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1. Mehrperspektivität und Distanzierung
Professionalität zeigt sich in skeptischer
Souveränität bei Beurteilung und Nutzung von
heterogenen Konzepten und Entwürfen.
2. Kontextgebundenheit und Alternativität
Professionelles pädagogisches Handeln setzt
voraus, dass man in der Lage ist, Bedeutung und
Stellenwert wissenschaftlicher Theoriebildungen
zu reflektieren und in ihrer Relativität zu
bestimmen.
3. Metakommunikation und Transparenz
Notwendig ist eine Aufklärung zweiter Ordnung,
die neben der Vermittlung von Inhalten
systematisch auch über die Prozesse ihres
Zustandekommens informiert.
Verhältnis von Theorie und Praxis (Beispiel: Schultheorie) Theorie = konsistentes wissenschaftliches Aussagesystem (widerspruchsfrei + gültig) Praxis = konkretes situatives Handeln (nicht vorhersehbares Verhalten) — Verhältnis von Theorie und Praxis ungeklärt Schultheorie (Fokus):
- Verhältnis von Schule und Gesellschaft (Funktion von Schule)
- Binnenstrukturen der Schule (Effektivität von Schule)
- Schulentwicklung (pädagogisch und institutionell) Schultheorie (kritisch):
- nicht immer harmonische Beziehung zwischen Familie und Gesellschaft (Schule als „Bindeglied“)
- Kritische Aspekte (Schule gilt als „verkopft“)
- zentrale, frühe Kritik (Schule hinke Gesellschaft hinterher = Modernitätsrückstand), gesellschaftliche Hierarchien, „heimlichen Lehrplan“ „Neue Theorie der Schule“ (Helmut Fend) Lehrerinnen -und Lehrerbildungsanstalt an der Uni
- Unter Druck fallen viele L & L in vertraute Deutungs- und Handlungsmuster
zurück
- Profession = Beruf, der durch Risiken & Ungewissheit
in der Ausübung charakterisiert ist
- Professionalität = Zustand zu verstehen, der für Qualität
der Ausübung/Erfüllung der professionellen
Berufsaufgaben hinreichend ist
- päd. Professionelle haben niemals
Erfolgssicherheit mit Blick auf ihr Handeln
„Fachlichkeit“ gekennzeichnet durch reflektiertes, eingesehenes und verstandenes
Fachwissen
—> Fachlichkeit = Art Meta-Verständnis der Struktur, des Faches und seiner
Wissensbestände
Der Lehrerberuf ist eine Profession, weil Handeln unter Ungewissheit erforderlich ist
Mehrperspektivische Betrachtung von Unterricht
1. Schulisches Handlungsfeld ist mehrdeutig
— kein einfacher Übergang von Theorie in Praxis
— Ungewissheit als konstitutives Merkmal (unklar, welche Reaktion Handeln auslöst)
— Mehrere/konkurrierende Logiken (verschiedene, von mehreren Dingen abhängigen
Deutungen)
— Vielfalt an Zugängen (theoretisch, empirisch, usw.)
2. Konsequenz für (universitäre) Lehrerbildung
— berufliches Feld mehrdeutig
— Aufgaben nicht bzw. nur begrenzt instrumentell/technisch beherrscht
— Hintergründe unterschiedlicher Perspektiven auf Handlungsfeld zu kennen und ins
Verhältnis zu setzen
3. Perspektiven
3.1. fachwissenschaftlich (Fachwissen, Performanz,...)
3.2. fachdidaktisch (fachdidaktische Erkenntnisse, Lern-Lern-Arrangements,...)
3.3. bildungswissenschaftlich (Classroom-Management, Unterrichtsklima,...)
3.4. schulpraktisch (Rahmung, Unterricht,...)
Theorie & PraxisTheorie & Praxis
Personale Merkmale von LehrpersonenPersonale Merkmale von Lehrpersonen Personale Merkmale - Allgemein
- personengebundene Merkmale = an Lehrperson gebundene Eigenschaften, die diese bereits zu Beginn des Lehramtsstudiums aufweisen
- abzugrenzen von Prozessmerkmalen der individuellen professionellen Entwicklung (=Aneignungen während des Studiums)
- stellen die Ausgangslage für Entwicklung von Prozessmerkmalen (z.B. Professionswissen) dar Personengebundene Merkmale als individuelle Eingangsvoraussetzungen:
Grundlegende Annahmen & Bedingungen
- Kompetenzentwicklung nicht alleine von Qualität der Studien-
und Lernangeboten abhängig, sondern auch durch individuelle
Voraussetzungen der Studierenden
- „Getting the brightest and making them best“
(um gute & professionelle Lehrer hervorzubringen und zu halten)
- Auswahlkriterien müssen valide & hinreichend sein
(Abiturnote bspw nicht ausreichend/aussagekräftig)
- Passung von Ausgangslage (Vorbildung, Talent, Interessen,...)
Personale Merkmale
1) Herkunftsmerkmale (soz. Herkunft/Berufsvererbung)
- GyL schon immer akademischer Beruf
- Angleichung höheres/niederes Lehramt
- noch immer Differenzen (PH/Uni)
- Anwerbung Studierende mit Migrationshintergrund
- Studierende berufliche Schule/Sonderschule = Aufsteiger (kein Elternteil Akademiker)
- Sek.I = mittlere soziale Herkunft (1 Elternteil Akademiker)
- Sek.II = höchste Herkunft (beide Eltern Akademiker)
- hohe Berufsvererbung (ca. 24%), nur bei den Medizinern höhere Quote
2) Persönlichkeitsmerkmale- Allgemein
- Reaktion von Situationen in Abhängigkeit von Persönlichkeitseigenschaften
- biographisch stabil (nicht veränderbar)
- „ Big Five “ (Fünf-Faktoren-Modell) = 5 große Dimensionen der Persönlichkeit
(nicht LA-spezifisch)
* Neurotizismus (Ängstlichkeit, usw.)
* Extraversion (Herzlichkeit, usw.)
* Offenheit für Erfahrungen (Fantasie, usw.)
* Verträglichkeit (Vertrauen, usw.)
* Gewissenhaftigkeit (Ordentlichkeit, usw.)
- hohe Werte von Extraversion/Gewissenhaftigkeit + geringe Werte von Neurotizismus
prognostizieren Leistungsorientierung, Berufszufriedenheit, Selbstwirksamkeit, geringe
Leistungsangst, ...
