Docsity
Docsity

Prüfungen vorbereiten
Prüfungen vorbereiten

Besser lernen dank der zahlreichen Ressourcen auf Docsity


Download-Punkte bekommen.
Download-Punkte bekommen.

Heimse Punkte ein, indem du anderen Studierenden hilfst oder erwirb Punkte mit einem Premium-Abo


Leitfäden und Tipps
Leitfäden und Tipps

Zusammenfassung:Textverstehen lehren und lernen/ Deutschunterricht, Zusammenfassungen von Deutschdidaktik

Zusammenfassung:Textverstehen lehren und lernen/ Deutschunterricht: Gestern-Heute-Morgen

Art: Zusammenfassungen

2019/2020

Hochgeladen am 25.06.2020

niko-lasagne
niko-lasagne 🇩🇪

4.6

(24)

1 / 44

Toggle sidebar

Diese Seite wird in der Vorschau nicht angezeigt

Lass dir nichts Wichtiges entgehen!

bg1
Zusammenfassung:
Textverstehen lehren und lernen/ Deutschunterricht: Gestern-Heute-Morgen
Übersicht
1. Lesetheorie.............................................................................................................................2
Lesen und Lesebewusstheit im Deutschunterricht..................................................................3
Sprachbewusstheit: .................................................................................................................4
Individuell-situative Dimensionen..........................................................................................4
Teilanforderungen des Lesens und die situative Abhängigkeit von den Lesedimensionen....5
Wissen und Kompetenz im Literaturunterricht.....................................................................12
Beispiel der Evozierung bzw. Nicht-Evozierung Mentaler Modelle....................................18
2. Texttheorie...........................................................................................................................22
3. Didaktiken und ihre Konsequenzen..................................................................................25
Kritische Didaktik: Bremer Kollektiv (seit 1968).................................................................25
Strukturalismus (seit 1970)...................................................................................................27
Rezeptionsästhetik (ab 1975)................................................................................................28
Konstruktivistische Literaturdidaktik...................................................................................30
Die Balance zwischen Text und Leser: Literaturunterricht rezeptionsästhetisch.................31
Produktive Rezeption............................................................................................................33
4. Handlungs- und produktionsorientierte Methoden.........................................................38
5. Nierath: Fachdidaktik Sprache.........................................................................................40
1
pf3
pf4
pf5
pf8
pf9
pfa
pfd
pfe
pff
pf12
pf13
pf14
pf15
pf16
pf17
pf18
pf19
pf1a
pf1b
pf1c
pf1d
pf1e
pf1f
pf20
pf21
pf22
pf23
pf24
pf25
pf26
pf27
pf28
pf29
pf2a
pf2b
pf2c

Unvollständige Textvorschau

Nur auf Docsity: Lade Zusammenfassung:Textverstehen lehren und lernen/ Deutschunterricht und mehr Zusammenfassungen als PDF für Deutschdidaktik herunter!

Zusammenfassung:

Textverstehen lehren und lernen/ Deutschunterricht: Gestern-Heute-Morgen

    1. Lesetheorie............................................................................................................................. Übersicht
    • Lesen und Lesebewusstheit im Deutschunterricht..................................................................
    • Sprachbewusstheit:
    • Individuell-situative Dimensionen..........................................................................................
    • Teilanforderungen des Lesens und die situative Abhängigkeit von den Lesedimensionen....
    • Wissen und Kompetenz im Literaturunterricht.....................................................................
    • Beispiel der Evozierung bzw. Nicht-Evozierung Mentaler Modelle....................................
    1. Texttheorie...........................................................................................................................
    1. Didaktiken und ihre Konsequenzen..................................................................................
    • Kritische Didaktik: Bremer Kollektiv (seit 1968).................................................................
    • Strukturalismus (seit 1970)...................................................................................................
    • Rezeptionsästhetik (ab 1975)................................................................................................
    • Konstruktivistische Literaturdidaktik...................................................................................
    • Die Balance zwischen Text und Leser: Literaturunterricht rezeptionsästhetisch.................
    • Produktive Rezeption............................................................................................................
    1. Handlungs- und produktionsorientierte Methoden.........................................................
    1. Nierath: Fachdidaktik Sprache.........................................................................................

1. Lesetheorie

Lesen von Texten aller Art benötigt …

  • Betrachtung verschiedener Dimensionen
  • Betrachtung der situativen Bedingungen
  • Betrachtung der Teilkompetenzen des Lesens im Prozess

Wenn wir das Lesen und die dazu gehörige Leseförderung in einem multidimensionalen Feld

sehen, dann kann unterschieden werden:

  1. zwischen Dimensionen, die dem einzelnen Leseanlass als Disposition (zumeist)

vorgeschaltet sind.

