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Leitfäden und Tipps
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Zusammenfassung Thomas von Aquin: Grundfragen der Praktischen Philosophie, Zusammenfassungen von Philosophie

Art: Zusammenfassungen

2019/2020

Hochgeladen am 25.06.2020

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A: Einführung
1) Philosophie und Ethik
1.1) Die Aufgaben der Philosophie
Gibt Orientierungswissen über die Welt im Ganzen und den Menschen
Orientierung nach dem Sinn des Lebens/der Welt, Antworten auf die Fragen: Was kann der
Mensch erkennen? Warum ist etwas, was es ist, und nicht nichts?
Anfänge: 7./6. Jhd. v. Chr.
1.2) Die Eigenart philosophischen Wissens
Orientierungswissen ist methodisch erarbeitet, prinzipiell für jeden nachvollziehbar
Keine Glaubensgrundlage nötig, Maßstab de Argumentationen ist die Logik, keine
Offenbarung, Intention
Das Vorgehen der Philosophie ist methodisch, die Methoden verbindlich
Die Antworten sind somit unabhängig vom Entwickler
Philosophie ist Wissen um das Wissen = Wissen zweiter Stufe
1.3) Das lebensweltliche Apriori der Philosophie
Philosophie geht vom Alltag und dem Alltagsdenken aus
Die Fragen, die sie stellt, sind Lebensfragen, die (ersten) Antworten sind auch aus dem Leben
Bsp.: 384-322 v. Chr.: Aristoteles, Nikomachische Ethik
Frage: Was ist das Gut(e), nach dem jeder strebt?
Aristoteles sammelt zunächst gängige Antworten der Menschen
Hintergrund: Unterscheidung von zwei Arten menschlicher Handlung: belanglose
Handlungen und solche, die unter der Differenz von Gut und Böse stehen
Durch gute Handlungen verwirklicht sich der Mensch selbst
1.4) Die Einteilung der Philosophie
Unterscheidung der Philosophie in theoretische und praktische Philosophie
a) Theoretische Philosophie
Stellt Wahrheitsfragen, ihre Beantwortung ist das einzige Ziel
Wissen um des Wissens willen, nicht als Mittel zum Handeln
Zugeordnete Disziplinen: Metaphysik, Erkenntnistheorie, Religionsphilosophie,
Naturphilosophie
b) Praktische Philosophie
πρᾶξιρ = Handlung
beschäftigt sich mit den Handlungen der Menschen unter der Differenz von Gut und
Böse (Moral, Sittlichkeit)
Zugeordnete Disziplinen:
Philosophie
WS 2009/2010
Prof. Dreyer
K. P.
Thomas von Aquin – Grundfragen der Praktischen Philosophie
Zusammenfassung
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A: Einführung

1) Philosophie und Ethik 1.1) Die Aufgaben der Philosophie  Gibt Orientierungswissen über die Welt im Ganzen und den Menschen  Orientierung nach dem Sinn des Lebens/der Welt, Antworten auf die Fragen: Was kann der Mensch erkennen? Warum ist etwas, was es ist, und nicht nichts?  Anfänge: 7./6. Jhd. v. Chr.

1.2) Die Eigenart philosophischen Wissens  Orientierungswissen ist methodisch erarbeitet, prinzipiell für jeden nachvollziehbar  Keine Glaubensgrundlage nötig, Maßstab de Argumentationen ist die Logik, keine Offenbarung, Intention  Das Vorgehen der Philosophie ist methodisch, die Methoden verbindlich  Die Antworten sind somit unabhängig vom Entwickler  Philosophie ist Wissen um das Wissen = Wissen zweiter Stufe

1.3) Das lebensweltliche Apriori der Philosophie  Philosophie geht vom Alltag und dem Alltagsdenken aus  Die Fragen, die sie stellt, sind Lebensfragen, die (ersten) Antworten sind auch aus dem Leben  Bsp.: 384-322 v. Chr.: Aristoteles, Nikomachische Ethik  Frage: Was ist das Gut(e), nach dem jeder strebt?  Aristoteles sammelt zunächst gängige Antworten der Menschen  Hintergrund: Unterscheidung von zwei Arten menschlicher Handlung: belanglose Handlungen und solche, die unter der Differenz von Gut und Böse stehen  Durch gute Handlungen verwirklicht sich der Mensch selbst

1.4) Die Einteilung der Philosophie  Unterscheidung der Philosophie in theoretische und praktische Philosophie a) Theoretische Philosophie  Stellt Wahrheitsfragen, ihre Beantwortung ist das einzige Ziel  Wissen um des Wissens willen, nicht als Mittel zum Handeln  Zugeordnete Disziplinen: Metaphysik, Erkenntnistheorie, Religionsphilosophie, Naturphilosophie b) Praktische Philosophie  πρᾶξιρ = Handlung  beschäftigt sich mit den Handlungen der Menschen unter der Differenz von Gut und Böse (Moral, Sittlichkeit)  Zugeordnete Disziplinen:

Philosophie WS 2009/ Prof. Dreyer K. P.