Persönlichkeitsmerkmale - Interessen = Hinwendung zu emotional positiv besetzten Inhalten/Tätigkeiten, einhergehend mit Zufriedenheit
- Sechs Orientierungen : praktisch-technisch, intellektuell-forschend, künstlerisch-sprachlich, sozial, unternehmerisch, ordnend-verwaltend
- insgesamt starke soziale Orientierung
- wenig Praxis (außer Naturwissenschaften/Sport)
- Menschen suchen sich berufliche Umwelt, in der sie ihre Interessen optimal entfalten können 3) Leistungsmerkmale - Leistung kann beruflichen Erfolg prognostizieren - Abiturnote gymnasiales Lehramt: Durchschnitt 2,25 (keine Auffälligkeit im Vergleich zu anderen Studierenden und auch bezüglich anderen Leistungsmerkmalen) - Studierende nicht-gymnasialer Lehrämter: Durchschnitt 2.62 + Negativselektion im Fächervergleich - insgesamt nur partielle Negativselektion (z.B. schlechtere Abiturnoten in Ingenieurwissenschaft und Forstwissenschaft) 4) Selbstwirksamkeit = subjektive Gewissheit, neue oder schwierige Anforderungssituationen aufgrund eigener Kompetenz bewältigen zu können (veränderlich!)
- Überzeugungen können mentale Prozesse & Aktionen steuern
- Hohe Selbstwirksamkeit prädiziert bspw produktive Aufnahme von Herausforderungen, Setzen anspruchsvoller Ziele, Motivation, Ausdauer, effektives Zeitmanagement, Flexibilität, hohes Leistungsniveau, psychische Gesundheit,...
- Hohe Lehrer-Selbstwirksamkeit beeinflusst Schüler-Selbstwirksamkeit positiv
- Aufbau von Selbstwirksamkeit (absteigend) = Erfolgserfahrung/Vermeidung von (chronischem) Misserfolg, Orientierung an Verhaltensmodellen, sprachliche Überzeugungen, Wahrnehmung eigener Gefühle 5) Beanspruchungserleben
6) Berufswahlmotivation
- Charakteristika legen intrinsische Berufswahl nahe
(„Privilegien“, Bezahlung,...)
- Forschung zur Berufswahlmotivation mittels „Fit-
Choice-Modell“ (Relevant ist Zusammenspiel mehrerer
Faktoren)
- Befunde =^ Hauptmotiv^ ist Freude/Interesse an
Zusammenarbeit mit Kindern/Jugendlichen
- Pädagogische Vorerfahrungen (40% der LA-
Studierenden erteilen Nachhilfeunterricht, um bspw
Sicherheit bei Berufswahl zu gewinnen oder
Erfahrungen zu sammeln)
Zusammenfassung/Bemerkung
- Lehrerberuf weist zahlreiche Rahmenbedingungen & Charakteristika auf
(geben gewissen Alleinstellungsmerkmal) —> kein „typischer“ Lehrer
- insgesamt keine systematische Positiv-oder Negativselektion (auch wenn
bestimmte Merkmale Auffälligkeiten im Vgl zu Studierenden anderer
Studiengänge aufweisen)
- Berufswahlmotiv zuvorerst intrinsisch-pädagogischer Art
- Beanspruchung hoch, aber nicht signifikant höher als in anderen
sozialen Berufen
Didaktik 1) Begriffliches: Unterricht und Didaktik I) Was ist Unterricht?
- langfristig organisierte Abfolge von Lehr-und Lernsituationen
- von ausgebildeten Lehrpersonen
- absichtsvoll geplant und initiiert
- Aufbau von Wissen sowie dem Erwerb von Fertigkeiten und Fähigkeiten
- dafür vorgesehene Institutionen unter regelhaften Bedingungen —> Diskrepanz: Unterforderung - Überforderung II) Was ist Didaktik? Alternative Perspektiven A. Didaktik als
- Kunst des Lehrens (traditionell)
- Wissenschaft vom Lehren und Lernen B. Die Didaktik kümmert sich um die Frage:
- „wer was von wem, wann, mit wem, wo, wie, womit und wozu lernen soll“ C. Damit fokussiert Didaktik „überfachliche“ Themen, wie z.B.
- Leistungsbewertung
- Unterrichtsplanung, Unterrichtsgestaltung, Unterrichtsauswertung
- überfachliche Unterrichtskonzepte
- Fragen der Aufgabenkultur (Unterforderung - Überforderung) D. Sowie bildungstheoretische Perspektiven, wie z.B.
- Legitimation von bestimmten Inhalten des Unterrichts
- Zusammenhang von Zielen, Inhalten, Methoden Didaktik als Planungsangebot: Unterrichtsplanung
- Planung, Analyse, Durchführung, Auswertung und Reflexion von Unterricht als zentrale Aufgabe von Lehrerinnen & Lehrern —> wie kommt eine Lehrperson angesichts unendlicher Möglichkeiten, Unterricht zu gestalten, zur Planung einer konkreten Stunde? **Didaktik & „Didaktisches Dreieck“ = Grundfigur des didaktischen Handelns
- Didaktische Modelle I) Bildungstheoretische Didaktik (Bsp: Wolfgang Klafki)** a. Zentral
- Didaktisches Handeln ist normativ —> Didaktik als Wissenschaft einen Bildungsbegriff b. Argumentationsstruktur
- wissenschaftstheoretische Einordnung
- Rekonstruktion des Bildungsbegriffs
- Didaktische Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung
- Formale & Materiale Bildung
- Klafkis Versuch einer Synthese: Kategoriale Bildung
- Kritisch-konstruktive Didaktik (= Perspektivenschema)
- Schlüsselprobleme & Problemorientierter Unterricht **II) Entwicklung der bildungstheoretischen Didaktik von W. Klafki III) Kritisch-konstruktive Didaktik - Perspektivenschema d. Unterrichtsplanung
- Klafkis Perspektivenschema (Videobeispiel) a. Anreicherung der Analyse durch eine „Didaktische Brille“**
- wie lässt sich die Analyse im Durchgang schärfen, wenn exemplarisch Klafkis Perspektivenschema herangezogen wird? I) Gegenwartsbedeutung —> Rollen einnehmen, in Gefühlswelt eintauchen, für Rechte kämpfen, Aufstände, Demonstrationen, Gerechtigkeit (auch Vgl. zu unserem Lebensstandard) II) Zukunftsbedeutung^ —> siehe I) III) Exemplarische Bedeutung —> siehe II) IV) Thematische Struktur V) Erweisbarkeit und Überprüfbarkeit —> Lehrerin fragt & beobachtet Schüler (erkennt Verständnis an Reaktionen) VI) Zugänglichkeit bzw. Darstellbarkeit —> bildliche/theadralische Darstellung, Plakate, Requisiten, Zugänglichkeit durch Involvierung VII) Lehr-Lern-Prozessstruktur —> durch kurzen Ausschnitt nicht bewertbar
Didaktische Analyse (1963)
- ursprünglich fünf Fragen:
I) Gegenwartsbedeutung
II) Zukunftsbedeutung
III) Exemplarische Bedeutung
IV) Thematische Struktur
V) Zugänglichkeit
Didaktik
& -^ μ^ erμ^ >•^ •^ G- N
HeterogenitätHeterogenität
1. Klärung von Begriffen = Erscheinungsformen von Heterogenität a. Soziale Benachteiligung
➸ Ökonomisches Kapital = beispielsweise Einkommen der Eltern (=finanzielle Ressourcen)
➸ Kulturelles Kapital = beispielsweise Schul- und Berufsabschlüsse der Eltern
➸ Soziales Kapital = beispielsweise Verfügbarkeit sozialer Unterstützungssysteme
⇨ Soziale Benachteiligung resultiert aus einem (systematischen) Mangel der mit den drei
Kapitalsorten einhergehenden Ressourcen.
