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Der Lindenbaum
von Wilhelm Müller ( 1794 - 1827 )
in den Vertonungen von
Franz Schubert ( 1797 - 1828 )
und
Friedrich Silcher ( 1789 - 1860 )
Wilhelm Müller
Franz Schubert
Abb. 1 Abb. 2
Friedrich Silcher, „Hochzeitsbild“
Abb. 3
- 12 Gedichte der „Winterreise“ verfasste er 1823 unter dem Titel „Wanderlieder von Wilhelm Müller verfasst in 12 Liedern“; weitere 10 Gedichte erschienen im selben Jahr in „Deutsche Blätter für Poesie, Literatur, Kunst und Theater“
- 1824 wurden unter dem Titel „Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Zweites Bändchen. Lieder des Lebens und der Liebe “ alle 22 Gedichte zusammen veröffentlicht, noch erweitert um „Die Post“ und „Täuschung“
- 1824 Ernennung zum Hofrat
- 1825 Übernahme der Redaktion für die II. Sektion der „Allgemeinen Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste“ zusammen mit Georg Hassel.
- 1826 Erkrankung an Keuchhusten; dennoch im gleichen Jahr Übernahme einer Regietätigkeit am Herzoglichen Schlosstheater in Dessau
- trotz mehrerer Kuraufenthalte ging es mit seiner Gesundheit stetig bergab
- er starb im folgenden Jahr (1827) im Alter von nur 32 Jahren vermutlich infolge eines Herzinfarktes In der Anhaltinischen Landesbücherei Dessau wird Müllers literarisches Vermächtnis aufbewahrt.
Kurzbiographie des Komponisten Franz Schubert
- geboren am 31. Januar 1797 in Liechtental bei Wien
- seine Begabung wurde zunächst vom Vater, einem Volksschullehrer, und ab 1808 im Internat der Wiener Hofkapelle, u. a. von Antonio Salieri, gefördert
- ab 1814 Hilfslehrer an der Schule seines Vaters; er soll sogar während des Unterrichtes komponiert haben! u. a. den „Erlkönig“ soll er hier im Alter von 18 Jahren geschaffen haben
- der ungeliebten Tätigkeit als Schulgehilfe entzog er sich 1818 zum Ärger des väterlichen Vorgesetzten! ohne geregelte Wohnung und Berufstätigkeit versuchte sich der Komponist nun zeitweise als Musiklehrer der Adelsfamilie Esterházy in den Sommermonaten 1818 und 1824 auf deren ungarischem Landgut
- lebte aber überwiegend ohne Anstellung als freier Komponist bei Freunden, u. a. bei seinem Freund und Gönner Franz von Schober
- führte insgesamt ärmliches, entbehrungsreiches Leben, welches noch von gesundheitlichen Beeinträchtigungen einer Geschlechtskrankheit (Syphilis) überschattet wurde
- auf den berühmt gewordenen „Schubertiaden “, die ab 1821 von jungen Künstlern, u. a. Malern wie Schwind und Kuppelwieser sowie Dichtern wie Grillparzer und Mayrhofer, durchgeführt wurden, erregten Schuberts Lieder Aufmerksamkeit
- seine Liednoten gingen in Wien in Abschriften von Hand zu Hand, doch stand deren Popularität im Widerspruch zum finanziellen Verdienst
- z. B. bekam er vom Verleger Hasslinger pro Lied der „Winterreise“ den Hungerlohn von einem halben Gulden, also insgesamt zwölf Gulden
Als Schubertiade werden seit den Lebzeiten des Komponisten Franz Schubert Aufführungen seiner Werke bezeichnet. Zunächst wurde der Begriff für Aufführungen in privatem Rahmen verwendet, heute bezeichnet er auch Konzertreihen und Musikfestspiele Schubertiade, Zeichnung von Schuberts Freund Moritz von Schwind Abb. 4
Franz Schubert als Liederkomponist
- formte das klavierbegleitete Lied zur neuen Gattung, dem „romantischen Kunstlied“, besonders durch die Erweiterung der Funktion des Klaviersatzes:
- Gestaltung von Vor-, Zwischen- und Nachspielen zur Darstellung der Grundstimmung des Geschehens
- differenzierte und ausdrucksstarke Begleitung dient der sensiblen Ausdeutung der Textaussage 3 formale Liedtypen finden sich bei Schubert:
- Strophenlied: Melodie und Begleitung sind in allen Strophen gleich
- Variiertes Strophenlied: in einzelnen Strophen gibt es Veränderungen von Melodie und Begleitung (z. B. „Die Forelle“, „Frühlingstraum“)
- Durchkomponiertes Lied : jede Strophe hat ihre eigene Vertonung (z. B. „Erlkönig“)
**1. Gute Nacht
- Die Wetterfahne
- Gefrorene Tränen
- Erstarrung
- Der Lindenbaum
- Wasserflut
- Auf dem Flusse
- Rückblick
- Irrlicht
- Rast
- Frühlingstraum
- Einsamkeit
- Die Post
- Der greise Kopf
- Die Krähe
- Letzte Hoffnung
- Im Dorfe
- Der stürmische Morgen
- Täuschung
- Der Wegweiser
- Das Wirtshaus
- Mut
- Die Nebensonnen
- Der Leiermann**
Folgende Titel tragen die 24 Lieder:
Abb. 5
