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Leitfäden und Tipps
Leitfäden und Tipps

Mitschrift - Entdeckung der Gesellschaft, Mitschriften von Soziologie

Mitschrift der Vorlesung Entdeckung der Gesellschaft im Bachelor Soziologie TU Dresden Zusammenfassung der Theorien einzelner Soziologen

Art: Mitschriften

2019/2020

Hochgeladen am 20.09.2022

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Mitschrift Entdeckung der Gesellschaft
Inhaltsverzeichnis
Vorlesung 1 .............................................................................................................................................. 5
Einführung in die Thematik ................................................................................................................. 5
Leitfragen der Vorlesung ..................................................................................................................... 7
Vorlesung 2 Machiavelli und Hobbes ................................................................................................. 10
Ordnungsschwund und Individualismus: Frühmoderne Problematisierung sozialer Ordnung ........ 10
Vorüberlegungen zum frühmodernen Ordnungsproblem ............................................................ 10
Einordnung Machiavelli und Hobbes ............................................................................................ 10
Machhiavelli ...................................................................................................................................... 13
1. Gesellschaftliche Anlässe - Problembezüge .......................................................................... 13
2. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik) ......................................................................... 14
3. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion) .................................................................................. 14
4. Einordnung in die Geschichte der Soziologie ........................................................................ 15
5. Anschlüsse späterer Theorien (Theoriebezüge) .................................................................... 15
Hobbes ............................................................................................................................................... 16
Zur Einordnung von Hobbes „Leviathan“ - 1651 ........................................................................... 16
1. Gesellschaftliche Anlässe - Problembezüge .......................................................................... 17
2. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik) ......................................................................... 18
3. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion) .................................................................................. 18
4. Einordnung in die Geschichte der Soziologie ........................................................................ 19
5. Anschlüsse späterer Theorien (Theoriebezüge) .................................................................... 19
Vorlesung 3 ............................................................................................................................................ 20
Vertragstheorien zu Eigentum Überblick und Einordnung ............................................................ 20
Zur Aufklärung im 18. Jahrhundert ............................................................................................... 20
Johne Locke: Vergleich Thomas Hobbes ....................................................................................... 21
Grundgedanken von Locke ............................................................................................................ 21
Jean-Jacques Rousseau: Französischer Absolutismus ................................................................... 23
Grundgedanken bei Rousseau ....................................................................................................... 23
John Locke ......................................................................................................................................... 24
1. Gesellschaftliche Anlässe - Problembezüge .......................................................................... 24
2. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik) ......................................................................... 24
3. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion) .................................................................................. 25
4. Einordnung in die Geschichte der Soziologie ........................................................................ 26
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Mitschrift – Entdeckung der Gesellschaft

