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Leitfäden und Tipps
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Werkstoffkunde 1 Zusammenfassung WS 12/13 TU München, Zusammenfassungen von Werkstoffkunde

Zusammmenfassung VO Werkstoffkunde - Wintersemester 2012/2013 - Prof. E. Werner

Art: Zusammenfassungen

2019/2020

Hochgeladen am 28.08.2020

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Nur auf Docsity: Lade Werkstoffkunde 1 Zusammenfassung WS 12/13 TU München und mehr Zusammenfassungen als PDF für Werkstoffkunde herunter! 1 WERKSTOFFKUNDE 1 Wintersemester 2012/2013 – Prof. E. Werner ***Die vorliegende Zusammenfassung inkl. aller enthaltenen Bilder basieren auf den offiziellen Vorlesungsunterlagen*** KAPITEL 1: EINFÜHRUNG .......................................................................................................... 2 KAPITEL 2: PHYSIKALISCHE EIGENSCHAFTEN ............................................................................. 2 KAPITEL 3: MECHANISCHE KENNWERTE .................................................................................... 4 KAPITEL 4: ANORDNUNG DER ATOME IM FESTKÖRPER ................................................................ 8 KAPITEL 5: KRISTALLPLASTIZIÄT UND GITTERBAUFEHLER ......................................................... 15 KAPITEL 6: FESTKÖRPERTHERMODYNAMIK – ZUSTANDSSCHAUBILDER ....................................... 21 KAPITEL 7: KINETIK (DIFFUSION) ............................................................................................ 26 KAPITEL 8: PHASENUMWANDLUNGEN ...................................................................................... 32 KAPITEL 9: FESTIGKEITSSTEIGERUNG...................................................................................... 38 KAPITEL 10: WÄRMEBEHANDLUNGEN ...................................................................................... 48 KAPITEL 11: CHEMISCHE BESTÄNDIGKEIT ................................................................................ 59 2 KAPITEL 1: EINFÜHRUNG Zusammenhang zw. Werkstoffen und Energie: Werkstoffgewinnung und – verarbeitung ist sehr energieintensiv, während für die Energieerzeugung große Mengen leistungsfähiger Werkstoffe benötigt werden. KAPITEL 2: PHYSIKALISCHE EIGENSCHAFTEN Gleichgewichtsabstand x0: Abstand zwischen miteinander wechselwirkenden Atomen, bei dem diese gemeinsam ein Minimum an potentieller Energie (Bindungsenergie UB) einnehmen. Modell des isolierten Atompaares: negative Ladungen in den Elektronenhüllen der Atome führen zu elektrostatischer Abstoßung der beiden Atome (d.h. UB>0). Demgegenüber wirken zwischen den Atomen anziehende Kräfte – das Näherrücken der Atome vermindert die potentielle Energie beider Atome. Definition Elastizität: Fähigkeit eines Festkörpers zu einer reversiblen Formänderung (d.h. sie geht bei Entlastung zurück). Ursache dafür ist das Bestreben der Atome, wieder den Zustand geringster Energie einzunehmen. Definition Plastizität: Fähigkeit eines Festkörpers zur irreversiblen Formänderung unter Einwirkung äußerer Belastung (d.h. nach Rücknahme der Belastung bleibt die plastische Formänderung erhalten). Definition Wärmeausdehnung: Fähigkeit von Festkörpern zur Ausdehnung unter Zufuhr einer Wärmemenge. Materialkonstante/Maß für die Wärmeausdehnung: der materialspezifische thermische Ausdehnungskoeffizient α [K-1]. Längenänderung eines Stabes der Ausgangslänge l0 bei einer Temperaturänderung von ∆T: ∆𝒍~𝜶𝒍𝟎∆𝐓. Volumenänderung eines sich in alle Raumrichtungen gleich ausdehnenden Festkörpers: ∆𝑽~𝟑𝜶𝑽𝟎∆𝐓. →viele Festkörper mit regelmäßiger Atomanordnung erfahren bei der Erwärmung vom absoluten Nullpunkt bis zu ihrer Schmelztemperatur eine etwa gleich große Volumenänderung/Längenänderung: Grüneisen’sche Regel: die rel. Volumenänderungen betragen etwa 6-7% bzw. die Längenänderungen etwa 2%; Thermische Ausdehnung: 𝜟𝒍 = 𝒍𝟎𝜶𝜟𝑻 (für konstante Wärmeausdehnungskoeffizienten) 𝜺𝒕𝒉 = 𝜶𝚫𝑻 = 𝚫𝒍 𝒍𝟎 ⇒ 𝜺𝒕𝒉 = ∫ 𝜶(𝑻)𝒅𝑻 𝑻𝟐 𝑻𝟏 (für temperaturabhängige α) Definition Wärmeleitfähigkeit: Fähigkeit von Festkörpern, eine im Festkörper vorhandene örtliche Temperaturdifferenz ∆T durch Wärmetransport auszugleichen. Maß für die Wärmeleitfähigkeit: die materialspezifische Wärmeleitfähigkeit λ[W/K m] (Watt/Kelvin Meter) Festkörper strebt danach Temperatur gleich zu verteilen – liegt ein Temperaturgefälle vor, so entsteht ein Wärmetransport vom wärmeren zum kälteren Teil des Festkörpers, ohne den Transport von Materie (in metallischen Festkörpern mittels freien Elektronen (sog. Elektronengas), daher besitzen sie eine gute Wärmeleitfähigkeit λ; in Festkörpern ohne freie Elektronen durch Phononen). Definition Phononen: regelmäßig in einem Raumgitter angeordnete Atome, die Schwingungen um ihre Gleichgewichtsposition ausführen, erzeugen wiederum Schwingungen des Gitter – Phononen. Gitterschwingungen können wie Teilchen behandelt werden, die Schwingungen/Phononen transportieren in Festkörpern ohne freie Elektronen die Wärme (schlechte elektrische Leitfähigkeit, werden als Nichtleiter bezeichnet. Definition Spezifische Wärmekapazität: c [J/mol K; J/ kg K] eines Stoffes gibt an, welche Wärmemenge diesem Stoff zugeführt werden muss, um seine Temperatur um einen Betrag ∆T zu erhöhen. Die auf ein Mol eines einatomigen Stoffes bezogene molare Wärmekapazität cv bei konstantem Volumen ist: 𝒄𝒗 = 5 Zerstörungsfreie Prüfverfahren: beruhen meist auf Wechselwirkung zw. energiereicher Strahlung und dem Werkstoff (Atome); dienen dem Nachweis von Art, Größe und Häufigkeit von Materialfehlern und zur Qualitätskontrolle; werden vorwiegend an Bauteilen/Halbzeugen durchgeführt. Physikalische Prüfverfahren: zur quantitativen Erfassung mechanischer, thermischer, optischer, elektrischer und magnetischer Eigenschaften und zum Nachweis von Zustandsänderungen. Bauteilprüfung: zur Bestimmung von Spannunten und Dehnungen in Bauteilen; Spezialgebiet mit sehr starker Anbindung an die Festkörpermechanik Versuche: Zugversuch: Dehnung einer Zugprobe, i.A. bis zum Bruch (=zerstörendes Prüfverfahren); Ermittlung der Festigkeitseigenschaften u. Verformungseigenschaften eines Werkstoffes unter einachsiger Beanspruchung und relativ langsamen Verformungsgeschwindigkeiten (quasistatisch); Festigkeitskennwerte: werden für die Bemessung statisch beanspruchter Teile benötigt; Verformungskennwerte: sind Maß für das Verformungs- und Bruchverhalten bzw. für die Sicherheit von Bauteilen Spannung-Dehnung-Kurve: 𝝈 = 𝑭 𝑨 ; 𝜺 = 𝚫𝐋 𝐋 ; Unterteilung der Kurve in 3 Bereiche bei duktilen (Eigenschaft sich unter Belastung vor dem Bruch plastisch zu verformen)Werkstoffen: 1. Linearer Teil (=Hooksche Gerade): elastische Dehnung; Steigung ≡ E-Modul (gibt Verhältnis der Spannung zur Dehnung bei einachsiger Zug-/ bzw. Druckbeanspruchung an: 𝑬 = 𝚫𝝈 𝚫𝜺 ) 2. Elastizitätsgrenze wird überschritten: Probe beginnt sich plastisch zu verformen; Dehnung der Probe zieht Verringerung des Querschnitts mit sich (=Querdehnung); Längung (Dehnung) und Querdehnung erfolgen entlang der Probenlänge gleichmäßig 3. Einschnürung: Probe beginnt sich lokal einzuschnüren, weitere Dehnung erfolgt nur im Bereich der Einschnürung (=Einschnürdehnung); ab hier fällt die technische Spannung ab Charakterisierung des Werkstoffverhaltens: Festigkeitskennwerte: - Zugfestigkeit Rm [N/mm² bzw. MPa]: Maximum der technischen SDK; errechnet sich aus dem Quotient der maximalen Zugkraft und dem Ausgangsquerschnitt der Probe - Streckgrenze Re [N/mm² bzw. MPa]: charakterisiert abrupten Übergang vom elastischen zum plastischen Verhalten; Werkstoff zeigt obere (ReH, Spannung im Moment, bevor der erste deutliche Kraftabfall auftritt) und untere Streckgrenze (ReL, kleinste Spannung im Fließbereich) - Dehngrenze Rp [N/mm² bzw. MPa]: kontinuierlicher Übergang vom elastischen zum plastischen Verhalten. Dehngrenze Rp0,2: Spannung, bei der nach Entlastung eine definierte plastische Verformung (hier: 0,2%) zurückbleibt. Verformungskennwerte: - Bruchdehnung A [%]: maximal erreichbare Dehnung; entspricht der bleibenden Längenänderung nach dem Bruch bzgl. der Anfangslänge; Dehnung nicht mehr homogen über die Gesamtlänge, sobald die Probe beginnt sich einzuschnüren – verstärkt im Bereich der Einschnürung; Proben nur vergleichbar, wenn das Verhältnis von Anfangsmesslänge zu Anfangsdurchmesser identisch ist; unterscheidet sich das Verhältnis von L0/d0=5: Index k angeben 𝒌 = 𝑳𝟎 √𝑺𝟎 = 𝟐𝑳𝟎 √𝝅𝒅𝟎 (für Rundproben) - Ag: Gleichmaßdehnung (Kennwert der resultiert, wenn man die Hooke`sche Gerade entlang der Abszisse verschiebt, so dass diese dann das Maximum des Spannungs-Dehnungs- Diagramms schneidet) - AL: Lüdersdehnung Härteprüfung: Vermessung des bleibenden Eindrucks durch einen genormten Eindringkörper liefert den Widerstand gegen plastische Verformung; Prüfverfahren ist mit Härtewert anzugeben; i.d.R.: Festigkeit ~ Härte; zerstörungsarmes Prüfverfahren (Funktionalität wird i.d.R. nicht beeinträchtigt); einfache Probenformen, 6 geringer zeitlicher und maschineller Aufwand → am häufigsten eingesetztes Verfahren der mechanischen Werkstoffprüfung, geeignet für Qualitätsprüfung von Großserien/zum Prüfen von bestehenden Bauteilen im Einsatz Einteilung: Unterscheidung von statischen und dynamischen Verfahren, Einteilung nach Lastbereich Statische Verfahren: - Makrohärte: Brinell, Vickers, Rockwell – Prüfkraft > 100N - Kleinlasthärte: Vickers, Knoop – Prüfkraft 2-100N - Mikrohärte: Vickers, Knoop – Prüfkraft < 2N Dynamische Verfahren: - Dynamisch-plastisches Verfahren: Schlaghärte, Fallhärte - Dynamisch-elastisch: Shore, Kirner Brinell-Verfahren: Rockwell-Verfahren Vickers-Verfahren Eindringkörper Hartmetallkugel mit ⌀ 1, 2,5, 5, 10mm Diamantenkegel (HRC), Stahlkugel (HRB) Diamantpyramide (quadratisch) Messwert Kugelkalottenfläche (Eindringoberfläche) A Eindringtiefe tb Arithmetischer Mittelwert der Eindringdiagonalen d Probenpräparatio n Geschliffene Oberfläche, Dicke der Probe: H≥10t (S.33) Feingeschliffene Oberfläche Feingeschliffen und poliert (hoher Präparationsaufwand) Prüfkraft Prüfzusatzkraft 9,8-29000N (1-3000kp) F0=98N (10kP) 1373N (140kp) bei HRC 882N (90kp) bei HRB 0-980N Härte 𝑯𝑩𝑾 = 𝑷𝒓ü𝒇𝒌𝒓𝒂𝒇𝒕 𝑭 𝑬𝒊𝒏𝒅𝒓𝒊𝒏𝒈𝒐𝒃𝒆𝒓𝒇𝒍ä𝒄𝒉𝒆 𝑨 𝑯𝑹𝑪 = 𝟏𝟎𝟎 − 𝒕𝒃 𝟐 𝑯𝑽 = 𝟎, 𝟏𝟖𝟗𝟏 𝑷𝒓ü𝒇𝒌𝒓𝒂𝒇𝒕 𝑭 𝒅² Bemerkungen Einwirkdauer der Prüfkraft 10-15s (Eindringvorgang zeitabhängig); Bsp.:600HBW1/30/20=Brine llhärte 600, bestimmt mit Kugel von ⌀1mm, Prüfkraft von 294,2N, die 20s einwirkte; Beanspruchungsgrad: 𝑿 = 𝟎, 𝟏𝟎𝟐 𝑷𝒓ü𝒇𝒌𝒓𝒂𝒇𝒕 𝑭 𝑫² Mit 𝟎, 𝟐 ≤ 𝒅/𝑫 ≤ 𝟎, 𝟕, bevorzugt: ⌀10mm Kugel Zunächst wird Prüfvorkraft F0 aufgebracht, dann die Prüfzusatzkraft; Messung der Eindringtiefe nach Rücknahme der Prüfzusatzkraft unter F0; Eindringvorgang 4±2s (zeitabhängig) Vorteile/Nachteil e Schnelle Messmethode ohne großen Aufwand, erlaubt empirische Rückschlüsse auf die Zugfestigkeit, relativ ungenau HRC linear zur Eindringtiefe: kann direkt an einer Messuhr abgelesen werden Einsatz Weiche bis mittelharte Metalle und Werkstoffe mit ungleichmäßigem Gefüge Optimiert für sehr harte Werkstoffe Universal-Verfahren: schafft harte aber auch weiche Werkstoffe Kerbschlagbiegeversuch: liefert Reihung der Werkstoffe bzgl. ihrer Zähigkeit; Beurteilung folgender Eigenschaften: - Werkstoffverhalten zufolge Kerben: Kerben haben mehrachsige Spannungszustände zur Folge → können plastische Verformung behindern → fördert Neigung zum Sprödbruch - Werkstoffverhalten bei hoher Beanspruchungsgeschwindigkeit: höhere Geschwindigkeit → weniger Zeit für Fließvorgänge → erhöht Fließgrenze → fördert Neigung zum Sprödbruch 7 - Werkstoffverhalten bei tiefen Temperaturen: tiefe Temperaturen → Fließgrenze steigt →fördert Neigung zum Sprödbruch Definition Kerbschlagarbeit AV [Nm bzw. J]: Im Kerbschlagversuch verbrauchte Arbeit zum Durchschlagen oder Umformen der gekerbten Probe; typische Temperaturabhängigkeiten: 1. Steilabfall der Kerbschlagarbeit mit abnehmender Temperatur ⟹ Werkstoffe mit überwiegend kubisch-raumzentrierter (krz) oder hexagonaler Struktur: Spröd-Duktil-Übergang von niedrigen zu deutlich höheren AV-Werten 2. Geringe Abhängigkeit auf hohem oder geringem Niveau der Kerbschlagarbeit (Hochlage bzw. Tieflage) ⟹ Werkstoffe mit überwiegend kubisch-flächenzentrier (kfz) Struktur: geringe Temperaturabhängigkeit der Kerbschlagarbeit → brechen duktil (zeigen hohe AV-Werte) Verformungsbruch/Duktilbruch/Zähbru ch Sprödbruch/transkristalliner Bruch/Trennbruch/Spaltbru ch Mischbruch – zusammengesetzt aus Anteilen des Spröd- und Verformungsbruch es Temperaturbereic h Hochlage Tieflage Steilabfall Energieverbrauch Großer Energieverbrauch durch plastische Formänderung Geringer Energieverbrauch, kaum/keine plastische Formänderung Folgen Hohlraumbildung im Werkstoff, Wachsen und Verinigen der Hohlräume (Koaleszenz) an Einschlüssen und Ausscheidungen; verbleibende Metallbrücken werden abgeschert Versagen durch Spaltung der Gefügekörner entlang bestimer Gitterebenen (Spaltebenen) Erscheinungsbild wabenförmige Struktur der Bruchfläche glatte, spaltflächige Oberfläche, Riss wird entsprechend wechselnder Gitterorientierung an Korngrenzen abgelenkt 10 Thermoplaste Elaste (Elastomere) Duroplaste (Duromere) Aufbau der Makromoleküle linearer schwach vernetzt stark vernetzt Verformbarkeit leichte Verformungen möglich, prinzipiell beliebig oft plastisch formbar (gute Duktilität) große elastische Dehnungen ohne bleibende Verformung (Gummielastizität) nur ein Mal plastisch verformbar, Formgebung nur durch mechanische Bearbeitung im ausgehärteten Zustand (d.h. nach abgeschlossener Quervernetzung der Moleküle) Schweißbarkeit beliebig oft unschweißbar unschweißbar Schmelzbarkeit beliebig oft unschmelzbar unschmelzbar Rezyklierbarkeit (Recyclebarkeit) gut nicht rezyklierbar Steifigkeit des Materials erhöht sich mit steigender Dichte hohe Glasübergangstemperaturen, gute Festigkeiten, hart, steif, spröde Beispiele Polyethylen PE, Polypropylen PP, Polyamid PA synthetischer Kautschuk, Gummi PU-Schaum, Epoxidharz 11 METALLE Unterscheidung von Metallen, Alkalimetallen und Übergangsmetallen Merkmal: Bestreben Atomanordnungen mit maximaler Raumausfüllung aufzubauen → Anordnung in Strukturen mit dichtester räumlicher Kugelpackung: 1. Kubisch flächenzentrierte Gitterstruktur (kfz) 2. Hexagonale Gitterstruktur (hp) 3. Kubisch raumzentrierte Gitterstruktur (krz) – v.a. bei Alkali- und Übergangsmetallen → Unterschied: Reihenfolge mit der die dichtest gepackten Ebenen aufeinander liegen Kubisch primitives Gitter (kp, pc) (S. 75) Kubisch flächenzentrierte Gitterstruktur (kfz) (S. 77) Tetragonal raumzentrierte s Gitter (trz) (S. 78) Hexagonales dichtester Packung (hdP) (S. 80) Kubisch raumzentrierte Gitterstruktur (krz) (S. 76) Koordinaten der Symmetriepun kte 000 000, ½½0, ½0½, 0½½ 000, ½½½ Viele Symmetriepunkt e, z.B 0000 000, ½½½ Stapelfolge AA ABCABC ABAB ABAB ABAB Dichtest gepackte Gitterrichtung 1 〈𝟏𝟎𝟎〉 〈𝟏𝟏𝟎〉 Abhängig von a, b, c 〈𝟏𝟏?