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Masterthesis der Donau-Universität Krems zum Thema: Kontaktvolle Kommunikation - Zur Bedeutung von Sprache und sprechen in der integrativen Gestalttherapie
Art: Abschlussarbeiten
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Master Thesis zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science im Universitätslehrgang Psychotherapie Fachspezifikum Integrative Gestalttherapie von Mag. a Monika Sange Wien Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit an der Donau-Universität Krems Wien, 23 .3.
Ich, Mag. a Monika Sange, geboren am 11. Juni 1974 in Wien erkläre,
Titel: Kontaktvolle Kommunikation – Zur Bedeutung von Sprache und Sprechen in der Integrativen Gestalttherapie Verfasserin: Mag. a Monika Sange Diese Masterthesis beschäftigt sich mit der Relevanz von sprachlicher Kommunikation in der Integrativen Gestalttherapie. Sie hinterfragt die ambivalente Auseinandersetzung mit Sprache in der gestalttherapeutischen Literatur und postuliert, dass eine Beschäftigung mit Sprache essentiell ist und sich positiv auf die therapeutische Beziehung auswirkt. Diese Behauptung wird durch eine Analyse von Sprache als Kommunikationswerkzeug und der Schwierigkeiten, die in gesprochener Kommunikation entstehen, bekräftigt. Zur Veranschaulichung der Komplexität von verbalen Kommunikationsprozessen werden Modelle aus anderen Wissenschaften vorgestellt und gemeinsam mit gestalttherapeutischen Konzepten zu einem gestalttherapeutischen Kommunikationsmodell verbunden. Resultierend daraus werden Grundsätze für die therapeutische Haltung aufgestellt und konkrete Vorschläge zum Umgang mit Sprache im therapeutischen Setting unter dem Schlagwort der kontaktvollen Kommunikation präsentiert_._ Stichworte für die Bibliothek: Gestalttherapie, gestalttherapeutisches Kommunikationsmodell, Sprache, kontaktvolle Kommunikation
Title: Contactful Communication – About the Relevance of Language and Speaking in Integrative Gestalt Therapy Author: Mag.a^ Monika Sange This thesis deals with the relevance of spoken communication in integrative gestalt therapy. It challenges the therapy method’s ambivalent attitude towards speaking and claims that granting language a greater amount of attention can influence the quality of the therapeutic relationship. In order to legitimate this assertion, it analyses the features of language as a means of communication and describes difficulties that verbal communication processes may encounter. To illustrate the complexity of spoken communication, process models from other sciences are introduced and linked with gestalt therapeutic concepts to create a gestalt therapeutic communication model. As a result, principles regarding the therapeutic stance are formed and suggestions for dealing with language in the therapeutic setting are presented as the concept of contactful communication. Keywords: Gestalt therapy, gestalt therapeutic communication model, language, contactful communication
Literaturverzeichnis