  • Vorlesung Inhaltsverzeichnis
    • Einführung in die Thematik
    • Leitfragen der Vorlesung
  • Vorlesung 2 – Machiavelli und Hobbes
    • Ordnungsschwund und Individualismus: Frühmoderne Problematisierung sozialer Ordnung
      • Vorüberlegungen zum frühmodernen Ordnungsproblem
      • Einordnung Machiavelli und Hobbes
    • Machhiavelli
        1. Gesellschaftliche Anlässe - Problembezüge
        1. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik)
        1. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion)
        1. Einordnung in die Geschichte der Soziologie
        1. Anschlüsse späterer Theorien (Theoriebezüge)
    • Hobbes...............................................................................................................................................
      • Zur Einordnung von Hobbes „Leviathan“ -
        1. Gesellschaftliche Anlässe - Problembezüge
        1. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik)
        1. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion)
        1. Einordnung in die Geschichte der Soziologie
        1. Anschlüsse späterer Theorien (Theoriebezüge)
  • Vorlesung
    • Vertragstheorien zu Eigentum – Überblick und Einordnung
      • Zur Aufklärung im 18. Jahrhundert
      • Johne Locke: Vergleich Thomas Hobbes
      • Grundgedanken von Locke
      • Jean-Jacques Rousseau: Französischer Absolutismus
      • Grundgedanken bei Rousseau.......................................................................................................
    • John Locke
        1. Gesellschaftliche Anlässe - Problembezüge
        1. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik)
        1. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion)
        1. Einordnung in die Geschichte der Soziologie
        1. Anschlüsse späterer Theorien (Theoriebezüge)
    • Jean-Jacques Rousseau
        1. Gesellschaftliche Anlässe - Problembezüge
        1. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik)
        1. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion)
        1. Einordnung in die Geschichte der Soziologie
        1. Anschlüsse späterer Theorien (Theoriebezüge)
  • Vorlesung
    • Wirtschaft als gesellschaftliches System
        1. Zur Einführung: Wirtschaft als gesellschaftliches System
        1. Ökonomie und Absolutismus und Frankreich
        1. Die Physiokraten....................................................................................................................
        1. Ökonomische Rahmenbedingungen in Großbritannien im 18 Jhd.
        1. Adam Smith
    • Wirtschaft als Kreislauf von Gütern und Geld bei den Physiokraten
        1. Gesellschaftliche Anlässe – Problembezüge
        1. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik)
        1. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion): Das „Tableau économique“
        1. Einordnung in die Geschichte der Soziologie
        1. Anschlüsse späterer Theorien (Theoriebezüge)
    • Adam Smith: „Sympathy“ und Arbeitsteilung
        1. Gesellschaftliche Anlässe - Problembezüge
        1. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik)
        1. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion)
        1. Einordnung in die Geschichte der Soziologie
        1. Anschlüsse späterer Theorien (Theoriebezüge)
  • Vorlesung
    • Karl Marx: Reproduktion und Aufhebung der kapitalistischen Gesellschaft
        1. Gesellschaftliche Anlässe - Problembezüge
        1. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik)
        1. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion)
        1. Einordnung in die Geschichte der Soziologie
        1. Anschlüsse späterer Theorien (Theoriebezüge)
  • Vorlesung
    • Auguste Comte
        1. Gesellschaftliche Anlässe – Problembezüge
        1. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik)
        1. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion)
        1. Einordnung in die Geschichte der Soziologie
        1. Anschlüsse späterer Theorien (Theoriebezüge)
  • Vorlesung
    • Émile Durkheim: Soziologie als Krisenwisenschaft
        1. Gesellschaftliche Anlässe - Problembezüge
        1. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik)
        1. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion)
        1. Einordnung in die Geschichte der Soziologie
        1. Anschlüsse späterer Theorien (Theoriebezüge)
  • Vorlesung
    • Soziologie........................................................................................................................................... Theorie Ferdinand Tönnies: „Gemeinschaft und Gesellschaft“: Analyse und Nostalgie in seiner
        1. Gesellschaftliche Anlässe - Problembezüge
        1. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik)
        1. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion)
        1. Einordnung in die Geschichte der Soziologie
        1. Anschlüsse späterer Theorien (Theoriebezüge)
  • Vorlesung
    • Georg Simmel und die Ambivalenzen moderner Vergesellschaftung
        1. Gesellschaftliche Anlässe - Problembezüge
        1. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik)
        1. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion)
        1. Einordnung in die Geschichte der Soziologie
        1. Anschlüsse späterer Theorien (Theoriebezüge)
  • Vorlesung 10..........................................................................................................................................
    • Max Weber
        1. Gesellschaftliche Anlässe - Problembezüge
        1. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik)
        1. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion)
        1. Einordnung in die Geschichte der Soziologie
        1. Anschlüsse späterer Theorien (Theoriebezüge)
  • Problembezüge im Vergleich............................................................................................................... Vorlesung 11 - Die Entstehung der Soziologie in den USA – Europäische und US-amerikanische
    • Einführung: Die US und die Soziologie
      • Eckpunkte der US-amerikanischen Geschichte
      • Einige Charakteristika der Gesellschaft in den USA
      • Amerikanische Sozialtheorie um 1900 – prägende Einflüsse......................................................
    • George Herbert Mead – eine amerikanische Sozialtheorie
      • Grundgedanken
      • Biografisches................................................................................................................................
      • Anregungen durch andere Theorien
      • Zentrale Begriffe und Argumente
      • Spätere Anschlüsse im symbolischen Interaktionismus: Blumer
    • Reportage Die „Chicago School“ – die Entstehung der amerikanischen Sozialforschung aus dem Geist der
      • Entstehungskontext und Problembezüge
      • Tragende Personen und ihre Hintergründe
      • Themen und Arbeitsfelder der Chicago School
      • Robert E. Park, die Soziologie als Reportage und der „marginal man“
  • Vorlesung 12 – Fazit
    • Durchgang durch die behandelten Autoren....................................................................................

Vorlesung 1

Einführung in die Thematik

Orientierung im Zeitverlauf

  • Die in der Vorlesung vorgestellten Theorien entstammen einem Zeitraum von ca. 450 Jahren o Von ca. 1500 bis ins 20. Jhd.
  • Die Soziologie als Fach entsteht erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts; der Begriff „Soziologie“ stammt von Auguste Comte (Mitte des 19. Jahrhunderts)
  • Die Entstehung des Gegenstandes der Soziologie - der moderne Gesellschaft - ist jedoch weitaus früher anzusetzen
  • Und es gab auch vor der Entstehung des Faches und des Begriffs Soziologie Theorien, die die Entstehung dieser neuartigen Gesellschaftsformation beschrieben und in ihren Konsequenzen reflektierten
  • Ziel der Vorlesung: Theorien der (modernen) Gesellschaft im historischen Kontext der Herausbildung der modernen Gesellschaft verstehen o 2 Ebenen: ▪ Theorien im Entstehungszusammenhang → Theoriegeschichte zum Gegenstand „Gesellschaft“ ▪ Untersuchung der Gesellschaft in der Theorien entstanden sind → gesellschaftlicher Kontext
  • Dazu ist eine Orientierung im historischen Zeitverlauf erforderlich Orientierung in der globalen Dimension
  • Die moderne Gesellschaft scheint auf den ersten Blick i n Europa zu entstehen und sich dann im Verlauf von Entdeckungsreisen, Kolonialisierung und Globalisierung der Wirtschaft über den Globus zu verbreiten (geläufige Ansicht) o Einseitige Darstellung: Dies setzt die Annahme voraus, dass die moderne Gesellschaft allein in Europa – ohne jeden Bezug zum Rest der Welt – entsteht, und sich dann ausbreitet ( Keine „laborhafte Ausbrütung in Europa ) o Dagegen: Die Expansion Europas und seine sozioökonomische Dominanz über hunderte von Jahren ist auch eine Voraussetzung dafür, dass die moderne Gesellschaft in Europa entstehen konnte (Also durch Kolonialisierung beispielsweise)
  • Auch wenn die Vorlesung sich auf den Nachvollzug einer europäischen und US-amerikanischen Theoriegeschichte konzentriert, muss dies immer mitreflektiert werden
  • Zusätzlich sind auch die regionalen Unterschiede in den Ländern des „Westens“ zu berücksichtigen, in denen die „Modernisierung“ unterschiedliche Erscheinungsformen und auch Theorien hervorbrachte
  • Daraus folgt: o 1. Kontextualisierung in koloniale Verstrickung und Globalisierung notwendig o 2. Unterscheidung zwischen verschiedenen Ländern in Europa notwendig
  • Zweites zentrales Ziel der Vorlesung: Es soll gezeigt werden, dass die Theorien auf jeweils älteren aufbauten (aufnehmend, modifizierend, abgrenzend). Auch in neueren Theorien werden ältere Begriffe und Modelle aufgegriffen.
  • Drittes zentrales Ziel der Vorlesung: Es soll an exemplarischen Fällen gezeigt werden, wie Theorien miteinander verglichen werden können. Sie sollen damit befähigt werden, die erworbenen Kenntnisse über die Theoriegeschichte auch für Ihre eigenen Fragestellungen zu nutzen.
  • Einschränkungen: o Der Zeitraum ca. 1500 bis Anfang 20. Jahrhundert ist sehr lang und deckt die Entstehungsphase der modernen Gesellschaft ab. Sicher wäre es auch möglich, bereits in der Antike zu beginnen und kulturvergleichend andere alte Hochkulturen (China, Indien, Maya, Inka u.v.m.) einzubeziehen. Oder jene Weltregionen stärker zu berücksichtigen, die seit der frühen Moderne unter europäische Dominanz geraten sind (Kolonialismus). Aber dann würde die Vorlesung drei Semester dauern. o Von daher haben wir uns so gut wie ausschließlich mit männlichen Autoren aus Europa und den USA beschäftigt. Das bildet ab, von wem und wo die (vor-) soziologischen Gesellschaftstheorien geschrieben wurden. Es ist wichtig, das als Begrenzung zu reflektieren. Aber wenn die Entdeckung des Gesellschaftsbegriffs und die Entstehung der Soziologie um 1900 herum der Gegenstand der Vorlesung ist, können wir kaum anders vorgehen. o In den neueren soziologischen Theorien (seit dem 20. Jhd.) wird dies z.T. stärker reflektiert. Es treten auch neue Stimmen aus dem globalen Süden auf. Dies wird in der Vorlesung „Theorien der Gesellschaft und des Sozialen“ im Sommersemester behandelt.