Thomas von Aquin – Grundfragen der Praktischen Philosophie

Zusammenfassung

1.) Ethik: Verhältnis des Menschen zu sich selbst, Mensch als Individuum, Gelingen des eigenen Lebens, eigene Moral und Sittlichkeit 2.) Ökonomie: Verhalten im „Haus“, Fürsorgepflichten innerhalb der (Groß-)Familie (selten behandelt in der Philosophie) 3.) Politik/Politische Philosophie: Verpflichtungen des Menschen innerhalb einer Gemeinschaft, die größer als die Hausgemeinschaft ist  Einteilung erstmals so von Aristoteles beschrieben

1.5) Ethik als philosophische Disziplin  Wie soll der Mensch handeln?  Ethik bezieht sich auf Handlungen, die unter der Differenz von Gut und Böse stehen  Ethik geht auf Aristoteles zurück (Nikomachische Ethik)  Grundgedanke: Wenn menschliches Leben gelingen soll, muss er wissen, was er ist und was das für den Menschen Gute ist, das er erstrebt  Der Mensch verwirklicht sich durch gute Handlungen  Aber: Was ist das Gut(e) und was soll der Mensch werden?  Voraussetzung: Handlungs- und Willensfreiheit, sonst wäre Ethik unnötig

2) Philosophie des Mittelalters 2.1) Epochenabgrenzung  MA = schlechter Begriff, da Werturteil impliziert: kein eigener Wert, dunkel  Das MA eint Europa in Kultur und Sprache  Seine Einteilung ist je nach Disziplin unterschiedlich  Beginn kann sein:  312: Schlacht an der Milvischen Brücke (Konstantin I. besiegt seinen Rivalen Maxentius und wird Alleinherrscher im Weströmischen Reich)  324: Sieg Konstantins des Großen über Mitkaiser Licinius in der Schlacht von Adrianopel  375: Zerstörung des Ostgotenreichs durch die Hunnen, Beginn der Völkerwanderung  376: Fall von Rom  529: Schließung der Akademie in Athen, Gründung der Benediktinerabtei Monte Cassino  800: Kaiserkrönung Karls des Großen, Beginn der Karolingerzeit  Ende:  1453: Fall von Konstantinopel gegen die Osmanen  1492: Christoph Kolumbus landet in Amerika  Luther/Hexenverfolgung erst im 16. Jhd., nicht mehr MA!  Weitere Einteilungen innerhalb der Philosophie  Ab 800: Karolingische Renaissance  Zeitalter der Scholastik im Hochmittelalter

2.2) Das 13. Jahrhundert: Erste Näherungen 2.2.1) Die Vorgeschichte: Die Verwissenschaftlichung des Wissens

2.2.2) Die Universität  Zuvor: Bildung/Schulen durch Benediktinerabteien abgedeckt

 Schafft Projekt nicht vollständig Mittelalter 9.-11. Jhd.  9. Jhd.: Karolingische Renaissance, Aristoteles wird wieder präsent  Alkuin kommt aus der Kathedralschule von York, wo es Aristoteles-Texte gab  Angelsächsische Priester/Mönche bringen Logik des Aristoteles ins Frankenreich  Von Platon nur die erste Hälfte des Timaios erhalten  Wiederaufkommen der alten Frage nach dem Umgang mit Aristoteles  Position von Augustinus übernommen: Philosophie als Propädeutik 11./12. Jhd.  Änderung der Situation  Migration in Europa nimmt zu (Mittelmeerhandel, Pilgerreisen, Kreuzzüge)  Schriften gelangen nach Europa: hebräisch, arabisch, griechisch; Galen, Averroes, Avicenna, Gesamtwerk des Aristoteles  Medizin bildet sich in Italien als Wissenschaft aus  Bekanntwerden der antiken Philosophie schafft neue Konkurrenzsituation zum Christentum  Spätestens im 13. Jhd. ist das Gesamtwerk des Aristoteles an den Unis bekannt  Frage nach dem Verhältnis von Philosophie und Theologie wird an den Unis behandelt

3) Thomas von Aquin  Bedeutendster Philosoph und Theologe des lat. MA neben Ockham, Duns Scotus  Legt geeinten ethischen Ansatz vor, einen ausgefeilten Entwurf  Universitätstheologe! Betreibt Theologie wissenschaftlich!

3.1) Sein Leben  *1224/5 in Roccasetta bei Aquino (Süditalien)  Vater: Graf von Aquino, gehört zur Elite des Landes  Wird als jüngstes Kind mit 5 Jahren als Oblate zu den Benediktinern nach Monte Cassino gegeben, um Karriere in der Kirche zu machen (angestrebt: Erzbischof von Neapel)  Aber: unruhige Zeiten, kriegerische Auseinandersetzungen um Monte Cassino, Eltern holen ihn zurück  Mit 15 Jahren: Studium der artes liberales in Neapel  Dort lernt er Aristoteles kennen über seinen Lehrer Petrus von Hiberna (in Paris ist das Aristoteles-Studium verboten)  Lernt Bettelorden der Dominikaner kennen, tritt 1244 gegen den Widerstand der Eltern ein  1245: Dominikaner schicken ihn zum Studium nach Paris, dort lernt er Albertus Magnus kennen  1248: ThvA geht mit seinem Lehrer Albert nach Köln, wo Albert eine Fakultät einrichten soll  Nach einiger Zeit kehrt ThvA nach Paris zurück, 1256 wird er dort Magister regens (= Prof.)  In Paris: Lehrstühle für Weltkleriker, Franziskaner, Dominikaner; als Klosterangehöriger ist man im 13. Jhd. immer nur für 3-4 Jahre Professor  ThvA wird nach Italien zurückgerufen, lehrt dort in Unis und Schulen  1266: ThvA soll Theologie-Studium entwickeln  1268: ThvA wird zum zweiten Mal Ordinarius in Paris (sehr selten!), Hintergrund ist ein Streit zwischen der Theologie und den artes liberales

 1272: Orden ruft ihn zurück nach Italien, er soll die Ordensschule von Neapel gründen  1273: ThvA hört nach einer Vision mit dem Schreiben auf („Alles, was ich geschrieben habe, scheint mir wie Spreu – verglichen mit dem, was ich geschaut habe und was mir offenbart worden ist“)  7. März 1274: Tod in der Abtei Fossanuova auf dem Weg zum Konzil von Lyon (49 Jahre alt)

