Kon- zentrationsschwierigkeiten sowie schlechteren Schulleistungen verbunden. Zu den körperli- chen Folgen werden unter anderem Bewegungsmangel, Reduzierung der körperlichen Fit- ness, höheres Risiko für Adipositas sowie Schlafstörungen gezählt (Egmond-Fröhlich et al. 2007 , 2561ff.) Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Umstrukturierung des Lebenslaufs und die damit verbundenen Anforderungen an die Selbststeuerung von Individuen, das hohe Stressaufkommen in Schule und Arbeitswelt, die Brüchigkeit sozialer und familialer Bezie- hungen sowie der zunehmende Stellenwert von Medien die Kinder heute vor besondere Herausforderungen stellt, die es zu bewältigen gilt. „In der Komplexität moderner Lebenswel- ten in Industrienationen sind geschützte Entwicklungsräume von Kindheit […] seltener. Dies erschwert die Sozialisation und stellt hohe Anforderungen an die Kinder“ (Bengel et al. 2009, 10). Sozialisation kann dabei als fortwährende Bewältigung von Lebensanforderungen ver- standen werden. Wenn die individuellen Ressourcen des Kindes zur Bewältigung der Anfor- derungen und Belastungen nicht ausreichen, wirkt sich dies in Form von Störungen in der sozialen oder psychischen Entwicklung aus und es kann u.a. zu psychischen Erkrankungen
In der vorliegenden Arbeit soll herausgefunden werden, inwieweit Tiere ein Schutzfaktor für die psychische Entwicklung von Kindern sein können. Dies impliziert die Stärkung der psy- chischen Entwicklung mit dem Ziel, einen positiven Beitrag zur psychischen Gesundheit von Kindern zu leisten. Vor diesem Hintergrund gilt es, zunächst psychische Gesundheit zu defi- nieren und im Anschluss die Bedeutung und den Einfluss von Risiko- und Schutzfaktoren auf die psychische Gesundheit zu erläutern.
Die wohl am häufigsten zitierte Definition von Gesundheit stammt von der WHO (Göppel 1997, 330). Im Sinne einer bio-psycho-sozialen Vorstellung von Gesundheit wird sie von der WHO als „ein Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen“ definiert (Schlipfenbacher & Jacobi 2014, 2.e1). Dazu passend definieren Andresen und Hurrelmann Gesundheit als: „Zustand des objektiven und subjektiven Befindens eines Kindes, der gegeben ist, wenn die- ses Kind sich in körperlichen, psychischen und sozialen Bereichen seiner Entwicklung im Ein- klang mit den eigenen Bedürfnissen und persönlichen Möglichkeiten und den jeweils gegebe- nen, äußeren Lebensbedingungen befindet“ (Andresen & Hurrelmann 2010, 146). Es kommt zu einer Beeinträchtigung der Gesundheit, wenn das Kind mit Anforderungen von innen oder außen konfrontiert wird, die es nicht bewältigen kann. Die Folge können soziale, psychische oder körperliche Auffälligkeiten sein (Andresen & Hurrelmann 2010, 146). Beide Definitionen verdeutlichen, dass die psychische Gesundheit neben körperlichen und sozialen Aspekten zu den drei Grundsäulen von Gesundheit zählt (Neuner 2015, 2). Psychische Ge- sundheit ist dabei ein sehr komplexes Konstrukt (Göppel 1997, 321). Sie wird nicht nur von der individuellen Veranlagung, sondern im Rahmen eines vielschichtigen Prozesses auch von sozialen, kulturellen, sozioökonomischen und ökologischen Faktoren beeinflusst. Je nach Lebensphase und Lebenswelt kann sie auf verschiedene Art und Weise erlebt und de- finiert werden (Neuner 2015, 2). Dabei können „psychisches Gesundsein und psychisches Kranksein […] als die Extrempole eines Kontinuums verstanden werden. Im mittleren, neut- ralen Bereich kann der durchschnittlich Normale angesiedelt werden“ (Schlipfenbacher & Jacobi 2014, 2.e2). Die WHO definiert psychische Gesundheit „als Zustand des Wohlbefin- dens, in dem der Einzelne seine Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv und furchtbar arbeiten kann und imstande ist, etwas zu seiner Ge-