Leitfragen der Vorlesung

0. Übergreifende Frage

  • Wie konnte es dazu kommen, dass die Soziologie sich im späten 19. Jahrhundert als Fach etabliert? o Soziologie als soziale Tatsache: „Soziologie der Soziologie“ o Moderne Gesellschaft als Gesellschaftstyp, der ▪ Spezifische Arten von Problemen hervorbringt ▪ Eine spezifische Art von Erklärungen für diese Probleme hervorbringt o Die Theorien der Gesellschaft sind unter besonderen gesellschaftlichen Umständen entstanden (→ Kenntnis dieser Umstände hilft, die Theorien besser zu verstehen) o Theoriegeschichte (Erklärung der G.) und Gesellschaftsgeschichte (Anlässe der T.) ergänzen einander
  • Übergreifende Frage nach den gesellschaftlichen Bedingungen der Möglichkeiten des soziologischen Denkens o Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass sich die Soziologie als wissenschaftliches Fach etabliert hat? o Konnte nur in moderner Gesellschaft entstehen, in traditionellen Gesellschaften gibt es keine Soziologie ▪ ACHTUNG: Moderne Gesellschaft ist nicht besser, sondern nur anderes 1. Gesellschaftliche Anlässe - Problembezüge
  • Welche Anlässe haben soziologisches Denken (und Gesellschaftstheorien vor Fachgeschichte) hervorgebracht?
  • Was ist in der Gesellschaft los, dass es eine neue Theorie gibt? Welche Krisen, warum Erklärung dafür? o Offen ausgetragene Kämpfe zwischen sozialen Gruppen und Parteien: z.B. Bürgerkriege, Revolten, Klassenkämpfe ▪ Theorien dann darüber: „Wieso?“, Mechanismen o Konfessionelle und weltanschauliche Gegensätze (Ideologien) o Sozialstrukturelle Umwälzungen: soziale Gruppen verändern ihre angestammte Stellung (erstrebt oder erlitten) oder bilden sich neu o Neue Formen des sozialen Verkehrs (Geld, Recht, Medien), damit Ausweitung und Änderung der Verflechtungsbeziehungen ▪ Immer mehr Menschen hab in neuen Formen miteinander zu tun o Ökonomische Krisen und deren soziale Folgen o Begegnung mit anderen Kulturen (‚Eroberung, Mission, Zivilisierung‘ versus Relativierung des Eigenen durch Kontakt) ▪ Eigenes „Selbstverständliches“ hinterfragen o Verbreitung neuer Verhaltens- und Subjektformen (moral-indifferente Interessensverfolgung (Z.B. wirtschaftlicher Egoismus), „protestantische Ethik“, Egalitarismus, Selbstentfaltung)
  • Ereignisse stellen bisherige Ordnungsvorstellungen in Frage
  • Teilfrage nach den gesellschaftlichen Anlässen der neuen Denkweise 2. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik)
  • Worin unterscheidet sich soziologisches Denken von anderen Deutungen des menschlichen Zusammenlebens? o Handeln und soziale Beziehungsformen werden nicht danach beurteilt, ob sie einer vorab bekannten Moral oder einer Wesensbestimmung der Handlungsrolle entsprechen ▪ Bsp. zur Abgrenzung: Aristoteles (Politik, Buch VII) → normative Orientierung an „Bester Lebensform“ ▪ Kap. 1):„Wer die beste Verfassung … untersuchen will, mußz uerst bestimmen, welche Lebensform am erstrebenswertesten ist“ ▪ (Kap. 7): „Handwerker gehören … nicht zum Staat und auch sonst keine Gruppe, deren Tätigkeit nicht gute menschliche Qualität hervorbringt“
  • Im (proto-)soziologischen Denken wird im Gegensatz dazu nach Erklärungen gesucht, weshalb derart gehandelt wird (gibt es wiederkehrende Muster, Gesetzmäßigkeiten etc.)
  • Nicht die Be- oder Verurteilung, sondern Suche nach gesellschaftlichen Bedingungen, Regelmäßigkeiten, Eigenlogikendes Handelns
  • Teilfrage nach den Unterschieden des soziologischen Denkens zu älteren Theorien und Deutungen des menschlichen Zusammenlebens (Spezifik der soz. Theorien) o Was ist das Besondere am soziologischen Denken über moderne Gesellschaft 3. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion)
  • Welche Begriffe, Erklärungen, Modelle schlagen die Theorien jeweils vor, um neue gesellschaftliche Problemlagen zu beschreiben, zu verstehen und zu erklären? o Herausarbeiten der (v.a. für die spätere Rezeption relevanten) zentralen und neuen Beobachtungen, der Kernargumente und Schlüsselbegriffe der jeweiligen Autoren o Aufzeigen, wie die Problembezüge (Kontextbedingungen) in einer systematischen Argumentation verdichtet erfasst, gedeutet und erklärt werden

