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Lämmer Interpretation, Mitschriften von Deutsch

Interpretation Lämmer; Mitschrift aus der Schule; danach eigene Ausarbeitung

Art: Mitschriften

2020/2021

Hochgeladen am 04.05.2021

hannah_wtn
hannah_wtn 🇩🇪

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Im Gedicht werden von einem anonymen Sprecher Leute angesprochen, die er
als „Lämmer“ (V. 28) direkt anspricht; er setzt sich mit ihren Erwartungen
auseinander und beschimpft sie als verlogen und dumm.
Die beiden ersten Strophen leben von einer Spannung zwischen dem, was diese
Leute erwarten (1. Str.), und dem, was sie tun (2. Str.) und womit sie ihre
Erwartungen Lügen strafen. Was die Leute erwarten, wird in den Tiervergleichen
angedeutet (V. 1-4) und parallel dazu zu den Machthabern gefragt (V. 5-6): Die Leute
erwarten etwas „Unnatürliches“, Widersinniges: dass die Raubtiere keine Raubtiere
seien, dass die Machthaber keine Macht ausüben. Das alles wird in rhetorischen
Fragen zuerst bildhaft, dann allgemein vorgetragen. In den beiden letzten Versen der
1. Strophe wird in einer vorwurfsvollen Frage die Quelle der falschen Erwartungen
entlarvt: der verlogene Bildschirm, der Repräsentant der Bewusstseinsindustrie, wie
HME sonst gelegentlich sagt. Wenn man darauf bloß blöd guckt (verbunden mit der
Wendung „blöd aus der Wäsche gucken“), darf man sich nicht wundern, dass man
Blödsinn erwartet.
Diese Erwartungen der Leute vertragen sich nicht mit dem, was sie selber tun: beim
Spiel der Machthaber (General und Wucherer als Repräsentanten) mitmachen, ihnen
Beifall klatschen, sich von ihnen bestechen lassen (2. Str.). Das alles wird in
rhetorischen Wer-Fragen vorgetragen, auf welche die Antwort „ihr selber!“ lauten
muss. In der letzten Frage „wer lechzt nach der Lüge?“ wird die Verbindung zur 1.
Strophe hergestellt: lechzen = gierig nach etwas verlangen: nach der Lüge, welche
das Treiben der Machthaber beschönigt und damit das eigene Tun rechtfertigt. In
dem Kontrast „viel Bestohlene – wenig Diebe“ (V. 16) wird die Möglichkeit
angedeutet, dass man die Verhältnisse ändern könnte, wenn man (= viele) es nur
wirklich wollte.
Neben den Konkreta in der 2. Strophe (Blutstreif, Kapaun, Blechkreuz [militär.
Orden], Trinkgeld, Schweigepfennig, Silberling: der biblische Judaslohn, vgl. Mt
26,15) fallen in beiden Strophen die Häufungen der Fragen auf. Gelegentlich spricht
der Sprecher in Alliterationen (z, V. 4; P, V. 6, l, V. 19). Den Zeilenschnitt müsste
man gesondert untersuchen; dass das Fragewort „Wer“ nicht in der Zeile der Frage
steht (Enjambement), beschleunigt das Sprechen und zeigt die Wut des Sprechers
an: Wütend schleudert er seine Vorwürfe den Leuten an den Kopf.
Mit der Aufforderung „Seht in den Spiegel“ (V. 20) setzt er erneut an: Er
charakterisiert die Leute, indem er beschreibt, was sie im Spiegel von sich selbst
sehen könnten; sie scheuen die Mühen der Aufklärung, lassen sich gern belügen.
Der Nasenring ist das Instrument, an dem man den gezähmten Stier, den dressierten
Bären herumführt und den Leuten sogar als „Schmuck“ tragen (V. 24 – damals
dachte noch keiner ans modische Piercen). So werden die Leute beschimpft und
verspottet: „jede Erpressung / ist für euch noch zu milde“ (V. 26 f.), sie haben es
nicht besser verdient.
Indem der Sprecher die Wölfe (V. 23) statt der tatsächlichen Machthaber als
diejenigen benennt, die das Denken und Regieren übernehmen, also in der
Bildebene bleibt, bereitet er die Anrede „Ihr Lämmer“ (V. 28) in der 4. Strophe vor.
Lämmer, das sind einmal die Opfer aus der Fabel Äsops, das sind aber auch die
Kinder von Schafen und damit selber „Schafe“ (Schimpfwort!). Ihnen werden die
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Im Gedicht werden von einem anonymen Sprecher Leute angesprochen, die er als „Lämmer“ (V. 28) direkt anspricht; er setzt sich mit ihren Erwartungen auseinander und beschimpft sie als verlogen und dumm. Die beiden ersten Strophen leben von einer Spannung zwischen dem, was diese Leute erwarten (1. Str.), und dem, was sie tun (2. Str.) und womit sie ihre Erwartungen Lügen strafen. Was die Leute erwarten, wird in den Tiervergleichen angedeutet (V. 1-4) und parallel dazu zu den Machthabern gefragt (V. 5-6): Die Leute erwarten etwas „Unnatürliches“, Widersinniges: dass die Raubtiere keine Raubtiere seien, dass die Machthaber keine Macht ausüben. Das alles wird in rhetorischen Fragen zuerst bildhaft, dann allgemein vorgetragen. In den beiden letzten Versen der