„Aber Sprache ist doch sozial, oder nicht? Tasten nach Worten, weg vom lebendigen Selbst. Und doch, das Spiel nach strengen Regeln Gibt mir Halt und hilft mir weiter. Keine Spiele mit Sieger und Verlierer!“ Fritz Perls „Immer wenn man etwas sagt, sagt man auch etwas nicht.“ Yasmin Hafedh Einleitung Persönlicher Zugang Wie sprechen Menschen miteinander, wie entstehen Missverständnisse, wie kann es dazu kommen, dass zwei Menschen am Ende eines Gespräches von völlig unterschiedlichen, ja sogar konträren Ergebnissen berichten? All diese Fragen, sowie die gesamte Komplexität von Kommunikationsvorgängen, faszinieren mich seit meinem Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaft. Verbale Kommunikation ist für uns Menschen eines der wichtigsten Werkzeuge, um uns auszutauschen, zu verständigen und miteinander in Kontakt zu treten, und doch wird, meiner Einschätzung nach, dieser großen Bedeutung und Macht des Sprechens oft zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Auch in der Ausbildung zur Gestalttherapeutin habe ich bemerkt, dass zwar sehr viel Augenmerk auf den Kontakt des Menschen nach außen gelegt wird, jedoch relativ wenig darüber gesprochen wird, welchen Stellenwert denn die sprachliche Kommunikation in diesem Vorgang einnimmt. In der Gestalttherapie spielt eine ganzheitliche Anschauung eine wichtige Rolle. Es wird nicht ein einzelner Aspekt des Geschehens, nur eine einzelne Handlung oder ein Wort individuell und losgelöst vom Umfeld betrachtet, sondern danach gestrebt, die
Dies ist vor allem aus seinen Gesprächsprotokollen herauszulesen, und auch seine Arbeit mit dem Poeten und Mitgründer der Gestalttherapie, Paul Goodman, ist bestätigt, wie wichtig ihm Sprache war, und für welch bedeutsames Werkzeug er eine, wie er sie bezeichnete, kontaktvolle Sprache hielt. Eine wissenschaftliche Arbeit über die Sprache zu schreiben, ist kein einfaches Unterfangen. Wir sind Sprachwesen, heißt es an verschiedenen Stellen. Sprache ist unser vorrangiges Mittel uns mit anderen Menschen auszutauschen. Das Freud zugeschriebene, und vor allem in Projektmanagement-Handbüchern viel zitierte Eisbergmodell besagt, dass das tatsächlich Gesprochene nur 20% der Bedeutung einer Aussage vermittelt, und die restlichen 80% auf non-verbaler Ebene übertragen werden. Darin liegt wohl viel Wahres, es ist für mich aber dennoch kein Grund, der gesprochenen Kommunikation den Rücken zu zuwenden, um sich ganz auf das Körperliche zu konzentrieren. Im Gegenteil: es gilt gerade deshalb, das was sich hinter Aussagen verbirgt mit in Betracht zu ziehen, um damit die oftmals störende Kluft zwischen dem Gesagten und dem Gemeinten so gut wie möglich zu verkleinern. Mit dieser Arbeit begebe ich mich auf den aufregenden Weg, die Aspekte von verbaler Kommunikation zu erfassen und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Gestalttherapie zu diskutieren. Meine Annahme ist, dass das Auseinandersetzen mit Sprache in der Therapie eine heilsame Wirkung haben kann. Dieser Annahme möchte ich auf den Grund gehen, und im Gewahrsein einer phänomenologischen Haltung beschreiben, welchen Stellenwert verbale Kommunikation im gestalttherapeutischen Setting hat. In diesem Sinne möchte ich den folgenden Fragen nachgehen:
sprachlicher Kommunikation geben und Schwierigkeiten erörtern, die in der zwischenmenschlichen Kommunikation auftreten können. In weiterer Folge sollen diese Konzepte miteinander in Zusammenhang gebracht werden, um eine möglichst umfassende Veranschaulichung des Kommunikationsprozesses zu liefern. Zum Abschluss präsentiere ich das Konzept der kontaktvollen Kommunikation welches essentielle Rückschlüsse auf eine therapeutische Haltung des sorgsamen Umganges mit verbaler Kommunikation liefert und beschreibt, wie Sprache im therapeutischen Kontext genutzt werden kann. Um ein größtmögliches Verständnis für den Kommunikationsprozess vermitteln