Vorlesung 2 – Machiavelli und Hobbes

Ordnungsschwund und Individualismus: Frühmoderne Problematisierung sozialer

Ordnung

Vorüberlegungen zum frühmodernen Ordnungsproblem

  • Gegenüberstellung: klassische Form der Ordnung vs. moderne Form der Ordnung (in Bernhard Waldenfels: Ordnung im Potentialis. Zur Krisis der europäischen Moderne, in: des.: Der Stachel des Fremden, Frankfurt/M. 1990, S. 18)
  • Klassische Form der Ordnung; o a) Dem Menschen vorgegeben o b) Allumfassend o c) Mehr oder weniger fest umgrenzt o d) In ihren Grundzügen repetitiv o Eine radikale Form der Änderung kann es nicht geben, außer im Sinne von Verfall und Wiederherstellung (Reiche und Dynastien entstehen, steigen auf, werden dekadent, werden von neuen Reichen abgelöst) o Denn zu dieser allumfassenden Ordnung gibt es keine Alternative als das Chaos, das, gemessen an der Ordnung, buchstäblich nichts ist. ▪ Plastischen Ausdruck fand diese Gesamtordnung, die Welt, Leben und Gesellschaft umgreift: - Im griechischen Kosmos - Im mittelalterlichen Ordo - In den nötigen Abänderungen auch außerhalb Europas: altchinesischen Li oder Tao (Max Weber: Ausdrucksformen eines „religiösen Rationalismus“) ▪ → Klassische Ordnung umgreift sehr viel, sehr global. Es wird sehr viel Unterschiedliches auf eine Stufe gestellt, um was andere abgrenzen zu können
  • Neue Form der Ordnung (als modern bezeichnet) o Bricht sich Bahn, wenn Verdacht aufkommt, die unverbrüchlich und allumfassende Ordnung sein nur eine unter möglichen anderen o Vergleich Thesen von Denkern der Neuen Ordnung wäre für Vertreter der Alten Ordnung nicht nur falsch sondern sinnlos ▪ Descartes: Gott hätte auch eine andere Mathematik schaffen können ▪ Hobbes: Funktion und Bestand der politischen Ordnung hat nichts mit Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit zu tun ▪ Für Platon, Aristoteles oder Thomas von Aquin sinnlos o These: Wechselwirkung zwischen Neuem Denken, welches beeinflusst ist durch gesellschaftliche Veränderung, welche wiederum durch Neues Denken beeinflusst wird

Einordnung Machiavelli und Hobbes

  • Machiavelli wirkt in der Repuplik Florenz o Italien ist kein Nationalstaat, Gebiet ist Flickenteppich aus politischen Einheiten o Siehe Südwesteuropa um 1500
  • Hobbes ist aus England o England ist homogener Staat o Im deutschsprachigen Raum kein Nationalstaat