  1. Strophe wird in einer vorwurfsvollen Frage die Quelle der falschen Erwartungen entlarvt: der verlogene Bildschirm, der Repräsentant der Bewusstseinsindustrie, wie HME sonst gelegentlich sagt. Wenn man darauf bloß blöd guckt (verbunden mit der Wendung „blöd aus der Wäsche gucken“), darf man sich nicht wundern, dass man Blödsinn erwartet. Diese Erwartungen der Leute vertragen sich nicht mit dem, was sie selber tun: beim Spiel der Machthaber (General und Wucherer als Repräsentanten) mitmachen, ihnen Beifall klatschen, sich von ihnen bestechen lassen (2. Str.). Das alles wird in rhetorischen Wer-Fragen vorgetragen, auf welche die Antwort „ihr selber!“ lauten muss. In der letzten Frage „wer lechzt nach der Lüge?“ wird die Verbindung zur 1. Strophe hergestellt: lechzen = gierig nach etwas verlangen: nach der Lüge, welche das Treiben der Machthaber beschönigt und damit das eigene Tun rechtfertigt. In dem Kontrast „viel Bestohlene – wenig Diebe“ (V. 16) wird die Möglichkeit angedeutet, dass man die Verhältnisse ändern könnte, wenn man (= viele) es nur wirklich wollte. Neben den Konkreta in der 2. Strophe (Blutstreif, Kapaun, Blechkreuz [militär. Orden], Trinkgeld, Schweigepfennig, Silberling: der biblische Judaslohn, vgl. Mt 26,15) fallen in beiden Strophen die Häufungen der Fragen auf. Gelegentlich spricht der Sprecher in Alliterationen (z, V. 4; P, V. 6, l, V. 19). Den Zeilenschnitt müsste man gesondert untersuchen; dass das Fragewort „Wer“ nicht in der Zeile der Frage steht (Enjambement), beschleunigt das Sprechen und zeigt die Wut des Sprechers an: Wütend schleudert er seine Vorwürfe den Leuten an den Kopf. Mit der Aufforderung „Seht in den Spiegel“ (V. 20) setzt er erneut an: Er charakterisiert die Leute, indem er beschreibt, was sie im Spiegel von sich selbst sehen könnten; sie scheuen die Mühen der Aufklärung, lassen sich gern belügen. Der Nasenring ist das Instrument, an dem man den gezähmten Stier, den dressierten Bären herumführt und den Leuten sogar als „Schmuck“ tragen (V. 24 – damals dachte noch keiner ans modische Piercen). So werden die Leute beschimpft und verspottet: „jede Erpressung / ist für euch noch zu milde“ (V. 26 f.), sie haben es nicht besser verdient. Indem der Sprecher die Wölfe (V. 23) statt der tatsächlichen Machthaber als diejenigen benennt, die das Denken und Regieren übernehmen, also in der Bildebene bleibt, bereitet er die Anrede „Ihr Lämmer“ (V. 28) in der 4. Strophe vor. Lämmer, das sind einmal die Opfer aus der Fabel Äsops, das sind aber auch die Kinder von Schafen und damit selber „Schafe“ (Schimpfwort!). Ihnen werden die

Krähen und die Wölfe gegenübergestellt. Für die Krähe muss man nicht auf eine symbolische Bedeutung schielen, sondern an das Sprichwort denken, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt – ihr dagegen blendet euch gegenseitig, sagt der Sprecher (V. 30); und die Wölfe jagen solidarisch in Rudeln (V. 31-33), während bei euch – so ist sinngemäß zu ergänzen – jeder nur seinen eigenen Vorteil im Auge hat. Die Tiere also sind wie Schwestern und Brüder zueinander, die Menschen aber wie Tiere: homo homini lupus. In der letzten Strophe wird diese vorwurfsvolle Beschimpfung abgeschlossen, wiederum im Kontrast zwischen den Räubern und den Leuten: Jene werden gepriesen, diese werden entlarvt: Gehorsam der Unmündigkeit, Lügen statt Aufklärung, das zeigt: „Zerrissen / wollt ihr werden.“ (V. 38 f.) Damit ist klar, dass die Erwartungen der Leute (1. Str.) widersinnig, dass ihre Vorwürfe gegen Wölfe und Machthaber nicht begründet sind: begründet in einem Tun, im Kampf um Freiheit. Im letzten Satz wird das endgültige Urteil über die „Lämmer“ gesprochen, die zweimal durch das Pronomen „ihr“ am Versende pointiert gegen die gepriesenen Räuber abgesetzt werden. „Ihr / ändert die Welt nicht.“ (V. 39 f., vgl. V. 34 f.) Hier wird die Erwartung des Sprechers implizit vorgetragen, dass es nämlich – wie Marx in der 11. These über Feuerbach gesagt hat – darauf ankommt, die Welt zu verändern; diese Behauptung macht der Sprecher sich zu eigen. Zugleich schließt er sie mit seiner Beobachtung kurz, dass die Lämmer-Leute bloß irgendwelche „schönen“ Erwartungen an die Welt herantragen, dass diese besser werde, frei von Ausbeutung und Räuberei: Indem sie solches bloß wünschen und heimlich oder offen bei den Räubern mitmachen, ist ihre Hoffnung als illusorisch demaskiert. „Zerrissen / wollt ihr werden.“ (V. 38 f.); denn ihr tut nichts gegen das von euch Beklagte, nichts für das von euch Erhoffte.