zu können, bediene ich mich eines interdisziplinären Ansatzes, und nehme Modelle aus der Sprach- und Kommunikationswissenschaft, sowie aus der Gestalttherapie zu Hilfe. Natürlich ist die Sprache, neben der nonverbalen Kommunikation oder Körpersignalen, nur ein Aspekt der Kommunikation in der Therapiesituation. Laut Staemmler (2003) geht es darum, „... alle Erlebnisse zu erfassen und miteinander zu verknüpfen – ob nun körperliche oder seelische, sensorische, emotionale oder sprachliche – , denn das deutliche Figur/Grund-Verhältnis geht aus dem einheitlichen Zusammenwirken von ‚Körper’, ‚Seele’ und ‚Umwelt’ hervor...“ (Perls et al. 1979 , zitiert nach Staemmler, 2003, S. 32) In dieser Arbeit liegt der Fokus jedoch ausschließlich auf der gesprochenen Kommunikation, und non-verbale (Kommunikations-) Abläufe in der Therapiesituation werden weitgehend ausgeklammert. Aufgrund der Komplexität des Themas und der Einschränkungen, die eine Masterthese mit sich bringt, kann in dieser Arbeit nicht auf jeden Aspekt von Sprache in dem Ausmaß eingegangen werden, in dem sie es meines Erachtens nach verdienen würde, und ich bitte meine Leser(innen) sowie die Sprache selbst dafür um ihr Verständnis. Aufbau Nach einer Bestandsaufnahme zur bisherigen Auseinandersetzung mit dem Thema Sprache in der gestalttherapeutischen Literatur, und essentiellen Definitionen zum
1. Sprache und Sprechen in der Gestalttherapie Sprache ist eines unserer wichtigsten Mittel um miteinander in Kontakt zu treten, aber auch, um uns selbst zu verstehen. In der Psychotherapie ist Sprache unser Werkzeug zum Austausch, mit dem uns Klient(inn)en ihre Erfahrungen mitteilen und wir unsere Eindrücke zurückliefern. In der Gestalttherapie scheint die Sprache jedoch ein ambivalentes Thema zu sein. Fritz Perls schon erwähntes Hauptwerk, Das Ich, der Hunger und die Aggression , kam in seiner ersten Ausgabe mit dem Untertitel „A Revision of Freud’s Theory and Method“ (Perls, 1969) heraus, war also, frei übersetzt, als Überarbeitung der Theorie und Methode der Psychoanalyse gedacht. Diese war lange Zeit als Talking Cure bezeichnet worden, und in der Abgrenzung von dieser reinen Redekur lässt sich wohl auch Perls’ kritischer Blick auf das Sprechen verstehen. Somit ist es auch verständlich, dass sich in der Theorie der Gestalttherapie wenige Werke wiederfinden, die sich ausschließlich mit dem Sprechen beschäftigen, und Staemmler 2003 zurecht klagte: „leider hat die Gestalttherapie nicht wie die Psychoanalyse einen Lacan (1973) oder einen Lorenzer (1970), auch nicht einen Schafer (1982), ja noch nicht einmal einen Jappe (1971) zu bieten.“ (Staemmler, 2003, S. 9)^1 1.1. Zum Thema Sprache in der Gestalttherapeutischen Grundlagenliteratur Trotz dieses zurückhaltenden Verhältnisses zur Sprache beschäftigten sich die Gründer(innen) der Gestalttherapie immer wieder ausführlich mit dem Thema Sprache. Im Grundlagenwerk der gestalttherapeutischen Theorien, Gestalttherapie. Grundlagen der Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung, widmeten Fritz Perls, Ralph F. Hefferline und Paul Goodman der Sprache ein ganzes Kapitel, da Sprache, wie sie meinten, bei der Entwicklung der Menschheit eine besondere Rolle gespielt hatte. (^1) Er bezieht sich hier auf Jacques Lacan: Schriften I-III , Alfred Lorenzer: Sprachzerstörung und Rekonstruktion , Roy Schafer: Eine neue Sprache für die Psychoanalyse und Gemma Jappe: Über Wort und Sprache in der Psychoanalyse.