o Siehe Nordwesteuropa um 1600 Eine Machtanalyse jenseits der Moral: Machiavelli

  • Niccolò Machiavelli (1469-1516) lebt während der Renaissance (Widergeburt des antiken Wissens)
  • Der Fürst o Ruf: Machiavelli tritt ohne jede Moral für den Stärkeren und Schlaueren ein → Nützlichkeitskalkül statt Moral o Ziel des Buches: Prinzipien der Politik ergründen und Fürst Maximen zum Machterhalt liefern o Legitimation für Herrschaft ist der Erfolg sonst nichts o Vorbild: Cesare Borgie (1475-1597), Papstsohn, Kardinal, Erzbischof, Herzog und Fürst von vielen pol. Einheiten ▪ Bewunderung von Machiavelli für konsequente Strategien und Skrupellosigkeit
  • Wichtiger vorsoziologischer Denker mit empirischen Beobachtungen und rationaler Analyse o Machiavellis Wirkung ist enorm, weil sich seine Nachfolger an ihm kritisch aarbeiten müssen
  • Regeln für Machthaber nur im Spiel gegeneinander o Rechtfertigung nur als Teil des Spiels, nicht in Moral oder Begründung des guten Menschen o Um erfolgreich zu sein, muss man beobachten wie faktisch gehandelt wird und nicht wie gehandelt werden soll o → Zugang ist amoralisch und realistisch
  • Beruft sich auf Antike und Realität
  • Frage: Welche Regelmäßigkeiten weißt das soziale Handeln unter komplexen Bedingungen auf?
  • Ausgewählte Maxime aus Machiavellis „der Fürst“ o Je nach Situation soll der Fürst Schrecken oder Milde walten lassen o Strenge ist meistens effektiver, aber Freundlichkeit manchmal angebrachter o Man sollte als Fürst Furcht, aber keinen Hass verbreiten, denn der wird einen am Ende zerstören o Man solle die Leute lieber arm und in Erwartung von Kriegen halten, denn das hilft gegen die beiden Feinde des Gehorsams, Ehrgeiz und Langeweile. o Konkurrenz und Spaltung zwischen Gruppen und Parteien ist wünschens-wert, denn sie setzen Energie und Ehrgeiz im richtigen Maße frei o Religion muss gefördert werden, auch wenn sie falsch ist, vorausgesetzt sie ist von der Art, dass sie den Zusammenhalt und die Tugenden fördert o Wohltaten sollte man selbst verteilen, die schmutzige Arbeit hingegen andere erledigen lassen o Wenn der Fürst ein Verbrechen begehen muss, sollte es nicht vorher angekündigt werden o Wenn er drastisch handeln muss, so sollte dies schnell und auf einen Schlag geschehen o Er sollte sich nicht mit zu mächtigen Bediensteten umgeben o Herrscher müssen in ständiger Erwartung des Krieges leben o Erfolg verschafft mehr Zuneigung als ein angenehmer Charakter
  • Kontroverse Einordnung von Machivallis „Der Fürst“ durch spätere Autoren o Satire, d.h. meint das Gegenteil (A. Gentile, G. Mattingly)

Machiavelli und Hobbes: Ausgangspunkte im Vergleich

  • Gemeinsamkeiten: o ‚ negatives Menschenbild ‘, das heißt Annahme, dass ethische Regeln das Handeln nicht bestimmen. o Abkehr von älteren, ethischen und teleologischen (ziel-oder zweckorientierten) Deutungen des Sozialen ▪ „Gut nennt der Mensch jedweden Gegenstand seiner Neigung, böse aber alles, was er verabscheut und haßt, schlecht das, was er verachtet. Es müssen als die Ausdrücke gut, böse und schlecht nur mit Bezug auf den, der sie gebraucht, verstanden werden…“ (Hobbes: Leviathan, Teil I Kap. VI) o Eigeninteresse als Ausgangspunkt
  • Unterschiede: o Machiavelli: Recht des Fürsten liegt in Stärke, will Ratgeber sein (praktisch) o Hobbes: sucht Legitimation (absoluter) Herrschaft, theoretische Frage

Machhiavelli

1. Gesellschaftliche Anlässe - Problembezüge

  • Machiavellis Machtanalyse reflektiert die verwickelte Situation in Italien um 1500 o Viele kleine Staaten, keine politische Einheit o Stadtrepubliken dominiert von Familien, boten künstlerische und wissenschaftliche Freiheit ▪ Wiederaneignung des antiken Wissens stand im Mittelpunkt ( Renaissance ) ▪ Geistige Erneuerung nach finsteren Mittelalter ▪ Machiavelli lernte früh in der Bibliothek der Familia anhand der klassischen antiken Autoren (röm. Und griech. In lat. Übersetzung) o Waren zunächst reich, Handelsstädte – mit Überseehandel durch Spanien gerät jedoch auch Italien unter Druck (Levante)
  • Politische Instabilität , viele wechselnde Koalitionen vieler Parteien, ständig drohende Kriege und Konflikte o Florenz wird dominiert von Medicii (reiche Familie) o Immer wieder bürgerkriegsähnliche Ausschreitungen bei Verschwörung anderer Familien o Machiavellis Amtszeit während Medici nicht an der Macht waren ▪ Rat der Stadt wollte Neuanfang, um Medici außen vor raus halten zu können o Machiavelli, war jung, aus machtlosen Familie und war gegen Medici
  • Diskrepanz zwischen republikanischer und christlich-frommer Propaganda und tatsächlichem Handeln der politischen Parteien und Gruppen
  • Problem des Fürstenstaates: Erhalten der Macht gegenüber anderer Staaten und Ausübung und Legitimierung von herrscht im Inneren des Staates
  • Machiavelli selbst war (sehr wahrscheinlich – allerding umstritten) Republikaner, aber zog eine stabile Fürstenherrschaft einer instabilen Republik vor → sehr spekulativ
  • Machiavelli versucht die Regeln eines Spiels ohne festgelegte Spielregeln zu beschreiben, um stabile Verhältnisse zu ermöglichen o „Viele haben sich Republiken oder Fürstentümer vorgestellt, die nie jemand gesehen oder tatsächlich gekannt hat; denn es liegt eine so große Entfernung zwischen dem Leben, wie es ist, und dem Leben, wie es sein sollte, dass derjenige, welcher das, was geschieht, unbeachtet lässt zugunsten dessen, was geschehen sollte, dadurch eher seinen Untergang als seine Erhaltung betreibt; denn ein Mensch, der sich in jeder Hinsicht zum Guten bekennen will, muss zugrunde gehen inmitten von so vielen anderen die nicht gut sind. Daher muss ein Fürst, wenn

er sich behaupten will, die Fähigkeit erlernen, nicht gut zu sein, und diese anwenden oder nicht anwenden, je nach dem Gebot der Notwendigkeit.“ (Machiavelli: Der Fürst, S. 66f.) o Abgrenzung von nur moralisierenden Perspektiven, weil sonst Analyse aus dem Blick gerät