3.2) Seine Werke 1.) Summa theologiae  Art Lehrbuch für „Anfänger in der Theologie“, strenge Systematik  Anspruch auf gesamte Theologie  3. Teil unvollendet, da ThvA vorher starb, bzw. nach seiner Vision nichts mehr schrieb  Einteilung: Prima Pars (I), Prima Secundae (I-II), Secunda Secundae (II-II), Tertia Pars (III)  Teil I handelt von Gott als dem Einen und Dreieinem, Teil II vom Menschen  Teile gegliedert in Quaestionen und Articuli, Lösung der Fragen durch den Magister im corpus articuli (= „Respondeo…“)  Aufbau von S. th. I-II  q. 1-5: Das Glückq. 6-17: Die menschlichen Handlungenq. 18-21: Die Sittlichkeit menschlicher Handlungen  q. 22-48: Die Gefühle ( q. 22-25: im allgemeinen , q. 26-39: passiones concupiscilis, q. 40-48: passiones irascibilis)  q. 49-70: Habitus ( q. 49-54: im allgemeinen, q. 55-67: Tugenden , q. 68-70: mit Tugenden Verwandtes)  q. 71-89: Laster und Sünde  q. 90-108: Das Gesetz (ewiges Gesetz, Naturgesetz…)  q. 109-114: Gnade 2.) Summa contra gentiles

B: Hauptteil

1) Die Quellen thomanischen Denkens 1.1) Aristoteles: Psychologie und Ethik  Ethik des Aristoteles: Nikomachische Ethik  Psychologie des Aristoteles: De Anima  ThvA übernimmt die Begrifflichkeiten und Theorien des Aristoteles und entwickelt sie weiter vor dem christlichen Hintergrund  Rezipiert wird immer unter verschiedenen Perspektiven, der Aristoteles des ThvA ist nicht der Aristoteles der Antike!

Psychologie – De Anima allgemein  Unterscheidung zwischen Lebewesen und nicht lebenden Dingen (Naturdinge und Artefakte)  Lebewesen haben eine Seele, auf Grund derer sie leben und sich bewegen (Werden und Vergehen, Veränderung, Ortsbewegung, Wachsen und Schwinden…)

 Der Mensch ist von Natur aus egoistisch, kann dazu aber in ein Verhältnis treten, abwägen bis hin zum eigenen Schaden  Unter den Gütern gibt es eine Hierarchie mit dem höchsten Gut an der Spitze (ohne die Existenz eines Letztziels würde der Mensch nicht beginnen zu handeln, es „zieht“ uns an)  Das Letztziel ist die Verwirklichung des Menschen = das Glück  Das Wesen des Menschen, das er verwirklichen muss, ist seine Vernunftbegabung Tugend  Die Ethik des Aristoteles ist eine Tugendethik, die aber lustvoll sein soll ↔ Kant  Tugend heißt: ein eingeübtes, zum Habitus gewordenes Verhalten, nicht nur sittlich gemeint  Begriffspaar: ἀπετή – ἕξιρ = virtus – habitus = Tugend – Haltung  Es gibt zwei Arten von Tugenden (NE II-IX): a) Ethische Tugenden = Handlungstugenden (alle, die zur mesotes-Lehre zählen wie: Tapferkeit, Mäßigkeit, Großzügigkeit…) b) Dianoethische Tugenden = Verstandestugenden (Weisheit, Klugheit)

Rationaler Seelenteil Logistikon („überlegend“)

Epistemonikon („denkend“) Praxis (Handeln)

Poiêsis (Herstellen)

Episteme (Wissen)

Nous (Intuitive Vernunft) Tugenden Phronesis (Klugheit)

Sophia (Weisheit)

 Die anima v. hat keinen Anteil an der Vernunft  Die anima s. trägt in sich das Strebevermögen als Grundlage unserer Handlungen unter der Differenz von Gut und Böse  Steht mit der Vernunft in Beziehung in Form von Gehorsam und Ungehorsam  Bei einer sittlichen Handlung gehorcht der Wille der Vernunft, da die Vernunft unfehlbar ist und von sich aus immer das Gute für den Menschen will  Reines Denken steht nie unter der Differenz von Gut und Böse  Zwei Typen von Handlungen: a) Unter der Differenz von Gut und Böse b) Nicht unter der Differenz von Gut und Böse Glücksumstände  Der Mensch ist Körperwesen  Die für die Muße nötigen, körperlichen Voraussetzungen müssen erfüllt sein (Freunde, Familie, Gesundheit, finanzielle Sicherheit…)  Das Glück ist begleitet von Glücksgütern  Kann der Mensch auch nach Schicksalsschlägen noch glücklich sein?  Ja, die Glückstätigkeit ist beglückend in sich selbst, aber es wäre nicht der Idealfall  Der Mensch kann nie vollkommen glücklich sein, nur nach Menschenart mit Unterbrechungen, da er essen, schlafen,… muss Was ist das Glück wirklich? Die erste (und beste) Form des Glücks