Beim Lesen von Fritz Perls’ Werken und den durch Sitzungsprotokolle vermittelten Eindrücken seiner Arbeit, ist eine große Zuneigung zur Sprache spürbar. In seinem autobiographischen Werk Gestalt-Wahrnehmung: Verworfenes und Wiedergefundenes aus meiner Mülltonne finden sich unzählige Wortspiele und Gedichte. (Perls, 1981) Im Gegensatz dazu geben wiederum Fritz Perls’ Sprüche aus seinen Esalen Zeiten wie sie in Gestalttherapie in Aktion (1974) zu finden sind, wenig Anlass zu vermuten, dass Perls bei seiner Arbeit viel Wert auf das Sprechen gelegt hätte. „Ein guter Therapeut hört nicht auf den Inhalt von dem Geschwätz, das der Patient hervorbringt, sondern auf den Klang, die Musik, das Zögern. Die sprachliche Kommunikation ist gewöhnlich lauter Lüge. Die wirkliche Kommunikation liegt jenseits der Sprache“, heißt es da. (zitiert nach Staemmler 2003, S. 9) Und Staemmler hebt an der Stelle hervor, dass Perls das, was in der deutschen Übersetzung als „Geschwätz“ bezeichnet wird, im Original „Bullshit“ nannte. (ebd.) Perls beanstandet in seinen Texten vor allem, dass die Sprache an sich von einer dualen Beschaffenheit sei, die von einer Trennung von Leib und Seele ausging. Für das Hervorbringen einer integrierten Persönlichkeit benötige es jedoch eine integrative Sprache, deren Entwicklung zwar zu dem Zeitpunkt von Korzybski und L. L. White vorangetrieben wurde, seines Erachtens nach aber noch nicht ausreichend weit fortgeschritten war. (Perls, 1980) Er schreibt jedoch nicht nur kritisch über die Sprache, sondern hebt auch hervor, in welchen Zusammenhängen Sprache ein wertvolles Werkzeug sein kann, wie zum Beispiel in seinen Ausführungen zum Thema Beschreibung , die er als Wiederbeschaffung von Ereignissen bezeichnet. (Bialy et al., 1998) Er propagiert eine Sprache bei der Ich anstelle von Es oder Hauptwörtern verwendet wird. Wie sich eine Verwendung dieser Ich-Sprache im therapeutischen Prozess als hilfreich erweisen kann, wird in Kap. 6.3.2 beschrieben. Als kritisch betrachtet Perls jedoch alles Gesprochene, hinter dem kein Gefühl wahrnehmbar ist. Dabei verwendet er Bezeichnungen wie Aboutism (= Darüberismus ) und Verbalisierung auf die diese Arbeit noch genauer eingehen wird.
Wörter zu verwenden, die exakt die Bedeutung dessen haben, was ausgedrückt werden soll. (Perls, 1978) Der Amerikaner Paul Goodman, mit dem Fritz Perls auch gemeinsam publizierte war ein Poet, und bezeichnet sich selbst als „a man of letters“. (Goodman, 1971, S. 55) Goodmans Einfluss auf die Sprache der Gestalttherapie war bedeutsam. Ein großer Teil der Formulierungen in Gestalt Therapy , dem Standardwerk der Gestalttherapie (im Deutschen in 2 Bänden erschienen: Gestalttherapie. Grundlagen der Lebensfreude und Persönlichkeitsentwicklung und Gestalttherapie. Zur Praxis der Wiederbelebung des Selbst ) stammten aus seiner Feder. Goodman war sehr sprachbegabt und vermochte es, sich mit großer Leichtigkeit in seiner Muttersprache auszudrücken. Für Laura und Fritz Perls war das in der Fremdsprache zu diesem Zeitpunkt noch nicht so leicht zu bewerkstelligen, und so legen viele Formulierungen vor allem im Theorieteil von Gestalt Therapy die Vermutung nahe, dass sie von Goodman verfasst wurden. (Sreckovic, 1999) In seinem 1971 erschienenen Werk Speaking and Language , versuchte er laut