Wilhelm Müller „Der Lindenbaum“ Am Brunnen vor dem Tore, Da steht ein Lindenbaum: Ich träumt’ in seinem Schatten So manchen süßen Traum. Ich schnitt in seine Rinde So manches liebe Wort. Es zog in Freud und Leide Zu ihm mich immer fort. Ich musst’ auch heute wandern Vorbei in tiefer Nacht, Da hab ich noch im Dunkel Die Augen zugemacht. Und seine Zweige rauschten, Als riefen sie mir zu: Komm her zu mir, Geselle, Hier find‘st du deine Ruh! Die kalten Winde bliesen Mir grad in’s Angesicht; Der Hut flog mir vom Kopfe, Ich wendete mich nicht. Nun bin ich manche Stunde Entfernt von jenem Ort, Und immer hör ich’s rauschen: Du fändest Ruhe dort! Abb. 6
Liedtyp: variiertes Strophenlied, da die ersten beiden Strophen identisch sind und der erste Teil der dritten Liedstrophe eine Variation aufweist Tonart: E-Dur (erstes Lied des Liederzyklus, welches in Dur steht; das kann daran liegen, dass das Lied zum großen Teil die Momente des Erinnerns des lyrischen Ichs an glückliche Momente widerspiegelt)
Taktart: ¾
Aufbau : 3 Strophen zu je 8 Verszeilen (Schubert fasste jeweils zwei Gedichtstrophen zu einer Liedstrophe zusammen) „Der Lindenbaum“ – das fünfte Lied der „Winterreise“ – musikalische Analyse der schubertschen Vertonung aus: Musik, LB. Für die Klassen 9 und 10; VuW 1991; S. 57)
Strophe 1: Verhältnis Melodie/Text/Klavierbegleitung
- Tempoangabe für das achttaktige Vorspiel „mäßig“; Dynamik zu Beginn pianissimo, was sich aber im Verlauf durch crescendi und decrescendi (vgl. Takte 5, 7 und 8) ändert ( 1 )
- kennzeichnend für Vorspiel: Triolenbewegungen, die wechselnd in der rechten und linken Hand gespielt werden (2) (! mögliche Deutung: klangmalerische Nachahmung des Rauschens der Blätter im Wind bzw. die „Stimme“ der Linde)
- nach achttaktigem Vorspiel Einsatz der Singstimme auftaktig (3)
- erster Abschnitt (Takt 9 – 12 ) mit fallender Melodieführung (vom h
**–** e
) (4) - Rhythmus der akkordischen Klavierbegleitung passt sich nun der Singstimme an (5)
- Melodie wird wiederholt (Takt 13 – 16 ), auffallend sind in der Singstimme die Achteltriolen bei den Wörtern „Linden(baum)“ (Takt 11) und „süßer“ (6) (Takt 15) (! besondere Hervorhebung dieser Wörter)
- durch Verwendung vieler Punktierungen wirkt Melodieführung spannungsvoll und belebend
- im zweiten Teil der ersten Strophe (ab Takt 17) Ansteigen der Melodie in Tonschritten, um dann in Dreiklangsbrechung (Takt 19) wieder zu fallen; auch dieser viertaktige Abschnitt wird mit leichten Veränderungen wiederholt (Takt 21 – 24 ). (7)
- Liedstrophe: beschreibt Ort der positiven Erinnerungen des lyrischen Ichs! Reflexion über einen vergangenen glücklichen Zustand Strophe 2: Verhältnis Melodie/Text/Klavierbegleitung
- nach dreitaktigem, wieder triolischem Vorspiel, welches jedoch in der Varianttonart e-Moll steht, identische Melodie der Singstimme wie in Strophe 1 bis zum Takt 36, allerdings weiterhin in e-Moll (8)
- aber Änderung der Klavierbegleitung, die durch Triolenbewegungen in beiden Händen gekennzeichnet ist (9)
- ab Takt 37 Wechsel zur Grundtonart E-Dur (!Wechsel der Tonarten lässt sich mit der Textaussage begründen, da Erinnerungen an Lindenbaum im lyrischen Ich positive Assoziationen wecken („Komm her zu mir, Geselle, hier find'st du deine Ruh!“) (10)
- Singstimme beginnt nach eintaktigem, wieder in Triolen und in e-Moll stehendem Vorspiel dramatisch (11)
- Veränderung der Melodie der Singstimme; charakteristisch für Melodieführung ist von Takt 46 bis Takt 51 der allmähliche Anstieg (von fis
bis c``), der ein jähes Ende im Takt 51 („Kopfe“) mit Oktavsprung nach unten (c`` bis c
) findet (12) - nach Tonwiederholungen endet die Strophe (auf h) (13)
Strophe 3: Verhältnis Melodie/Text/Klavierbegleitung
- tonmalerische Aspekte erkennbar! Wegfliegen des Hutes wird mit einem Oktavsprung und das Sich-Nicht-Wenden mit Tonwiederholungen ausgedeutet
- Klavierbegleitung geprägt von chromatischen an- und aufsteigenden Sechzehnteltriolen (14)
- auch in dynamischer Gestaltung zeigt sich die Dramatik durch ein heftiges crescendo (ab Takt 40)
- Vertonung erschließt sich wiederum aus Textaussage:! Außenwelt erscheint dem lyrischen Ich als feindlich
- erster Teil der 3. Strophe stellt Höhepunkt des Liedes dar; Dramatik ebbt allmählich im Nachspiel des ersten Teils ab, welches Schubert einschob, um Stimmungs- wechsel einzuleiten