⇨ Soziale Benachteiligung ist für viele Merkmale von Heterogenität in Lerngruppen ein
Ausgangspunkt. b. Begriff „Heterogenität“ (griechisch „heteros“ = der Andere) Normative Zuschreibungen an Heterogenität
- Verschiedenheit (anerkennen, wertschätzen und favorisieren)
- Veränderlichkeit (Entwicklung ermöglichen und unterstellen)
- Unbestimmtheit (Heterogenität ist unvorhersehbar) Umgang mit Heterogenität ≉ innere Differenzierung
➸ Heterogenität ist weiter als Differenzierungsbegriff der 1970er Jahre
➸ u.a. weil er in weitaus höherem Maße Normen, Werte, Einstellungen, Menschenbilder
sowie Konzepte mit einbezieht, die über den Unterricht hinausgehen
➸ man geht auf Interessen,… der SchülerInnen genauer ein
Was impliziert die gegebene Herterogenität von Lerngruppen?
➸ Absicht, diese zu homogenisieren?
➸ Absicht, Heterogenität produktiv zu nutzen?
Heterogene Lerngruppen SchülerInnen (und Lehrkräfte) unterscheiden sich… ▸ hinsichtlich kognitiver Voraussetzungen ▸ hinsichtlich sprachlicher Voraussetzungen ▸ hinsichtlich sozialer Voraussetzungen ▸ hinsichtlich Interessen, Bedürfnisse, Neigungen ▸ hinsichtlich Einstellungen, Haltungen, Überzeugungen ▸ hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Leistungsmotivation ▸ hinsichtlich Geschlecht ▸ hinsichtlich Alter ▸ hinsichtlich Kultur, Herkunft, Tradition, Werte und Normen ▸ hinsichtlich Physis, Belastbarkeit und Gesundheit,… Haltung gegenüber Heterogenität „Es gibt nichts Ungerechteres als die gleiche Behandlung von Ungleichem“ ➸ im 19. Jhd. reagierte Schulsystem durch angeblich passgenaue Schulformen auf die Heterogenität der Schülerschaft ➸ seit ca 1820 gibt es das Jahrgangsprinzip —> Homogenität sollte durch Kriterien „Alter“ und „Leistung“ hergestellt werden Perspektive der Lehrkräfte ➸ Homogenisierungsdenken bei Lehrkräften (Heterogenität wird trotz Vorselektion als Berufserschwernis wahrgenommen) ➸ Unterschied zwischen Können (Fähigkeiten) und Wollen (Einstellungen) im Blick auf den Umgang mit Heterogenität
2. Reaktionen auf Heterogenität durch äußere Differenzierung PISA 2000: Lesekompetenz nach Bildungsgang Äußere Differenzierung - eine Definition = bezeichnet die Ordnung von Heterogenität im Sinne übergreifender organisatorischer Art auf dem Hintergrund bildungspolitischer Vorgaben, wie z.B. Schularten und Jahrgangsklassen. Damit ist auch verbunden „Sitzenbleiben“ oder „Überspringen“ sowie das „Auf- oder Abschulen“. Äußere Differenzierung aus empirischer Sicht ➸ auch vermeintlich homogene Lerngruppen (innerhalb einzelner Schularten) zeigen hohe Streuung (s. Lesekompetenz: schwache Gymischüler haben den gleichen Stand wie der Durchschnitt an Hauptschulen, starke Hauptschüler den gleichen Stand wie der Durchschnitt an Gymnasien) ➸ Empfehlungen nach der Grundschulzeit sind wenig zuverlässig ➸ Lernschwache oder lernbehinderte Schüler verschlechtern die Leistungsentwicklung von stärkeren Schülern nicht ➸ Einschätzung der eigenen Leistung fällt bei lernschwachen SchülerInnen schwächer aus, wenn sie in leistungshomogenen Gruppen lernen ➸ Homogene Lerngruppen mit Lern- und Entwicklungsproblemen verschlechtern deren Lernchancen. 3. Reaktionen auf Heterogenität durch innere Differenzierung Innere Differenzierung - eine Definition = bezeichnet alle Formen, deren zeitlich befristeten und/oder dauerhaften Auflösung der Lernverbände auf unterrichtsorganisatorischer Ebene. Bei innerer Differenzierung stehen individuelle Lebens- und Entwicklungsperspektiven der SchülerInnen im Mittelpunkt, deshalb muss Unterricht an den individuellen Lernvoraussetzungen und Biographien ansetzen. Differenzierung und Individualisierung ➸ in Schule und Unterricht erfolgt dies vor allem in gruppenspezifischer Hinsicht ➸„Differenzierung“ muss von „Individualisierung“ abgegrenzt werden „ Individualisierung “ = zielt auf die Förderung und Unterstützung des einzelnen Lernenden (folglich auf individueller Ebene = z.B. Nachhilfe)
➜ es kann nach unterschiedlichen Aspekten (von Heterogenität) differenziert werden.