  1. Zweitens kann eine Perspektive gewählt werden, nach der ein situatives Lesesetting unter

psycholinguistischen Punkten untersucht und erhellt wird.

  1. Und schließlich kann das Lesen als schriftsprachlicher Rezeptionsprozess in actu

betrachtet werden, in dem sich das zuvor gesagte spiegelt bzw. entspricht. So kann man

zur folgenden Graphik gelangen, die dies skizzieren hilft.

Dimensionen des Lesens

Vorwissen

Worterkennung

Interesse

Motivation

Reflexion

Kognition

Kommunikation

Emotion

Wort und Satzidentifikation

Inferenzenbildung

Lokale Kohärenz

Anwendung von Wissen

Verknüpfen (Glob.Ko.)

Mentales Modell

Sprachbewusstheit:

Annahme einer eigenaktiven und in sehr verschiedenen Feldern tätigen

‚Sprachaufmerksamkeit’ des Lernenden. Sprachbewusstheit heißt, sich ein bewusst

analytisches Verhältnis zu Inhalten und Phänomenen von Sprache aufzubauen, um sich etwa

in verschiedenen Formen des Wissens über sprachliche Phänomene oder über die

Verhaltenssteuerung in sprachlichen Lernprozessen bewusst werden zu können. Also ein

metagkognitiver Blick auf Sprache. Ziel ist es, dass SuS Sprache nicht nur routiniert

gebrauchen, sondern bewusst einsetzten können.

Ziel einer lesespezifischen Unterrichtseinheit ist eine bewusste Steuerung des

schriftsprachlichen Rezeptionsprozesses und seiner situativen Vorbedingungen.

Individuell-situative Dimensionen

kognitive Dimension :

Sie erlaubt dem Leser, Texte durch Kohärenzherstellung in ihren Motiven, Strukturen und

Textsortenzugehörigkeiten zusammen zu fügen und zu verstehen (nach PISA mit .52 die bei

weitem gewichtigste Dimension).

Als didaktische Förderungsstrategien bieten sich hier bei Schülern mit begrenzter kognitiver

Auffassungsgabe weit vor dem eigentlichen Leseprozess ansetzende Fördermöglichkeiten an,

die somit top-down-orientiert helfen können, den eigenen Leseprozess wissensbasiert zu

flankieren, graphisch zu begleiten und so zu organisieren.

Dimension: Interesse

Leseinteresse führt zu situativen Entscheidungen des Lesens eines Textes, d.h. das Thema und

Aufbereitung des Textes darüber entscheiden, ob eine emotional positive Rückmeldung

erfolgt. Dies entscheidet mit über aktuelle wie habituelle Lesemotivationen. Deshalb sollten

genre- und geschlechtsspezifische Vorlieben auf der Basis der Sozialisations- und

Lesesozialisationsforschung noch stärker berücksichtigt werden.

motivationale Dimension :

die dadurch bestimmt ist, akute oder übergreifende Lesebereitschaft aufzubauen, die

schließlich erst zur Zieldimension ‚Lesekompetenz’ führen können.

emotionale Dimension :

die es dem Leser erlaubt, sich affektiv beim Lesen zu engagieren, d.h. lesend genießen und

genießend lesen zu können. Bezug zur Neuropsychologie: Aktivierung des Limbischen

systems mit Hyppokampus und Amygdala. Die Amygdala entscheidet zwischen der

Bedeutung des Textes für den Leser und regt entsprechend dem Hyppokampus an. Dieser

strukturiert dieInformationen nach Relevanz und überführt sie ggf. ins Langzeitgedächtnis

und ermöglicht somit globale Kohärenzen. Es sollten demnach Themen, Textsorten und/oder

spezielle Medien im Deutschunterricht eingesetzt werden , die eine Stimulierung des

Limbischen Systems durch identifikatorisch-emotionale Lektüre gewährleisten.

reflexive Dimension :

die als metakognitive Lern- und Überprüfungsstrategien bezeichnet werden können und die

durch den Einsatz verschiedenster Lesestrategien, durch die Herausbildung und Verwendung

von Textkompetenzen, durch die Auffrischung von Lesemotivation den kompetenten Leser

vom ‚naiven’ unterscheiden lässt.

anschlusskommunikative Dimension :

die als Fähigkeit zum kommunikativen Austausch von Leserfahrungen im Sinne des Wortes

beschrieben werden kann, soll das Lesen keine isolierende sondern sozialkommunikative

Tätigkeit darstellen. Zur Herstellung literaler Systeme bedarf es der Volition, des Vorwissens

sowie der Fähigkeit zum verbal-kommunikativen Austausch von Leseerfahrungen.