 Liegt in einer theoretischen Tätigkeit, kein Zustand/Habitus, sonst könnte auch ein sein Leben lang Schlafender glücklich sein  Nach Aristoteles: 3 theoretische Wissenschaften: Physik, Mathematik, Metaphysik  Die Metaphysik ist die würdigste, da sie das würdigste Objekt hat = das Göttliche, den Unbewegten Beweger  „Gottesschau“, Kontemplation  Die Tätigkeit muss ungehindert sein (trifft nur auf den Nous , nicht auf die Episteme zu, die Tugend des Nous ist die Sophia )  Die Tätigkeit der Weisheit ist von größter Reinheit und Dauerhaftigkeit, man braucht für sie keine Umstände wie für andere Tugendtätigkeiten (Geld für Großzügigkeit, Freunde…)  Der Nous des Menschen ist göttlich, der Mensch muss versuchen, sich soweit er es vermag „unsterblich zu machen“  Er muss aber auch schön, tugendhaft, gebildet, gesund, vermögend sein und ein gutes soziales Umfeld (Freund, Familie) hebn, da Gleiches von Gleichem erkannt wird  Was einem Lebewesen von Natur aus gehört, das ist auch das Beste und Lustvollste für es Die zweitbeste Form des Glücks  Liegt in der Politik, mit Vernunft einhergehendes Handeln, Sittlichkeit  Betätigung der ethischen Tugenden ist an Voraussetzungen gebunden  Nicht zweckfrei, da es andere Menschen zur Muße freistellt  Praktisch, nicht theoretisch  In der Idealgestalt ist der Mensch Philosoph, in der zweitbesten Politiker (vgl. Platons Philosophenkönig)

Nikomachische Ethik – speziell  Name: Nikomachos hießen Aristoteles Vater und sein Sohn, der früh im Krieg fiel Buch I  All unsere Handlungen/Vollzüge (handwerkliche, theoretische, pure Entschlüsse) sind zielgerichtet auf ein Gut, nach dem wir streben  Ohne die Aussicht auf ein Gut würde niemand tätig werden  Die Ziele (= Güter) sind strukturell verschieden: 1.) Die Ziele sind selbst wiederum Tätigkeiten/Handlungen 2.) Die Ziele poietischer (handwerklicher) Tätigkeiten sind Produkte/Werke 3.) Die Ziele sind (abstrakte) Dinge: Ehre, Reichtum, Gesundheit…  Die Menschen haben nahezu unendlich viele unterschiedliche Ziele, die in einer „Zielarchitektur“ nach Teilzielen und Letztziel geordnet sind  Im Falle von Alternativen entscheidet das jeweils übergeordnete Ziel (Bsp.: Was tu ich, wenn ich Hunger habe, aber das Telefon läutet? Abwägen zwischen den übergeordneten Zielen)  Voraussetzung: ein Letztziel für den Menschen als Leib-Seele Einheit, das um seiner selbst willen erstrebt wird  Was ist das Letztziel? Einheitliche Antwort der Polis von Athen: (Lebens-) Glück = εὐδαιμονία (= selbst erzeugtes Glück) ↔ εὐτύσημα/εὐτςσία (= Zufallsglück)  Was ist das Lebensglück? Verschiedene Antworten in der Polis: 1.) Genuss und Lust, Reichtum, (Gesundheit) 2.) Ehre, Ansehen  Eigenschaften eines Letztzieles:

3.1) Das Verhältnis von Philosophie und Theologie  Grundfrage: Wie viel Philosophie verträgt das christliche Glaubenswissen?  Bis ins 13. Jhd. war die Philosophie nur „Hilfsmittel“  Für ThvA ist sie eine autonome Weltanschauung, die gleichwertig zur theologischen ist Aber: Es gibt keinen Widerspruch zwischen Philosophie und Theologie!  Der Mensch hat den Intellekt von Gott, er ist nicht korrumpiert und kann eigene Erkenntnisse erlangen  Die Philosophie muss wahre Erkenntnisse haben  Wenn sie sich nicht widersprechen, muss eine Synthese von Philosophie und Theologie möglich sein (mit theologischem Akzent), z. B. in der Ethik  Die menschliche Vernunft kann wahre Erkenntnis haben, aber sie reicht nie aus, da sie begrenzt ist, an diesen Grenzen übernimmt die Theologie die Führung  Theologie als Grundlage der Synthese

3.2) Philosophische Ethik als Teil einer theologischen Synthese  In der S. th. sind philosophische und theologische Tradition verbunden, die Struktur stammt von Aristoteles, der Inhalt ist theologisch aufgearbeitet

3.3) Die Ethik als wissenschaftliche Disziplin  Vier Methodenkapitel in der Nikomachischen Ethik Buch I, II 1.) NE I 1  Der Exaktheitsanspruch einer Disziplin hat sich am Objekt zu orientieren  Die Ethik argumentiert topisch, sie arbeitet mit wahrscheinlichen Sätzen (anerkannte Meinungen, endoxa ), nicht mit notwendigen, die dann dialektisch diskutiert werden  Es kommt immer auf die konkreten Umstände an  Objekt der Ethik sind die menschlichen Handlungen, diese unterliegen vielen Schwankungen, so dass man nur „umrisshaft“ über sie reden kann → Mesotes-Lehre 2.) NE I 2  Zwei Wege für den Aufbau ethischer Kompetenz a) Deduktiv (ausgehend von Prinzipen) b) Reduktiv (zurückführen auf Prinzipien)  Die Ethik muss mit beidem arbeiten, anfangen muss man mit dem „uns Bekannten“, also reduktiv, diffuse Vorstellungen von Glück und Gütern müssen auf ihren Ursprung zurückgeführt werden  Hat man das Prinzip durch Durchreflektieren gefunden, kann man aus ihm deduktiv seine Handlungen ableiten 3.) NE I 7  Untersuchung des Exaktheitsanspruches hinsichtlich des Erkenntnisinteresses  Oft genügt das „dass“, wir wollen nicht primär wissen, was Tugend ist, sondern wie wir sie erreichen können und was sie zur Erlangung der Glückseligkeit beitragen  Zu Handlungsprinzipien kann man praktisch durch Übung und Gewöhnung gelangen 4.) NE II 2  Mesotes-Lehre  Übung und Gewöhnung an Tugenden fällt schwer, hat man sie als Habitus fallen sie leicht  ThvA: Kommentar zur Nikomachischen Ethik