̅?𝟎〉 〈𝟏𝟏𝟏〉 Dichtest gepackte Gitterebene {100} {111} Abhängig von a, b, c {0001} {110} Atome je Elementarzelle , N 𝟖 𝟏 𝟖 = 𝟏 ⇒ 𝒑𝒓𝒊𝒎𝒊𝒕𝒊𝒗2! 𝟖 𝟏 𝟖 + 𝟔 𝟏 𝟐 = 𝟒 𝟖 𝟏 𝟖 + 𝟏 = 𝟐 𝟑 + 𝟐 𝟏 𝟐 + 𝟏𝟐 𝟏 𝟔 = 𝟔 𝟖 𝟏 𝟖 + 𝟏 = 𝟐 Koordinationsz ahl, KZ 6 12 8 12 8 Gitterkonstant e, a 2r=a (r: Atomradius) 𝟒𝒓 = √𝟐𝒂 Abhängig von a, b, c 2r=a 𝟒𝒓 = √𝟑𝒂 𝑽𝑬𝒁 𝒂𝟑 = (𝟐𝒓)𝟑; 𝒓 = 𝒂 𝟐 𝒂𝟑 = ( 𝟒𝒓 √𝟐 ) 𝟑 ; 𝒓 = 𝒂√𝟐 𝟒 𝒂²𝒄 𝟔𝒂² √𝟑 𝟒 𝒄𝒊𝒅𝒆𝒂𝒍 = 𝟑√𝟐𝒂³ 𝒂𝟑 = ( 𝟒𝒓 √𝟑 ) 𝟑 ; 𝒓 = 𝒂√𝟑 𝟒 Raumerfüllung , RE 𝑹𝑬 = 𝝅 𝟔 ≈ 𝟓𝟐% 𝑹𝑬 = √𝟐 𝝅 𝟔 ≈ 𝟕𝟒% abhängig von 𝒄 𝒂 𝑹𝑬 = √𝟐 𝝅 𝟔 ≈ 𝟕𝟒% 𝑹𝑬 = √𝟑 𝝅 𝟖 ≈ 𝟔𝟖% Oktaederlücke n3 4 pro EZ mit 𝒓𝑶𝑳 = 𝟎, 𝟏𝟒𝟔𝒂 aus 𝟐𝒓𝑶𝑳 + 𝟐𝑹 = 𝒂, 1 pro Atom 6 pro EZ mit 𝒓𝑶𝑳 = 𝟎, 𝟎𝟔𝟕𝒂, 3 pro Atom Tetraederlücke n 8 pro EZ mit 𝒓𝑻𝑳 = 𝟎, 𝟎𝟖𝒂, 2 pro Atom 12 pro EZ mit 𝒓𝑻𝑳 = 𝟎, 𝟏𝟐𝟔𝒂, 6 pro Atom Anmerkungen Tritt nur bei Verbindungen auf, nicht bei reinen Metallen Dichtest mögliche Packungsart für gleich große Kugeln bei - 1 wo stoßen Kugeln aneinander 2 Primitiv = zum Aufbau einer Elementarzelle ist nur ein Gitterbaustein notwendig 3 Definition Gitterlücke: größter Durchmesser einer Kugel, die in die Lücke passt 12 ( 𝒄 𝒂 )𝒊𝒅𝒆𝒂𝒍 = √ 𝟖 𝟑 ≈ 𝟏, 𝟔 DER KRISTALLINE AUFBAU DER METALLE: Definition Kristallgitter: translationssymmetrisch, d.h. dass ein Gitter bei einer Translation um eine bestimmte Strecke in eine bestimmte Richtung mit sich selbst zur Deckung (=Translationsinvarianz) ⇒ Translationsgitter; Translationsperiode: kleinste Strecke mit der die Translationsinvarianz in einer bestimmten Richtung erfolgen kann Raumgitter: 1. Translation (Verschiebung) von Punkten vom Koordinatenursprung ausgehend um ein Vielfaches des Vektors ?⃗? längs einer Koordinatenachse ⇒ Gittergerade 2. Zweite Gittertranslation unter einem Winkel 𝜸 ≠ 𝟎 mit dem Vektor ?⃗? ⇒ 2-dimensionales Translationsgitter/Flächengitter/Punktnetz 3. Gittertranslation mit einem zu ?⃗? und ?⃗? nicht komplanaren (lin. Abhängigen) Vektor ?⃗? ⇒ 3- dimensionales Translationsgitter /Raumgitter → ?⃗? , ?⃗? und ?⃗? spannen eine Elementarzelle auf: kleinste Einheit, welche alle geometrischen Merkmale des gesamten Gitters aufweist; durch Translation um ganzzahlige Vielfache der Elementar- oder Basisvektoren können Gitterstrukturen immer wieder mit sich selbst zur Deckung gebracht werden Kristallsysteme: (Elementarzellen der 14 Bravais-Gitter auf S. 65) Entstehen durch Variation der Winkel 𝜶, 𝜷, 𝜸 zwischen den Achsen eines Translationsgitters und den Identitätsabständen (Längen der Basisvektoren) unter Beachtung der Symmetrie Einordnung eines Kristalls in das höchstsymmetrische Kristallsystem, dessen Symmetrieeigenschaft es besitzt Analytische Beschreibung des Raumgitters: Gitterpunkte (Punktlagen): Lage wird durch die Angabe der Koordinaten der betreffenden Ionen oder Atome gekennzeichnet – Lage ist eindeutig durch die Angabe eines Ortsvektors ?⃗? festgelegt: ?⃗? = 𝝀?⃗? + 𝝁?⃗? + 𝝊?⃗? ; Angabe von Punktlagen: Zahlentripel λμν oder [[λμν]] Gittergeraden (Richtungen): Angabe einer Gitterrichtung in Form eines Ortsvektors ?⃗? , der vom Nullpunkt zu einem beliebigen Gitterpunkt [[λμν]] zeigt: ?⃗? = 𝝀?⃗? + 𝝁?⃗? + 𝝊?⃗? ; Schar aller parallelen Gittergeraden genau einer Richtung: Verwendung ganzzahliger, teilerfremder Zahlen in eckige Klammern gesetzt [uvw] (Miller Indizes4); Richtungsfamilien: symmetrisch verwandte bzw. kristallographisch gleichwertige Richtungen; gekennzeichnet durch untereinander gleiche Dichte von Gitterpunkten entlang der Gitterrichtung; Angabe in spitzen Klammern 〈𝒖𝒗𝒘〉; (Bsp.: Familie der Würfelkanten 〈𝟏𝟎𝟎〉 → schließt 6 Richtungen ein) Gitterebenen (Netzebenen): Weissche Koeffizienten 𝜶, 𝜷, 𝜸: Achsenabschnitte 𝜶?⃗? , 𝜷?⃗? , 𝜸?⃗? der jeweiligen Gitterebene5; Schar paralleler Gitterebenen genau einer Ebene im Raumgitter werden mittels Miller Indizes h, k, l von Gitterebenen aus den kleinsten ganzzahligen Vielfachen der reziproken6 Achsenabschnitte gebildet und in runde Klammern gesetzt (hkl) Ermittlung der Millerschen Indizes der Schar paralleler Gitterebenen genau einer Ebene im Raumgitter: 1. Ebene gedanklich in das Koordinatensystem der Elementarzelle einzeichnen 2. Schnittpunkte der Ebene mit den Koordinatenachsen (Achsenabschnitte) ohne Längeneinheit ablesen: x-Achse: 𝜶?⃗? → Achsenabschnitt 𝜶, y-Achse: 𝜷?⃗? → Achsenabschnitt 𝜷, x-Achse: 𝜸?⃗? → Achsenabschnitt 𝜸 3. Kehrwerte der Koeffizienten bilden: 𝟏 𝜶 , 𝟏 𝜷 , 𝟏 𝜸 4. Gemeinsamen Nenner bilden (ggT): Bsp. 𝜶𝜷𝜸 ⇒ 𝜷𝜸 𝜶𝜷𝜸 , 𝜶𝜸 𝜶𝜷𝜸 , 𝜶𝜷 𝜶𝜷𝜸 4 Negative Indizes, werden mit einem Strich über dem Index gekennzeichnet 5 Wird eine Achse nicht geschnitten, verläuft die Ebene parallel zu dieser Ache und der Schnittpunkt liegt im Unendlichen 6 Kehrwerte der Achsenabschnitte 15 KAPITEL 5: KRISTALLPLASTIZIÄT UND GITTERBAUFEHLER Kristallplastizität: • Plastische Verformung erfolgt im Kristall lokal in Form einer Scherung in Richtung den dichtest gepackten Richtungen des Atomgitters • Dichtest gepackte Richtungen liegen in Gitterebenen, die ebenfalls möglichst dicht gepackt sind • Scherung: dicht gepackten Gitterebenen gleiten aneinander ab ⇒ Gleitsystem aus Gleitebene (hkl) und darin liegender dichtest gepackten Gleitrichtung [uvm] • Bemerkung: Metalle mit kfz Struktur weisen als einziges Kristallsystem 12 Gleitsysteme mit jeweils größtmöglicher Packungsdichte auf und sind daher im Vergleich zu anderen Kristallsystemen deutlich leichter plastisch verformbar Kristallsystem Gleitebene Gleitrichtung Anzahl Gleitsysteme Kfz z.B. Ag, Al, Cu, Ni {111} 〈𝟏?̅?𝟎〉 4x3=12 Krz z.B. Fe, W, Mo, Nb, Ta z.B. Fe, W, Mo, Nb z.B. Fe, W, Mo {110} {211} {321} 〈?̅?𝟏𝟏〉 〈?̅?𝟏𝟏〉 〈?̅?𝟏𝟏〉 6x2=12 12x1=12 24x1=12 Hdp z.B. Cd, Zn, Mg, Ti, Be z.B. Cd, Zn, Mg, Ti, Be, Zr z.B. Mg, Ti {0001} {11-10} {10-11} 〈𝟏𝟏?̅?𝟎〉 〈𝟏𝟏?̅?𝟎〉 〈𝟏𝟏?̅?𝟎〉 1x3=3 3X1=3 6X1=6 Normal- und Schubspannung: • Jede angreifende Kraft wird in eine Normal- und eine Tangentialkomponente14 zerlegt ⇒ Normalspannung: 𝝈 = 𝐥𝐢𝐦 𝑨→𝟎 𝑭𝑵 𝑨 ; Schub-/Scherspannung: 𝝉 = 𝐥𝐢𝐦 𝑨→𝟎 𝑭𝑸 𝑨 • Hooke‘sches Gesetz gilt im Bereich kleiner Verformungen: 𝝈 = 𝑬𝜺 = 𝚫𝑳 𝑳𝟎 , 𝝉 = 𝑮𝜸 mit 𝜸 = 𝑿 𝒅 : Scherwinkel, X: makroskopische Abgleitung eines Materials, d: Höhe; G: Schubmodul Schmidsches Schubspannungsmodul: 𝝉 = 𝝈𝐜𝐨𝐬(𝝀) 𝐜𝐨𝐬 (𝝌) mit Schmidfaktor 𝒎 = 𝐜𝐨𝐬 (𝝀)𝐜𝐨𝐬 (𝝌), |𝒎| ≤ 𝟎, 𝟓 • Zur Berechnung der innerhalb eines Gleitsystems wirkenden Schubspannung – ergibt sich aus der in Gleitrichtung wirkenden Kraft pro Fläche der Gleitebene: 𝝉 = 𝑭𝑮 𝑨𝑮 • Abgleiten wird (zuerst) in jenen Gleitsystemen [uvw](hkl) aktiviert, deren Schubspannung τ (zuerst) den Wert der kritischen Schubspannung τkr (Peierls-Nabarro-Spannung) übersteigt: τ≥ τkr Atomistische Deutung der Kristallplastizität: • Konzept der theoretischen Schubfestigkeit τth eines Kristalls nach Frenkel: plastische Verformung wird durch das Abgleiten von ganzen Kristallebenen gegeneinander realisiert → theoretische Schubfestigkeit ist die zur plastischen Verformung eines kristallinen Festkörpers notwendige Spannung →bis zu einer Verschiebung vom Betrag a/2 kann sich die entstehende Deformation nach Entlastung zurückbilden – Zustand nach einer Verschiebung in positive Richtung um exakt b/2 ist metastabil (gestrichelte Linie, hier liegt Potenzmaximum vor), Gitterebenen würden in dieser Lage verbleiben, wenn das betrachtete System ungestört absolut sich selbst überlassen würde → weitere minimale Verschiebung führt beim Absetzen der Kraft dazu, dass sich die Atome der oberen Lage eine Mulde weiter rechts niederlassen, also im nächsten Energieminimum → Näherung des Verlaufs der Schubspannung in Abhängigkeit von der Verschiebung x: 𝝉(𝒙) = 𝑮𝒂 𝟐𝝅𝒀 𝐬𝐢𝐧 ( 𝟐𝝅𝒙 𝒂 ), Maximum der aufzuwendenden Kraft bzw. Schubspannung bei x=a/4; 14 Normalkomponente: steht senkrecht auf einem Querschnitt A, Tangentialkomponente: liegt in dem Querschnitt bzw. parallel dazu 16 → 𝝉𝒕𝒉 = 𝑮 𝟒 , für Verschiebung X um a/4 und Abstand der Atomebenen d=a zueinander Gitterbaufehler: • Experimentell ergeben sich deutlich niedrigere Werte für die Schubfestigkeit bzw. Fließspannung → Erklärung: Existenz eindimensionale Gitterbaufehler, den sog. Versetzungen (Ausnahme: Whisker, d.h. speziell gezüchtete, extrem dünne, fehlerlose Kristalle) • Merkmale: → gut lokalisierte, starke und weitgehend statistische Abweichung vom streng periodischen Kristallaufbau, → bestimmen eine Vielzahl mechanischer Eigenschaften von Festkörpern (Duktilität, Festigkeit, optische Eigenschaften, etc.) • Klassifizierung von Gitterfehlern nach ihrer Geometrie: 1. Nulldimensionale Fehler (Punktdefekte) a. Leerstellen15, d.h. unbesetzte Gitterplätze b. Fremdatome auf Zwischengitterplätzen (interstitielles Fremdatom16) c. Austauschendes, d.h. substituierendes (kleineres) Fremdatom d. Fremdatome, die sich auf Gitterplätzen befinden (Substitutionsatome) e. Eigenatom als Zwischengitteratome17 (in OL oder TL, Eigenatom ≠ Fremdatom) ⇒ Leerstellen und Zwischengitteratome spielen bei der Diffusion eine herausragende Rolle; eingelagerte Atome sind mitverantwortlich für die Festigkeit von Legierungen 2. Eindimensionale Fehler (linienhafte Defekte): Versetzungen − Gitterebenen gleiten nicht als Ganzes aneinander ab, es werden lediglich kleine Bereiche bewegt (energetisch deutlich günstiger) − Erzeugung: Kristall entlang einer Fläche, der späteren Gleitebene, einschneiden, getrennten Kristallteile um (Burgers-)Vektor ?⃗? gegeneinander verschieben und dann wieder verbinden − Versetzungslinie: Linie, an welcher der Schnitt im Kristall endet; hier bleibt ein stark gestörter Gitterbereich zurück; Linienrichtung durch Vektor ?⃗? − Burgers-Vektor ?⃗? bzw. Burgers-Umlauf: ?⃗? wird mit Hilfe des Burgers-Umlauf bestimmt: Festlegung eines im ungestörten Kristall im Uhrzeigersinn von Atom zu Atom fortschreitenden, geschlossenen Weges mit Ausgangspunkt = Endpunkt (A=E) → anschließend Weg mit eingeschlossenen Gitterbaufehler zurücklegen, jetzt ist 𝑨 ≠ 𝑬 und ?⃗? ist definiert als Verbindung zwischen E und A − Charakter einer Versetzung wir durch den Winkel zwischen ?⃗? und ?⃗? (also zwischen dem Burgers-Vektor und einer Tangente an einem Punkt ihrer Linie, also der Linienrichtung im betrachteten Punkt) bestimmt; Grenzfälle: Stufen- und Schraubenversetzungen − Versetzungen sind Träger der plastischen Deformation, verursachen im Kristall durch ihre Existenz aber nur elastische Verformungen und Spannungen; plastische Verformung ergibt sich erst durch eine Verschiebung einer Versetzung a. Stufenversetzungen: Burgersvektor und Versetzungslinie stehen senkrecht zueinander, Vgl. von oben eingeschobene Atomebene; Symbol: ⊥, senkrechter Strich: gedachte Einschubrichtung der Halbebene, waagerechter Strich: Richtung des Burgersvektor; ?⃗? und ?⃗? spannen bei der Stufenversetzung die Gleitebene auf b. Schraubenversetzungen: Schnitt wird in Richtung der Versetzungslinie verschoben, d.h. Burgersvektor und Versetzungslinie liegen parallel zueinander(bzw.: der Burgersvektor besitzt die Richtung der Tangente an die Versetzungslinie): 𝐛 ∥ 𝐬 ; 15 Leerstellen : dominierende Art bei hohen Temperaturen; maßgeblich an Diffusionsmechanismen beteiligt; entstehen thermisch oder durch Teilchenbeschuss 16 interstitielle Fremdatome: sind in Metallen meist kleine Atome wie Kohlenstoff oder Stickstoff (Bsp.: Stahl) 17 Zwischengitteratome: entstehen durch Verlagerungsprozesse durch Teilchenbestrahlung; sind meist schon bei sehr tiefen Temperaturen beweglich 17 spannen jetzt keine Ebene mehr auf – Gleitebenen von Schraubenversetzungen sind all jene Gitterebenen, welche den Burgersvektor enthalten; Symbol: ⊙ oder $ − Spannungs- und Verzerrungsfeld: für kleine Scherungen γ gilt in Näherung: 𝜸~𝒕𝒂𝒏𝜸 = 𝒃 𝟐𝝅𝒓 − Eigenenergie: Elastische Energiedichte: Fläche unter der γ-τ-Kennlinie (elastischer Fall: Energiedichte= ½τγ, Gesamte Eigenenergie: 𝑾 = 𝑳𝑮𝒃𝟐 𝟒𝝅 𝐥𝐧 ( 𝑹 𝒓𝟎 )); Näherungswert für die Eigenenergie: 𝑾 = 𝑳𝑮𝒃² Linienenergie: längenbezogene Eigenenergie einer Versetzung: 𝚪$ = 𝐖 𝐋 = 𝐆𝐛² bzw. 