Worterkennungsprozess (Dekodierfähigkeit) :

die sich in Sicherheit und Schnelligkeit beim lexikalischen Zugriff während der schriftlichen

Sprachrezeption ausdrücken und bemerkbar machen. Je flüssiger der Leseprozess, d.h. je

höher die Fähigkeit zur Erkennung von Wortbündeln, desto mehr Ressourcen verbleiben für

hierarchiehöhere Teilkompetenzen des Lesens.

Vorwissen :

das den Leseprozess des Rezipienten flankierend unterstützt. Determinativer Einfluss des

thematischen Vorwissens auf den aktuellen Leseprozess. Didaktische Bedeutung: Schüler bei

ihren textgeleiteten Leseprozessen (bottom-up) bereits im Vorfeld thematisch inhaltliche

Informationsquellen zur Verfügung stellen, die ihnen auch eine konzeptgeleitete

Rezeptionsrichtung (top-down) ermöglichen. Lesen als Text-Leser-Interaktion bzw.

Transaktion. Das heißt, Texte enthalten niemals Wissen, sondern nur Information die erst zu

neuem Wissen umformatiert oder generiert werden müssen. Dies kann nur vor dem

Hintergrund von Wissensbeständen geschehen, die es dem Rezipienten erlauben, die reine

Textbasis zu verlassen, um so durch Wissensanwendung auf eine Verstehens- und

Reflexionseben zu gelangen, die jenseits der Textbasis liegt. Da das Wissen, das in

spezifischen Netzen gespeichert ist, es dem Leser überhaupt erst ermöglicht, wichtiges von

unwichtigem zu unterscheiden, oder auch das Lesen an sich erleichtert (Helmke, 1997),

kommt ihm eine enorme Bedeutung zu.

Teilanforderungen des Lesens und die situative Abhängigkeit von den Lesedimensionen

DESI-Modell

  • kognitionspsychologisch
  • emotionspsychologisch
  • Leseprozesstheorie (Willenberg): bei quantitativer Zunahme des Textes steigen die

qualitativen Anforderungen an den Leseprozess!

6 kognitiv-emotionale notwendige Teilanforderungen des Lesens (rekursiver Prozess):

  • (punktuelle) Informationsverarbeitung
  • Antizipierende oder kriteriengeleitete intendierte Inferenzbildung (als restriktive

Wissensanwendung) auf lokaler Ebene

  • Herstellung lokaler Kohärenzen durch thematisch-konzeptionelle Abstrahierungen in

und von Absätzen

  • Elaborierende wissensbasierte Inferenzen als Voraussetzung für das Erreichen der

hierachiehohen Regionen des Lesens (z.B. Weltwissen, Textwissen) sowie

Emotionserkennung

  • Verknüpfung thematischer Konzepte für die intra- wie intertextuelle Herstellung

globaler Kohärenzen

  • Konstruktion universeller Konzepte in Form von textbasierten elaborierten Mentalen

Modellen

Weltwissen:

Allgemeinwissen oder implizite Wissensanwendung von Welt.

Germanistisches Fachwissen:

Explizite (germanistisches) Fachwissen, um die Funktion poetologischer Mittel benennen und

für das eigene Textverstehen anwenden zu können.

Wissensarten:

  • Sprachliches Wissen (z.B. Wortschatz, Grammatik)
  • Weltwissen (z.B. Allgemeinwissen, episodisches Wissen, Schemawissen oder

enzyklopädisches Wissen)

  • Textliches Handlungswissen (z.B. Illokuationswissen, Textsortenwissen, Wissen über

Handlungsnormen)

Dimensionen des Lesens, die determinative Bedeutung für die Anwendung von Wissen und

Emotion haben:

  • Vowissen
  • Emotion
  • Interesse/Motivation
  • Metakognitive Reflexion
  • Kommunikation
  • Kognition (alles zusammenhaltende Voraussetzung)

Globale Kohärenzen

  • Auf der Basis von Inferenzen, Verlinkung thematisch-konzeptioneller Absätze und der

Aktivierung textexterner Wissensbestände ist zu klären, welche Figuren in welcher

Konstellation an welchen Orten zu welcher Zeit welche Funktion für den Fortlauf der

Geschichte einnehmen und welche Handlungsmotive ihnen zugeschrieben werden

können (z.B. strukturelle Oppositionen, soziale Rollenzuweisungen, innere

Beschreibungen).