 Ethik ist eine durch die Vernunft betriebene Wissenschaft  Es gibt zwei Typen solcher Wissenschaften: 1.) Solche, die die Ordnung erkennen (z.B. Physik, Naturphilosophie) 2.) Solche, die das Erkennen der Ordnung verbessern/bewirken a) Logik: erkennt die Denkordnung b) Ethik: erkennt die Handlungsordnung  Ethik ist keine theoretische Wissenschaft, man will das Wissen, um es anzuwenden  Ethik gibt allgemeine Handlungsanweisungen, keine fallspezifischen  Ideal von Wissenschaft nach Aristoteles: strenge Notwendigkeit von Aussagen  Trifft nach Aristoteles und ThvA nicht auf die Ethik zu, sie ist keine strenge Wissenschaft

4) Grundbegriffe der thomanischen Ethik 4.1) Letztziel und Glück (S. th. I-II q. 1-5)  Q. 1-5: alle haben 8 Artikel  Der Erste Teil handelte von Gott und dem, was aus ihm hervorgegangen ist  ThvA zeigt weiter auf, dass auf Gott hin auch alles ausgerichtet ist (→ „Ziel“-Begriff im Folg.)  Klassisch neuplatonisches Schema von exitus und reditus

Proömium zu S. th. I-II (Anthrologisches Vorwort)  Der Mensch ist imago Dei , insofern er 1.) Vernunftbegabt ist 2.) Einen freien Willen hat ( arbitrium liberum ) 3.) Herr seiner Handlungen ist ( per se potestativum )

Q.1 – De ultimo fine hominis („Über das Letztziel des Menschen“)  Der Mensch verwirklicht sich im Handeln (= Umsetzen seiner Dispositionen)  Es gibt: 1.) Menschliche Handlungen ( actus humani ) = spezifisch menschliche Handlungen, bei denen der Mensch Herr seiner Handlung ist, vernunftgeleitet und zielorientiert (nur solche Handlungen sind moralisch qualifizierbar) 2.) Handlungen des Menschen ( actus hominis ) = unvernünftige, z. T. unbewusste Handlungen, die der Mensch mit dem Tier gemeinsam hat (sind moralisch indifferent)  Der Mensch ist in seinen Handlungen auf ein Ziel hin geordnet, das ein Gut für ihn ist  Das ist allgemein kreatürlich, nicht nur beim Menschen, da jedem Lebewesen eine eigene Entelechie innewohnt (vgl. Aristoteles)  Unterschied Mensch/Tier: Der Mensch kann sich selbst auf ein Ziel ausrichten und sich entscheiden, Tiere sind von Natur aus ausgerichtet auf ihr Ziel  Von Natur aus ist der Mensch auf Gott hin ausgerichtet (vgl. Neuplatonismus), aber er kann sich auch dagegen entscheiden und so sein Lebensziel verfehlen (bewusst oder aus Irrtum)  Die Einzelziele sind in einer „Zielarchitektur“ geordnet mit dem Letztziel an der Spitze  Hinsichtlich ihres Strebens nach einem Letztziel stimmen die Menschen überein (nach Glück), worin genau es besteht, darüber sind sie uneinig (vgl. Aristoteles)  Um seine Handlungen auf das Letztziel auszurichten, muss man es aber kennen, entweder durch Nachdenken oder indem man es gesagt bekommt  Engel sind ähnlich wie Menschen, aber körperlos

 Kontemplation hat Konsequenzen für die eigene Sittlichkeit, wer das Gute erkannt hat, richtet auch seine Handlungen danach aus

Q.5 – De adeptione beatitudinis („Das Erlangen des Glücks“)  Der Mensch kann das Glück erreichen, da er es durch den Intellekt aufnehmen und mit dem Willen begehren kann  Im irdischen Leben aber kann der Mensch nur unvollkommen im Sinne einer Teilhabe am vollkommenen Glück glücklich werden  Das unvollkommene Glück kann durch äußere Umstände eingebüßt werden, das vollkommene nicht  Im unvollkommenen Glück kann ein Mensch glücklicher sein als der andere, im vollkommenen nicht  Der Mensch trägt die Anlagen zum Glück in seiner Natur (Intellekt und Wille), so dass er sich auf Gott ausrichten kann, der ihn vollkommen glücklich machen kann  Damit Gott dem Menschen das Glück schenkt, bedarf es des rechten Willens und entsprechender Tätigkeiten (art. 7)  Das Glück kommt naturaliter nur Gott zu (art. 7)  Alle Menschen verlangen nach Glück, da es „den Willen sättigt“, allerdings sind sie sich nicht immer sicher, worin das Glück besteht und streben so oft nach falschen Gütern Zu art. 7  Rein theoretisch bedarf es zum Glück keiner guten Taten, wenn der Wille auf das Glück gerichtet ist, aber das reicht nur bei Gott aus  In guten Handlungen (= merita ) zeigt sich das Streben des Menschen, sie erhalten zugleich die Willensausrichtung auf das Glück

Glück und die Rolle der Metaphysik  Das Glück des Menschen liegt in der Betrachtung Gottes, da  Objekt ist anwesend  Vornehmste Tätigkeit, da intellectus-Tätigkeit  Vornehmster Gegenstand als Betrachtungsobjekt  Die Metaphysik ist eine spekulative Wissenschaft, liegt das Glück in ihr?  ThvA: Nein, zumindest nicht das vollkommene Glück  Die Metaphysik ist begrenzt, defizitär, da ihre Erkenntnis immer mit der Sinneswahrnehmung beginnt (vgl. Aristoteles)  Sie kann Gott nur in Kategorien der Sinneswahrnehmung denken  Nur Mitglieder der artes-Fakultät (Philosophen) könnten dann glücklich werden, da sie die richtigen Methoden haben, spricht gegen Heilsuniversalismus  Das Glück muss allen Menschen unabhängig vom Bildungsstand möglich sein  ThvA zeigt somit bereits im 13. Jhd. die Grenzen der Metaphysik auf, aber er hält sie noch für möglich ↔ Kant  Mit der Metaphysik kann man unvollkommen glücklich werden, vollkommenes Glück gibt es erst nach dem Tod, da erst dann Gott erkannt werden kann  Nötiges Beiwerk  Die contemplatio ist immer begleitet von Freude/Genuss = fruitio (vgl. Augustinus)