Gerechtigkeitsprinzip Prinzip der gleichgesetzten/gleichstellenden Gerechtigkeit („Allen das Gleiche“) vs. Prinzip der unterscheidenden Gerechtigkeit („Jedem das Seine“) Konsequenzen:
4. Folgen inneren Differenzierung für den Unterricht und das Selbstverständnis von Lehrpersonen A. Wo wird effizienter gelernt ( Leistungskurse/ heterogene Lerngruppe )? Fazit : Befunde uneinheitlich, aber
➸ Heterogene Lerngruppen sind für eher leistungsschwache Lernende von Vorteil
➸ individuelle und unterrichtsbezogene Merkmale mediieren die Effekte (schwacher Schüler orientiert sich an leistungsstarkem)
➸ wenn von Homogenisierung gesprochen wird, dann im leistungsstarken Bereich (Hochbegabtenforschung: Homogenisierung mit
gezielter Förderung kann sinnvoll sein Hinweise zum Forschungsstand
➸ Forschungsdefizit = Verbindung mit didaktischen Konzeptionen
➸ Häufig unklar , was unter dem Begriff „heterogene Lerngruppen“ verstanden wird
5. Innere Differenzierung & Offener Unterricht (Forschung/Kritik) Ausgewählte Forschungsbefunde zum Offenen Unterricht ▸ Schülerleistungen (schwächer, bestenfalls gleich wie im lehrerzentrierten Unterricht) ▸ Leistungsunterschiede (Verringerung = Mythos: eher Verstärkung/ zugleich steht unterscheidende Gerechtigkeit im Vordergrund) ▸ Leistungsschwache Lernende (Überforderung durch Freiheit = gezielte Unterstützung!) ▸ Leistungsstarke Lernende (können flexibler lernen —> kognitive Herausforderung wichtig!) ▸ Verwaltungs- und Organisationsaufwand (sollte nicht so hoch sein, sonst wird akt. Lernzeit verringert) Kritische Reflexion der Heterogenitäts-Debatte ⊳ Frage, wie mit Heterogenität umgegangen werden soll, dominiert den Diskurs ⊳ Wichtig ist die Erkenntnis, dass Schule und Unterricht Heterogenität selbst hervorbringen (durch Fachkulturen, Unterrtichtskulturen, Schulkulturen,….) ⊳ Relationalität = keine Heterogenität ohne Homogenität ⊳ Interdependenz = Verwobenheit von Leistungsheterogenität und z.B. soziokultureller Heterogenität ⊳ Partialität = Heterogenität begrenzt auf ein bestimmten Kontext Notwendige Sensibilität von Lehrkräften ▸ für Chancen und Grenzen von innerer Differenzierung ▸ dafür, dass Rahmenbedingungen den Erfolg von innerer Differenzierung moderieren ▸ dafür, dass Differenzierung nicht (zwangsläufig) bedeutet, möglichst homogene Subgruppen in einer Klasse zu bilden ▸ dafür, dass innere Differenzierung insbesondere für leistungsstarke Schüler nur unter best. Bedingungen erfolgreich ist ▸ dafür, dass innere Differenzierung daher die Leistungsunterschiede in einer Klasse tendenziell nicht verringert, sondern verstärkt ▸ dafür, dass innere Differenzierung dem individuellen Lernfortschritt eher gerecht werden kann, als das Lernen in homogenen Gruppen v
ProfeProfe!!ionalitätionalität
1. Vorklärungen und Begriffe
Professionelles Handeln und dessen Bewährung
➸ insbesondere wenn unter Druck (z.B. nach dem Referendariat) erzieherisch reagiert oder unterrichtlich gehandelt
werden muss, fallen viele in die ihnen vertrauten Deutungs- und Handlungsmuster zurück (aus eigener Vergangenheit/Schulzeit)
➸ man muss hierzu die Möglichkeiten einer anderen bzw. besseren Praxis theoretisch erkennen und deren
Andersartigkeit in ihren lernförderlichen Wirkungen zumindest in Ansätzen auch erfahren können ⇨ nur durch
eine solche auf Erfahrung basierende pädagogische Selbstprüfung kann es gelingen, eigene Festgelegtheiten (Vorwissen, Erwartungen, Vorurteile) als solche zu erkennen, sich der Kraft des besseren Arguments zu öffnen sowie eine alternative Praxis mitgestalten zu können (hohes Maß an Reflexion wird benötigt, um Unterricht weiter entwickeln zu können)
➸ Professionelles Handeln in Bildung und Erziehung lebt davon, dass es den besseren Argumenten bzw. den
empirischen Belegen folgt und nicht Ausdruck zufälliger persönlicher Erfahrungen, Vorlieben oder Beliebigkeiten ist
⇨ so entsteht erst die Möglichkeit, Bildung & Erziehung in unserer Gesellschaft „rational und nicht egoistisch,
empirisch gesättigt und nicht prinzipien-illusionistisch zu gestalten“ (Lehrer orientieren sich viel an forschungsbasiertem Wissen)
profession
➸ kann in berufssoziologischer Tradition als besonderer, herausgehobener Beruf bezeichnet werden
➸ in neuerem Verständnis als Beruf, der durch Risiken und Ungewissheit in der Ausübung durch Professionelle
charakterisiert ist
Professionalisierung
➸ Begriff wird in zwei Absichten verwendet
I) bezieht er sich auf die Profession selbst, so meint er (in historischer Absicht) den Transformationsprozess eines gewöhnlichen Berufs hin zur Profession (Professionswerdung) II) wird er auf die Professionellen bezogen, meint er das individuelle Hervorbringen von Professionalität (Professionellwerden)
➸ heute wird Professionalisierung überwiegend als (individuelle) Entwicklung von Professionalität verstanden
Professionalität
➸ individueller Zustand, der für die Ausübung einer Profession als hinreichend angesehen werden kann
➸ kollektives Verständnis der Profession von geteilter Professionalität lässt sich als Professionalismus im Sinne eines
„Selbstverständnis der Berufsgruppe als Ganzer“ fassen
2. Ausgewählte ansätze der professionalität von lehrpersonen
A) Berufssoziologischer Ansatz von Professionalität ► Berufsausbildung basiert auf einer langandauernden wissenschaftlichen Spezialausbildung (dabei sind Tätigkeiten überwiegend nicht-manuell) ► Berufsausübung erfordert die Anwendung generell-abstrakten Wissens auf konkrete Fälle und ist deshalb nicht standardisierbar ► es bestehen kodifizierte Verhaltensregeln für die Berufsausübung (Einhaltung der berufsethischen Grundsätze wird von Kollegen oder Berufsverbänden kontrolliert ► Berufsangehörige sind zu einem Berufsverband zusammengeschlossen, der Disziplinargewalt besitzt und die Zulassung zum Beruf regelt ► die professionelle Tätigkeit ist eine für den einzelnen Klienten wichtige Dienstleistung, sie dient darüber hinaus dem öffentlichen Wohl ► die Berufstätigkeit soll nicht egoistisch, sondern altruistisch motiviert sein ► die Berufsangehörigen werden als Experten anerkannt und sind in ihrer Berufsausübung weitgehend autonom (Autonomie findet ihre Grenzen im eigenen Verantwortungsbewusstsein und in der Kontrolle durch die Kollegen) ► Berufsangehörige genießen ein hohes gesellschaftliches Ansehen Kritik des berufssoziologischen Ansatzes B) Strukturtheoretischer Ansatz von Professionalität
➸ in LeherInnenbildung werden z.B. Antinomien fallbasiert bearbeitet
➸ Professionalität ist Reflexivität (rekonstruktive Sozialforschung)
(man kann es keiner Seite recht machen) Antinomien des Lehrerhandelns (Helsper) - Auswahl ► Person des Schülers vs. Anspruch der Sache ► Nähe vs. Distanz zum Schüler ► Autonomie vs. Heteronomie
⇨ Zusammenfassend rekurriert der strukturtheoretische Ansatz auf widersprüchliche
Handlungsanforderungen in Schule und Unterricht. Professionalität wird verstanden als das Vermögen, mit diesen antinomischen Spannungen adäquat umzugehen, d.h. diese wahrzunehmen, zu reflektieren und im eigenen Handeln in Balance zu bringen. C) Kompetenzorientierter Ansatz von Professionalität
➸ in LehrerInnenbildung wird z.B. Professionswissen erworben
➸ Professionaliät ist angehäufte (akkumulierte) Kompetenz
Modell professioneller Handlungskompetenz
⇨ zusammenfassend identifiziert der kompetenzorientierte Ansatz Wissensdomänen sowie
Fähigkeiten und Fertigkeiten, Orientierungen und Haltungen, die den Erfolg von Lehrpersonen im beruflichen Handeln zuvorderst mit Blick auf das Lernen der SchülerInnen wahrscheinlicher machen. Professionalität markiert ein hinreichendes Akkumulieren von solchen Wissensbeständen und Kompetenzen sowie deren Verfügbarkeit.