  • Ziel ist es, die ‚semantischen Spuren’ im Text freizulegen.
  • Globale Kohärenzen im Sinne des Erkennens bzw. Erstellens von Verknüpfungen

thematisch-abstrakter Einheiten sind Vorbedingungen für die Entwicklung mentale

Strukturgitter des Textes, also textbasierter elaborierter Mentaler Modelle

  • Teildimensionen zur Herstellung globaler Kohärenzen:

o Alle sieben genannten Dimensionen

o Flüssige Dekodierfähigkeit: Methoden zur Erhöhung der Dekodierfähigkeit:

 Rezipienten- und textorientierte Lesestrategien

 Sozialen Lautleseverfahren

 Verbal-audiditive Lesehilfen

Kohärenz: Lesen kann unterschiedlich betrachtet werden. Die kompetenzorientierte Deutsch-

und Literaturdidaktik kann nicht umhin kommen, (zumindest dort, wo es didaktisch Sinn

macht) Lesen als erfolgreiche Herstellung von Kohärenzen anzusehen, inter- wie

intratextuell. Da das Lesen aber mehr ist, als ein rein technizistisch zu nennen Vorgang der

Sinnentnahme aus Texten, müssen alle bisher angedeuteten Aspekte der psycholinguistischen

Sprachrezeptionsbetrachtung berücksichtigt werden, damit es (auch schwachen) Lesern

gelingt, Absätze mit einander zu verbinden, Motive und Strukturen von Texten zu erkennen

und die Pointe des Textes mit Wissen von Welt in Verbindung zu bringen, um diesen

reflektieren und bewerten zu können. Zentral ist hier die Annahme eines mentalen

Kohärenzgraphen zu nennen, der sowohl von der Leservariable wie von der Textvariable

abhängt und als eine hierarchische Textrepräsentation zu verstehen ist (Dies ist ganz

wichtig… Die auch, aber nicht ganz so….Dies ist weniger wichtig…Dies ist unwichtig usw.)

Propositionen haben nun unterschiedlichen Einfluss auf ihre Stellung im Kohärenzgraphen,

und dies hängt jeweils von verschiedenen Variablen ab:

a) Bekanntheit,

b) Klarheit,

c) Verbindung zu anderen Propositionen,

d) syntaktische Einbettung und

e) unter verbal-auditiver Perspektive lautsprachliche Realisierung von Prädikator und

Argument. Hier kann, wie erstmals deutlich wird, die Prosodie eine immense Erleichterung

des Verstehensprozesses darstellen. Wichtig ist dabei zu berücksichtigen, dass natürlich nicht

alle Propositionen behalten werden können – nur sehr wenige schaffen es in das

Langzeit(arbeits)gedächtnis, die anderen werden aus Ressourcengründen vergessen und

müssen daher mit Hilfe von außen gesichert werden, so sie denn relevant werden könnten.

Cutler: Guten Lesern gelingt es, vor dem inneren Ohr „laut“ und intoniert zu lesen, was den

Verstehensprozess fördert. Schwache Leser vermögen dies nicht, sondern sind mit dem

Dekodieren an sich so beschäftigt, dass wichtige kognitive Ressourcen belegt sind und bei der

Herstellung von Kohärenzen ausfallen. Hier nun kann der Einsatz von Stimme und Hörbuch

lesefördernde Dienste leisten.

Mentale Modelle

  • Mentales Modell: Zusammenfassung, Interpretation und Bewertung
  • Mentale Modelle aus kognitionspsychologischer Sicht (Johnson-Laird 1983) werden

definiert als mentale Konstruktionen und Abbildungen von realen, möglichen

Situationen, die aber offen sein müssen für sog. Anschlusskommunikation, womit sie

von mentalen Skripts und Schemata unterschieden werden.

  • Mentale Modelle sollen vor dem Hintergrund der konstruktivistischen

Erkenntnistheorie innere Imaginationspräsentationen beschreiben und erklären.

  • Es handelt sich um ein Zwischen- und Endpunkt eines aktiven und konstruktiven

Rezeptionsprozesses auf der Basis all der genannten Dimensionen.

Mentale Modelle (Kurzgefasst):

Kenntnisse über:

  • Ort(e)
  • Zeit (auch Handlungsverlauf)
  • Figuren (und Konstellationen)
  • Handlungskerne
  • Motiv (des Autors)

 „Text verstanden“

 Mentale Modelle im Deutschunterricht sind nicht selbstverständlich!

Hierarchisiertes und strukturiertes Mentales Modell ( kognitive Arbeit ):

  • Speicherung und Abrufbarkeit expliziter und impliziter Textinformationen
  • Bestände des Langzeitarbeitsgedächtnisses
  • Erkennung und Verfolgung einer ‚semantischen Spur’

Teilanforderungen des Lesens Lesedimensionen

Informationsverarbeitung v.a. Vorwissen, Emotion

Inferenzbildung v.a. Vorwissen, Emotion, Interesse,

Motivation

Herstellung lokaler Kohärenzen v.a. Emotion, Interesse, Motivation,

Reflexion

Wissensanwendung und Emotionserkennung v.a. Vorwissen, Emotion, Interesse,

Motivation, Reflexion, Kommunikation,

Kognition

Herstellung globaler Kohärenzen v.a. Interesse, Motivation, Reflexion,

Kognition, Worterkennung (Fluency)