 Die vornehmste Tätigkeit des Göttlichen liegt in der Selbsterkenntnis, in der contemplatio übt der Mensch eine göttliche Tätigkeit aus

4.2) Die Elemente der sittlichen Handlung (S. th. I-II q. 6-17)  Ethik behandelt alle Formen von Handlungen, die unter der Differenz von Gut und Böse stehen, äußere und innere  Wie müssen die Handlungen des Menschen aussehen, die zum Glück führen, welche Mittel sind erlaubt?  Der Mensch wird nur glücklich, wenn er dauerhaft tätig ist  Dauerhafte Tätigkeiten sind Tugenden = verfestigte, automatisierte, habituelle Tätigkeiten  ThvA = Aristoteles: Tugendethik, keine Pflichtenethik wie bei Kant  Tugenden stehen im Mittelpunkt als Weg zum Glück  Q. 1-5 haben äußere Begebenheiten der Handlung behandelt, die Anthropologie  Thema der Ethik: a) Allgemeine Ethik: Grundfragen menschlichen Handelns in Bezug auf Sittlichkeit b) Spezielle Ethik: Fragen nach speziellen Themen wie Selbsttötung, Krieg, Sterben…

Zu q. 6 – De voluntario et involuntario („Das Freiwillige und das Unfreiwillige“)  Der Mensch erreicht sein Glück durch menschliche Handlungen, die willentlich (= freiwillig) sind  Art. 1: Freiwillig handelt das, was das Prinzip seiner Bewegung in sich trägt und das Ziel seiner Tätigkeit (vollkommen) erkennt (Tiere erkennen das Ziel nur unvollkommen, da unreflektiert)  Art. 3: Freiwilliges ohne Akt?  Drei Arten des Wollens 1.) Velle (innerer und äußerer Akt, ich will eine Handlung und tue sie auch) 2.) Nolle (innerer Akt ohne äußeren Akt, ich will eine Handlung nicht und tue sie nicht) 3.) Non velle (ohne inneren und äußeren Akt, wenn ich nicht einmal will, dass überhaupt gehandelt wird, absolutes Nichtwollen)  Das non velle ist nur in absoluten Grenzsituationen menschenmöglich (z.B. Todesnähe), wenn es erkannt wird, ist es nicht mehr möglich  Im non velle zeigt sich im MA die Autonomie des Willens, eine Erkenntnishandlung kann nie frei sein  Das non velle ist kein paradiesischer Zustand, im Paradies hat man die Wahl zwischen Gut und Böse, tut aber von sich aus nur das Gute  Die ratio ist determinierter als die voluntas , worauf soll sich die Ethik richten? Nach Kant und Duns Scotus auf die voluntas

voluntas und ratio sind immer objektbezogen, erst, wenn das Objekt da ist, setzt der Prozess von velle (Objekt = bonum ) und intelligere (Objekt = verum ) ein  In dieser Objektbezogenheit kann der Mensch nicht irren  Vor der Erkenntnis kann sich der Mensch nicht verschließen, da seine Sinneswahrnehmung, mit der die Erkenntnis beginnt, passiv ist

Zu q. 7 – De circumstantiis humanorum actuum („Die Umstände der menschlichen Handlungen“)  Handlungsumstände sind Akzidenzien der menschlichen Handlungen

 Analoge Begriffe werden unter verschiedenen Hinsichten betrachtet, es gibt Gemeinsamkeiten unter ihnen, aber auch Differenzen, die meist überwiegen  Deshalb kann es nach ThvA auch keine platonische „Idee des Guten“ geben, da die Differenzen beim Gebrauch von „gut“ so groß sind  Das absolut Gute für ThvA ist aber Gott, da er vollkommen, vollendet… ist  Der Wille ist bei innerer und äußerer Handlung beteiligt  Drei Möglichkeiten: 1.) Wille will weder innere noch äußere Handlung: Nichtwollen schlechthin 2.) Wille will innere Handlung, aber es kommt zu keiner äußeren Handlung 3.) Es gibt eine innere und eine äußere Handlung  Idealfall: äußere Handlung entspricht vollkommen der inneren, der Zweck der inneren Handlung wird erreicht  Der Mensch muss seine inneren Handlungen verleiblichen, er braucht einen Träger  Wann nennen wir eine Handlung sittlich gut/schlecht? 1.) In der Regel gibt bereits die äußere Handlung einen Hinweis auf Sittlichkeit 2.) Einbezug der Handlungsumstände als Indikatoren für Sittlichkeit 3.) Einbezug des Handlungsziels/Zwecks  Bis ins 12. Jhd. wurde nur auf den äußeren Effekt einer Handlung geschaut, danach auch und vor allem auf die Intention