2. Unterschiede zu älteren Theorien (Spezifik)

  • Fürstenspiegel : Handbücher für Herrscher (z.B. Th.v. Aquin: „Über das Königtum“, 13. Jhd. (sehr alt)) o zählen Tugenden auf, die zu erstreben und Laster, die zu vermeiden sind für Herrscher (moralkonform) o Tenor: Alles Handeln soll nach Höherem streben und die Seele ist wichtiger als der Staat
  • Humanismus: Abgrenzung von Scholastik und Mittelalter, Wiederentdeckung der Antike, von ihr abgeleitetes idealisiertes Menschenbild o Machiavelli grenzt sich teilweise ab, wegen des idealisierten Menschenbilds und der Strömung, die einen alternativen Tugendkatalog zum christlichen aus Antike entwickeln wollen
  • Machiavelli: Die für die Fürstenspiegel und humanistischen Traktate typische Einheit von sittlich Gutem und politisch Nützlichem, Tugend und Erfolg, Ethik und Politik wird gesprengt o → Von der Moralphilosophie der Politik zur „Technik“ der Politik o Wie funktioniert Politik? Welche Mechanismen wirken?
  • Fortuna: Launen des Schicksals, Konsequenz für die meisten mittelalterlichen Denker war Konzentration auf das Jenseits (klassisches, scholastischen Verständnis) o Neues humanistisches Denken : Besonnenheit (prudentia) kann Fortuna besiegen (Pontano „Vom Schicksal“, Moore „The book of fortune“, beide um 1500) o Machiavelli: Fortuna kann durch Besonnenheit (prudentia) besiegt werden: das Schicksal ist kalkulierbar. Kontingente Bedingungen des Handelns unter den veränderlichen Gegebenheiten der Zeit (qualità die tempi) o (ich halte es für wahrscheinlich) „dass Fortuna zwar zur Hälfte Herrin über unsere Taten ist, dass sie aber die andere Hälfte oder beinahe so viel unserer Entscheidung überlässt. Ich vergleiche sie mit einem jener reißenden Ströme, die, wenn sie im Zorn anschwellen, die Ebenen überfluten, Bäume und Häuser niederreißen (…). Obwohl die Ströme eine so wilde Natur haben, bleibt doch den Menschen in ruhigen Zeiten die Möglichkeit, mit Deichen und Dämmen Vorkehrungen zu treffen, so dass die Ströme, wenn sie wieder anschwellen, entweder in ihrem Flussbett bleiben oder ihre Gewalt nicht so unbändig und verheerend ist.“ (Machiavelli: Der Fürst, S. 105.) ▪ „Fortuna“: Häufig von Macchiavelli, neu gewendet neu benutzt ▪ Jenseits des Schicksals, das Leben durch Kalkulierbares politische Handeln beeinflussen kann → Dammbau als Symbol für menschl. Vernunft der das Schicksal bezähmt ▪ Denkt die Bedingungen unseres Handeln als kontingent (alles könnte auch anders geschehen) → deswegen müssen die Bedingungen immer neu analysiert werden

3. Begriffe, Argumente (Rekonstruktion)

  • Virtus, virtú , = persönliche Tüchtigkeit, Tugend (einzelne kann sich durch pers. Tüchtigkeit über Minderwertigkeit des Menschen hinwegsetzen)

o Bodin, Hobbes : konzentrieren sich auf Legitimierung von Herrschaft o Machiavelli: „Zustand der Unordnung“, Hobbes: Naturzustand - „Krieg aller gegen alle“ o Im Gegensatz zu Machiavelli: harmonische Fügung der Einzelinteressen im Markt bzw. Nutzenkalkül (Ökonomie) – kein Kampf bis auf letztes wie bei Machiavelli

  • B. Anschlüsse in der Soziologie: o Elitensoziologie als Analyse politischer Herrschaftswechsel (Pareto) o Moral nicht aufgrund ihrer Inhalte, sondern aufgrund ihrer sozialen Bindewirkung wichtig (Durkheim) o „Ideologien“ als gesellschaftlich wirksame Phänomene (Marx: „notwendig falsches Bewusstsein“, Wissenssoziologie/Mannheim: „Standortgebundenheit des Denkens“) o Gesellschaftliche Entstehungsgründe und - kontexte von Moralvorstellungen (Nietzsche: „Genealogie der Moral“, Weber „Wirtschaftsmoral“, Foucault)