Konstruktion Mentaler Modelle v.a. Vorwissen, Emotion, Interesse,

Motivation, Reflexion, Kommunikation,

Kognition, Worterkennung (Fluency)

Misssing links in der Literaturdidaktik

  • Anfütterung mit Wissensbeständen (Sachtexte, Lehrervorträge, Referate, Bilder,

Filme, Ausstellungen…)

  • Geschlechtsspezifische, soziokulturelle oder andere Differenzen bei der Textauswahl

berücksichtigen (Kanonenerweiterung)

  • Vielfältige Förderung zur Erhöhung der Dekodierfähigkeit zur Freisetzung kognitiver

Ressourcen (Vorlesen, Lautleseverfahren, Lesetandems, freie Lesezeiten, simultanes

Lesen & Hören)

  • Einsatz von Lesestrategieübungen zur gezielten Förderung von Teiltätigkeiten des

Lesens, um Lesebewusstheit zu erzeugen

Fazit:

  • Lesen ist ein chronologisch-rekursiver Prozess zielgerichteter schriftsprachlicher

Problemlöseschritte

  • Dimensionen des Lesens setzten z.T. vor, während und nach dem Leseprozess an und

können auf allen Ebenen (deutschdidaktisch) unterstützt werden

  • Ziel ist eine wissensbasierte Überlappung von Kompetenzen und Dimensionen des

Lesens!

Daher plädiere ich dafür, dass wir das Lesen bzw. Leseförderung in actu nie isoliert bzw.

monoperspektivisch betrachten dürfen, sondern jeweils die Frage zu beantworten haben,

welche Leseförderungsmethode wirkt sich in welchem Maße auf die Dimensionen des Lesens

(Leser), auf den Leseprozess (Text) sowie auf die Bündelung beider in speziellen Settings

(Situation) aus.

Wo F Wi V MM

SR-Prozess

SR

Vor- wissen

Text

Kohärenz Richtung

Emotion

SRP erfordert Teildimensionen

Teildimensionen bedingen SRP

Niveau

Text

Vorwissen

Worterkennung

Interesse Motivation...

Reflexion

Kognition

Kommunikation

Emotion

Text – Leser – Situation

Text Leser

Situation

Situation Deutschunterricht

Text-Verstehen

als psycholinguistisches Modell

Abb.2 nach Beyer (2003)

Kohärenzbildung

Sprachverstehens-

bedingungen

Rezeptionsrichtung : Je nachdem, wie elaboriert bereits mein Konzept von einem bestimmten

Sachverhalt entwickelt ist, kann ich meinen Leseprozess aus oder in zwei verschiedenen

Richtungen vollziehen: bottom-up oder top-down. Die eher konzeptgeleiteten top-down

Modelle liegen dann vor, wenn ich mit geöffneten Wissensnetzen einem Text begegnen kann,

wenn relevantes Wissen also meinen Leseprozess flankieren und somit unterstützen können

(Helmke). Hier sind vom Leser erkennbare Konzeptualisierungen wichtig, um literarisierende

Merkmale wie Ironie oder ähnliches erkennen und in seiner Bedeutung reflektieren zu

können. Habe ich kein oder nur wenig Vorwissen zur Verfügung, oder nimmt der Text an

einer bestimmten Stelle eine Wendung, die ich vorher nicht vorhersehen konnte, bin ich

darauf angewiesen, den Leseprozess auch bottom-up steuern zu können. Dieses Modell der

Sprachrezeption wird auch als „Modulares“ oder „Syntax First“ Modell bezeichnet, da sich

das Sprachverstehen hier über die textbasierte Repräsentation von Propositionen einstellt, und

zwar von der Syntax über die Lexik über die Semantik hin zum konzeptuellen Verstehen.

Diese Skizzierung zeigt, dass doch beide Richtungen durch das HB gefördert werden können:

Fluency nach Rosebrock und Cutler auf der einen Seite, und Konzeptualisierungen nach

Groeben (2003) auf der anderen.

Die beiden Konstrukte bauen aufeinander auf und sollten in der Planung und Durchführung

von Unterricht mehr verzahnt werden. Das eine Konstrukt sollte als Ausgangspunkt des

anderen gewählt werden.

Teilanforderungen des Lesens und ihre (potenzielle) Bedeutung für die

Literaturdidaktik

Lesen als Problemlösung: Um den Schülern ihren Leseprozess bewusst zu machen, sollten

Lehrer auf ihren eigenen gebildeten Lesebegriff zurückgreifen.

Fünf qualitativ unterschiedliche, kognitiv-emotionale Anforderungen im Leseprozess

(verlaufen stetig und rekursiv):

  1. Informationsverarbeitung : Leser erkennen, sichern und verarbeiten während dem

gesamten Leseprozess explizit auftretende sinntragende Informationen auf der Basis

des eigenen Vorwissens.

a) der Ort,

b) die handelnden Figuren,

c) die Zeit und

d) der Handlungsverlauf.