Zu q. 18 – „Gute und schlechte Handlungen im Allgemeinen“  Gibt es Gutes und Schlechtes auch im außermoralischen Sinn?  Ontologisches Argument : ja, etwas ist dann „gut“, wenn alle seine Elemente vorhanden sind (z.B. alle Glieder bei einem Menschen), das ist die „Seinsfülle“, sonst ist es schlecht  Man muss die notwendigen Handlungselemente alle kennen  In Bezug auf was ist eine Handlung gut oder schlecht? 1.) Auf Grund ihres Objektes  Ja  Ist das Objekt der Handlung schlecht, ist die Handlung selbst von vornherein schlecht a) Objekt der äußeren Handlung: die Tat selbst b) Objekt der inneren Handlung: Zweck der Handlung 2.) Auf Grund ihrer Umstände  Umstände sind Akzidenzien der Handlung, sie haben verstärkenden Charakter, ändern aber nicht die Art der Handlung von schlecht zu gut und umgekehrt  Ist das Objekt schlecht, ist auch die Handlung schlecht, unabhängig von den Umständen  Akzidenzien haben nur dann Einfluss auf den moralischen Wert, wenn sie dem Handelnden bekannt und bewusst sind 3.) Auf Grund ihres Zieles  Auch das Ziel ist ein Element einer menschlichen Handlung und entscheidet mit  Jemand, der lügt, um zu stehlen, ist sittlich gesehen mehr ein Dieb, die Lüge ist nur eines von vielen möglichen wählbaren Mitteln  Vier notwendige Elemente, die jeweils einen anderen Aspekt von Gutsein ausdrücken 1.) actus humanus (generisches Gutsein, Handlung muss vernünftig sein) 2.) angemessenes Objekt (spezifisches Gutsein)

3.) besondere Umstände (akzidentelles Gutsein) 4.) Ziel (finales Gutsein)  Sittlich indifferent der Art nach sind nur actus hominis , da sie nicht vernunftbestimmt sind, individuell können sie aber durch die konkreten Umstände gut oder schlecht sein (Bsp: Musizieren ist indifferent der Art nach, spiele ich aber mitten in der Nacht und laut, ist das Ruhestörung und sittlich schlecht)  Individualisierung erhält eine Handlung durch ihre Umstände

Zu q. 19 – „Über das Gut- oder Schlechtsein des inneren Willensaktes“  Ein guter Wille ist der, der das Vernünftige will, das die Vernunft ihm vorstellt  Die Gutheit des Willens ist ausschließlich von diesem seinen Objekt (= Zweck) abhängig  Ist dann die Sittlichkeit der inneren Handlung abhängig von Wille oder von Vernunft?  Beides, die Vernunft muss den Zweck dem Willen vorstellen, der Wille muss dann gehorchen und die Vorstellung umsetzen  Auch, wenn die Vernunft (das Gewissen) möglicherweise irrt, muss der Wille ihr gehorchen  Beginn der Lehre von Gewissensfreiheit und Würde des Menschen  Das „irrende Gewissen“ entschuldigt nicht zwangsläufig!  Unwissenheit schützt vor moralischer Schuld, aber nur, wenn Nichtwissen nicht schuldhaft ist  Es ist eine sittliche Pflicht, alles wissen zu wollen, was man bez. einer Handlung wissen sollte  Das Maß des menschlichen Willens ist der göttliche, der menschliche Wille muss sich also dem göttlichen angleichen, um gut zu sein  Es ist möglich, dass etwas in einem umfassenden Sinn gut ist, in partikularem Sinn aber nicht  Gott aber will das umfassende Gute für die gesamte Welt, daher muss der Mensch manchmal seine eingeschränkten partikularen Ziele zurückstellen  Bsp.: Ein Richter will zum Gemeinwohl einen Mörder verurteilen (hinrichten), die Ehefrau des Täters versucht, dies zu verhindern, um ihre Ehe zu erhalten

Zu q. 20 – „Das Gut- oder Schlechtsein der äußeren Handlungsakte“  Das Gut- oder Schlechtsein kann sowohl ursprünglicher im Willen als auch in der äußeren Handlung sein  Der Intention nach ist der Zweck zuerst, der Realisierung nach aber die äußere Handlung (das Mittel zum Zweck)  Es kann sein, dass Zweck und äußere Handlung auseinandergehen (wenn ich Almosen gebe, um anerkannt zu sein, ist die äußere Handlung gut, der Zweck aber schlecht)  An sich betrachtet können Mittel und Zweck verschieden sein, moralisch betrachtet aber nicht, insofern sie auf ein gutes Ziel gerichtet sind (Bsp.: bittere Medizin für Gesundheit)  Eine gewollte gute oder schlechte Handlung wird endgültig erst durch ihre Ausführung (Objekt, richtige Wahl der Umstände, erfolgreiches Erreichen des Ziels) gut oder schlecht  Vorhergesehene Folgen und solche, die sich der Natur der Handlung nach in den meisten Fällen ergeben, haben einen Einfluss auf die Sittlichkeit der Handlung, zufällige, unvorhersehbare hingegen nicht  Eine nicht vorhersehbare schlechte Folge macht eine gute Handlung nicht schlecht und umgekehrt eine noch so gute Folge eine schlechte Handlung nicht gut  Ein und dieselbe äußere Handlung nicht gleichzeitig, aber in aufeinanderfolgenden Phasen innerhalb der Handlung gut und schlecht sein (Bsp.: Jemand läuft, um einen Ertrinkenden zu