𝚪⊥ = 𝟑 𝟐 𝚪$ = 𝟑 𝟐 𝐆𝐛² → Versetzungen sind von einem Spannungsfeld umgeben. Ihre Existenz kostet Energie. Die Eigenenergie einer Stufenversetzung ist energetisch teurer als die einer Schraubenversetzung (50% größer)! c. Vollständige Versetzungen: Burgersvektor, der ein vollständiger Translationsvektor (Translationsperiode) des Kristallgitters ist → Burgersvektor verbindet zwei (möglichst benachbarte) Atome der dichtest gepackten Richtung des Kristallgitters − Peach-Koehler Kraft: Kraft K, die auf eine in einer Gleitebene liegende Versetzung der Länge L und des Burgersvektors b die wirkende Schubspannung τ ausübt: 𝑲 = 𝝉𝒃𝑳; Kraft ist immer senkrecht zur Versetzungslinie gerichtet; Größe der in der Gleitebene in Gleitrichtung wirkenden Schubspannung τ ist maßgebend für die plastische Deformation ⇒ Plastische Formänderung durch Gleiten von Versetzungen erfolgt nur unter der Wirkung von Schubspannungen! − Versetzungsbewegungen: Man unterscheidet Gleiten, Klettern und Quergleiten: 1) Gleiten (konservative Bewegung): Versetzungen verlassen ihr Gleitsystem nicht 2) Klettern (nicht konservativ): (nur)Stufenversetzungen können sich durch Klettern im Kristall fortbewegen; auf der Gleitebene liegende Atome der eingeschobenen Halbebene diffundieren zu Leerstellen im Kristall, was zu einem Anheben (Klettern) der Versetzungslinie auf eine zur ursprünglichen Gleitebene parallelen Ebene führt; die Gleitrichtung bleibt erhalten; tritt erst ab bestimmten Temperaturen auf → ist thermisch aktiviert: je höher die Temperatur, desto schneller klettert die Versetzung 3) Quergleiten: (nur) Schraubenversetzungen; wenn sie während des Gleitens auf einer Gleitebene GE auf ein Hindernis treffen oder von einer anderen Schraubenversetzung mit entgegengesetztem Burgersvektor angezogen werden, können sie die GE wechseln und auf einer anderen Ebene, der Quergleitebene QGE quergleiten (möglich, da für eine Schraubenversetzung jede Ebene, die ihren Burgersvektor enthält, GE sein darf) → Je mobiler die Versetzungen sind, desto leichter ist der Werkstoff plastisch verformbar − Versetzungsdichte: Maß dafür, wie viele Versetzungen ein Kristall enthält; → Definition: 1. Zahl der Durchstoßpunkte von Versetzungen in einer Messebene: 𝝆𝑨 = 𝑵 𝑨 = 𝑵 𝒂𝒄 𝒊𝒏 [ 𝟏 𝒎² ], geeignet zur tatsächlichen experimentellen Bestimmung der Versetzungsdichte 2. Länge aller Versetzungen in einem Maßvolumen: 𝝆𝑽 = 𝑳 𝑽 = 𝑳 𝒂𝒃𝒄 𝒊𝒏 [ 𝟏 𝒎𝟐 ], Näherung: 𝝆𝑽~𝟐𝝆𝑨 − Wichtige Eigenschaften von Versetzungen: o Versetzungen können nie im Kristall enden (nur an inneren Flächen oder Versetzungsknoten, oder sie können in sich geschlossene Ringe/Schleifen bilden) o Der Burgersvektor einer Versetzung ist eine Erhaltungsgröße, d.h. er kann sich entlang der Versetzung nicht ändern (Orientierung der Versetzungslinie kann sich ändern → immer wenn Versetzungslinie ihre Richtung ?⃗? ändert) 20 − Realer Kristall: besteht aus Vielzahl einzelner Kristalle, die durch Flächenfehler voneinander getrennt sind (sog. Körner, Kristallite) → Werkstoffgefüge − Werkstoffgefüge: bezeichnet den Werkstoffzustand, der durch die Gefügekörner, d.h. ihre Größe, Orientierung und Form, und durch die Gitterdefekte, d.h. ihre Art und Menge, beschrieben wird − Unterscheidung nach der Anzahl der am Werkstoffgefüge beteiligten Phasen: o Homogen bzw. einphasig o Heterogen bzw. mehrphasig Großwinkelkorngrenzen trennen einzelne Kristalle voneinander; Kleinwinkelkorngrenzen, Phasengrenzen, Zwillingsgrenzen, Stapelfehler und Antiphasengrenzen liegen innerhalb eines Gefügekorns. 4. Räumliche/Dreidimensionale Fehler (Teilchen, Löcher) a. Ausscheidungen: kleinste Teilchen einer zweiten Phase, die meist innerhalb eines Korns einer anderen Phase liegen b. Hohlräume: werden hinsichtlich ihrer Entstehung unterschieden: i. Poren bilden sich während der Erzeugung eines Werkstoffs durch Kompression eines Pulvers ii. Lunker bilden sich im Gießprozess (währen der Erstarrung und Abkühlung der abgegossenen Schmelze kommt es durch Schwindung zum Zusammenziehen des festen Materials zu sog. Gusslunkern) c. Gasbläschen: Flüssigkeiten (Schmelzen) können Gase lösen (erstarrt eine Schmelze, so geht das System vom flüssigen in den festen, kristallinen Zustands über; dabei nimmt die Löslichkeit für Gase sprunghaft ab; kann das Gas nicht entweichen, so wird es in Blasen eingeschlossen) d. Einschlüsse: Fremdpartikel im Gefüge, z.B. Oxide, Sulfide (werden auch als Partikel bezeichnet; Oxide an Korngrenzen unerwünscht, da dort Risse entstehen und die Partikel somit ein bevorzugter Ort des Versagens des Werkstoffs sind – bei höheren Temperaturen verhindern sie jedoch das Abgleiten der Körner entlang der Korngrenzen; im Inneren eines Korns tragen Oxide zur Härte des Werkstoffs bei) 21 KAPITEL 6: FESTKÖRPERTHERMODYNAMIK – ZUSTANDSSCHAUBILDER Grundbegriffe: Grund für jede Veränderung eines Werkstoffes ist die Auslenkung aus dem Gleichgewichtszustand und das Bestreben des Systems Werkstoff, diesen wieder zu finden. - Komponenten: Bausteine eines thermodynamischen Systems; Atome einer Sorte (chemisches Element) oder Verbindungen, die das betrachtete System bilden; mind. 1 Komponente/System - Phase: besteht aus mindestens einer Komponente; homogener Bereich eines thermodynamischen Systems, in dem sich die Eigenschaften nicht sprunghaft ändern - System: Gesamtheit aller in Wechselwirkung stehenden Komponenten und Phasen; o Einstoff-/Einkomponentensysteme: nur eine Komponente (z.B. chemische Elemente wie Fe oder Verbindungen wie H2O) o Mehrstoff-/Mehrkomponentensysteme: mehr als eine Komponente ▪ Binäres System: 2 Komponenten ▪ Ternäres System: 3 Komponenten ▪ Quaternäres System: 4 Komponenten ▪ Legierung: Mehrkomponentensystem aus mindestens zwei Komponenten, wobei mindestens eine ein Metall ist - Mehrphasensysteme: System, das aus mehreren Phasen besteht, die durch Phasengrenzflächen voneinander getrennt sind (Bsp.: Whiskey und Eiswürfel, Wasser und Sand, Essig und Öl, Milch: Wasser und Fett), nahezu alle technischen Werkstoffe) - Zustand, Zustandsparameter: Gesamtheit aller messbaren/erkennbaren Merkmale eines Systems, die durch Zustandsparameter (Dichte ρ, molares Volumen VM, freie Enthalpie G) beschrieben werden; relevante Zustandsparameter für Werkstoffe: chemische Zusammensetzung/Konzentration c, Temperatur T, Druck p (ggf. mechanische/thermodynamische Vorgeschichte eines Systems) o Beispiele für Zustände: ▪ Aggregatzustände: fest, flüssig, gasförmig, plasmaförmig ▪ Fester Körper: kristallin, amorph ▪ Metalle: walzhart, weichgeglüht ▪ Polykristall: fein-, grobkörnig ▪ Magnetischer Zustand: ferromagnetisch, paramagnetisch - Treibkraft: Systeme haben einen Energieinhalt (=Potential), ändert sich dieser über dem Ort, der chemischen Zusammensetzung oder der Temperatur, so gibt es eine Treibkraft, die das System in den Zustand niedrigeren Potentials versetzen will (→ Energieverminderung): 𝑻𝒓𝒆𝒊𝒃𝒌𝒓𝒂𝒇𝒕 = 𝝏𝑬𝒏𝒆𝒓𝒈𝒊𝒆 𝝏𝑶𝒓𝒕(𝒐𝒅𝒆𝒓 𝑲𝒐𝒏𝒛𝒆𝒏𝒕𝒓𝒂𝒕𝒊𝒐𝒏, 𝑻𝒆𝒎𝒑𝒆𝒓𝒂𝒕𝒖𝒓,… ) - Gleichgeweicht und Stabilität: energetischer Zustand, bei dem Treibkraft=0; Veränderung des Systems nur durch Energiezufuhr; wichtige Gleichgewichtzustände im Werkstoffsystem: o Stabiles GG: absolutes Energieminimum (Zustand 1) o Metastabiles GG: relatives Minimum (Zustand 2) - Aktivierungsenergie Q*: wird diese zugeführt, kann das System vom Zustand 2 in den Zustand 1 wechseln - Gibbs’sche freie Enthalpie G [ 𝑱 𝒎𝒐𝒍 ]: beschreibt die Energie pro Mol21; ist ein sog. Stabilitätsmaß – hängt derart von der Temperatur T ab, dass G mit steigender T immer fällt; G-T-Diagramm siehe S. 134; Helmholtz-Gleichung: 𝑮 = 𝑯 − 𝑻𝑺 in [ 𝑱 𝒎𝒐𝒍 ] mit H: Enthalpie oder latente Wärme (Wärmeinhalt), T: Temperatur, S: Entropie; ändert sich T, so ändert sich auch der Wärmeinhalt H eines Systems, d.h. bei Zustandsänderungen eines Systems wird latente Wärme H freigesetzt oder absorbiert; Bsp.: T eines Reinstoffes steigt bis zu seinem Schmelzpunkt stetig an, am Schmelzpunkt bliebt T trotz weiterer Wärmezufuhr konstant, bis der gesamte Festkörper in den schmelzflüssigen Zustand übergegangen ist (Wärme wird dafür verbraucht „das Kristallgitter zu zerstören“) → Haltepunkt im T-t-Verlauf; umso kleiner 21 Mol: Mengenangabe, 1 Mol einer Substanz enthält 6,023 10²³Teilchen 22 G, desto stabiler ist ein Zustand; ungeordnete Zustände werden mit zunehmender T bevorzugt, da die Entropie S im flüssigen bzw. gasförmigen Zustand größer ist als im festen - Enthalpie 𝑯 = 𝑬 + 𝒑𝑽 mit E: innere Energie (Schwingungsenergie, beschreibt den Energieinhalt des Systems), pV: mechanische Verdrängungsenergie (kann bei festen und flüssigen Systemen meist vernachlässigt werden, da der Atmosphärendruck p und die Volumenänderungen meist sehr klein sind ⇒ 𝑯 = 𝑬) - Entropie S in [ 𝑱 𝒎𝒐𝒍 𝑲 ]: Maß für die Unordnung in einem System: 𝑺 = 𝒌 ∙ 𝐥𝐧 (𝑾) mit k: Boltzmann-Konstante, W: Zustandswahrscheinlichkeit (= Zahl der unterscheidbaren Zustände eines Systems: 𝑾 = 𝒁𝒂𝒉𝒍 𝒂𝒍𝒍𝒆𝒓 𝒎ö𝒈𝒍𝒊𝒄𝒉𝒆𝒏 𝒁𝒖𝒔𝒕ä𝒏𝒅𝒆 𝒁𝒂𝒉𝒍 𝒂𝒍𝒍𝒆𝒓 𝒈𝒍𝒆𝒊𝒄𝒉𝒘𝒆𝒓𝒕𝒊𝒈𝒆𝒏 𝒁𝒖𝒔𝒕ä𝒏𝒅𝒆 ); Entropie S nimmt mit der Unordnung eines Systems zu - SSchmelze>SFestkörper; - Konzentration: = chemische Zusammensetzung; wichtige Konzentrationsmaße in der WK: o Masseprozent c: 𝒄𝑨 = 𝒎𝑨 𝒎 ∙ 𝟏𝟎𝟎%, 𝒄𝑩 = 𝒎𝑩 𝒎 ∙ 𝟏𝟎𝟎% oder 𝒄𝑩 = 𝟏𝟎𝟎% − 𝒄𝑨(für binäres System) o Atomprozent x 𝒙𝑨 = 𝒏𝑨 𝒏 ∙ 𝟏𝟎𝟎%, 𝒙𝑩 = 𝒏𝑩 𝒏 ∙ 𝟏𝟎𝟎% oder 𝒙𝑩 = 𝟏𝟎𝟎% − 𝒙𝑨 (für binäres System) o Umrechnung: es gilt 𝒎𝑨 = 𝒏𝑨 ∙ 𝑨𝑨, analog für B; daraus folgt: 𝒄𝑨 = 𝟏 𝟏+ 𝒙𝑩∙𝑨𝑩 𝒙𝑨∙𝑨𝑨 , 𝒄𝑩 = 𝟏 𝟏+ 𝒙𝑨∙𝑨𝑨 𝒙𝑩∙𝑨𝑩 Mit m: Masse, n: Stoffmenge (# der Atome), A: Atommasse (=molare Masse?! S. 136) Zustandsdiagramme (Zustandsschaubilder) Definition: zeigen die Existenzbereiche aller auftretenden, thermodynamisch stabilen Phasen in Abhängigkeit von den Zustandsvariablen (T, p, x) auf. Bestimmung experimentell durch Abkühlkurven(T- t-Verläufe), theoretisch auf Grundlage thermodynamischer Berechnungen der T- und Konzentrationsabhängigkeit der freien Enthalpie G; „sind Landkarten, die in Abhängigkeit der T un der chemischen zusammensetzung (Konzentration) für Mischungen aus verschiedenen Atomsorten (Komponenten) aufzeigen, welche Phasen bei welcher T (bzw. Temperaturbereich) und Konzentration (bzw. Konzentrationsbereich) thermodynamisch stabil sind.“22 Experimentelle Bestimmung (Abkühlungskurven) Siehe Seite 137-138 • Liquiduslinie: Grenze zwischen dem Einphasengebiet der Schmelzes bei hohen Temperaturen und dem sich zu tieferen Temperaturen anschließenden Koexistenzbereich von Schmelze und Festkörperphase → oberhalb der Liquiduslinie liegt nur Schmelze vor • Soliduslinie: trennt das untere Zweiphasengebiet vom Einphasengebiet der Festkörperphase, das sich zu noch tieferen Temperaturen anschließt →unterhalb der Soliduslinie liegen nur feste Phasen vor Theoretische Bestimmung (G-x-Kurven) Mischphasenthermodynamik: berücksichtigt die Anordnung der beiden Atomsorten A und B (binäres System) zueinander und mögliche Wechselwirkungen der Atome untereinander. Mischungsentropie: ∆𝑺𝑴 = 𝒌 ∙ 𝐥𝐧 (𝑾) (ist immer positiv), mit 𝑾 = (𝑵𝑨+𝑵𝑩)! (𝑵𝑨)!(𝑵𝑩)! (W wird sehr groß), aus 𝒙𝑨 + 𝒙𝑩 = 𝟏, 𝑵𝑨 = 𝒙𝑨 ∙ 𝑵 𝑳 mit NL: Avogadro-Zahl, analog für B Gibbssche Phasenregel Definition: Zusammenhang zwischen der Anzahl der Komponenten K, der Anzahl der Phasen P und der Anzahl der Freiheitsgrade F (d.h. der Anzahl von Zustandsgrößen, die unabhängig voneinander geändert werden können, ohne die Größe P zu verändern) → System im Gleichgewicht: 𝑭 + 𝑷 = 𝑲 + 𝟐; auf Phasengrenzlinien kann nur eine Zustandsgröße frei verändert werden, hier gilt F=1; am Schnittpunkt dreier Phasengrenzlinien gilt F=0 Reduzierte Gibbs’sche Phasenregel für Werkstoffsysteme mit konstantem Druck: 𝑭 + 𝑷 = 𝑲 + 𝟏 Grundtypen der Zustandsschaubilder von Zweistoffsystemen System vollständiger Mischbarkeit im festen und flüssigen Zustand 22 S. 137, Bemerkung: Zustandsparameter Druck (Atmosphärendruck) ist bei den meisten relevanten Phasenumwandlungen konstant und hat daher keinen Einfluss 25 Zustandsschaubilder mit mehr als zwei Komponenten Benennung: drei Komponenten → ternäre Systeme, vier Komponenten → quaternäre Systeme Bedeutung: wichtig, da eine Vielzahl technischer Legierungen aus mehr als zwei Komponenten bestehen Konzentrationsdreieck: für ternäre Systeme • Für ein Dreistoffsystem A-B-C gilt: 𝒄𝑨 + 𝒄𝑩 + 𝒄𝑪 = 𝟏 • Möglichkeiten zur Darstellung: o Pseudo-3D Zustandsschaubiler (Erstellung sehr aufwendig, Lesen schwer) o Einfacher: Isotherme Schnitte/isotherme Konzentrationdreiecke durch ein Pseudo-3D Zustandsschaubild → zeigen Phasen und Phasengrenzlinien für alle Mischungen des betrachteten ternären Systems bei genau einer Temperatur T; der Schnittpunkt von drei parallel verschobenen Dreiecksseiten liefert die Zusammensetzung der Mischung P o Konzentrationsschnitte ermöglichen die Darstellung eines quasibinären Zustandsschaubildes, da die Konzentration einer Komponente unverändert bleibt (Schnitt durch einen Isothermen Schnitt) 26 KAPITEL 7: KINETIK (DIFFUSION) Lernziel: Diffusionsvorgänge sind wichtig für die Wärmebehandlungen und Verarbeitungen von Werkstoffen Thermisch aktivierte Vorgänge Definition Diffusion: bezeichnet Vorgänge des Stoff- bzw. Materietransports, welche mit der Wanderung von Atomen, Ionen oder Molekülen in Gasen, Flüssigkeiten und Festkörpern verbunden sind. • Zufuhr thermischer Energie führt zu Wärmeschwingungen der Atome oder Ionen eines Kristallgitters um ihre Gitterplätze (Amplitude nimmt mit der Temperatur zu) • Erreicht die Energie die Aktivierungsenergie Q, so können die Atome ihren Platz im Gitter verlassen und wandern • Diffusion = thermisch aktivierter Platzwechsel • Der Materietransport durch Diffusion kontrolliert viele Vorgänge in Werkstoffen (Konzentrationsausgleich, Phasenumwandlungen, Oxidation u. Korrosion, Wärmebehandlungen, etc.) → bei den Vorgängen kommt es meist unter Temperatureinfluss in Abhängigkeit von der Zeit zu einer lokalen Änderung der Konzentration der Legierungselemente • Steigende Temperaturen und abnehmender Ordnung der Atomgruppierung begünstigen die Diffusion in kristallinen Festkörpern. • In Metallen mit ihren dicht gepackten Atomlagen wird der Platzwechsel von Atomen durch Punktdefekte ermöglicht • Wanderungsgeschwindigkeit v der Atome steigt meist exponentiell mit der Temperatur: 𝝊 = 𝒄𝒐𝒏𝒔𝒕.