eigenen Angaben, zu beschreiben, wie Menschen sprechen und welche Sprache verwendet wird. Er erklärt darin, dass Sprache immer einen Konflikt beinhaltet, zwischen dem was gesagt werden will und den Mitteln, die wir dafür zur Verfügung haben. (Goodman, 1971) Miriam Polster zitiert daraus: “Ein Großteil unserer Erfahrung besteht in der lautlosen Wahrnehmung von Körper und Umwelt, oder in wortlosem Handeln innerhalb dieser Umwelt. Indem die Sprache aber fast jede Art von Erfahrung aufgreifen kann, also auch solche Erfahrungen, die aus lautlosen Wahrnehmungen und wortlosen Handlungen bestehen, erzeugt sie einen unermeßlichen Reichtum an verbalisierten Erfahrungen.” (Goodman 1971, o.S., zitiert nach Polster, 2001, S. 3) Und außerdem: “Die Persönlichkeit besteht (zum großen Teil) aus den eigenen Sprachgewohnheiten, die wir deshalb angenommen haben, weil sie sich in vielen spontanen Sprechsituationen bewährt haben.” (Goodman, 1971, o.S. zitiert nach Polster, 2001, S. 7) Zu guter Letzt darf natürlich die Arbeit von Fritz Perls’ Frau Laura nicht unerwähnt bleiben. Sie arbeitete viel mit Sprachmustern, und war hinter den Kulissen maßgeblich
an Fritz Perls frühen Veröffentlichungen beteiligt. Aus der Zeit als Fritz Perls in Wien war (1927) gab es zahlreiche Briefe zwischen ihm und Laura, die darauf hinwiesen, dass die beiden alles, was sie intellektuell beschäftigte, jede Theorie, jede Idee die sie hatten, und jedes Buch das sie lasen, miteinander besprachen. (Sreckovic, 1999) Laura Perls schien kein Bedürfnis zu haben im Rampenlicht zu stehen, und so verzichtete sie, wie Fuhr, Sreckovic und Gremmler-Fuhr in ihrem Vorwort zur überarbeiteten Ausgabe von Gestalttherapie. Grundlagen der Lebensfreude und Persönlichkeitsentwicklung schreiben, sowohl bei der Veröffentlichung von Ego, Hunger and Aggression als auch von Gestalt Therapy darauf, als Co-Autorin genannt zu werden. (Perls et al., 1979/2006) In einem Artikel von 1994 schreibt Kristine Schneider Laura Perls eine große Liebe zur Sprache zu, und meint, dass die Anregung auf die Wortwahl der Patient(inn)en zu achten, um Entdeckungen über die Sprachpathologie zu machen, auf Laura Perls zurückgehe. (Schneider, 1994) Laura Perls bezeichnete Sprache und Sprechen als soziale Kontaktfunktionen. Sie bezog sich in ihren Publikationen dabei auf Buber und deklarierte zwei unterschiedliche Typen von Sprache, eine Ich-Sprache und eine Es-Sprache. Sie beschäftigte sich auch mit Sprachschwierigkeiten, die sie den drei strukturellen Aspekten Vokabular, Rechtschreibung und Grammatik zuwies. (L. Perls, 1989) 1.2. Neueres zum Thema Sprache in der Gestaltliteratur Beim Blick auf die deutschsprachige^2 gestalttherapeutische Literatur in den letzten 3 Jahrzehnten könnte der Eindruck entstehen, als hätte die Sprache tatsächlich keinen expliziten Auftrag in der Gestalttherapie, zumindest waren nur einzelne Artikel auffindbar, die sich konkret mit dem Thema Sprache beschäftigten. So widmete sich zum Beispiel Dietrich Graf Ende der 1980er Jahre in einem Artikel in der Zeitschrift Gestalttherapie dem Sprachgebrauch und den Sprachstilen von Gestalttherapeut(inn)en und dem Verhältnis zwischen Körper und Sprache. (Graf,
(^2) Diese Rundschau beschäftigt sich zum größten Teil mit Texten, die (auch) in deutscher Sprache veröffentlicht wurden.