Kompetenzen = die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und
Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen (= Bildung, Aufrechterhaltung und Realisierung von Absichten) und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können. D) (Berufs-)biografischer Ansatz von Professionalität
➸ in LehrerInnenbildung werden z.B. Übergänge problematisiert
➸ Professionalität ist Bewältigung (berufs-)biografischer Ereignisse
► Wissens- und erfahrungsgestützt entwickeln, sich Kompetenzen vor allem aufgrund der produktiven Verarbeitung von beruflicher Erfahrung ► Lehrer durchlaufen im Laufe ihrer Berufspraxis best. Phasen, in denen jeweils typische, sich verändernde Aufgaben und Lösungsstrategien anstehen ► Aspekte der allgemeinen Lebensbiografie treten in den Fokus der Forschung, weil sie nicht von der Berufsbiografie entkoppelt werden können ► auch die private Lebensbiografie sind von Relevanz für das Berufsleben als Lehrperson ► Professionalität ist ein (berufs-)biografisches Entwicklungsproblem
⇨ zusammenfassend eröffnet der (berufs-)biografische Ansatz den Blick auf lebens- und
berufsbiografische Rahmenbedingungen und insbesondere Prozesse der professionellen Entwicklung sowie der Übergänge und Brüche im (Berufs-)Leben von Lehrpersonen. Professionalität meint, eine Sensitivität für die eigenen lebensbiografischen Prozesse und Sinnstrukturen zu entwickeln und diese zu verarbeiten sowie die sich berufsbiografisch kontinuierlich stellenden Herausforderungen und Entwicklungsaufgaben zu bewältigen.
3. Perspektive der Zusammenschau der verschiedenen Ansätze
Der LehrerInnenberuf ist eine Profession, weil Handeln unter Ungewissheit erforderlich ist. Kern des professionellen Handelns sind meta-reflexive Elaborationen der Professionellen Ein möglicher Weg: mehrperspektivisches und meta- reflexives Verständnis von Professionalität, nicht aber Integration der Ansätze
ErziehungErziehung
- kontingenzproblem ▸ „Was man im Allgemeinen unter Erziehung versteht, ist als bekannt vorauszusetzen“ ▸ wenn von „Erziehung“ die Rede ist, so wird auch gesprochen von Auflösungserscheinungen, Begriffswirrwarr, Sprachverwilderung, vom Zerfließen des Gegenstands und es wird fortwährend gefragt: Was ist Erziehung?
➸ Es gibt weder in der Praxis noch in der Erziehungswissenschaft „eine einheitliche und allseits
anerkannte Theorie der Erziehung“. Eine Einheitsdefinition erscheint auch nicht erstrebenswert
➸ Als Gründe werden vermutet:
I) Indoktrination (Begriff lässt isch wissenschaftlich nicht von Umgangssprache abgrenzen) II) Reproduktion (Erziehung wird historisch zum Mittel der Unterwerfung) III) Container (unter Begriff werden unterschiedliche Dinge subsummiert)
- metaphern zu erziehung A. Der Erzieher als „Bildhauer“ „Erziehung als ein herstellendes Machen, analog zur handwerklichen Produktion eines Gegenstandes, der Erzieher gleicht dem Handwerker, der einen angestrebten Zweck mit Hilfe bestimmter Mittel und Methoden handelnd anstrebt“ = Technizismus B. Der Erzieher als „Gärtner“ „Das Kind entfaltet sich auf eine mehr oder weniger natürliche Art selbst, „analog zum organischen Wachstum“, wie eine Pflanze, „Erziehen heißt hier begleitendes Wachsenlassen“. Der Erzieher gleicht dem Gärtner (oder Bauern), „der pflegend und schützend bei einem Entwicklungsprozess hilft, der -als ein natürlicher- von selbst geschieht.“ = Naturalismus C. Zwei Metaphern von Erziehung
- Verortung des erziehungsbegriffs Enkulturation - Verortung der Erziehung im Kontext des „Erwerbs kultureller Basisfähigkeiten“
- Erziehungsstile
- exemplarische vorstellungen von erziehung I) Helmut Fend (1971): Erziehung als intentionaler Prozess des Einwirkens ▸ „Sozialwerdung“ = Prozess der Enkulturation und der Sozialisation. Der Heranwachsende ist diesem Prozess stets ausgeliefert, er wird hierüber im jeweiligen gesellschaftlich-kulturellen Umfeld handlungsfähig ▸ „Sozialmachung“ = persönlichkeitsbildender Prozess. Fend setzt Sozialmachung der Erziehung gleich. Sozialmachung ist auf das Individuum gerichtet. Es geht hier um einen „intentionalen Prozess des Einwirkens“ auf das Individuum Definition von Fend: II) Brezinka (1974): Erziehung als Veränderung psychischer Disposition Definition von Brezinka: Daraus folgende, ersichtliche Aspekte ▸ einseitige Interaktion: Der Heranwachsende wird beeinflusst, nicht der Erzieher ▸ auch wenn es sich jeweils nur um einen „Versuch“ handelt, wird vorausgesetzt. Dass der zu Erziehende quasi automatisch lernt und die gewünschten Verhaltenseigenschaften aufweist ▸ unklar bleibt, in welche Richtung die Erziehung verlaufen soll - welche Ziele stecken dahinter? ▸ psychische Dispositionen: „Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse, Einstellungen, Haltungen, Gesinnungen oder Überzeugungen als relativ dauerhafte Bereitschaft zum Vollzug bestimmter Erlebnisse und Verhaltensweisen“