∙ 𝒆− 𝑸 𝑹𝑻 Arrhenius-Darstellung des thermisch aktivierten Vorgangs: 𝐥𝐧 (𝝊) = 𝐥𝐧 (𝒄𝒐𝒏𝒔𝒕. ) − 𝑸 𝑹𝑻 • Je größer die Aktivierungsenergie Q, desto langsamer ist der Diffusionsprozess • Finden gleichzeitig mehrere Diffusionsvorgänge statt, so wird jener mit dem größten Q als geschwindigkeitsbestimmend bezeichnet Diffusionsarten Definition Diffusionsarten: unterscheiden mögliche irreversible Platzwechselvorgänge hinsichtlich ihrer Ursache. Diffusion ist möglich infolge von lokalen Konzentrationsunterschieden und/oder Unterschieden in der Eigenenergie der diffundierenden Spezies. Aufgrund der starken Temperatur- und Konzentrationsabhängigkeit der Platzwechselvorgänge kann man folgendermaßen unterteilen: • Thermodiffusion: Besterben der Atome einen Ausgleich der kinetischen Energie durch Platzwechsel herbeizuführen (Ursache: Wärmeschwingungen der Atome um ihre Gitterplätze bedingen kinetische Energie, die in einem abgeschlossenen System über die entsprechende Zahl von Atomen ungleichmäßig verteilt ist – es gibt Atome mit geringer, mittlerer und weitere mit hoher kinetischer Energie) • Selbstdiffusion: es sind nur Atome einer Art, d.h. Atome des reinen Metalls beteiligt (i.d.R. bei der Thermodiffusion) • Fremddiffusion: Diffusion als Folge eines Konzentrationsunterschieds (tritt in den meisten Fällen auf; Ursache: in einem Gitter sind Atome einer zweiten Komponente unregelmäßig verteilt, dann erfolgt bei Aktivierung eine Diffusion, die nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums zu einem Konzentrationsausgleich führt (sh. Abb.). Die Atome erreichen damit den stabilsten thermodynamischen Energiezustand) Diffusionsmechanismen Definition Diffusionsmechanismen: beschreiben die Art des Platzwechselvorgangs während der Diffusion. Im idealen, 27 kristallinen Festkörper erfolgt die Diffusion in der Gitterstruktur: charakteristische Platzwechselmechanismen sind • b.) Der Leerstellenmechanismus: möglich durch die Anwesenheit von Gitterleerstellen; diffundierendes Atom verlässt seinen Gitterplatz und besetzt eine Leerstelle; Leerstelle werden thermisch aktiviert gebildet, oder können durch energiereiche Bestrahlung erzeugt werden (=athermische Diffusion); wichtigster Diffusionsprozess für die Selbstdiffusion und für die Diffusion von substitutionell gelösten Fremdatomen • c.) Zwischengittermechanismus: beruht auf thermisch aktivierten Platzwechseln von Fremdatomen auf benachbarte Zwischengitterplätze; besonders relevant bei der Diffusion von interstitiell gelösten Fremdatomen, deren Atomradien << als der Radius der Atome des Matrixgitters ist (Bsp.: Diffusion von C, N, O, H im Gitter von Metallatomen) • a.) Der Austauschmechanismus:direkter Austausch von zwei Atomen der gleichen Art (Selbstdiffusion) oder zwei verschiedenen Atomen (Fremddiffusion); erfordert lose gepackte Kristallstrukturen Diffusionswege Definition Diffusionswege: beschreiben die in realen, fehlerbehafteten Kristallen möglichen Orte für irreversible Platzwechselvorgänge. In realen Kristallen treten auch Platzwechselvorgänge an bevorzugten (energetisch begünstigten) Stellen auf. Einteilung nach Dimension der Stellen ergibt Diffusionswege: • Gitter-, Volumendiffusion: Platzwechselvorgänge im kristallinen Festkörper erfolgen entlang oder zwischen den 0-dimensionalen Atompositionen des Kristallgitters • Versetzungs-, Schlauchdiffusion: Versetzungen erleichtern in realen Kristallen die Platzwechselvorgänge. Die Gitterstörung unmittelbar um eine 1- dimensionale Versetzungslinie begünstigt v.a. die Diffusion interstitiell gelöster Fremdatome – entlang der geringfügig vergrößerten Gitterabstände unterhalb der Gleitebene einer Stufenversetzung können kleinere Fremdatome schneller diffundieren als durch das ungestörte Gitter. Die Versetzungslinie kann daher auch als Diffusionschlauch betrachtet werden. • Grenzflächendiffusion: Korngrenzen und freie Oberflächen (z.B. Poren, Lunker, Kristallaußenflächen) bilden in realen Kristallen –dimensionale Diffusionswege. Die Diffusion wird durch zunehmende Störung der regelmäßigen Atomanordnung in den Korngrenzen erleichtert. Atomare Platzwechsel auf freien Oberflächen erfordern die geringsten Aktivierungsenergien, da hier die Bewegung von Atomen nur wenig behindert wird. Die Diffusion entlang von Korngrenzen beeinflusst wesentlich das Verformungsverhalten von metallischen und keramischen Werkstoffen bei hohen Temperaturen. Mathematische Beschreibung der Diffusion Mathematische Einleitung: Funktionen mit zwei Variablen o Die Konzentration c hängt meist von zwei Variablen ab – dem Ort und der Zeit: c(x,t) o Differentiation: c nach x ableiten und t als Konstante behandeln und umgekehrt o Ggf. Leibnitz-Regel anwenden: 𝜹 𝜹𝒙 [∫ 𝒉(𝝀) 𝒈(𝒙,𝒕) 𝟎 𝒅𝝀] = 𝒉(𝒈(𝒙, 𝒕)) ∙ 𝜹𝒈 𝜹𝒙 𝒃𝒛𝒘. 𝜹𝒈 𝜹𝒕 30 Nichtstationäre Bedingungen 1. Wärmebehandlungen in Gasatmosphären Werkstoffoberflächen können durch das Eindiffundieren von C bzw. N gehärtet werden – das Einsatzhärten und Nitrieren sind Beispiele für diesen thermochemischen Prozess Beispiel Einsatzhärten eines Stahls: • Stähle mit geringem Kohlenstoffgehalt (0,05- 0,2 Masse-%, sog. Einsatzstähle) werden in einem C-abgebenden, gasförmigen, flüssigen oder festen Medium bei Temperaturen zw. ca. 850-1000°C aufgekohlt • Dabei diffundiert C in die Randschicht des Stahls ein • Die chemische Zusammensetzung des C- abgebenden Mediums (meist ein Gas) wird konstant gehalten (`c=konst.) • An der Stahloberfläche liegt so eine zeitlich konstante C-Konzentration vor • Randbedingungen für die Wärmebehandlung in einer unveränderlichen Gasatmosphäre (`c=konst.): Daraus folgt für das 2. FICKsche Gesetz: 𝒄(𝒙, 𝒕) − 𝒄𝟎 = (′𝒄 − 𝒄𝟎) ∙ [𝟏 − 𝒆𝒓𝒇( 𝒙 𝟐√𝑫𝒕 )] 2. Interdiffusion von zwei Elementen Beispiel Metallblock(siehe Nichtstationäre Diffusionsvorgänge): • Materialfluss von zusammengefügten Metallblöcken findet in beiden Richtungen statt • Rest siehe Seite 187-188 KIRKENDALL-Effekt: • Diffusionsgeschwindigkeiten der beiden Komponenten müssen nicht gleich sein – sind sie nicht gleich, so können KIRKENDALL-Poren entstehen: wenn mehr Atome der einen Komponente heraus diffundieren als hinein, so muss im Inneren der einen Komponente eine entsprechend große Zahl von Leerstellen zurückbleiben • An stabförmigen Proben bildet sich parallel zur Scheißebene in dem Werkstoff mit dem kleineren Diffusionskoeffizienten ein Wulst und im anderen Werkstoff eine Einschnürung aus – an der Einschnürstelle in einiger Entfernung von der Schweißebene treten parallel zu ihr eine große # von Löchern auf (sog. Mikroporen), die durch Vereinigung von vielen Leerstellen entstanden sind → Leerstellenkondensation 3. Homogenisieren von Konzentrationsschwankungen • Annahme: es liegt eine periodische Schwankung der Konzentration c eines Legierungselementes vor, dessen maximale Konzentration sich als Funktion der Zeit wie folgt beschreiben lässt: ?̂?(𝒕) − ?̅? = (?̂?𝟎 − ?̅?) ∙ 𝒆 − 𝟒𝝅²𝑫𝒕 𝒍² • In der Praxis verhindert das rasche Abkühlen von Schmelzen eines Mehrkomponentensystems die Ausbildung von thermodynamisch stabilen Mischkristallen, d.h. von Mischkristallen, deren Zusammensetzung dem zugehörigen Zustandsschaubild entnommen werden kann • Stattdessen kommt es zu Abweichungen von der Gleichgewichtskonzentration innerhalb eines Mischkristalls =Zonenmischkristalle; Konzentrationsschwankungen = Mikroseigerungen23 23 Durch Konzentrationsunterschiede bei der Bildung von Mischkristallen kommt es zur Entstehung von Mikro- oder Kristallseigerungen. Dieser Konzentrationsunterschied wird bei sehr langsamer Erstarrung durch Diffusionsvorgänge wieder 𝒕 = 𝟎 𝟎 < 𝒙 < ∞ 𝒄 = 𝒄𝟎 𝒕 > 𝟎 𝒙 = 𝟎 𝒄 = ′𝒄 𝒕 > 𝟎 𝒙 → ∞ 𝒄 = 𝒄𝟎 31 • Bei der Erstarrung und dem Wachstum eines solchen Mischkristalls bilden sich Zonen mit jeweils konstanten Konzentrationen aus → durch eine Wärmebehandlung, das sog. Diffusionsglühen werden die Konzentrationsschwankungen innerhalb des Mischkristalls ausgeglichen → siehe auch Abbildung 7.18 auf Seite 190 ausgeglichen. Bei der technischen Erstarrung, d. h. bei der nicht gleichgewichtsnahen Erstarrung, ist der Konzentrationsausgleich durch Diffusion auf Grund der zu schnellen Abkühlung nicht möglich. Diese Kristallseigerungen sind die einzigen, die durch ein Homogenisierungsglühen wieder aufgelöst werden können. *Segierungen: sind Entmischungen einer Schmelze bei der Metallherstellung, die unmittelbar zu einer örtlichen Zu- oder auch Abnahme von bestimmten Elementen innerhalb des Mischkristalls führen. Sie entstehen beim Übergang der Schmelze in den festen Zustand. 32 KAPITEL 8: PHASENUMWANDLUNGEN Diffusionsgesteuerte Phasenumwandlungen Phasenumwandlungen im festen und flüssigen Zustand, die durch die diffusionsabhängigen Vorgänge Keimbildung und Keimwachstum realisiert werden. Wachstumsfähiger Keim = der kleinste, neugebildete und thermodynamisch stabile Kristall. Betrachtung der Dichte der freien Enthalpie gegenüber der Temperatur für zwei Phasen: • Am Umwandlungspunkt sind die spezifischen Enthalpien der beiden Phasen gleich • Beim Temperaturen oberhalb und unterhalb des Umwandlungspunktes ist die Phase mit der jeweils kleineren spezifischen freien Enthalpie thermodynamisch stabiler • Wird das System s von hohen Temperaturen abgekühlt, so beschreibt die Differenz zwischen s und f (vertikal) die Treibkraft für die jeweilige Phasenumwandlung (= Energieinhalt der bei der Phasenumwandlung freigesetzt wird) • System geht in einen thermodynamisch stabileren Zustand mit geringerer Enthalpie über Homogene Keimbildung Spontane Bildung einer neuen Phase aus einer Mutterphase ohne Fremdhilfe. Tröpfchenmodell: gebräuchlichstes Modell; berücksichtigt nur die Änderung der freien Enthalpie und die Grenzflächenenergie zwischen neuer Phase und Mutterphase Schema: • Atome befinden sich in der Schmelze aufgrund ihrer Eigenbewegung in einem regellosen, d.h. weitgehend ungeordneten Zustand • Nahe dem Schmelzpunkt können Nahordnungen auftreten, d.h. in der Schmelze können Atome bereits vorgeordnet im Gittertyp des Festkörpers vorliegen • Auch im festen Zustand können die Atome der beteiligten Sorten in der α-Phase lokal nicht statistisch, sondern so angeordnet sein, dass dort bereits die Zusammensetzung der β-Phase vorliegt → Homogene Keimbildung! Energiebilanz der homogenen Keimbildung: • Es gibt einen kritischen Keimradius r*hom, der die Mindestgröße eines neu gebildeten Keimes der neu gebildeten Phase kennzeichnet – für r< r*hom zerfallen die gebildeten Keime spontan unter Energieabgabe; für r> r*hom wachsen sie unter Energieabgabe (festgelegt durch horizontale Tangente ⇒ r∗hom = − 2𝛾𝐺𝐹 Δ𝑔𝑣 , mit der spezifischen Grenzflächenenergie 𝛾𝐺𝐹 und der Enthalpiedifferenz Δ𝑔𝑣) • Keimbildungsenergie = aufzubringende Gesamtenthalpie für die Bildung von Keimen mit dem kritischen Radius: Δ𝐺𝑔𝑒𝑠 ∗ℎ𝑜𝑚 = 16𝜋 3 (𝛾𝐺𝐹) 3 (Δ𝑔𝑣) 2 Temperatureinfluss: • 𝛾𝐺𝐹 ist praktisch unabhängig von T • Δ𝑔𝑣 ist stärker T-abhängig • Δ𝐺𝑔𝑒𝑠 ∗ℎ𝑜𝑚: mit zunehmender Unterkühlung werden immer kleinere Keime thermodynamisch stabil, d.h. die Keimbildung wird erleichtert; die notwendige Keimbildungsenergie nimmt mit 1/∆T² ab → homogene Keimbildung erfordert ausreichend große Unterkühlung (spielt in der Praxis kaum eine Rolle) Heterogene Keimbildung Modelle berücksichtigen hier die energetischen Beiträge von sog. Keimbildungsstellen, die die freie Enthalpie des Gesamtsystems Mutterphase/neue Phase stark beeinflussen 35 o Kaltverfestigung: Phasenumwandlung ist mit plastischer Verformung verbunden, bei der sehr hohe Versetzungsdichten generiert werden; Anwesenheit der Versetzungen selbst schränkt die Beweglichkeit ein • Vergleich weichgeglühter mit gehärtetem Stahl: drastische Erhöhung der Streckgrenze des martensitischen Stahls → deutlicher Verlust an Duktilität (siehe Abbildung) • Unlegierte Stähle mit sehr geringem C-Gehalt (ca. <0,2 Masse-%) sind nicht nennenswert härtbar (es kommt zu keiner hinreichenden Gitterverzerrung) • Mit zunehmendem C-Gehalt des Stahls nimmt die tetragonale Verzerrung und damit auch die Festigkeit und Härte des Stahls zu • Zunehmender C-Gehalt erfordert jedoch auch eine größer werdende Triebkraft für die Phasenumwandlung • Es kann vorkommen, dass das Volumen des Martensits größer ist, als das des Austenits, aus dem es gebildet wurde. Die dadurch erzeugten Spannungen hemmen die weitere Umwandlung, da sich für jede Temperatur unterhalb jener, bei der erstmals Martensit gebildet wird, zwischen den Umwandlungsspannungen und der thermodynamischen Triebkraft ein Gleichgewicht einstellt → Umwandlungsfortgang (d.h. weitere Erhöhung des Martensitanteils) ist nur dann möglich, wenn weiter unterkühlt wird • Mit zunehmendem Kohlenstoffgehalt wird die notwendige Starttemperatur größer (da auch die Umwandlungsspannungen mit dem C-Gehalt größer werden) ZTU-Schaubilder = Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Schaubilder Zeigen die auftretenden Phasenumwandlungen