  1. Schlussforderungen ziehen/ (intendierte) Inferenzen bilden : Leerstellen

(Unbestimmtheitsstellen) eines Textes müssen vom Leser bestimmt und antizipiert

werden und in Form von Schlussfolgerungen durch das mehr oder weniger

unbewusste Bilden von Inferenzen konkretisiert und im weiteren Text-Lese-Verlauf

rekonstruiert werden. Es handelt sich um ad hoc gebildete Schlussfolgerungen. Das

Bilden von Inferenzen wird als restriktive Wissensanwendung bezeichnet, da es dem

Leser ohne ein Mindestmaß an spezifischer (allgemeiner) Bildung in diesem Bereich

unmöglich wäre, logisch geordnete Strukturen in den Text hinein zu tragen.

  1. Herstellung lokaler Kohärenzen : Herstellen notwendiger lokaler Kohärenzen, um

den Text absatzweise abstrahieren zu können. Dazu gehört es auch den Lesefluss bei

anspruchsvollen Texten zu verlangsamen, um relevante Teilinformationen aufnehmen

zu können.

  1. Elaborierte wissensbasierte Inferenz/ Emotionswahrnehmung :

Textverstehen im psycholinguistischen Sinne: verschiedene spezifische

Wissensbestände und Emotionsmuster werden aktiviert und konstruktiv angewendet

 Textbasis verlassen und Geschichte auf einer Metaebene und mit entsprechenden

Abstand betrachten und analysieren

 bewusstes Heranziehen relevanter Wissensbestände

 Neuralgische Linie des Lesens steht an dieser Stelle, die mit einer

multiperspektivischen lesebegleitenden Wissensanwendung überwunden werden kann.

  1. Herstellung globaler Kohärenzen : Verknüpfungen der zuvor zu thematischen

Konzepten abstrahierten Textabschnitte: absatzübergreifend semantische Spuren des

Textes verfolgen: Rote Fäden von Motiven, Szenerien etc. Dies kann in Form von

farbigen Markierungen, Randnotizen, Abstrahierungen oder anderen Hilfsmitteln

geschehen (evtl. können so fehlende kognitive Ressourcen kompensiert werden.)

Ziele eines wissens- und kompetenzorientierten Literaturunterrichts:

 kurzer thematischer Anwärmung

 Konstruktion textbasierter elaborierter Mentaler Modelle

 wissensbasierte und kompetent diskursive Kommunikation ermöglichen

 (wissensbasierten) Metaebene des Textes (Mentales Modell)

 Intendierte Motive des Autor

Fazit für den Deutschunterricht:

Textgeleitete Leseprozesse ( bottom-up ) (aufgrund mangelnden Wissens) werden als

qualitativ schwieriger eingeschätzt als konzeptgeleitete Leseprozesse ( top-down ), die im

Vorfeld zum Beispiel mit Bildern und Sachinformationen o.ä. eingeleitet wurden. Deshalb

sollen Schüler vorher mit dem nötigen Wissen versorgt werden, was wiederum die

Möglichkeit gibt, dem Text eben zeitgleich bottom-up wie top-down zu begegnen.

Lesekompetenz durch literarisch-ästhetische Bildung (und umgekehrt):

Eine Skizze am Borchert Beispiel

Schülern fällt es schwer während des Lesens aktiv Wissen anzuwenden, um so auf eine

Metaebene von Texten zu gelangen. Aufgrund dessen schaffen es nur wenige jugendliche

Leser die neuralgische Linie zu überwinden, indem sie (allgemeines und

textwissenschaftlich propädeutisches) Wissen an den Stellen zu verwenden, an denen es

für das elaborierende Verstehen von und Reflektierten über Sprache notwendig wäre.

 Daraus folgt, dass literaturdidaktisch-spezifisches Wissen herangezogen werden sollte,

welches den Leseprozess an sich (in Form von explizierter wie implizierter

Lesebewusstheit), als auch das Verstehen von Texten auf einer eher kultur-

wissenschaftlichen Ebene unterstützt.

 Ziel: die hierarchiehöheren Regionen des Lesens zu erreichen und Wissensdefizite

überwinden

 (historische, textwissenschaftliche, kulturwissenschaftliche) Wissensbündel können

dem Schüler zeigen, wie sehr sich Lesen vereinfachen lässt, wenn nur im Sinne der top-

down-Rezeptionsrichtung auf (multimedial vermittelte) vorhandene Wissens- und

Emotionskonzepte zurückgegriffen werden kann:

 Werkgeschichte

 Werkkontexte/ Motive

 Biographie/ Autobiographie

 Hermeneutik/ Strukturalismus (werkimmanente Deutung)

 Intertextualität

 Sozialisationstheorie

 Texttheorie

 Gattungswissen

 (Sozial-)Geschichte

  • Beispele:

o Fragmentarische Darstellung,

o Unvermitteltheit & Offenheit,

o Sprünge-, Raffung,

o Dialogisierung,

o Symbolisierung,

o Parataxe & Ellipse

  • Borchert arbeitet mit Farbsymbolen und Metaphern (hohle Fenster, Farbe grün,

etc.)