Hobbes

Zur Einordnung von Hobbes „Leviathan“ - 1651

  • Hobbes (1588-1679) hat Galileo Galilei sowie Descartes kennengelernt
  • Absicht: die absolutistische Herrschaft des Königs mit den neuesten wissenschaftlichen Methoden zu begründen
  • Leviathan ist die oberste Macht des Staates verkörpert durch den Herrscher – zusammengesetzt aus ganz vielen kleinen Menschen „Die Natur oder die Weisheit, welche Gott in der Hervorbringung oder Erhaltung der Welt darlegt, ahmt die menschliche Kunst so erfolgreich nach, daß sie unter anderen Werken auch ein solches liefern kann, welches ein künstliches Tier genannt werden muß. Denn da das Leben doch nichts anderes ist als eine Bewegung der Glieder […] - warum sollte man nicht sagen können, daß alle Automaten oder Maschinen, welche wie z.B. die Uhren durch Federn …. In Bewegung gesetzt werden, gleichfalls ein künstliches Leben haben? Ist das Herz nicht als Springfeder anzusehen? Sind nicht die Nerven ein Netzwerk und der Gliederbau eine Menge von Rädern […]? Der große Leviathan (so nennen wir den Staat) ist ein Kunstwerk oder künstlicher Mensch – obgleich an Umfang und Kraft weit größer als der natürliche Mensch, welcher dadurch geschützt und glücklich gemacht werden soll.“ (Hobbes: Leviathan (Einleitung))
  • Menschliche Kunst, die Gott geschaffen hat, bleibt Menschenwerk und kann ein „künstliches Tier“ schaffen, welches aus einem Mechanismus zusammengesetzt ist
  • Staat wird vorgestellt als ein Mechanismus vergleichbar mit einer Uhr, besteht aus vielen kleinen Rädern die zusammengreifen
  • Staat ist künstlich (menschengemacht)
  • Funktion ist der Schutz – soll kleine Menschen schützen „Der Leviathan ist derjenige, welcher die höchste Gewalt besitzt, gleichsam die Seele, welche den ganzen Körper belebt und in Bewegung setzt; die Obrigkeiten und Beamten stellen die künstlichen Glieder vor; die von der höchsten Gewalt abhängenden Belohnungen und Bestrafungen, wodurch jeder einzelne zur Erfüllung seiner Obliegenheiten angehalten wird, vertreten die Stellen der Nerven; das Vermögen einzelner Personen ist hier die Kraft, so wie das Glück des Volkes das allgemeine Geschäft; die Staatsmänner […] sind das Gedächtnis; Billigkeit und Recht eine künstliche Vernunft; Einigkeit ist gesunder, Aufruhr hingegen kranker Zustand und Bürgerkrieg der Tod. Die Verträge endlich, welche die Teile dieses Staatskörpers verbinden, sind jenem bei Erschaffung der Welt von Gott gebrauchten Machtworte gleich: Es werde oder laßt uns Menschen machen.“ (Hobbes: Leviathan (Einleitung))
  • Zusammensetzung des Staates wird bildhaft beschrieben
  • Nicht mehr das Uhrwerk, sondern der menschliche Körper ist der Vergleichsmaßstab o Wichtige metaphorische Quelle: Körper des Menschen

„Die Natur hat den Menschen sowohl hinsichtlich der Körperkräfte wie der Geistesfähigkeiten untereinander gleichmäßig begabt; und wenngleich einige mehr Kraft oder Verstand besitzen, so ist der hieraus entstehende Unterschied im ganzen betrachtet dennoch nicht so groß, daß der eine sich diesen oder jenen Vorteil versprechen könnte, welchen der andere nicht auch zu erhoffen berechtigt sei. Bezüglich der körperlichen Kraft wird man gewiß selten einen so schwachen Menschen finden, der nicht durch List oder in Verbindung mit anderen, die mit ihm in der gleichen Gefahr sind, auch den stärksten töten könnte.“ (Hobbes: Leviathan (Teil I. Kap. 13))

  • Hinter dem Vergleich steckt anthropologische Ausgangsthese
  • Grundlegend ist die gleiche Begabung und Ausstattung der Menschen in Summe
  • Anthropologische Gleichheit! – wichtiger Ausgangspunkt für Argumentation „Hieraus ergibt sich, dass ohne eine einschränkende Macht der Zustand der Menschen … ein Krieg aller gegen alle [sei]. […] Da findet sich kein Fleiß, weil kein Vorteil davon zu erwarten ist; es gibt keinen Ackerbau, keine Schiffahrt, keine bequemen Wohnungen, keine Werkzeuge höherer Art, keine Länderkenntnis, keine Zeitrechnung, keine Künste, keine gesellschaftlichen Verbindungen; statt dessen ein tausendfaches Elend; Furcht, gemordet zu werden, stündliche Gefahr, ein einsames, kümmerliches, rohes und kurz dauerndes Leben. […] Aus jedem Bürgerkriege erhellt, wie das menschliche Leben ohne einen allgemeinen Oberherren beschaffen wäre.“ (Hobbes: Leviathan (Teil I. Kap. 13)
  • Aus Gleichheit folgt Naturzustand mit „Krieg aller gegen alle!“ o Vergleich zu Bürgerkrieg
  • Oberherr als allgemeiner Friedenstifter [erstes natürliches Gesetz] „… im Naturzustande [besitzen] alle ein Recht auf alles, die Menschen selbst nicht ausgenommen. Solange daher dieses Recht gilt, wird keiner, sollte er auch der stärkste sein, sich für sicher halten können. [zweites natürliches Gesetz] … sobald seine Ruhe und Selbsterhaltung gesichert ist, muß jeder auch von seinem Recht auf alles – vorausgesetzt, daß andere dazu auch bereit sind – abgehen und mit der Freiheit zufrieden sein, die er den übrigen eingeräumt wissen will.“ (Hobbes: Leviathan (Teil I., Kap. 14))
  • Aus Grundüberlegungen leitet er „natürliche Gesetze“ ab
  • Erstes Gesetz: keine natürliche Unterschiede zwischen Menschen, dadurch alle ein Recht auf alles
  • Zweites Gesetz: Wenn man Ruhe und Selbsterhaltung haben will, muss man auf Recht auf alles verzichten. Das tut man nur dann, wenn andere auch darauf verzichten

1. Gesellschaftliche Anlässe - Problembezüge

  • England: Bürgerkrieg 1642-49 zwischen König (Charles I.) und Parlament (Unterhaus), Absolutismus versus Republikanismus.
  • Zugleich auch Konflikt zwischen Anglikanern, Katholiken, Presbyterianern und Puritanern o Bürgerkrieg auch Konfessionskrieg o → Erosion vorheriger Legitimationen der sozialen und politischen Ordnung (dynastische Legitimität des Königtums, religiös begründet) in Interessenskonflikten der Parteien und im Streit der Konfessionen
  • Auf dem Kontinent: Dreißigjähriger Krieg (1618-48), katholische Liga versus protestantische Union, Kampf um Vorherrschaft in Europa, Schweden wird Großmacht, Deutschen Länder sind Schlachtfeld, Frankreich unterstützt Katholiken
  • Naturzustand: reale Urszene, Konstruktion, welche impliziten (gesellschaftliche voraussetzungsvollen) Annahmen darin? o Gab Bürgerkrieg in England, 30-Jährige Krieg auf dem Kontinent aber Naturzustand ist eine Konstruktion