im festen Zustand genau eines Werkstoffes als Funktion der Abkühlgeschwindigkeit. Enthalten Kurven für Beginn und Abschluss von Phasenumwandlungen. • Wärmebehandlung eines Werkstoffs beeinflusst durch Wahl der Parameter Zeit und Temperatur den Verlauf der Phasenumwandlungen • ZTU-Schaubilder geben Auskunft darüber, welche Phasen in welchen Anteilen nach einer Wärmebehandlung vorliegen → man kann gezielt bestimmte mechanische Eigenschaften einstellen • Im Gegensatz zu Zustandsdiagramen ist bei ZTU-Schaubildern die Legierungskonzentration unverändert (für jede Legierung ist ein eigenes ZTU-Schaubild zutreffend); sie zeigen die Existenz von Phasen auf, die bei sehr kleinen Umwandlungszeiten auftreten • In jedem ZTU-Schaubild sind folgende Grundlagen enthalten: o Das ZTU-Schaubild zeigt T-t-Bereiche, in denen eine oder mehrere Phasen stabil sind → sie dienen der Festlegung von Abkühlgeschwindigkeiten, damit erwünschte Gefüge und Eigenschaften erreicht werden o Die Keimbildung als thermodynamischer Vorgang und dem hierbei auftretenden Zusammenhang zwischen Keimgröße und Unterkühlung o Keimwachstumsrate als diffusionsabhängiger Prozess, der die Geschwindigkeit des Teilchenwachstums kontrolliert • Zeitachse ist logarithmisch eingeteilt, da die Umwandlungen oft sehr lange Zeiten erfordern (Bereich kurzer Zeiten wird dadurch gestreckt, Bereich langer Zeiten wird gestaucht) • ZTU-Schaubild entsteht aus Vielzahl von Proben aus gleichem Werkstoff, die alle einem anderen T-t-Regime ausgesetzt werden und anschließend die in ihnen enthaltenen Phasen/deren Anteile bestimmt werden • ZTU-Schaubild ist nach oben durch waagerechte Linie begrenzt (Austenitisierungstemperatur), oberhalb derer keine interessierenden Phasenumwandlungen auftreten →diese Linie/Temperatur 36 stellt untere Grenze eines Einphasenraumes im zugehörigen Zustandsschaubild des Werkstoffes dar (entspricht i.d.R. der Umwandlungstemperatur TE, bei der die ursprüngliche und die neu zu bildende Phase die gleiche freie Enthalpie G besitzen) • Beginn und Ende einer diffusionskontrollierten Phasenumwandlung werden durch je eine nasenförmige Kurve dargestellt Erklärung des Verlaufs im ZTU-Schaubild: Oberer Bereich Mittlerer Bereich Unterer Bereich Temperaturbereich nahe der Umwandlungstemperat ur TE in hinreichender Entfernung zu TE sehr niedrig, <<TE Diffusionskoeffizient D groß Diffusion verläuft hinreichend schnell (sodass die Keime schnell wachsen) Diffusion sehr langsam (→ Atome wandern sehr langsam) Unterkühlung sehr gering groß genug sehr groß Thermodynamische Triebkraft ∆G kleine Triebkraft ∆G ausreichend groß sehr groß thermodynamisch stabile Keime und notwendige Keimbildungsarbeit vergleichsweise groß mit geringer Keimbildungsarbeit werden mehr und kleinere stabile Keime der neuen Phase gebildet deutlich kleiner Umwandlungszeit, Bemerkung es dauert vergleichsweise lange, bis die Phasenumwandlung beginnt Bedingungen sind optimal für zügige Phasenumwandlun g, Umwandlungszeite n sind kurz Beginn der Phasenumwandlu ng verzögert sich, weil die Beweglichkeit der Atome bei diesen T stark eingeschränkt ist Arten von ZTU-Schaubildern Es gibt ZTU-Schaubilder für isotherme und kontinuierliche Temperaturführungen. Die Phasenumwandlungen werden entlang der Isothermen bzw. der Abkühlkurven gelesen. Sie enthalten zusätzlich Angaben zur Menge [%] der entstandenen Gefügebestandteile, oft auch der Härte des Gefüges nach Abschluss der Umwandlung 1. Kontinuierliche Temperaturführung: Werkstoff wird aus dem Einphasengebiet kontinuierlich abgekühlt und Art und Menge der Phasen nach erfolgter Abkühlung bestimmt. Die Schaubilder enthalten zusätzliche Abkühlkurven, die einer bestimmten Abkühlgeschwindigkeit entsprechen. Die Umwandlungen werden entlang der Abkühlkurven abgelesen Eignung: o Festlegung von Wärmebehandlungen, die mit einer kontinuierlichen Abkühlung aus dem Einphasengebiet beginnen o Bestimmung der Gefügebestandteile und deren Mengen [%] an den Schnittpunkten der Abkühlkurven mit den unteren Grenzen des jeweils durchlaufenen Phasengebietes o Bestimmung der Härte des Gefüges nach erfolgter Abkühlung 37 2. Isotherme Temperaturführung: Werkstoff wird rasch aus dem Einphasengebiet auf die gewünschte Temperatur abgekühlt. Umwandlung wird entlang dieser Isothermen abgelesen. Eignung: o Ablesen der notwendigen Zeiten für eine vollständige Umwandlung in ein bestimmtes Gefüge o Bestimmen der Härte des Gefüges nach isothermer Wärmebehandlung Beispiele → verschiedene Wärmebehandlungen führen zu stark unterschiedlichen Gefügen mit unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften. Werkstoffeigenschaften können durch Wärmebehandlung gezielt eingestellt werden 40 Verfestigungseffekte Wesentliche Parameter mit Einfluss auf die Verfestigung ΔRMKH infolge Mischkristallbildung sind: 1. Größeneffekt: Änderung des Gitterparameters durch Einlagerung von Fremdatomen mit verschiedenem Atomradius = Störungen im Kristallaufbau; Einlagerung führt zur elastischen Verzerrung des Gitters 2. Moduleffekt: Beeinflussung der Wechselwirkungskräfte zwischen benachbarten Atomen durch die Einlagerung von Fremdatomen = elektrochemische Bindungen im Mischkristall; veränderten Bindungskräfte können zu deutlicher Veränderung des E-Moduls führen (meist gering) FLEISCHER: quantitative Abschätzung des Größeneffekts und des Moduleffekts: Aus𝛿 = 1 𝑎0 𝑑𝑎 𝑑 𝑐𝐹𝐴 ; 𝜂 = 1 𝐸0 𝑑𝐸 𝑑 𝑐𝐹𝐴 und 𝑓 = |𝛿 − 𝛼𝜂| folgt die Festigkeitssteigerung: Δ𝑅𝑝 𝑀𝐾𝐻 = 𝑐𝑜𝑛𝑠𝑡.∙ 𝑓𝑛 ∙ √ 𝑐𝐹𝐴 Mit a0: Gitterparameter des reinen unlegierten Wirtsgitters in m, f: Wechselwirkungsparameter, E0: E-Modul des reinen, unlegierten Wirtsgitters in GPA, 𝑐𝐹𝐴 die Konzentration an gelösten Fremdatomen in ppm, α: 16 (Stufenversetzung) bzw. 3 (Schraubenverseztung), n: 1,3..2 → Erhöhung der Streckgrenze führt auch zu Zunahme der Temperaturabhängigkeit der Streckgrenze (im Mischkristall kommt es zu stärkerem Festigkeitsabfall bei steigender Verformungstemperatur) Vorstellbare Mechanismen bei der MKH: 1. Gelöste Atome können Versetzungen so blockieren, dass kaum eine Versetzungsbewegung möglich ist → Auftreten einer ausgeprägten Streckgrenze 2. Fremdatome können die Bewegung von Versetzungen erschweren und einen zusätzlichen Reibungswiderstand erzeugen (da jedes gelöste Fremdatom Spannungen im Wirtsgitter erzeugt) → bei gleitender Versetzung werden immer Spannungsfelder einiger Atome in Richtung der Versetzungsbewegung wirken, andere entgegengesetzt – es kann passieren, dass ein GG vorliegt (dann kein Einfluss der MK-Bildung) Versetzungshärtung (Kaltverfestigung) Definition: Erhöhung von Rp durch das Einbringen von Versetzungen → die Spannungsfelder um Versetzungen und Versetzungsreaktionen führen zu einer gegenseitigen Wechselwirkung und Behinderung der Versetzungsbewegung. Einfachste Möglichkeit Versetzungshindernisse in einen Werkstoff einzubauen: plastische Verformung Bedeutsame Eigenschaften: 1. Versetzungsmultiplikation: Versetzungen multiplizieren sich während der Verformung – Versetzungsdichte ρ steigt mit zunehmender plastischer Verformung → Versetzungen behindern sich gegenseitig und reagieren miteinander →weitere Verformung nur durch Zunahme der Verformungsspannung möglich 2. Weitreichendes Spannungsfeld: Versetzungen haben weitreichendes Spannungsfeld (= Ursache für die gegenseitige Behinderung von Versetzungen) → bei Näherung beweglicher Versetzungen kommt es zur elastischen Wechselwirkung der Spannungsfelder → weitere Bewegung nur dann, wenn die Wechselwirkung durch zunehmende äußere Spannung kompensiert wird; Spannungszunahme = Verfestigung des verformten Werkstoffes (=Kaltverfestigung/Versetzungshärtung, da i.A. Verformung ohne Temperatureinfluss betrachtet wird) Verfestigung nach BAILEY, HIRSCH und TAYLOR: Δ𝜏⊥ = 𝛼𝐺𝑏√𝜌 mit G: Schubmodul in GPa, b: Betrag des Burgersvektor in m, ρ: Dichte der beweglichen Versetzungen in 1/m², α: 0,1..1 (berücksichtigt besondere 41 Versetzungsanordnungen, meist 0,3) → mit zunehmender Verformung steigt die kritische Schubspannung, da zunehmend mehr Versetzungen bewegt werden und diese sich vermehren und zunehmend behindern Festigkeitszuwachs durch Kaltverfestigung: Δ𝑅𝑝 0,2 𝐾𝑉 = 𝑐𝑜𝑛𝑠𝑡.∙ 𝐺𝑏 ∙ √𝜌 Beschreibung der zur plastischen Verformung notwendigen Spannung R(ε) nach LUDWIK: 𝑅(𝜀) = 𝑐𝑜𝑛𝑠𝑡. 𝜀𝑛 mit n: Verfestigungsexponent Definition Fließkurve: auf der Fließkurve des unverformten Materials liegen alle Streckgrenzen des um ε kaltverfestigten Materials. Anwendung: KV wird oft angewendet, wenn Legierung keine ausreichende Festigkeit besitzt und dieses Ziel durch andere Maßnahmen nicht erreicht werden kann. Umformtechnik: • Umformverfahren erzielen hohe Umformgrade und Versetzungsdichten → deutliche Festigkeitssteigerungen • Vorteil Kaltumformverfahren: aus Halbzeugen können Endprodukte mit definierter, erhöhter Festigkeit gefertigt werden • Verfahren: Druckumformverfahren wie Walzen, Gesenkschmieden • Typische Legierungen auf die KV angewendet wird: o naturharte, d.h. nicht aushärtbare Legierungen Al-Legierungen (Al-Mg, Mn, Mn-Mg) o naturharte Cu-Legierungen (α-Messinge, α-Bronzen) o unlegierte Stähle o hochlegierte Stähle o Ni-Legierungen • Formänderungsfestigkeit stellt wahre Spannung dar: 𝑘𝑓 = 𝐹 𝑆1 = 𝐾𝑟𝑎𝑓𝑡 𝑀𝑜𝑚𝑒𝑛𝑡𝑎𝑛𝑞𝑢𝑒𝑟𝑠𝑐ℎ𝑛𝑖𝑡𝑡 • Technische Spannung (wird auf den Ausgangsquerschnitt S0) bezogen • Logarithmische Formänderung beschreibt den Dehnungzuwachs: 𝜑 = ln ( ℎ1 ℎ0 ) mit h0: Ausgangslänge, (-dicke), h1: Endlänge, (-dicke) des umgeformten Werkstücks • Technische Dehnung auf Ausgangslänge (-dicke) bezogene Verlängerung (Dickenänderung) • Zusammenhänge zwischen wahren und technischen Kenngrößen: 𝑘𝑓 = 𝜎(1 + 𝜀), 𝜑 = ln (1 + 𝜀) Einkristallverfestigung Bestimmung der Verfestigung durch den Verfestigungskoeffizienten ν(γ) als Anstieg dτ/dγ in jedem Punkt der Verfestigungskurve → Diagramm siehe Seite 228 Vielkristallverfestigung • Metallische Konstruktionswerkstoffe i.d.R. vielkristallin (d.h. Gefüge besteht aus vielen, verschieden orientierten Kristallen (Körnern), die durch Bereiche hoher Fernordnung (Korngrenzen voneinander getrennt sind) →bei plastischer Verformung muss die Verformung eines Korns die benachbarten Körner beeinflussen, da das Material sonst in seine einzelnen Körner zerfallen würde • Beim Anlegen einer äußeren Spannung gleiten zunächst nur die Körper, deren Gleitsysteme einen hohen Schmidfaktor aufweisen (in ungünstig orientierten Körnern werden keine Versetzungen aktiviert) • Lokal erhöhte elastische Spannung, da die Formänderung von den ungünstig orientierten Nachbarkörnern nicht mitgetragen wird 42 • Ist τ>τkrit eines Gleitsystems im Nachbarkorn, so wird auch in diesem Korn die Versetzungsbewegung aktiviert • Hat die plastische Verformung alle Körner erfasst, so ist die makroskopisch erkennbare Streckgrenze erreicht → Vielkristalline Materialien lassen sich makroskopisch nur verformen, wenn jedes Korn zu einer plastischen Formänderung in der Lage ist (Formänderung benachbarter Körner ist aber aufgrund ihres Orientierungsunterschieds nicht kompatibel) „Lösung“: Es bedarf geometrisch notwendiger Versetzungen an den Korngrenzen: die einzelnen Körner werden unter Belastung plastisch verformt – einzeln betrachtet entstehen hierdurch Löcher und Überlappungen, die Einzelkörner können jedoch im Verbund zusammengefügt werden (siehe Abbildungen Seite 231) • Aufgrund der unterschiedlich orientierten Körner beginnt die plastische Formänderung von Vielkristallen sofort mit Mehrfachgleitung und Verfestigung (Easy-Glide-Bereich fehlt) • Man unterscheidet zwischen Verformungen mit kontinuierlichem und diskontinuierlichem Übergang vom elastisch zum plastischen Bereich (siehe Abbildungen Seite 232): o Kontinuierlicher Fließbeginn: meist Werkstoffe, die aus kfz Kristallen aufgebaut sind → Materialien zeigen keine eindeutige Streckgrenze (definiertes Ende des elastischen Bereichs: geringe plastische Verformung von 0,2 oder 0,01%) o Diskontinuierlicher Fließbeginn: meist Werkstoffe mit krz Kristallstruktur → elastische Verformung bis zu oberer Streckgrenze ReH → bei weiterer Belastung abrupter Abfall auf untere Streckgrenze ReL → merkliche plastische Verformung bei annähernd konst. Spannung (Lüders-Dehnung AL) → Bereich gleichmäßiger Verjüngung und Verfestigung (bis zur Gleichmaßdehnung Ag) → Bereich der Verformung bis zum Materialversagen durch Bruch (A) Streckgrenzeneffekt und Verformungsalterung: Streckgrenzeneffekt = Auftreten einer ausgeprägten Streckgrenze beim Übergang von elastischer zu plastischer Verformung(siehe oben). Verformungsalterung= Wiederauftreten der ausgeprägten Streckgrenze nach vorausgegangener Kaltverformung. Vorkommen: häufig bei krz Metallen mit interstitiell gelösten Fremdatomen wie C, N, O (bevorzugt bei unlegierten Stählen mit niedrigem C-Gehalt) Ursache: Blockierung beweglicher Versetzungen durch interstitiell gelöste Fremdatome → Verzerrungsfeld unterhalb der Gleitebene einer Stufenversetzung bietet energetisch günstige Anlagerungspositionen, welche die Fremdatome durch Diffusionsvorgänge auch einnehmen → es bedarf höherer Spannungen als ohne angelagerte Fremdatome, damit diese blockierten Versetzungen gleiten können → bei Erreichen der oberen Streckgrenze reißen sich die Versetzungen von den Fremdatom-Wolken (COTTRELL-Wolken) los, die Spannung fällt auf die untere Streckgrenze ab, die für die Fortbewegung der Versetzungen notwendig ist → Losreißen beginnt an einer Stelle im Material, an der Ist τ>τkrit → bei