  • Der ältere Mann stellt durch eine Lüge die alte Ordnung wieder her = Jürgen hat

das Recht nun wieder Kind sein zu dürfen.

  • Borchert positioniert sich Intertextuell wie stilistisch bei den

(Früh)Expressionisten einerseits, bei den moralischen Pragmatikern andererseits.

Deutliche Bezüge zu Grundtypen der amerikanischen short story

Synthese III : „Geschichte als Rahmen für Produktion von Texten“

  • Sozialgeschichte
  • Geistes- und Kulturgeschichte
  • Ideologiekritik
  • Was kann die Entstehungszeit über sich selbst, was können wir über die

Entstehungszeit aussagen, und was nützt es dem lesenden Schüler wirklich?

  • Borchert wählt für viele seiner verfassten Texte ein narratives Setting
  • kausaler Nexus von Zeit, Autor und Text, um ihn in einem logischen zweiten

Schritt zu lösen (Polivalenzkonvention)

  • Jürgen als schichtnivellierender Stellvertreter seiner Kindergeneration
  • In dieser Ausnahmesituation wird es entgegen generalisierter Konventionen für

Erwachsene (vertreten durch den älteren Mann) plötzlich legitim, die

eigentlichen bürgerlichen Moralgrundsätze von Wahrheit durch (Not)Lüge und

Blendung zu ersetzen – als Zeichen von Menschlichkeit in einer

entmenschlichten Zeit.

Dem Text mit vier Farben begegnen: Das Textverstehen verstehen

Im Folgenden werden vier Teilkompetenzen mit jeweils einer Farbe hinterlegt. Der Text wird

leserorientiert (von innen) farbig bearbeitet:

Vier (von fünf) Teilkompetenzen des Lesens werden mit vier Farben belegt:

  • Lexikalische Identifikation
  • Herstellung lokaler Kohärenzen
  • Elaborierende Wissensanwendung
  • Herstellung globaler Kohärenzen

Ziel:

  • Bewusstmachung des Leseprozesses (Lesebewusstheit: sowohl SuS als auch LuL)
  • Reduktion der Komplexität
  • Überwindung der neuralgischen Linie in Metaebene (Mentales Modell) durch

Verbindungslinien zwischen verschiedenen Modi von Welten (mögliche, reale,

historische, wissenschaftspropädeutische Welten), durch Vermittlung literarisch

notwendiger Wissensbestände

  • Text von innen heraus zu verstehen
  • Ermöglichung von textgeleiteter, anschlussfähiger kommunikativer Settings im

Deutschunterricht, die von Wissen und Kompetenz getragen werden!

  1. Schritt: Informationsverarbeitung / Lexikalische Identifikation
    • Ort
    • Handelnde Figuren
    • Charaktereigenschaften
  2. Schritt: Herstellung lokaler Kohärenzen
    • Zusammenfassung kürzerer Absätze zu Sequenzen/ Schlagwörtern
    • Thematische Konstrukte
    • Klammern am rechten Rand mit Zwischenüberschriften
  3. Schritt: Elaborierte wissenbasierte Inferenzen/ Emotionen
    • Mentales Modell: Fähigkeit, auf der Grundlage des eigenen Wissens die

Textbasis zu verlassen und sich somit auf eine Metaebene jenseits der explizit

geschriebenen Wörter zu begeben. Ein Mentales Modell stellt beispielsweise

die Autorenintention dar.

  • Farbliche Markierung von Passagen bei denen eine explizite oder implizite

Wissensanwendung für das reflexive und bewertende Textverstehen notwendig

ist, z.B. bei Borchert: Emotionssignale

  1. Schritt: Herstellung globaler Kohärenzen
    • Symbolisierung des „Roten Fadens“ durch Verbindungspfeile zwischen Textteilen,

um die intratextuell erkannten Zusammenhänge zu verdeutlichen (durch

strukturelle wie inhaltliche Gegebenheiten des Primartextes)

Anwendungshinweise für die Vier-Farben-Lesestrategie

  • SuS erhalten die Teilanforderungen des Lesens als auswendigzulernendes

Faktenwissen

  • Durch Training: Überführung des Faktenwissens in Handlungskompetenz
  • Verwendung der gleichen farben aller SuS
  1. Der Lehrer sollte Fragen formulieren können, die die unterschiedlichen

Teilfähigkeiten des Lesens aktivieren und explizit machen.