➸ damit wird der Erfolg einer Erziehungsmaßnahme an diese Dispositionen geknüpft - auch der Misserfolg? Bedeutet Erziehung
tatsächlich (immer) die Absicht, psychische Dispositionen zu verändern? Fazit: „Die unterstellte Finalität des Erziehungshandelns trifft auf eine angenommene Mechanik der Persönlichkeitstätigkeit des Educanden“ III) Mollenhauer (1972): Erziehung als Rollenhandeln ▸ neben struktureller (Fend) und psychologischer (Brezinka) Betrachtung lässt sich eine soziologische Perspektive auf Erziehung
benennen ➸ Mollenhauer
Definition von Mollenhauer : Analyse: ▸ der Erzieher hat einerseits mehr Macht als der Zögling und sein Handeln ist letztlich gesellschaftlich legitimiert (in einem bestimmten Rahmen) ▸ andererseits: auch der Zögling hat Interessen und Macht und evtl. „Verhandlungsstrategien“ ▸ es gibt also in diesem Modell Intentionen auf beiden Seiten! ▸ und zwar quasi automatisch: Der Erzieher reagiert auf den Zögling ▸ daher: Erziehung ist „symbolisch vermitteltes kommunikatives Handeln“
➸ weite Betrachtung des Erziehungsverhältnisses
➸ geht weit über die Annahme einer einseitigen Interaktion (z.B. Brezinka) hinaus
IV) Kron (1991): Erziehung als symbolische Interaktion Definition von Kron: ▸ damit wird deutlich, dass der Erziehungsprozess nicht immer geschmeidig in den Sozialisationsprozess eingefügt ist und damit potenziell auch gesellschaftliche Kontexte und Prozesse irritiert und verändert werden können ▸ der Zusammenhang zwischen Erziehung und Sozialisation wird emanzipatorisch verstanden ▸ konkrete Erziehungssituationen auf der Mikroebene sind eingebettet in die Sozialisation und Enkulturation auf der Makroebene (z.B. in Schule, Familie)
- abschließende überlegungen: Erziehung ▸ Nach Fend kann zwischen Sozialmachung (= Erziehung) und Sozialwerdung (= Sozialisation und Enkulturation) unterschieden werden. Erziehung ist intentional, versucht Ziele, Normen und Werte zu verwirklichen. ▸ Der Prozess der Erziehung ist damit eine soziale Interaktion. Beziehungen müssen „ausgelagert“ werden. ▸ Erziehung ist normativ und spielt sich in gesellschaftlichen Kontexten ab. Erziehung kann daher nicht primär der Anpassung und Unterdrückung dienen. ▸ Von herausragender Bedeutung für die Heranwachsenden sind Erfahrungen mit egalitär strukturierten Beziehungen - im Spannungsverhältnis von „Führen“ und „Wachsenlassen“. ▸ Erziehung ist geprägt von Symbolen (z.B. Regeln, Gestik, Mimik, Sprache). ▸ Schließlich geht es in Erziehungsprozessen immer um Inhalte. Auch hier erweist sich Erziehung als reflexiv und aufklärerisch. ▸ Erziehung findet innerhalb eines umfassenden historisch gewachsenen, gesellschaftlichen Kontexts statt.
- anthropologische grundlagen der erziehung ▸ anthropologisch wird der Mensch als „Mängelwesen“, als „physiologische Frühgeburt“ bezeichnet und es wird argumentiert, der Mensch sei erziehungsbedürftig (Mangel), aber auch erziehungsfähig (Reichtum) ▸ von „fehlenden“ biologischen Anlagen (z.B. Instinkt) wird bei der anthropologischen Diskussion ausgetragen ▸ die Frage nach dem Verhältnis von Anlage und Umwelt stellt sich neu und evolutionsbiologisch erscheint „Erziehung“ ein Merkmal von höheren Lebewesen als die Fähigkeit, den Erfahrungsschatz der Kultur „anzuzapfen“ (Kultur als Reichtum des Menschen) ▸ der Mensch ist der erste „Freigelassene der Schöpfung“, kann nur „zum Menschen werden durch Erziehung“, er ist „weltoffen“, ein „reflexives Wesen“, er „ist seine Geschichte“
BildungBildung
1. Bildungsbegriff
▸ Weshalb ist der Bildungsbegriff für das LehrerInnenhandeln wichtig?
➸ Normproblem der Erziehung (und auch der Didaktik).
= Jeder Bildungsbegriff ist „normativ aufgeladen“ und verweist auf die
Entscheidungen, die begründet werden müssen.
▸ Zur Bearbeitung des Normproblems kann der Bildungsbegriff beitragen.
Gibt es eine übergeordnete Norm, an der sich LehererInnenhandeln als angemessen/
unangemessen beurteilen lässt?
Beispiele:
▸ Warum ist die Erziehung zum Taschendieb unangemessen?
▸ Nach welchen Kriterien sollen Inhalte ausgewählt werden?
▸ Was soll in der Schule wie gelernt werden?
Bildungsbegriff - vorklärungen
A) Entstehung
▸ theologischer Hintergrund: Deutsche Mystik im 14. Jh.: (1) sich „höher“ bilden -
Ebenbildlichkeit Gottes; (2) Individuelle Gestalt- und
Formgewinnung ➸ Vorstrukturiertheit des
Bildungsbegriffs: Inhalt und Form!