weiterer Beanspruchung wird das Material lokal verfestigt und löst durch Spannungsüberhöhungen in Nachbarbereichen dort weitere Losprozesse aus (Ausbildung lokalisierter Gleitbänder: LÜDERS-Bänder) Verformungsalterung/Reckalterung: kann mithilfe des COTTRELL-Mechanismus erklärt werden Definition: zeitabhängige Versprödung von metallischen Werkstoffen, deren Ursache die Verankerung von Versetzungen durch Punktdefekte ist. 45 2. mechanische Eigenschaften der ausgehärteten Legierungen hängen von der Dauer ihrer Wärmebehandlung ab, der sog. Aushärtung/Auslagerung Aushärtung, Auslagerung Definition: dreistufige Wärmebehandlung von Legierungssystemen mit temperaturabhängiger, begrenzter Löslichkeit für eine oder mehrere Komponenten, in deren Verlauf eine oder mehrere Komponenten zunächst im Mischkristall angereichert und dort anschließend feindispers als zweite Phase ausgeschieden werden. Die zweite Phase führt zu beträchtlicher Erhöhung der Festigkeit des Werkstoffs. Vorgehen Wärmebehandlung: Gegeben: • Legierung im binären System A-B mit einer Konzentration xL; • Legierung wird hinreichend lang bei einer Temperatur T1 gehalten, sodass sich homogene α- Mischkristalle der Zusammensetzung xL bilden • Sehr schnelles Abkühlen der Legierung führt dazu, dass nicht genügend Zeit für die Diffusionsvorgänge zur Phasenumwandlung gegeben ist → die Legierungsatome bleiben zwangsweise im Mischkristall gelöst • anschließende Wärmebehandlung bei T3 führt zur Abscheidung aller überschüssigen Legierungsatome Δx als metastabile Zwischenphasen im Inneren der Mischkristalle Teilschritte: 1. Lösungsglühen, Homogenisierungsglühen: • Legierung wird bei Homogenisierungstemperatur T1>TS hinreichend lange geglüht, sodass sich alle Teilchen der zweiten Phase auflösen und nur homogene α-Mischkristalle vorliegen • Temperatur wird so gewählt, dass sie knapp unterhalb der eutektischen Temperatur des Systems, aber deutlich über TS liegt → α-Mischkristalle können einen sehr hohen Anteil an B-Atomen bei T1 aufnehmen und zudem wird dadurch das lokale Anschmelzen von Bereichen mit nahezu eutektischer Zusammensetzung vermieden 2. Abschrecken: • Legierung wird rasch auf Raumtemperatur T2 abgekühlt • dadurch haben die im α-Gitter zwangsgelösten B-Atome keine Gelegenheit durch Diffusion ausgeschieden zu werden → es stellt sich kein stabiles Phasengleichgewicht ein → es entsteht ein metastabiler α-Mischkristalle • Zudem wird die bei T1 vorliegende thermische Leerstellenkonzentration eingefroren 3. Auslagern, Aushärten: • Durch Wärmezufuhr T3 werden Platzwechselmechanismen über die vorhandenen Leerstellen aktiviert → es kommt zur Entmischung durch Bildung von feinsten Teilchen im Inneren der α- Mischkristalle • Temperatur des Auslagerns liegt wesentlich unter der des Lösungsglühens → Auslagern bei Temperaturen nahe der Raumtemperatur = Kaltaushärtung (Kaltauslagern), Auslagern bei höheren Temperaturen = Warmaushärtung (Warmauslagern) Ausscheidungsphasen: Definition: • Größe der ausgeschiedenen Teilchen nimmt mit zunehmender Auslagerungstemperatur und -zeit zu • Charakter ihrer Kristallstruktur relativ zur Matrix ändert sich gemäß: kohärent → teilkohärent → inkohärent ◦ Kohärenz der Ausscheidungsphase charakterisiert die Vergleichbarkeit ihres Kristallgitters mit dem der Matrixstruktur Eigenschaften: • Auslagerungstemperatur und -zeit beeinflussen Ort, Anzahl, Größe, Verteilung und Kristallstruktur der Ausscheidungsphase • Ähnlichkeit der Kristallgitter von metastabiler Zwischenphase und Matrixphase begünstigen die 46 Teilchenausscheidung im Inneren des Matrixkorns (Charakter der Ausscheidung ändert sich im Verlauf der Auslagerung) Charakterisierung der Kristallstruktur: 1. kohärente Ausscheidungen: • Gitterkonstanten weichen nur geringfügig von denen der Matrix ab • entsprechenden Atompositionen sind deckungsgleich/nur leicht gegeneinander verschoben • Verschiebungen verursachen Spannungen in der unmittelbaren Nähe der Grenze zwischen Matrix und Teilchen (sog. Kohärenzspannungen) • durchgehender Verlauf der Netzebenen wird trotz auftretender Spannungen nicht beeinträchtigt 2. teilkohärente Ausscheidungen: • mit zunehmender Verschiedenheit der Gitter nehmen auch die Abweichungen der Atompositionen beider Phasen zu → bei teilkohärenten Ausscheidungen ist der durchgehende Verlauf nicht mehr für alle Netzebenen gewährleistet → die Spannungen sind geringer 3. inkohärente Ausscheidungen: • besitzen ein von der Matrix völlig verschiedenes Gitter • Verschiedenheit der Atompositionen von Matrix und Ausscheidung lässt sich nicht mehr durch gleichförmige Verschiebung beim Übergang von einer zu anderen Phase beschreiben • es können sich keine gemeinsamen Netzebenen ausbilden Mechanismen der Wechselwirkung der beweglichen Versetzungen mit den Ausscheidungen: 1. Schneiden von Teilchen: um fein verteilte, kleine, (teil-)kohärente Ausscheidungen zu umgehen, müssten sich die Versetzungen zwischen diesen sehr stark ausbauchen, wofür sehr hohe Spannungen erforderlich sind → es ist energetisch günstiger, wenn die Versetzungen die Teilchen schneiden; die Überwindung der an den Phasengrenzflächen Matrix-Teilchen zusätzlich vorhandenen Spannungen führt zu einem Festigkeitsanstieg: (Formel 9.14) (nach KELLY und FINE) 2. Umgehen von Teilchen: Wenn Teilchen aufgrund ihrer Größe, etc. inkohärent zum Matrixgitter werden, stehen keine gemeinsamen Gleitebenen mehr zur Verfügung → das Schneiden solcher Ausscheidungen wäre mit enormen Energieaufwand verbunden → es ist für Versetzungen günstiger zwischen den Ausscheidungen auszubauchen und diese zu umgehen (= OROWAN- Mechanismus) → Festigkeitszuwachs: (Formel 9.15) Siehe Abbildung 9.32 Seite 246 (Auslagerungskurve, Teilchenradius r) Überalterung, OSTWALDreifung • Kristallstruktur nähert sich bei weiterer thermischer Aktivierung über die kritische Zusammensetzung und Größe der Teilchen hinaus der Kristallstruktur der inkohärenten Gleichgewichtsphase... Rest siehe Seite 246 Dispersionshärtung Definition: beruht auf Teilchenhärtung jedoch nicht als Folge der Entmischung eines übersättigten Mischkristalls. Dispersoide = eine zweite Phase, die entsteht durch: • Primärkristallisation aus der Schmelze • innere Oxidation (z.B. in der Schmelze oder des Festkörpers während des Glühens) • pulvermetallurgische Verfahren • mechanisches Legieren Eigenschaften: • Disperoide sind in der Matrix nicht oder fast nicht löslich. • Dispersionhärtung vergleichbar mit der Wechselwirkung von Versetzungen mit inkohärenten Ausscheidungen • dispergierte Feststoffpartikel behindern Gleitvorgänge der Versetzungen in der Matrix nach dem OROWAN-Mechanismus • es wird keine vergleichbare Feinverteilung wie durch Ausscheidungsvorgänge erzielt → Steigerung der Festigkeit bei Raumtemperatur geringer als durch Ausscheidung • Vorteil: thermische Stabilität wegen der Unlöslichkeit der dispergierten Phasen → Abfall der 47 Festigkeit ist mit zunehmender Temperatur weitaus geringer als bei ausscheidungsgehärteten Legierungen → deutlich erhöhte Festigkeit bei höheren Temperaturen Umwandlungshärtung Anwendung: bei allotropen Legierungssystemen Prinzip: kann anhand der bereits behandelten Mechanismen (MKH, VH, FKH, TH) beschrieben und erklärt werden. 50 unterschiedliches VZ des Burgersvektors) auf parallelen Gleitebenen führen zu Annäherung; Versetzungen nehmen energetisch günstigere Position ein, wenn sie sich übereinander auf ihren Gleitebenen anordnen: Dipol/Dipolversetzung o Polygonisation: = Umordnung von Versetzungen: Bewegung von Stufenversetzungen durch Klettern und von Schraubenversetzungen durch Quergleiten wird thermisch aktiviert; Versetzungen bewegen sich aus den bei der Verformung entstandenen Aufstauungen an Korngrenzen, Ausscheidungen oder unbeweglichen Versetzungen heraus → Gefügekörner werden in mehrere Verzerrungsärmere Subkörner unterteilt; es kommt zur Ausbildung von sog. Kleinwinkelkorngrenzen/Subkorngrenzen Rekristallisation Definition: Bereich thermisch aktivierter Entfestigung bei ca. 0,5-0,6 TS eines Werkstoffs durch Neubildung und Wachstum von versetzungsarmen Kristallen im festen Zustand. Entfestigung ist signifikant aufgrund drastischer Reduzierung der Versetzungsdichte → Rückbildung der mechanischen Eigenschaften durch die Einstellung eines neuen, unverformten Gefüges. • Völliger Abbau der durch die Verformung hervorgerufenen mechanischen Eigenschaftsänderungen → starker Abfall der Festigkeitskennwerte + deutlicher Anstieg der Duktilität nach entsprechender Glühbehandlung • Innere Energie des verformten Werkstoffs wird wesentlich reduziert (durch drastischen Abbau der Versetzungsdichte) • Entsprechender Energiebetrag wird freigesetzt: Wachstum der neuen, versetzungsarmen Kristalle erfolgt in das verformte Gefüge hinein • Vernichtung der Korngrenzen und Versetzungen durch thermisch aktivierte Platzwechselvorgänge benachbarter Atome an Korngrenzen und Versetzungen • Entstehendes Gefüge ist abhängig von der zuvor eingebrachten Versetzungsdichte Parameter des Rekristallisationsverhaltens metallischer Werkstoffe: • Verformungsgrad f/Verformungsdichte: Maß für den Ungleichgewichtszustand des verformten Gefüges: mit f steigt die Anzahl der Störstellen im Gitter, an denen sich Rekristallisationskeime bilden können; mit zunehmendem f nimmt die Größe der bei der Polygonisation entstehenden Subkörner ab; Keimbildung wird begünstigt, da Kletterwege kürzer werden; je weniger Keime vorhanden, desto gröber ist das rekristallisierte Korn; Voraussetzung für Rekristallisation: f=fkrit; findet bevorzugt in stark verformten Bereichen, an Einschlüssen und Ausscheidungen statt • Glühtemperatur T: mit steigendem f>fkrit sinkt T • Glühdauer t: verkürzt sich mit steigendem f und zunehmender T • Fremdatome: Bewegung von Subkorn- und Großwinkelgrenzen wird durch Fremdatome behindert → T steigt und der Beginn der Rekristallisation wird verzögert Nach der Kristallerholung treten nacheinander die primäre Rekristallisation (1.), das Kornwachstum (2.1), die sekundäre Rekristallisation (2.2) und (selten) die tertiäre Rekristallisation auf (2.3) 1. Primäre Rekristallisation: _________________ 51 • Keimbildung spannungsfreier und versetzungsarmer Kristalle; Keime wachsen, bis das verformte Gefüge vollständig aufgebraucht ist • treibende Kraft 𝑝𝑝𝑅 = 𝐺𝑏²(𝜌𝑉 − 𝜌𝑅) (Unterschied der Versetzungsdichten des kaltverformten Gefüges und des erholten und rekristallisierten Gefüges) → primäre Rekristallisation = einzige Möglichkeit um in Metallen und Legierungssystemen ohne Phasenumwandlungen eine Kornfeinung zu erzielen • Dynamische Rekristallisation: Verformungstemperatur >> Rekristallisationtemperatur → Rekristallisation kann während des Umformprozesses ablaufen (Werkstoffeigenschaften ändern sich trotz Umformung nicht) 2. Kornwachstum: • Meist unerwünschte, thermisch aktivierte Entfestigung durch kontinuierliches Kornwachstum des bereits vollständig kristallisierten Gefüges • Entfestigung gering • Gleichmäßige Zunahme der durchschnittlichen Gefügekörner • Vielkristallines Gefüge hat höheren Energieinhalt als korngrenzenärmere Gefüge oder korngrenzenfreie Kristalle (aufgrund der vorhandenen Korngrenzen) → wird die thermische Aktivierung eines bereits rekristallisierten Gefüges fortgesetzt, kann die Korngrenzendichte durch weiteres Kornwachstum verringert werden 2.1 Kontinuierliches Kornwachstum: • Anschließend an die primäre Rekristallisation • Treibende Kraft ist die Reduzierung der inneren Energie durch Reduzierung der Korngrenzfläche • Kleinere Körner verschwinden, größere wachsen • Korngrenzenbewegung beruht auf atomaren Platzwechselvorgängen → laufen erleichtert bei höheren Temperaturen • Es entsteht ein stabiles grobkörniges Gefüge • Kontinuierliches Wachstum führt zu weiterer geringerer Entfestigung • Findet meist statt, wenn das Wachstum nicht durch die Anwesenheit einer zweiten Phase (z.B. ausgeschiedene Teilchen) behindert wird • Entfestigung ist i.d.R. unerwünscht → Rekristallisationsglühen wird daher vor Beginn des Kornwachstums beendet; manchmal ist grobkörniges Gefüge auch vorteilhaft (Bsp.: weichmagnetische Fe-Si-Legierungen für Transformatoren → reduziert Magnetisierungsverluste) • In Metallen und Legierungen mit niedriger Stapelfehlerenergie (z.B. kfz Strukturen) treten nach dem Kornwachstum zahlreiche Zwillinge auf → entstehen, wenn eine sich bewegende Korngrenze auf einen Stapelfehler trifft + dann die Atome entsprechend der gespiegelten Stapelfolge ins Gitter des Gefügekorns einbaut (Rekristallisationszwillinge = Indikator für Kornwachstum) 2.2 Sekundäre Rekristallisation: • Gefüge ist trotz Korngrenzenreduzierung noch im thermodynamischen Gleichgewicht (GG wäre erst nach Beseitigung aller Korngrenzen erreicht) • an bestimmtem Stellen im Gefüge kann es zum bevorzugten Wachstum eines einzelnen Korns auf Kosten seiner Umgebung kommen • unerwünschter Effekt, tritt u.a. in Cu- und Al-Legierungen auf • es bilden sich einzelne große Kristalle, die ein inhomogenes Gefüge entstehen lassen ➔ Erholung, primäre und sekundäre Rekristallisation können aufgrund unterschiedlicher Umformgrade/Temperaturen gleichzeitig stattfinden! 