 Origenes schreibt vom Gewissen als syneidos mit Sitz in der Seele, es ist der Geist, der den Menschen lenkt  Hieronymus rezipiert Origenes, bezieht sich in seinem Ezechiel-Kommentar auf ihn und schreibt von syneídesis als lat.: scintilla conscientiae („Gewissensfunke“), der dem Menschen innewohnt und nicht ausgelöscht werden kann  MA: Abschreibfehler von Hieronymus: syneídesis wird zu syndéresis  Zwei Gewissensbegriffe im MA 1.) syndéresis  „Urgewissen“, von Natur aus eigen, nicht verlierbar  Vermittelt den ursprünglichen Satz: „bonum est faciendum et malum vitandum“  Satz zu allgemein zum Alltagsgebrauch 2.) conscientia  Bezogen auf konkrete Situation  Ist dictatum rationis  Zusammenhang: nach Art eines aristotelischen Syllogismus aus den zwei Prämissen von syndéresis und konkreten Gegebenheiten, Schlussfolgerung durch conscientia  Gewissen ist bei ThvA kein Gefühl wie bei Rousseau und den ringelschen Moralisten, sondern eine urteilgebende Instanz  Diese Position ist nicht speziell theologisch, bei Kant ist das Gewissen eine Gerichtssituation  „Metaphysik der Sitten“  Das Gewissen ist innerlich, nicht äußerlich, kein Beleg für die Existenz Gottes, Gott ist nur eine Deutung des Gewissens neben vielen anderen  Das Gewissen muss gebildet/kultiviert werden, sonst sittliches Fehlverhalten  Karl Jaspers (1883-1969) führt Kant fort  Gewissen ist „Existenzerhellung“  Im Gewissen spreche ich zu mir, das sprechende Gewissen ist das fordernde, wenn ich von meiner Bestimmung abfalle, das ideale Ich meldet sich, wenn ich mich verliere  Das sprechende Gewissen ist die Kommunikation zwischen dem Ich, das ich sein soll (ideales Ich) und dem Ich, das ich in einer bestimmten Situation bin (empirisches Ich)  Gewissen nötigt zur Entscheidung, was von beiden ich sein will  Es ist Selbstkommunikation, nicht Stimme Gottes, es zeigt, dass der Mensch für sich selbst verantwortlich ist  12. Jhd.: Erkenntnisoptimismus, über der Vernunft gebe es noch ein anderes Vermögen, das Gott erkennen könne  Dagegen: „Ockhams Rasiermesser“:  Wilhelm von Ockham (1285-1347)  „Entitäten dürfen nicht über das Notwendige hinaus vermehrt werden.“ (Wiedergabe nach Johannes Clauberg)  Bei mehreren Erklärungen für dasselbe Phänomen ist die einfachste zu wählen

Thomas´ Speziallehre: Das irrende Gewissen  S. th. q. 19 art. 5-6 und 10  Sonderlehre vom irrenden Gewissen ist die äußerste Konsequenz der Bewertung der Rationalität über dem Willen  Die Vernunft vertut sich bei der Feststellung des Guten

 Wenn die Vernunft sich ungenügend orientiert/informiert hat, ist die Handlung unsittlich, wenn doch, ist die Tat nicht zu verurteilen, da „nach bestem Wissen und Gewissen“ gehandelt wurde (vgl. q. 19 art. 6)  Die Gewissensbildung ist zentrale Voraussetzung  q. 19 art. 5: „Verpflichtet eine irrende Vernunft (ein irrendes Gewissen)?“  Was, wenn die Vernunft etwas befiehlt, das gegen das göttliche Gesetz ist?  Dann irrt nicht die ganze menschliche Vernunft, ein Teil von ihr erkennt ja den Irrtum  q. 19 art. 10: „Soll der menschliche Wille mit dem göttlichen Willen übereinstimmen?“  Bsp. vom angeklagten Mörder und seiner Ehefrau  Das allgemeine Gut steht über dem individuellen  Der göttliche Wille ist die äußerste Form der Ordnung/des Guten  Das Gut des Einzelnen soll in hohem Maße mit dem der Allgemeinheit übereinstimmen  Dabei hat die größere Gemeinschaft Vorrang

Konsequenzen für den Handelnden (vgl. q. 21)  Die sittliche Qualität einer Handlung ist vor allem bemessen nach dem Ziel der inneren Handlung, an der äußeren Handlung allein ist die Sittlichkeit nicht erkennbar  Eine Handlung darf nicht nach dem Augenschein bewertet werden (vgl. q. 20)  Die äußere Handlung ist kein „Beiwerk“ zur inneren Handlung, sondern verstärkt diese  Erfolgt keine äußere Handlung, ist das eine Unterlassung und evtl. sittlich schlecht  Was man innerlich will, muss man äußerlich (da man Körperwesen ist) auch vollziehen  Die äußere Handlung bringt die innere zum Abschluss  Hans Jonas (1903-1993): „ökologischer Imperativ“ in Anlehnung an Kants kategorischen  „Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ (aus: „Das Prinzip Verantwortung - Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation.“ Von 1979, Hauptwerk Jonas´)  Folgen im Blick bei seiner Ethik  Auch bei ThvA sind die Folgen wichtig, aber nicht der entscheidende Faktor q. 21 art. 3: „Wann kommen einer menschlichen Handlung Verdienst oder Strafe zu?“  Drei Arten von Urteilsklassen: 1.) Verdienstvoll/strafwürdig  Juridische Position unter dem Aspekt der Gerechtigkeit  Auf Gesellschaft bezogen 2.) Recht/sündhaft  Auf Handeln vor Gott bezogen (nach Kant: vor dem inneren Gesetzgeber) 3.) Rühmenswert/verachtenswert  Nicht jede verdienstvolle Handlung ist eine rechte und umgekehrt  Aber jede rechte Handlung ist rühmenswert (2 und 3 hängen eng zusammen)  Kant: Prinzipien von Moralität und Legalität können zusammenfallen, müssen aber nicht  Eine Handlung kann immer im sozialen und im religiösen Kontext gesehen werden  Die Sittlichkeit der Handlung aber hängt von Gott ab, da er die höchste Einsicht hat

4.4) Gefühl und Sittlichkeit (S. th. I-II q. 22-25)

Gefühle in der Antike