▸ Transformation durch Aufklärung im 18. Jh.: Säkularisierung des obigen Gedankens:
Bezug des Menschen zur Welt
➸ Autonomie und Entwicklung eigener
Kräfte als Idee
▸ Ab 18. Jh.: Bildungsbegriff spielt in pädagogischer Diskussion eine wichtige Rolle
Kant
Begriffe im umfeld des frühen bildungsgedankens
▸ Mündigkeit
▸ Selbstbestimmung
▸ Emanzipation
2. Exemplarische bildungstheoretische ansätze
A) Wilhelm von Humboldt (u.a. Kultusminister Preußen)
Ziel: Aufbau eines Staates und einer aufgeklärten und zugleich humanistischen
Gesellschaft
I) Bildung des Subjekts
▸ Das Individuum kann sich mit „Welt“ auseinandersetzen und entwickelt diese in
aktiver Auseinandersetzung
▸ Das Individuum kann vernünftig, moralisch und verantwortungsvoll handeln
▸ Das Individuum gestaltet die Welt - nicht die Welt das Individuum
▸ Wie erfolgt die Gestaltung? Durch Bewertung, die das Verleihen von Bedeutung und
die Einordnung von Dingen in größere Zusammenhänge meint
▸ vor dem Handeln steht das Begründen: Dinge plausibel darlegen, transparent machen,
für jedermann nachvollziehbar machen
▸ auf diese Weise kann jedes Individuum „seine“ Bildung hervorbringen und sie in
gesellschaftlich verantwortliches Handeln umsetzen
II) Aufbau eines Lehrplans und Schulwesen bis zur Universität
III) Bedeutung der Wissenschaft für Bildung und Entwicklung der Gesellschaft
B) Wolfgang Klafki (Professor für Erziehungswissenschaft in Marburg)
Geisteswissenschaftliche Perspektive (vgl. bildungstheoretische Didaktik): Klafki setzt an Humboldt an und
entwickelt dessen Bildungsbegriff weiter
Begriff der „Kategorialen Bildung“
▸ Klafki integriert die bis dahin konkurrierende Ansätze der materialen und der formalen Bildung
▸ Begriff der „Kategorialen Bildung“ - grundlegende Bildung - es werden im Menschen „Kategorien“ erzeugt
mithilfe derer der Mensch sein Verhältnis zu sich selbst, die Welt, sein Verhältnis zur Welt interpretieren und
damit sein Handeln begründen kann
Klafki betont die Inhaltsdiskussion: Was soll gelernt werden?
▸ gesellschaftskritischer und politischer Bildungsbegriff
▸ Anleihen bei der „Frankfurter Schule“
▸ Innerhalb der Bildungstheoretischen Didaktik: Die fünf Fragen zur „didaktischen Analyse“ haben zum Ziel, den
Bildungsgehalt aus dem Bildungsinhalt herauszuarbeiten
▸ Klafki 1995: „Epochaltypische Schlüsselprobleme“ (z.B. Friedensfrage, Umweltproblem,…) werden in einem
„Problemorientierten Unterricht“ behandelt, der zu Einstellungen führen soll, die über das jeweilige
Schlüsselproblem hinausreichen und zu z.B. Kritikfähigkeit, Argumentationsfähigkeit,… führen
▸ Weiterentwicklung von „Allgemeinbildung“: Diese bezieht sich auf die Fähigkeit zur Selbstbestimmung, zur
Mitbestimmung und zur Solidarität
▸ Bildung ist: für alle (omnes), im Medium des Allgemeinen (omnia) zu behandeln und bezieht sich auf allen
Grunddimensionen menschlicher Interessen und Fähigkeiten (omnio); vgl. Comenius: Allen alles umfassend lehren
C. Adorno (Professor für Soziologie und Philosophie in Frankfurt)
Gesellschaftskritische Perspektive: „Frankfurter Schule“: Vertreter z.B. Heydorn, Adorno, … - bis heute prominent
zur kritischen Analysen der Gesellschaftlichen
Eine Grundlage seines Denkens
Unsere Gesellschaft ist arbeitsteilig und daher parzelliert - in allen Bereichen. Die Entfaltung aller Kräfte des
Menschen zu einen Ganzen (Humboldt) ist daher nicht mehr ohne Weiteres möglich. Aber der Mensch ist prinzipiell
bildungsfähig. Damit ist ein neuer Bildungsbegriff notwendig.
Charakteristik dieses neuen Bildungsbegriffs
▸ Verhältnis von Bildung zu den Bedingungen (sozial, ökonomisch, kulturell) der Gesellschaft wird mit dem Begriff
der negativen Dialektik gefasst
▸ negativ weil: Gesamtgesellschaftliche Bedingungen verhindern (derzeit) eine neue Form der Allgemeinbildung, z.B.
aufgrund der Zweckorientierung und Parzellierung der Bildungsprozesse, die ausschließlich in einem
Verwertungszusammenhang („Was bringt mir das?“) stehen. Die „Kultur“ werde vermarktet.
▸ Die Folgen sind „negativ“, Adorno spricht von „Halbbildung“
▸ Weitergedacht wird daher mit Blick auf eine „Negierung des Negativen“, d.h. die Vorwegnahme eines „besseren“
Lebens unter anderen Bedingungen steht als Idee im Raum. Diese Vorwegnahme kann in Ansätzen in der Schule
gelingen, weil in ihr die Möglichkeit besteht, „zweckfreie“ Dinge voranzubringen
3. fazit
Zusammenfassung
▸ Die Bildungsdiskussion kann als „Metadiskussion“ angesehen werden: Es
werden potenziell alle pädagogisch relevanten Prozesse durch die
Perspektive der Bildung fraglich bzw verflüssigt und sind so einer
kritischen Prüfung ausgesetzt
▸ Die Diskussion sensibilisiert für die Gefahr von „Halbwahrheiten“; die
Durchsetzung von Interessen mit Mitteln der Macht ist weiterhin präsent
▸ Das Individuum ist immer auch Sozialisationsprozessen ausgesetzt. Daher:
Es ist eine permanente Herausforderung an das Individuum, sich kritisch
konstruktiv am Leben zu beteiligen - und damit einen Beitrag zur eigenen
Entwicklung zu leisten, aber damit auch immer zur Entwicklung der
Gesellschaft
▸ Es besteht die Gefahr des Scheiterns: Gefahr, sich nicht aktiv beteiligen zu
können
▸ Ergreift der Mensch seine Bildung, dann hat er die Chance, die Gesellschaft
in Richtung „Humanität“ voranzubringen. Aber: Bildungsprozesse sind nicht
harmonisch, sondern (auch) widersprüchlich und mühsam
▸ „Erziehung“ ist ohne den Gedanken von „Bildung“ kaum möglich, denn ihr
„Ziel (besteht) in der Freigabe der Erzogenen. Denn der Nachwuchs muss
das Tradierte schließlich selbstständig, in eigener Verantwortung und unter
Berücksichtigung im Einzelnen nicht vorhersehbarerer Situationen
verwalten, interpretieren und verteidigen“
4. abgrenzung zu weiteren begriffen und konzepten
Qualifikation als Erfolg und Lernerfolg mit Blick auf Verwertbarkeit, zumeist
gekoppelt an zertifizierte Abschlüsse (Schulabschluss, TOEFL-Test,…)
Schlüsselqualifikationen als Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche
nicht unmittelbar für eine praktische Tätigkeit vorgesehen sind, sondern
(einmal erworben) für viele Anforderungen und Tätigkeiten hilfreich oder
notwendig sind (z.B. bestimmte IT-Kenntnisse, die Arbeit mit anderer
Software erleichtern)
Literacy als eine Bezeichnung kognitiver, domänenspezifischer Fähigkeiten, die
als basale Kulturwerkzeuge verstanden werden können (z.B. mit Blick auf das
Beherrschen einer Sprache in Wort und Schrift)
Schulleitung & besondere AufgabenSchulleitung & besondere Aufgaben
1. Aufgaben und Tätigkeitsfelder von Führungspersonen
Beispiel: Arbeitstag in der Schulleitung
▸ höheres Maß an Flexibilität und Intuition
▸ wechselnde Rahmenbedingungen
▸ Schulleiter unterrichten (in unterschiedlichem Umfang) weiter
▸ Krisenmanagement
▸ alltägliche Aufgaben (➸ Aufgabenvielfalt = Allrounder)
▸ oft auch zuständig für LehrerInnenbildung (Referendare)
▸ Stundenplan(änderung)
▸ Telefonate
▸ ständiger Kontakt mit Schulamt
▸ Besprechungen ➸ Kommunikation und Personalführung!