Sein Eindruck ist, dass beim Fokus auf das, was im Hier und Jetzt im Kontakt zwischen Therapeut(inn)en und Klient(inn)en geschieht, die verbale Kommunikation oft übersehen wird, und dass sich die Gestalttherapie zu wenig mit der Bedeutung von Sprache als Instrument in der Therapie, und zu sehr mit den problembehafteten Aspekten von Sprache beschäftigt. In diesem Zuge unterstellt er der Gestalttherapie das Motto „Reden ist Silber, Berühren ist Gold.“ (ebd. S. 67) Darüber hinaus fehlt ihm eine gestalttherapeutische Aufarbeitung von linguistischen und sprachpsychologischen Ergebnissen. Für Dickopf ist Sprache ein wichtiges Werkzeug in der Gestalttherapie. Für ihn ist es für ein Gelingen des therapeutischen Prozesses unerlässlich, neben der Körpersprache des Gegenübers auch der Sprache also der Wortwahl und der persönlichen Sprachmelodie, Aufmerksamkeit zu schenken. Er hält es für die Aufgabe von Gestalttherapeut(inn)en, Menschen zu mehr Menschlichkeit zu verhelfen. Dazu gehört für ihn auch, dass die Gestalttherapeut(inn)en ihr Augenmerk auch auf die Sprache und das Sprechen der Klient(inn)en legen. (Dickopf 2003) Frank-Matthias Staemmlers Antwort erschien im gleichen Jahr in einem Sonderheft der Zeitschrift Gestalttherapie. Er verteidigt darin die Gestalttherapie vehement gegen Dickopfs Angriff. Staemmler legt großen Wert darauf, Sprache und Nonverbales nicht voneinander zu trennen, sondern diese Dualität durch die in der Gestalttherapie grundlegende Phänomenologie zu überbrücken. Auch für ihn ist jedoch die Wichtigkeit der sprachlichen Kommunikation unbestritten, und er sieht diese Aufmerksamkeit für Sprache auch bei Perls: “Wegen der großen Bedeutung des Problems der Sprache ist es wichtig, daß wir es zu verstehen versuchen.” (Perls, 1980, S.28, zitiert nach Staemmler, 2003, S. 10 )
In diesem Sinne zitiert er auch den amerikanischen Gestalttherapeuten Miller: „Und Sprache, wenn man sie nicht nur als formale Struktur (Grammatik, Syntax, Semantik), sondern als expressive und rezeptive Aktivität des Sprechens und Zuhörens (Phonologie und Intentionalität) versteht, gehört genauso zum Körper wie zum Geist. (Miller, 2001, S. 16, zitiert nach Staemmler, 2003, S. 31) Im Anschluss an diese Auseinandersetzung scheint es wieder etwas ruhiger um die Sprache geworden zu sein, zumindest sind in den folgenden Jahren kaum weitere Veröffentlichungen zu finden, die sich explizit mit Sprache oder gesprochener Kommunikation in der Gestalttherapie beschäftigen. Die deutsche Gestaltzeitung veröffentlichte 2009 einen Artikel von Detlef Klöckner, in dem er sich vor allem mit dem Inhalts- und Beziehungsaspekt der Sprache beschäftigt. Staemmler wandte sich 2015 erneut ausführlich der Sprache und dem Dialog zu. In seinem derzeit aktuellsten Werk, auf das sich diese Arbeit wiederholt bezieht, beschäftigt er sich mit dem Selbst und seiner dialogischen Beschaffenheit. Er beschreibt darin vor allem, wie sich innerpsychische Dialoge abspielen, und wie die Arbeit mit diesen Dialogen unterstützend im Prozess eingesetzt werden kann. (Staemmler, 2015) Und zu guter Letzt dürfen die Gestalttage der Fachsektion Integrative Gestalttherapie im ÖAGG in Wien, an dieser Stelle nicht fehlen. Diese jährlich stattfindende Fachtagung trug im Jänner 2016 die Überschrift Sprache und Sprechen und bot einen breiten Einblick zum Thema Sprache allgemein und Sprache in der integrativen Gestalttherapie^3 :