4. Einordnung in die Geschichte der Soziologie

  • Wie ist soziale Ordnung möglich? o Frage von Hobbes die von vielen Theoretiker*innen wieder aufgenommen wird o Setzt voraus das soziale Ordnung nicht selbstverständlich gibt, fragt wie es zu den Mustern des gesellschaftlichen Zusammenleben kommt (z.B. bei Parson oder Luhmann) o Aufnahme der Hobbes’schen Frage: soziale Ordnung als nicht-naturgegeben (Eintrittsdenken in Soziologie)
  • Verschiebung der Fragestellung im Vergleich zu Hobbes: statt Legitimation sozialer Ordnung Frage danach wie sich soziale Ordnung reproduziert o Frage der Reproduktion der sozialen Ordnung (z.B. Bourdieu)
  • Hobbes „entdeckt“ die Gesellschaft (als Gegensatz zu einem vorgesellschaftlichen Naturzustand) als etwas, dessen der Mensch bedarf und dass er zugleich selbst erzeugen muss o Gegenüberstellung Natur und Kultur
  • „Gesellschaft“ ist nicht natürlich gegeben, aber zur Selbsterhaltung nötig → der Mensch muss die Bedingungen seines (Über-)Lebens selbst ermöglichen

5. Anschlüsse späterer Theorien (Theoriebezüge)

  • A. Frühe Gesellschaftstheorien: o (Gesellschafts-)Vertrag und Naturzustand als Gründungsszenarien sozialer Ordnung: Locke, Rousseau o Individualistische Prämisse auch in den beim Ökonomischen ansetzenden Theorien (Smith, Utilitarismus) ▪ Marx kritisiert dies als „bürgerliche Ideologie“ → Frage nach den gesellschaftlichen Bedingungen das individualistischen Gesellschaftstheorien entstehen
  • B. Soziologie: Wie ist soziale Ordnung möglich? o Z.B. Durkheim: Anomie als krisenhafter Übergang zur modernen Gesellschaft, wie ist gesellschaftlicher Zusammenhalt (Solidarität) möglich? o Z.B. Goffman: Wie stellt sich in jeder Interaktionssituation soziale Ordnung (wieder) her? o Z.B. Luhmann: wie erhalten sich soziale, d.h. aus Kommunikation bestehende Systeme selbst (wie wird Anschlusskommunikation gewährleistet?)

Vorlesung 3

Vertragstheorien zu Eigentum – Überblick und Einordnung

Zur Aufklärung im 18. Jahrhundert

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“ „Es ist also für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten. […] Daß aber ein Publikum sich selbst aufkläre, ist eher möglich, ja es ist, wenn man ihm nur Freiheit lässt, beinahe unausbleiblich.“ (Kant: „Was ist Aufklärung“, 1784)

  • Kant versucht Rückblick auf die Zeit o Verständnis der Aufklärung hat Appellfunktion im Vergleich zu vorhergegangen Theorien „Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ o Bei Kant wird das Publikum als ein Resonanzraum der Theorien der Gesellschaft aufgefasst und so können die Theorien bei dem Publikum zu einer Veränderung führen
  • Kant definiert „Aufklärung“ am Ende des 18. Jhds. im Rückblick. Er erfasst damit eine im 18. Jahrhundert ausgehend von Frankreich und England sich verbreitende intellektuelle Haltung: o Die Wissenschaft vom Menschen soll wie die Wissenschaft der Natur allein auf Vernunft und Erfahrung aufbauen ▪ Absetzbewegung von älteren Theorien o Unwissenheit, Aberglaube, theologische Dogmen soll durch freien Gedankenaustausch, Erziehung und Wissenschaft überwunden werden o Ziele: Fortschritt und Emanzipation, Zivilisierung und Humanismus
  • „Querelle des Anciens et des Modernes“ (Streit der Antiken und den Modernen, eigtl. Kunststreit): Antike ist nicht mehr Vorbild, die Gegenwart (des 18. Jhds.) wird als Etappe in einer auf die offene Zukunft gerichteten Geschichte angesehen o Humanisten wollten Wissen der Antike wiedergewinnen (Renaissance s. Machiavelli) o Moderne soll Antike übertreffen, soll sich auf offene Zukunft richten, als Orientierungsrichtung, Moderne soll sich aus sich selbst heraus orientieren → Neuorientierung
  • Soziale Trägergruppen der Aufklärung : Gebildete aus Adel und Bürgertum o Ständische Grenzen zwischen Adel und Bürgertum verwischen in den Salons der Aufklärung immer mehr
  • Starkes Wachstum von Publikationen (Bücher, Zeitschriften) und lesendem Publikum, Salons als Orte des Austauschs o Wichtiges Aufklärungswerk: Enzyklopädie (Versammlung des Weltwissens)
  • Starke Ausdehnung der wissenschaftlichen Korrespondenz o Sehr großes Netzwerk an Briefen durch ganz Europa (v.a. England und Frankreich, bisschen Deutschland) und teilweise darüber hinaus
  • Selbstverständnis: „philosophes“, noch keine Etablierung wissenschaftlicher Disziplinen, sondern breite Orientierung an versch. Fragestellungen: o Rechtliche, psychologische, historische, ökonomische, geografische, ethnologische und soziologische Fragen werden zusammen behandelt