52 2.3 Tertiäre Rekristallisation • Werkstoff strebt mit fortschreitender Glühbehandlung eine weitere Reduzierung der Gesamtenergie an, indem Netzebenen mit geringer Oberflächenenergie die freien Oberflächen des Werkstoffs begrenzen • Triebkraft ist die Anisotropie der Oberflächenenergien der Gitterebenen einer Kristallstruktur • Wird nicht näher behandelt Temperaturabhängige Homogenisierung: Ziel von Wärmebehandlungen: Beseitigung von makroskopischen und mikroskopischen Inhomogenitäten im Werkstoffgefüge. Ursachen: Es kann im Herstellungs- und Bearbeitungsprozess von Werkstoffen zu Schwankungen in der chemischen Zusammensetzung einzelner Gefügepartner, inneren Spannungen und lokalen Gefügedifferenzen im Werkstoff kommen. Chemische Gefügeinhomogenitäten = Seigerungen; lassen sich metallographisch durch Beizproben, HEYN’sche oder OBERHOFFER-Ätzung, oder durch den BAUMANN-Abdruck nachweisen. Man unterscheidet: 1. Mikroseigerung (Kristallseigerung): Definition: Entmischung einer Schmelze, die in lokalen Konzentrationsunterschieden an Legierungs- und Begleitelementen innerhalb einzelner Mischkristalle resultiert Entstehung: bei schnellem Abkühlen von Schmelzen aus mehreren Komponenten Folge: Bildung eines Zonenmischkristalls (Größe und Ausmaß der Kristallseigerung werden durch Erstarrungsbedingungen bestimmt) Beseitigung: Kristallseigerungen werden durch nachträgliches Diffusionsglühen oder Warmumformen beseitigt (werden die Seigerungen nicht aufgelöst, so treten sie als zeilenförmige Anordnung im Gefüge auf, siehe Abbildung Seite 262) 2. Makroseigerung, Blockseigerung: Entstehung: während der Erstarrung eines Gussblocks aufgrund unterschiedlicher Unterkühlungen, Temperaturgradienten und Bedingungen für die Keimbildung und das Keimwachstum Definition: vor der Erstarrungsfront werden Legierungs- und Begleitelemente geschoben und in der Restschmelze angereichert Beseitigung: nicht durch Glühen zu beseitigen; können durch beruhigtes Vergießen weitestgehend vermieden werden; alternativ: Beseitigung durch Normalglühen von Legierungssystemen mit Phasenumwandlung Diffusionsglühen Definition: Glühen bei hohen Temperaturen (ca. 0,7-0,8 TS) mit langzeitigem Halten und nachfolgendem beliebigem Abkühlen, um gleichmäßige Verteilung der löslichen Bestandteile des Legierungssystems zu erzielen. • Unvollständiger Konzentrationsausgleich zwischen Schmelze und bereits erstarrten Kristallen, da technologische Erstarrung meistens in sehr viel kürzerer Zeit verläuft als für die Einstellung des Gefüges im thermodynamischen GG notwendig wäre → Folge: unterschiedliche chemische Zusammensetzungen über den Querschnitt einzelner Gefügekörner (= Zonenmischkristalle) → Unterschiede können unterschiedliches mechanisches oder elektrochemisches Verhalten nach sich ziehen • Um möglichst kurze Glühzeiten zu realisieren, wir das Diffusionsglühen zum Ausgleich von Kristallseigerungen bei hohen Temperaturen durchgeführt; trotzdem sind oft Haltezeiten von mehreren Stunden nötig 55 ▪ Kristallographie der Ausscheidungsphase (kohärent, teilkohärent, inkohärent) kann gesteuert werden ▪ Zu lange Auslagerung führt zu Vergröberung der ausgeschiedenen Teilchen + Überalterung Bemerkungen: • Mehrstufiges Auslagern bei erst hohen, dann niedrigeren Temperaturen führt zur Erzeugung von bimodalen Teilchenmorphologien (siehe Seite 271) • Sollen aushärtbare Legierungen kalt verformt werden, so erfolgt dies nach dem zweiten Wärmebehandlungsschritt, also nach dem Abschrecken und vor dem Auslagern des Materials → Umformgrade beschleunigen die anschließende Ausscheidungshärtung, da mit dem Einbringen von Gitterdefekten zusätzliche Keime für die Kristallisation der 2. Phase vorliegen • Ist eine möglichst hohe Verfestigung einer aushärtbaren Legierung das Ziel: Kaltverformung erst nach erfolgter Aushärtung (Verfestigungsbeiträge addieren sich dann nahezu) Umwandlungshärtung Definition: Wärmebehandlung von allotropen Legierungssystemen, bei der eine deutliche Festigkeitssteigerung durch Martensitbildung erfolgt Prinzip: Legierungssystem wird von einer Temperatur knapp oberhalb der Phasenumwandlung in die Hochtemperaturphase mit hinreichend hoher Abkühlgeschwindigkeit unter die MS-Temperatur abgekühlt, sodass sich Martensit bildet • Martensitbildung = diffusionsloser Umklappvorgang • Charakteristika für martensititsche Umwandlung: hohe Umwandlungsgeschwindigkeit und Tatsache, dass die Menge des gebildeten Martensits nur von der Unterkühlung ΔT abhängt • Unterscheidung zwischen zwei Abkühlgeschwindigkeiten: 1. Obere Abkühlgeschwindigkeit: Abkühlgeschwindigkeit, von der ab die Umwandlung nur noch in die Martensitstufe erfolgt → kritische Abkühlgeschwindigkeit 2. Untere Abkühlgeschwindigkeit: Abkühlgeschwindigkeit, von der ab die Umwandlung in die härtenden Nicht-Gleichgewichtsphasen erfolgt Wärmebehandlung von Stählen • Bei Stählen (Fe-C-Legierungen mit max. 2.06 Masse-% C) sind durch Wärmebehandlungen vielfältige Eigenschaftsänderungen möglich • Grund: o besitzen in Abhängigkeit der Temperatur unterschiedliche Kristallmodifikationen; o Diffusion des Kohlenstoffs kann durch die Wahl der Abkühlgeschwindigkeit von der Austenitisierungstemperatur stark beeinflusst werden; o so lassen sich Art und Eigenschaften der Umwandlungsprodukte (Gefügephasen) des Austenits kontrollieren • Abkühlungskurven: geben die von der Geschwindigkeit der Temperaturänderung abhängigen Existenzbereiche der allotropen Modifikationen25 des Stahls wieder • Werkstoffeigenschaften, die sich beeinflussen lassen: o Beseitigung der Kaltverfestigung durch Rekristallisationsglühen o Korngrößenänderung durch Grobkornglühen und Normalglühen o Verbesserung der Verformbarkeit durch Weichglühen 25 Allotropie: Modifikationen eines chemischen Elements bezeichnet. Bsp.: Diamant und Graphit sind zwei Allotrope des Kohlenstoffs: Formen desselben Elements, die sich in ihrer Kristallstruktur unterscheiden. 56 o Entfestigung für verbesserte spanende Formgebung durch Weichglühen und Grobkornglühen o Ausgleich von Gefügeinhomogenitäten durch Diffusionsglühen o Beseitigung von Eigenspannungen durch Spannungsarmglühen o Erhöhung der Werkstofffestigkeit durch Härten, Anlassen und Einsatzhärten • Voraussetzung vieler Wärmebehandlungen: Austenitisierung des Stahlgefüges o Austenitbildung beruht auf Diffusionsvorgängen von Atomen im Kristallgitter o Gleichzeititg laufen bei der Bildung der neuen Phase (die zeit- und temperaturabhängigen) Prozesse der Keimbildung und des Keimwachstums ab o Alle zeit- und temperaturabhängigen Phasenumwandlungen werden von einer Überhitzung oder einer Unterkühlung des Gefüges beeinflusst (steigende Erwärmungsgeschwindigkeit verschiebt Umwandlungspunkte zu höheren Temperaturen) • Nach Abschluss der Austenitisierung streben Austenitkörner ein größeres Volumen bei kleinster Oberfläche an → Austenitkornwachstum, das durch die Anwesenheit schwer löslicher Bestandteile (Karbide, Nitride, Al, B, Mo, Nb, Ti, V, Zr) gehemmt wird Zusammenfassung Austenitbildung: • Beruht auf Diffusion und Keimbildung → ist temperatur- und zeitabhängig • Für technische Erwärmungsgeschwindigkeiten gilt: o Mit steigender Erwärmungsgeschwindigkeit werden die Umwandlungstemperaturen zu höheren Temperaturen verschoben o Selten wird mit technischen Erwärmungsgeschwindigkeiten homogener Austenit erreicht → es liegen vielmehr zusätzliche Restkarbide vor • Austenitkorngröße ist abhängig von der Austenitisierungstemperatur, der Haltedauer auf dieser Temperatur und der Stahlzusammensetzung • Hohe Austenitisierungstemperaturen (Überhitzung) und/oder lange Austenitisierungszeiten (Überzeiten) führen zu grobkörnigem Gefüge Wärmebehandlung von Stählen SIEHE: Überblick Wärmebehandlung von Stählen Entfestigung von Stählen 1. Hochglühen/Grobkornglühen → verbessert die Zerspanbarkeit, da bei der Abkühlung aus dem groben Austenitkorn ein grobkörniges, ferritisch-perlitisches Gefüge entsteht → Begleit- und Legierungselemente lagern sich bevorzugt an Korngrenzen ab → Span bricht an diesen Stellen, d.h. es bilden sich kurzbrüchige Späne 2. Weichglühen → man erhält ein ferritisches Grundgefüge mit globular eingeformtem Zementit → v.a. nach Prozessen die erhebliche Festigkeiten zufolge haben (Walz-, Schmiedeprozesse) und damit die Formgebung erschweren/unmöglich machen 3. Rekristallisationsglühen → Erzielen einer bestimmten Korngröße ohne Phasenumwandlung (Bsp.: durch großes Ausgangskorn und geringe Erwärmungsgeschwindigkeit entsteht ein grobes feines Korn) → Verzunderung (=Oxidation) wird durch Glühen unter Schutzgas vermieden 57 → hohe Dichte an Gitterdefekten fördert die Festkörperdiffusion + begünstigt globulare Einformung → v.a. bei Drähten, Feinblechen und Kaltbändern Homogenisieren von Stählen 1. Diffusionsglühen →Verbesserung der Formgebung → Beseitigung von Kristallseigerungen (Zonenmischkristallen) + Überführung von schalenförmigen Sulfideinschlüssen in kugelige Form → v.a. bei Stahlguss, Stahlblöcken und Stahlknüppeln → langes Halten auf Glühtemperatur führt zu Verzunderung und zuer Entkohlung der Werkstoffoberfläche → starke Kornvergröberung muss durch Normalisieren beseitigt werden → Einsatz: v.a. bei der Herstellung hochbeanspruchter Bauteile (Wälzlager) 2. Normalisieren → führt zu Gefügeeinstellung die nahezu unbeeinflusst ist von der Vorbehandlung → Beseitigung von eingebrachten Gefügeveränderungen durch zweimalige Phasenumwandlung → So ist der Normalzustand des Stahls immer wieder einstellbar → Kornfeinung von umwandlungsfähigen Stählen ohne Kaltumformung und Rekristallisation • Schnelles Erhitzen fördert feines Korn • Überhitzen (zu langes Halten bei der Glühtemperatur) und zu langsames Abkühlen fördert grobes Korn • Es kommt nicht zu martensitischer Umwandlung (T klein genug) 3. Spannungsarmglühen → langsame und geregelte Abkühlung um erneutes Auftreten von Spannungen zu vermeiden → Anwendung: bei Gusstücken, Schweißkonstruktionen und nach Kaltumformung Festigkeitssteigerung von Stählen 1. Umwandlungshärtung/Härten → wichtigste Wärmebehandlung für unlegierte und niedriglegierte Stähle, Qualitäts- und Edelstähle → durch rasche Abkühlung wird die Diffusion des Kohlenstoffs aus dem Austenit unterdrückt → gehärteter Stahl besitzt deutlich erhöhte Festigkeitswerte und eine sehr kleine Bruchdehnung A 2. Anlassen, Vergüten → um martensitisches Gefüge zu entspannen und einen hochfesten Stahl mit verbesserter Duktilität und Zähigkeit zu erhalten → man unterscheidet folgende Anlassstufen: 1. Anlassstufe: <250°C, es liegt kubischer Martensit vor, Härte bzw. Festigkeit gehen kaum zurück 60 • Geometrie: Haftung einer Oxidschicht hängt vom Platzbedarf des Oxids und der verfügbaren Werkstoffoberfläche ab → Beurteilung der Haftbarkeit mittels des PILLING- BEDWORTH-Verhältnisses27: • Kinetik: Wachstumsgeschwindigkeit einer Oxidschicht wird durch Diffusionsvorgänge der Metallatome und des Sauerstoffs in dieser Schicht kontrolliert → siehe Wachstumsgesetze der Oxidschicht28 Elektrochemische Korrosion • (Molare) Bildungsenthalpie ∆H0 der Oxidation = Reaktionsenthalpie einer Oxidationsreaktion, die zur Bildung des Oxids aus reinen Elementen führt • Reaktionen mit negativer Bildungsenthalpie werden als exotherme Reaktionen bezeichnet, Reaktionen mit positiver als endotherme Reaktionen • Freie (molare) Reaktionsenthalpie ∆G0 = (molare) Bildungsenthalpie abzüglich der gebundenen Reaktionsenthalpie 𝑄 = 𝑇∆𝑆, welche für den Stoffmengenumsatz nicht zur Verfügung steht 27 PILLING-BEDWORTH-Verhältnis VR: • Ausbildung einer Oxidschutz kann auch Schutz vor weiterer korrosiven Werkstoffzerstörung bieten → falls die Oxidschicht dicht ist und gut auf der Werkstoffoberfläche haftet • Definition: 𝑉𝑅 = 𝑉𝑀𝑒𝑥𝑂𝑦 𝑉𝑀𝑒 = 𝑀𝑀𝑒𝑥𝑂𝑦∙𝜌𝑀𝑒 𝑥∙𝐴𝑀𝑒∙𝜌𝑀𝑒𝑥𝑂𝑦 (mit Vi: molare Volumina, Mi: molares Gewicht, Ai: Atommasse, ρ: Dichte); es werden folgende Fälle unterschieden: o VR<1: Oxid ist dichter, da das molare Volumen des Oxids kleiner als das des Metalls ist → Oxid neigt zur Ausbildung von porösen, nicht-schützenden Schichten; Oxidschicht bedeckt nicht die gesamte Metalloberfläche; Rissbildung unter Zugspannungen wahrscheinlich; kein Schutz o 1≤ VR≤3: molare Volumina vergleichbar; Dichten und Platzbedarf weichen nicht viel voneinander ab → Ausbildung einer gut haftenden Deckschicht, die nicht notwendigerweise schützend wirkt o VR>3: molares Volumen des Oxids deutlich größer als das des Metalls; Dichte des Oxids geringer + benötigt daher mehr Platz als das verbrauchte Metall → Oxidschichten neigen zum Abplatzen; Metalloberfläche ist ständigem Oxidationsangriff ausgesetzt; neu gebildetes Oxid platzt wiederum ab 28 Wachstumsgesetze der Oxidschicht: • Wachstumsgeschwindigkeit wird durch Diffusionsgeschwindigkeit der Ionen des angreifenden Gases und der Metallionen der sich bildenden Grenzschicht zw. Metalloberfläche und Umgebung kontrolliert • Zusätzlicher Transport von Ionen zur Wahrung der Ladungsneutralität erforderlich → wird einer der Vorgänge unterbunden, kann Oxidation unterdrückt werden • Durch Ausbildung einer Oxidschicht kommt die Oxidation an sich nicht automatisch zum Erliegen; Gesetzmäßigkeiten des Wachstums von Oxidschichten (zeitabhängig): o Logarithmisches Wachstum: ▪ häufig bei niedrigen Temperaturen und sehr dünnen Schichten (0,001-0,2μm); ▪ Wachstum nach 𝑥 = ln (𝐾1 ∙ 𝑡 + 1) (mit x: Schichtdicke, K: Konstante, t: Expositionsdauer) ▪ Gesetz beschreibt Wachstum von elektrisch isolierenden Oxidschichten, in denen die Raumladung die Diffusionsvorgänge bremst o Parabolisches Wachstum: ▪ Bei mittleren Temperaturen und dünnen Schichten (0,01-0,2μm) ▪ Wachstum nach 𝑥 = 𝐾2√𝑡 + 𝑘2 (mit K,k: Konstanten, t: Expositionsdauer) ▪ Herleitung: Annahme: Metallkonzentration an der Grenzfläche Metall-Oxid