Unterrichtsbeispiele: Löwenspuren im Sand

Negativbeispiel:

L.: Was könnt ihr dazu sagen? (holistischer Einstieg)

Schüler sammeln auf A1, A3 und A

L.: Ja, aber da war doch noch ein bisschen was, jetzt von dieser speziellen Situation (A1). Wir

stehen, oder er, mir ist es nicht ganz klar (kein Mentales Modell), also es wird ja nicht allein

ein Tourist sein als Korrespondent oder als Reporter, das ist ja eine Reportage das Ganze (A

implizit), das müsste man eigentlich annehmen, nicht, in der Zeitung. Und vermutlich war da

ja noch ein Tourist dabei, aber was war denn das jetzt, dieser Test (A1, A3), von dem du

sprachst? Was genau war da? Guckt da mal bitte genau auf den Text. Was war das für ein

Test (A1, A3)?

 Beiträge bleiben punktuell

 Beiträge bleiben unvernetzt

 ohne Systematik: auf A1 und A3-Niveau

 Beiträge bleiben auf der expliziten Textbasis

Textwissen bleibt ausgespart

L.: So, ist denn noch irgendetwas, wo ihr meint, darauf kommt es nun vielleicht noch an in

dem Text? Ich werde gleich noch mal so einzelne Sachen fragen (A1, A3). Sonst stell ich

noch mal meine berühmte Frage , wie man bei Zusammenfassungen so anfängt, nicht.

 Antworten auf A

 Schließlich: das Mentale Schema

 L.: Warum guck ich jetzt so erfreut? (Mentales Schema explizit)

Fazit:

Lehrerin: Gesprächsleitung auf A3 (aber unvernetzt), zum Teil nur auf A1 (z.T. ohne

Relevanz). Einführung in/ Anwendung von A4 überhaupt nicht  Evozierung von A5 und

A6 daher kaum/ nicht möglich.

Schüler: Ansätze von A5 nur von starken Schülern. Nicht unterstützt / nicht explizit / nur auf

der Textbasis.

 Keine Linearität / kein Mentales Modell der Lehrerin erkennbar (Nebenthema).

Positivbeispiel:

L.: Was sagt ihr zu dem Text? Worum geht es hier? (Holistischer Einstieg)

Schüler sammeln wie im Transkript 1 auf A1, A3 und A

Beginn mit A1:

Lehrer: Beginn der Textanalyse auf A1: Handelnde Figuren (Joe: Stichworte werden an der

Tafel festgehalten (A1), Fortsetzung auf A1: Protagonist + Ort

Wechsel auf A2/ A3:

L.: Ihr hattet von der Lockerheit von Joe gesprochen, ne? Wenn wir uns mal Zeile 13

anschauen, da sagt er: „Wenn du gefressen werden sollst, dann wirst du gefressen“. Was

meint er damit? Was kommt da zu Ausdruck bei Joe? (An der Tafel: „Regeln der Natur“,

„Teil der Natur“)

Vertiefung von A4:

L.: Kunsthalle, Anleihen aus A4: Weltwissen

„Textpragmatik“  Ermöglichung von A5 „Verknüpfung“: Textsorte / Zeitungsartikel /

Hauptthema / Intentionen

Schüler: Die Steppe wird dann zu einem Bild, und man merkt, dass er nicht dazu gehört. [...].

Jakob: Ja, noch mal zu diesem Kontrast zu Joe, dass er halt die Natur beobachtet, an der

Oberfläche halt [...]

L.: [...] Wenn wir hier so einen Kontrast aufbauen: du sagst oberflächlich [...]. Was wäre der

Begriff, der auf Joe zuträfe?

Tina: Ja,... [...] er ist ein Teil der Natur. (A5)

Mentale Modell (A6):

Hoffnung: A6 = A1 + A2 + A3 + A4 + A

Tafelbild

Linearität im kollektiven Leseprozess

A

Joe (5-8) : Kennst

sch aus, Humor,

Locker, objektiv,

46 Jahre, sieht

jünger aus,

Einzelgänger,

wirkt souverän

Autor (9-12) :

findet sich allein

nicht zurecht,

fremd in der

Steppe : gehört

nicht dazu

A

Schicksal, bzw.

„Regeln der

Natur“

Er ist Teil der

Natur (13-28)

Tourist , glaubt an

Wissenschaft /

Technik, macht

Fotos ( 28-50 )

A

Textsorte (50-67) :

Reportage,

Zeitungsartikel,

Dokumentation,

will Kontrast

herstellen ,

Sachtext und

direkter

Erzählung

A

Kontraste ,

Differenzen

zwischen Joe und

Tourist,

Fremdheit von

der Natur / in der

Natur,

„Entfernung von

der Natur“

(63-83)

Steffen Gailberger