meinschaft beizutragen“ (Schlipfenbacher & Jacobi 2014, 2.e1). Damit geht diese Definition^2 über die bloße Abwesenheit von psychischen Krankheiten und Störungen hinaus (Neuner 2015, 118). Vielmehr ist psychische Gesundheit Voraussetzung für die Entfaltung der indivi- duellen Potentiale und für eine selbstbestimmte Teilhabe an der Gesellschaft und am Ar- beitsleben (Schlipfenbacher & Jacobi 2014, 2.e1). Passend zu Andresens und Hurrelmanns Definition weiter oben kann psychische Gesundheit auch als „die Fähigkeit zur Bewältigung externer und interner (psychischer) Anforderungen“ gefasst werden (Fiedler 2012, 121 ). Auf Basis dieser Definitionen geht es in der vorliegenden Arbeit also darum, inwieweit Tiere Kinder bei der Bewältigung der heutigen Sozialisationsbedingungen unterstützen und sie dadurch vor Überbeanspruchung und Störungen schützen können. Allgemein wird die psychische Gesundheit von diversen Risiko- und Schutzfaktoren beeinflusst, welche Gegen- stand der Resilienzforschung sind: „Gesundheit ist […] ein hochkomplexer Prozess, in dem Risiken und Ressourcen miteinander agieren und täglich neu ‚aushandeln‘, auf welche Seite eines Kontinuums mit den Eckpunkten von Gesundheit und Krankheit […] sich ein Individu- um gerade befindet“ (Greiffenhagen & Buck-Werner 2012, 155). Vor diesem Hintergrund werden im nächsten Kapitel Risiko- und Schutzfaktoren behandelt.
Die kindliche Entwicklung und Gesundheit werden von vielen verschiedenen Faktoren direkt und indirekt beeinflusst. Dabei wird zwischen wünschenswerten, unterstützenden Einflüssen auf der einen Seite und hemmenden, ungünstigen Einflüssen auf der anderen Seite unter- schieden (Suess & Burat-Hiemer 2009, 41ff.). Diese sogenannten Risiko- bzw. Schutzfakto- ren wirken sich entweder risikoerhöhend oder risikomildernd auf die kindliche Entwicklung aus (Vernooij & Schneider 2010, 67). Risikofaktoren Unter Risikofaktoren versteht man Einflussfaktoren, die die Wahrscheinlichkeit für das Auf- treten einer psychischen Störung erhöhen (Heinrichs & Lohaus 2011, 19). Es handelt sich um Bedingungen und Merkmale, die sich gefährdend und damit hemmend auf die kindliche Entwicklung auswirken können (Vernooij & Schneider 2010, 67). Dabei kann zwischen prä- natalen, perinatalen und postnatalen Risikofaktoren unterschieden werden. Zu den pränata- len Risikofaktoren zählen genetische Defekte (z.B. strukturelle oder zahlenmäßige Verände- rungen des Chromosomenbestands, ungünstige Genvarianten) und Teratogene, wie z.B. Alkohol oder Medikamente, die je nach Alter des ungeborenen Kindes entweder zu körperli- chen oder funktionellen Schädigungen führen können. Als perinatale Risikofaktoren gelten (^2) Zusätzlich gibt es zahlreiche andere Definitionen von psychischer Gesundheit, die sich nicht wie hier auf das subjektive Wohlbefinden, sondern auf Aspekte wie z.B. Lebensqualität, Störungsfreiheit, Normalität oder Leis- tungsfähigkeit beziehen (Göppel 1997, 323ff.). Eine tiefergehende Auseinandersetzung würde aber den Rahmen dieser Arbeit überschreiten.