und die Metallkonzentration an der Grenzfläche Oxid-Gas sind konstant + sämtliche diffundierenden Metallionen tragen zur Schichtbildung bei → dann folgt das Wachstumsgesetz aus dem 1. FICKschen Gesetz o Lineares Wachstum: ▪ Bei sehr hohen Temperaturen und mindestens 0,2μm dicken zunderschichten, die bereits Schäden und Risse wir Poren aufweisen, durch die das Gas ungehindert an die Metalloberfläche gelangen kann ▪ Wachstum nach 𝑥 = 𝐾 ∙ 𝑡 + 𝑘 (mit K,k: Konstanten, t: Expositionsdauer) 61 Definition: kann durch Bildung und Wirkung von sog. Korrosionselementen (bestehen aus Anode und Kathode, beide mit dem Elektrolyten in Verbindung stehend) oder durch eine von äußeren Spannungsquellen erzwungene Elektrolyse verursacht werden. Begriffe: • Anode: Bereich einer Metalloberfläche, wo positiv geladene Ionen des Metalls in Lösung gehen und in Korrosionsprodukte umgewandelt werden • Elektrode: elektronenleitender Werkstoff in einem ionenleitenden Medium • Elektrolyt: Stoff, dessen elektrische Leitfähigkeit darauf beruht, dass der bewegliche, elektrisch geladene Teilchen (Ionen) enthält (praktisch jede wässrige Lösung) • Elektrolytwiderstand: Ohmscher Widerstand des Elektrolyten • Elementspannung: messbare Spannung zwischen Anode und Kathode, wenn diese nicht elektrisch miteinander verbunden sind (Ruhepotentialdifferenz) • Elementstrom: elektrischer Strom, der zwischen Anode und Kathode eines Korrosionselements fließt und sich direkt proportional zur Abtragungsgeschwindigkeit des Metalls verhält • Kathode: Bereich einer Metalloberfläche, in dem Elektronen vom Metall in den Elektrolyten übergehen • Korrosionselement: geschlossener Stromkreis bestehend aus Anode und Kathode, die metallisch und elektrolytisch miteinander verbunden sind • pH-Wert: Maßzahl für die Hydronium-Ionenkonzentration und damit für die Stärke einer sauren (pH<7) oder alkalischen (pH>7) Reaktion einer Lösung • Potential: Maß für die Ionisierbarkeit eines Metalls in einem bestimmten Elektrolyten, das von der Metallart, den Eigenschaften des Elektrolyten und der Temperatur abhängt → Korrosionselemente bilden eine galvanische Kette, in der Anode, Kathode und Elektrolyt in Verbindung miteinander stehen → Reaktionsgleichung für n-wertiges Metall: 𝑀𝑒 → 𝑀𝑒𝑛+ + 𝑛𝑒−, beschreibt den Vorgang der anodischen Metallauflösung Kathodische Reaktionen: 1. Wasserstoff-Korrosionstyp: o Häufig nehmen positive Wasserstoffatome die Elektronen im Elektrolyten auf → es kommt zur Wasserstoffentwicklung: 2𝐻+ + 2𝑒− → 𝐻2 o Auftreten: v.a. in Anwesenheit nichtoxidierender Säuren mit pH<5 auf unedlere Werkstoffe 2. Sauerstoff-Korrosionstyp: o Auftreten: an Werkstoffoberflächen mit Ansammlungen (Tropfen) von Tau und Spritzwasser o Folge: unterschiedliche Belüftung benachbarter Werkstoffoberflächen unter dem Tropfen o Kathodische Reaktion nach EVANS: 𝑂2 + 2𝐻2𝑂 + 4𝑒 − → 4𝑂𝐻− o Im Mittelpunkt des Tropfens ist Belüftung geringer als am Tropfenrand →im Tropfenmittelpunkt geht das Metall anodisch als Metallion in Lösung; am Rand werden die Wasserstoffionen H+ des Tropfens an der Metalloberfläche entladen o Entladung führt zu Überschuss an Hydoxidionen OH- → Bildung von Metallhydroxid o Bsp.: Bildung von Rost auf Eisen 62 → Korrosionselemente treten in Metallkonstruktionen auf, in denen Metalle bzw. Legierungen mit unterschiedlichem elektrochemischen Potential in Berührung kommen → Kontaktkorrosion → Heterogenität vieler Legierungen (Verunreinigungen, Mehrphasigkeit, etc.) führt in Anwesenheit von Feuchtigkeit zur Bildung zahlreicher kleinflächiger Korrosionselemente = Lokalelemente Arten von Korrosionselementen Man unterscheidet drei Arten von Korrosionselementen (für Korrosion verantwortliche Elemente können sich aus den folgenden Arten zusammensetzen): 1. Elemente mit gleichen Elektroden/nasse Korrosion/Konzentrationszelle: gleiche Werkstoffbereiche in Verbindung mit Elektrolyten unterschiedlicher Zusammensetzung 2. Elemente mit ungleichen Elektroden/Galvanische Zelle: ungleiche Werkstoffe in Verbindung mit Elektrolyten gleicher Zusammensetzung 3. Konzentrationselemente als Folge von Temperaturunterschieden: gleiche Werkstoffe in Verbindung mit Elektrolyten gleicher Anfangszusammensetzung, aber unterschiedlicher Temperatur *Konzentrationszelle: • Treibkraft: unterschiedliche Konzentration an Metallionen • An der Anode gehen Metallionen in den Elektrolyten über (Metallauflösung) • Elektronen werden an der Anode freigesetzt, die zur Kathode fließen • An der Kathode scheiden sich wegen der höheren Konzentration des Elektrolyten Ionen ab → es kommt zur Metallabscheidung *Galvanische Zelle: • Beruht auf leitfähiger Verbindung zweier ungleicher Elektroden in Berührung mit Elektrolyten • Elektronenfluss von Anode zu Kathode • Anodische Metallauflösung → an der Kathode wird Me kathodisch abgeschieden • Siehe Seite 299 Elektrochemische Spannungsreihe: Definition: für die elektrochemische Spannungsreihe wird das Gleichgewichtspotential eines Metalls in einer Lösung seiner Ionen der Aktivität 1 gegen eine Normalwasserstoffelektrode gemessen. • Tendenz des Metalls Ionen in Lösung zu geben wird im Vergleich mit Wasserstoff-Zelle bestimmt • Neigung eines Metalls kann aus Spannungsreihe abgelesen werden • je unedler ein Metall ist, desto stärker seine Tendenz zur Oxidation • Oxidation = Elektronenaustauschreaktion • Korrosive Erscheinungen durch Ausbildung einer galvanischen Zelle durch die Bildung von Lokalelementen 1. Falsche Materialkombination: zwei Metalle werden trotz unterschiedlicher Potentiale direkt zusammengefügt; unedleres wird zur Anode (Stahl) 2. Heterogenes Gefüge: unterschiedliche Phasen haben unterschiedliche Tendenz zur Metallauflösung; edlere Phase wird nicht korrosiv angegriffen („selektive Korrosion“) 3. Korngrenzen: trennen benachbarte Kristalle, können Fremdatome beinhalten (Verunreinigungen + Spannungsunterschiede zum Korninneren); Korngrenzen sind unedler als der Rest des Gefüge („interkristalline Korrosion“) 4. Verformungsgrad: bei plastischer Deformation entstehen an verformter Stelle Gitterdefekte; durch den Unterschied zum Rest des Gefüges wird dieser lokal unedlere (weil fehlerhafter) Bereich zur Anode; wird umgeben von sehr großer Kathode 65 Stromdichte-Potential-Kurven: siehe Abbildung 11.16 und 11.17 auf Seite 307 • Intensität der anodischen Metallauflösung lässt sich je nach Größe des elektrochemischen Potentials steuern • Ursache für die Hemmung der Metallauflösung (im passiven Bereich) ist die Ausbildung eines edleren, meist oxidischen Passivfilms mit hohem elektrischen Widerstand, der erst oberhalb eines Durchbruchpotentials seine schützende Wirkung verliert (transpassiver Bereich) → bei fallender Spannung (Unterschreitung des Passivierungspotentials) wird der Passivfilm aufgelöst + anodische Metallauflösung fortgesetzt • Metalle die Passivschicht bilden: Cr, Al, Stähle mit >13 Masse-% Cr (besitzen pos. Korrosionspotential (wie Edelmetalle, sind rostfrei)) Erscheinungsformen der Korrosion Ebenmäßige Korrosion: • Werkstoffabtrag annähernd parallel zur Oberfläche • Korrosionsangriff steigt mit zunehmender Rauhigkeit der Oberfläche • Querschnittminderung leicht überwachbar + konstruktiv berücksichtigbar (Zugabe von Wanddicken) Mudelkorrosion: • ungleichmäßiger Flächenabtrag → Ausbildung von Mulden (mit Durchmesser > Tiefe) Lochfraßkorrosion: • lokaler Oberflächenangriff • Korrosionsangriff beginnt mit Punkt- oder Grübchenbildung (sog. Pits) → Pitting/piiting corrosion • Ursachen: o chemisch inhomogene Oberflächen, o elektrochemische Potentialdifferenzen, o örtliche Beschädigungen von schützenden Deckschichten, o Auslösung durch anwesende Chloride • v.a. nichtrostende Stähle betroffen (nach dem Schweißen) + Mg-Legierungen Kontaktkorrosion: • Auftreten: an Berührungsstellen zweier blanker metallischer Werkstoffe mit unterschiedlichem elektrochemischen Potential in Anwesenheit eines Elektrolyten • Bsp.: verzinktes Stahlrohr (Anode) an Messing-Anschluss (Cu-Zn-Legierung, Kathode) • Vermeidung: o Verwendung von Werkstoffen mit nahezu vergleichbarem Potential o Werkstoffzugaben auf der Seite des anodisch fungierten Materials o durch möglichst großes Oberflächenverhältnis Anode-Kathode o Isolation der Kontaktstelle Interkristalline Korrosion (Korngrenzenkorrosion, Kornzerfall): • Auftreten: o entlang von Korngrenzen, o besonders in Legierungen, bei denen Phasenausscheidungen mit positivem Potential (kathodisch) an den Korngrenzen vorliegen → umgebender Korngrenzbereich wird anodisch aufgelöst o bspw. bei rost- und säurebeständigen CrNi-Stählen nach längerer thermischer Beanspruchung >400°C Selektive Korrosion: • Herauslösen von bestimmten Gefügebestandteilen, die ein negativeres elektrochemisches Potential als andere Gefügebestandteile haben → werden bevorzugt anodisch aufgelöst 66 • kann auch im Werkstoffinneren wirken, während Oberfläche nahezu unbeeinträchtigt bleibt • Bsp.: Entzinkung von Messingwerkstoffen; Spongiose des Gusseisen mit lamellarem Graphit Spannungsrisskorrosion: • Kennzeichen: stark verästelter Rissverlauf o quer durch das Korngefüge (transkristalline Spannungsrisskorrosion) o entlang der Korngrenzen (interkristalline Spannungsrisskorrosion) • Folge: Versagen durch Trennbruch senkrecht zur Hauptspannungsrichtung • Auftreten: o in Anwesenheit von Chloriden und mechanischer Beanspruchung (bei Zugspannung) o bei instabilem Gefügezustand (Neigung zur Phasenauflösung oder -umwandlung) o bei Schädigung des Gefüges durch selektiv wirkendes Korrosionsmittel • Bsp.: an Rohrleitungen in Kernkraftwerken, Chemieindustrie Schwingungsrisskorrosion: • greift an Anrissen und pits durch überhöhte Spannungen bei schwingender mechanischer Belastung an → beschleunigter Rissfortschritt • oft unabhängig vom Korrosionsmittel, Temperatur und Milieu (pH-Wert); Werkstoffanfälligkeit bei geringeren Frequenzen meist höher, als bei schnellen Lastwechseln Korrosionsschutz Drei mögliche Wege und Strategien (1.-4.) 1. Schutzschichten: um metallische Oberflächen vom Elektrolyten zu trennen 2. Isolieren: Trennen ungleicher Elektroden durch Isolationsschicht zwischen beiden 3. Veränderung des elektrochemischen Potentials: durch veränderte chemische Zusammensetzung, aufgezwungene äußere Ströme, Anbringen anderer unedlerer Komponenten 1. Konstruktiver Schutz: • Ziel: Kontakt von unterschiedlichen Metallen bereits bei Konstruktion verhindern + erwartenden Abtrag der unedleren Komponente berücksichtigen • Weg: Vermeidung der Kombination ungleicher Partner oder Isolation; 2. Kathodischer Korrosionsschutz: • Ziel: Verringerung/Verhinderung der Korrosion durch Schutzstrom, der der Auflösung entgegenwirkt • Weg: Strom kann aus äußerer Gleichstromquelle oder Kontakt zu unedlerem Metall aufgebracht werden; Metalle, die unedler als zu schützende sind (Al, Mg, Zn) = Opferanode • Bsp. Umsetzung: Stahlrümpfe von Schiffen mit Zn-Platten als Opferanoden versehen, Wirkung durch Fremdstrom (Gleichstrom) verstärken → verschiebt das Korrosionspotential, sodass Opferanode schneller korrodiert (noch unedler wird)/stoppt als Gegenfeld den Elektronenfluss 3. Anodischer Korrosionsschutz: • Ziel: Bildung oxidischer Deckschichten zur Korrosionshemmung (Passivierung) • Weg: von außen aufgezwungener Fremdatom oder starkes Oxidationsmittel • Wirkung: Anodenpotential wird so sehr erhöht, dass gelöste Metallionen nicht mehr vom Elektrolyten aufgenommen werden können • Problem. Bei lokaler Zerstörung des Passivfilms kann es zum Lochfraß kommen 4. Passivieren durch Legieren: • Legieren mit schutzschichtbildenden Elementen → Matrixmetall wird passiviert • Anwendung: Legierungselemente Cr, Al, Ni 4.1 Beschichten mit organischen, keramischen, metallischen Überzügen; Bsp.: • Emaillieren: Aufbringen glasartiger oder keramischer Überzüge, die ähnlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten wie der zu schützende Werkstoff haben → Schutzschicht platzt so bei Temperaturbelastungen nicht ab • Anstriche und Lackschichten: werden flüssig oder pastenförmig auf Werkstoff aufgebracht; können Pigmente/Füllstoffe enthalten, die korrosiven Schutz 67 verbessern (Bsp. Autolacke mit Zb-Stäuben) 4.2 Auftragsschweißen: Angewendet bei unlegierten Stählen → korrosionsbeständiger Stahl mit Cr-Gehalt >12 Masse-% wird aufgeschweißt (zudem muss homogene Verteilung vorliegen) 4.3 Verzinken und Verzinnen: Aufbringen metallischer Überzüge; Vorteile: kleine Fehler in der Schutzschicht führen nicht zur Lokalelementbildung; großes Oberflächenverhältnis Anode- Kathode verlangsamt Korrosion → aufgelöste Zn-Ionen werden an freier Stahloberfläche kathodisch abgeschieden; Weißbleche: Verwendung von Sn-Schichten; hier würde Beschädigung zum Lokalelement führen → Einsatz v.a. In der Lebensmittelindustrie (Dosen), Grund: luftdichte Verpackung + saures Milieu → unter diesen Bedingungen tauschen Sn und Fe ihren Platz in der elektrochemischen Spannungsreihe; Problem: Auflösung des Schwermetalls Sn im Lebensmittel 4.4 Elektrolytische Metallabscheidung/Galvanisieren: zur Trennung elektrochemisch unterschiedlicher Werkstoffe, Weg: durch kathodische Metallabscheidung wird korrosionshemmende Schicht zwischen die ungleichen im Kontakt stehenden Werkstoffe gebracht 4.5 Anodische Oxidation: Anwendung bei Al, um dicke Oxidschichten (ca. 30nm) einzustellen; weitere Schichtdickensteigerung über elektrolytische Reaktion → Eloxieren

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