▸ Schulstatistiken
▸ Fortbildungen
▸ Digitalisierung
▸ keine richtige Vorbereitung auf diese Aufgabe(n)!
Überblick aufgaben und Tätigkeitsfelder
Besondere aufgaben (auswahl)
2. personalmanagement an schulen
Gegenstandsbereich des Personalmanagements
A) Gewinnung von Mitarbeitenden:
An Schulen gesteigertes Mitspracherecht bei der Personalauswahl
▸ Leistung und Passung und weitere Kriterien relevant für Einstellung
▸ Besondere Rolle des Beamtenstatus (Treuepflichten)
B) Verbleib von Mitarbeitern: Motivation und Unterstützung
▸ Förderung und Angebot der Fort- und Weiterbildung
▸ Schaffen von Anreizen (allerdings: keine Möglichkeit der Entgeltgestaltung)
C) Besondere Herausforderung für Führungskräfte
▸ Sind auf Leistungsbereitschaft der Lehrpersonen angewiesen
▸ Haben kaum Möglichkeit, extrinsische Anreize zu setzen
▸ Sind bei der Personalplanung und Entwicklung auf die übergeordnete Behörde
(Schulamt oder Regierungspräsidium) angewiesen
▸ Haben i.d.R kaum Kenntnisse im Bereich „Human Ressources Management“
3. Personalentwicklung als zentrale herausforderung
▸ Fortbildung und Professionalisierung : Wirkungskette der LehrerInnenbildung und
(berufs-)biografische Entwicklung von
Professionalität
▸ Theoretische Wirkungsannahmen von Fortbildung
▸ Themen und Inhalte von Fortbildungen : Knapp die Hälfte der Fortbildungen zum
Thema Didaktik/Methodik
▸ Zielgruppe : überwiegend Zielgruppe = Lehrpersonen (wenig Angebote für Schulleiter)
▸ Teilnahmemotivation/Ertrag: Beruflicher Aufstieg
4. Führung (Leadership)
Merkmale erfolgreichen Führungshandelns
▸ Gewissheit: Schulleitung ist ein bedeutsamer Einflussfaktor
▸ Grundlegende Führungspraktiken (z.B. Richtungen vorgeben; Beziehungen stärken, Personal und Organisation entwickeln)
▸ Schulleitungen reagieren auf Arbeitsfeld (z.B. Historie der Schule; Überzeugungen von Lehrpersonen; Ausstattung; öffentliche
Erwartungen)
▸ Schulleitungen motivieren Lehrpersonen und verbessern so das Lernen der SchülerInnen indirekt
▸ Führungshandeln hat größeren Einfluss, wenn mehrere AkteurInnen in Leitungsaufgaben involviert sind
▸ Formen geteilter Führungsverantwortung sind je nach Situation einzelner Schulen mehr oder weniger effektiv (z.B. Verteilung
der Führungsaufgaben nach Expertise anstelle formaler Hierarchie)
▸ Personale Eigenschaften können Führungshandeln steuern (z.B. kognitive Ressourcen wie Problemlösefähigkeit, Fachwissen
usw.)
5. Formate der FÜhrung
A) Kommunikation
▸ Führungspersonen kommunizieren ständig, auch wenn sie sich nicht explizit äußern
▸ Menschliche Kommunikation hat eine Inhalts- und eine Beziehungsebene (Hierarchie relevant)
▸ Kommunikation verläuft strukturiert und ist fehleranfällig (Botschaften werden interpretiert)
▸ Non-verbale Aspekte (z.B. Umgebung, Peronenmerkmale, Gestik und Mimik) sind relevant
B) Beratung
▸ Hat zum Ziel, die Entscheidungs- und Handlungssicherheit bezogen auf den Sachverhalt zu erhöhen
▸ Erfolg beruht auf gegenseitiger Einwilligung bzw. Freiwilligkeit von Beratenden und Beratenen
▸ Wertschätzung, Empathie und Kongruenz (Echtheit) der/des Beratenden sind wichtig
▸ Eine „echte“ (vertrauensvolle) Beratungssituation ist aufgrund Hierarchie schwer herzustellen
C) Feedback
▸ Beschreibt Rückmeldungen zwischen Mitgliedern einer professionellen Lerngemeinschaft
▸ Etablierte Formate des Feedbacks (Feedbackkultur) sind für wirksames Feedback relevant
▸ Feedback bietet Anregung zur Selbstreflexion und professionellen Weiterentwicklung
▸ Es liegen viele Methoden und Verfahren vor, wie Feedback gegeben werden kann
D) Mentoring und Coaching
▸ Mentoring beschreibt eine stabile Arbeitsbeziehung zwischen Mentorierenden und Mentees
▸ So zielt Mentoring auf die Professionalisierung der Mentees durch erfahrende Mentorierende
▸ Coaching ist zeitlich begrenzt und dient der Bearbeitung spezifischer Aufgaben und Probleme
▸ Dabei nutzen Coaches ihre Expertise, um den Coachees bei der Erreichung deren Ziele zu helfen
6. Governance und Evidence-based leadership
Anforderungen an evidence-based leadership
▸ Schulleitungen sollen sich bewusst für ein forschungsbasiertes Schulleben entscheiden und dafür Ressourcen bereitstellen
▸ Schulleitungen sollen alle Lehrpersonen, insbesondere solche mit besonderen Aufgaben, in die Forschungsorientierung mit
einbeziehen
▸ Forschungsorientierung soll nicht professionelles Wissen von Lehrpersonen durch akademisches Wissen ersetzen, sondern zu
dessen Irritation und Erweiterung beitragen
▸ Ausgewählte Lehrpersonen, die Forschungsorientierung offen gegenüberstehen, sollen als Keimzellen und Multiplikatoren
fungieren
Grenzen der Steuerung durch Schulleitung
▸ aufgrund der Steuerung durch Systeme (z.B. Bildungsadministration) oder des Einflusses multipler AkteurInnen auf
verschiedene Ebenen
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